Читать книгу DIE VERGESSENE KATHEDRALE (Die Ritter des Vatikan 7) - Rick Jones - Страница 12
Kapitel 6
ОглавлениеAls der Attentäter das Wort ergriff, tat er es auf eine seltsam flache und monotone Weise. Als er Kimball ansah, konnte dieser erkennen, dass die Pupillen des Mannes nur Stecknadelkopf groß waren. Damit sollte verhindert werden, dass durch sie irgendetwas in seine Gedankenwelt eindringen konnte.
Kimball trat jetzt einen Schritt nach vorn und neigte den Kopf zur Seite, so als versuche er, die Wirklichkeit dieser Situation zu begreifen.
»Pinchas«, war alles, was er sagen konnte.
Doch der Attentäter blieb schweigend sitzen.
»Wieso?«, fragte Kimball fassungslos.
Pinchas beugte sich nach vorn. »Seine Tötung wurde mir von den Meistern befohlen«, antwortete er gleichgültig. Dann kehrte er sofort wieder in seine meditative Haltung zurück.
»Von wem?«
Pinchas schwieg erneut.
»Du bist vor drei Jahren an Bord der Shepherd One gewesen«, sagte Kimball verwirrt. »Das Flugzeug stürzte ab, und seitdem galten alle Personen an Bord als vermisst.«
Pinchas wirkte, als hätte er ihn gar nicht gehört, er schien komplett abwesend zu sein.
»Pinchas!«
Der Attentäter verharrte weiterhin regungslos in seiner sitzenden Haltung.
Als Kimball drohend einen Schritt auf ihn zu trat, reagierte Pinchas darauf, indem er seine Fäuste ballte. Kimball hielt sofort inne. Pinchas war ein erprobter Kämpfer, ein Vatikanritter mit außerordentlichen Fähigkeiten, an die nur wenige heranreichten. Die Tatsache, dass eine handfeste Auseinandersetzung in den Räumen der Vatikanpolizei nicht erlaubt war, trug nur noch mehr dazu bei, dass sich Kimballs Zorn weiter aufbaute.
»Rede mit mir, Pinchas! Wieso sollte jemand Bonasero umbringen wollen? Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!« Und wo zur Hölle hast in den letzten drei Jahren gesteckt?
So viele Fragen, auf die es keine Antwort zu geben schien.
»Pinchas!«
Der Attentäter schloss nun die Augen und flüsterte: »Die ehrwürdigen Meister.«
»Wer sind diese Meister, von denen du die ganze Zeit erzählst?« Die Frustration in Kimballs Stimme war jetzt so offenkundig, dass er schließlich von Pater Auciello hinausgeschickt werden musste.
Nachdem sich die Tür hinter ihnen beiden geschlossen hatte, sah Pater Auciello an Kimballs Gesichtszügen, wie der Zorn mehr und mehr die Kontrolle über ihn übernahm.
»Das ist nicht Pinchas«, erklärte der Priester ruhig.
»Natürlich ist das Pinchas.«
»Nein, Kimball. Der Pinchas, den wir kannten, ist verschwunden. Dieser Mann dort drin«, sagte er und deutete auf die Zelle, »ist nur ein Faksimile des Mannes, den wir einst kannten.«
»Was zur Hölle soll das denn nun schon wieder bedeuten?«
»Während der drei Jahre, seit das Flugzeug abgestürzt ist, muss ihm irgendetwas widerfahren sein. Wir waren der festen Überzeugung, dass alle bei dem Absturz umgekommen sind, und das mag wahrscheinlich auch für die meisten von ihnen gelten. Pinchas ist hier, weil ihn jemand ausgesandt hat, Bonasero zu töten, und Pinchas wäre niemals in der Lage gewesen, so etwas zu tun, es sei denn, man hat seinen Verstand vollkommen neu kalibriert.«
Nun dämmerte es Kimball endlich. »Er ist nur noch eine willenlose Hülle.«
Auciello nickte. »Er erkennt Gesichter wieder, er weiß, wer du bist, gleichzeitig verhält er sich aber extrem distanziert und ist auf offensichtliche Weise absolut teilnahmslos. Als die Shepherd One verschwunden ist, befanden sich insgesamt sechs Vatikanritter an Bord. Und sechs Vatikanritter sind eine Macht, mit der man rechnen muss, Kimball.«
»Du meinst, er ist vielleicht nicht allein hier?«
Auciello zuckte mit den Schultern. »Das ist die große Frage, nicht wahr? Schließlich wissen wir nicht, was mit Pinchas oder den anderen an Bord dieses Flugzeugs geschehen ist. Wir wissen nicht, ob sie tot sind oder noch am Leben, oder was ihnen passiert sein könnte. Doch Pinchas Auftauchen löst unweigerlich den Gedanken in mir aus: Wenn einer von ihnen hier ist …«
»… gibt es vielleicht noch weitere«, beendete Kimball seinen Satz.
»Kimball, dort draußen könnten sich noch fünf weitere Vatikanritter befinden, die wie Pinchas von dem Willen angetrieben werden, Bonasero zu töten … und nur diese seltsamen ehrwürdigen Meister, von denen Pinchas die ganze Zeit spricht, kennen den Grund dafür.«
Fünf Vatikanritter, überlegte Kimball schockiert. Fünf der besten Soldaten, die die Welt zu bieten hatte … noch dazu waren sie alle einmal Teil der vatikanischen Familie gewesen. »Wie bringt man es fertig, die eigene Familie auszuschalten?«, flüsterte er, mehr zu sich selbst.
Doch Pater Auciello antwortete ihm trotzdem. »Ganz genau.«
»Aber momentan spekulieren wir ja nur«, wandte Kimball ein.
»Das stimmt. Aber wir dürfen dennoch nicht untätig bleiben. Bonasero ist noch am Leben, auch wenn dieses gerade am seidenen Faden hängt. Wer kann wissen, ob dort draußen nicht noch mehr abtrünnige Vatikanritter lauern und darauf warten, das Werk von Pinchas zu vollenden?«
Mit einem plötzlichen Anflug von Eile sagte Kimball: »Bringt mich ins Gemelli. Sofort!«