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Kapitel 1

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Die Shepherd One war das persönliche Flugzeug des Papstes, auch wenn dies nicht ihr eigentlicher Name war. Ursprünglich war es ein umgebautes Passagierflugzeug der Alitalia gewesen, welches der Vatikan zum Transport von Mitgliedern der Kirche beanspruchte. Shepherd One war der Rufname, wenn das Flugzeug irgendwo startete oder zur Landung ansetzte.

An Bord befanden sich momentan vierzehn Kardinäle, die in verschiedene lateinamerikanische Länder abberufen worden waren, die von großer Armut gebeutelt wurden. Es war die Vision von Papst Pius XIV, mehr Gewicht auf die Arbeit in den Nationen und Gemeinschaften zu legen, die jegliche Hoffnung verloren hatten und den Leuten dort den Glauben an Gott zurückgeben, weil dieser dort kaum oder gar nicht existierte. Ganz besonders in den Favelas, wo Gott im Herzen der Menschen mittlerweile gänzlich abwesend zu sein schien.

Da Lateinamerika als erzkatholisch galt, sah Papst Pius dies als absolute Notwendigkeit an. Vierzehn Staaten befanden sich aktuell am Rande der Verzweiflung, und vierzehn Kardinäle sollten deshalb dabei helfen, diesen wieder Hoffnung zu schenken.

Bei ihnen befanden sich sechs Soldaten der Vatikanritter. Eine Eliteeinheit aus den besten Kämpfern der gesamten Welt, mit dem Auftrag, jenen zu helfen, die sich nicht selbst helfen konnten. Männer von reinem Wesen und hoher Moral. Sie dienten ausschließlich der Kirche, beschützten ihre Souveränität, ihre Interessen und das Wohlergehen ihrer Bürger.

So wie bei allen Vatikanrittern waren ihre Namen heiligen Texten entlehnt, Decknamen, die ihre eigentliche Identität verbergen sollten und zu dem Weiheritual gehörten, bei dem sie ein ehrenvolles Mitglied der Kirche wurden. Im hinteren Teil des Flugzeuges saßen Kish, Mordechai, Eli und Jakob, Pinchas und Zadok – Namen aus dem Alten Testament, und zugleich Namen, die sie alle als Brüder identifizierten.

Als die Shepherd One Brasilien überflog, konnten sie durch ihre Fenster auf das Dach des Dschungels blicken, das üppig und satt und ohne jede Unterbrechung war. Ein tropischer Regenwald, der scheinbar endlos bis zum Horizont zu reichen schien.

Schon bald würden sie ihren Ankunftsort erreichen, und von dort aus würden sich die Kardinäle, in mitgenommen aussehenden Fahrzeugen, die aber für diese holprigen Straßen gerüstet waren, in alle Himmelsrichtungen verstreuen. Die Vatikanritter würden währenddessen für paramilitärischen Schutz sorgen und die Abgesandten sicher durch die von Banditen und Mördern kontrollierten Gebiete begleiten.

Als die Shepherd One plötzlich stark nach Süden abdrehte, obwohl ihr Kurs sie eigentlich geradewegs nach Westen hätte führen sollen, wurde Kish sofort misstrauisch. Er wandte sich zu Mordechai, der neben ihm saß und gerade in einem Magazin blätterte. »Wieso drehen wir ab?«, fragte er.

Mordechai ließ die Zeitschrift sinken und sah aus dem Fenster, während das Flugzeug eine Kurve flog. Außer dem Dschungel war jedoch nichts Ungewöhnliches zu sehen, deshalb zuckte er mit den Schultern. »Da bin ich überfragt.« Kurz darauf widmete er sich wieder seinem Magazin.

Kish, der als Pilot in Afghanistan und Pakistan gedient hatte, spürte allerdings, dass etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Der kürzeste Abstand zwischen zwei Punkten war immer eine gerade Linie. Wieso hatten sie also den Kurs geändert? Wieso flogen sie plötzlich nach Westen, anstatt nach Süden?

Dann wurde das Flugzeug plötzlich durchgerüttelt.

Sehr stark durchgerüttelt.

Die Piloten der Shepherd One waren für gewöhnlich begnadete Flugzeugführer aus Italiens renommierter Aeronautica Militare, der italienischen Luftwaffe, und speziell dafür ausgewählt worden, das Flugzeug des Vatikan zu fliegen.

Enzio Colombo, der seit zwanzig Jahren der Aeronautica Militare diente, war der heutige Chefpilot, und wurde von Vincenzo Palumbo, dem Co-Piloten, unterstützt. Obwohl Palumbo einige Jahre jünger war, war auch er ein äußerst erfahrener Veteran.

Nachdem sie etwa die Hälfte des Fluges nach Brasilien hinter sich gebracht hatten, hörte Enzio plötzlich Stimmen, die ihm eine bestimmte Richtung zu weisen schienen. Er drehte sich zu Palumbo, doch dieser schien sie nicht zu hören. Er blickte daraufhin auf seine Hände hinunter, die den Steuerknüppel so fest umklammerten, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Irgendwann waren die Stimmen wieder verschwunden.

Doch kurz darauf veränderte sich Enzios Benehmen. Er schien plötzlich von einer unbeugsamen Entschlossenheit beherrscht zu werden. Er öffnete seinen Sicherheitsgurt, stand auf und legte Palumbo eine Hand auf die Schulter. »Ich bin gleich wieder zurück«, sagte er zu ihm. »Kommst du solange allein klar?«

Palumbo hob den Daumen und übernahm die Steuerung des Flugzeugs.

Enzio nickte kurz, dann verließ er das gepanzerte Cockpit und begab sich auf die Bordtoilette. Nachdem er die Toilettentür von innen verschlossen hatte, wühlte er so lange im Abfalleimer herum, bis er einen schmutzigen Lappen fand, in dem etwas eingewickelt war. Er legte ihn in das Waschbecken und schlug vorsichtig den Stoff zurück, unter dem eine Pistole mit einem Schalldämpfer zum Vorschein kam.

Er betrachtete kurz sein Spiegelbild. Seine Augen wirkten seltsam abwesend, aber sein Verstand wusste ganz genau, dass ihm eine Mission aufgetragen worden war, die es nun zu erfüllen galt. Mit der Waffe, die er gegen den Oberschenkel presste, verließ Enzio die Toilette und kehrte ins Cockpit zurück, wo er sorgsam die Tür hinter sich verriegelte. Sein Co-Pilot sah gerade angestrengt nach vorn, sodass sich sein Hinterkopf praktisch als Zielscheibe anzubieten schien, als Enzio die Waffe hob und den Abzug betätigte. Die Pistole gab lediglich ein gedämpftes Husten von sich und spie dabei eine kleinkalibrige Kugel aus, die in Palumbos Schädel einschlug und ihn auf der Stelle tötete.

Enzio setzte sich anschließend auf seinen Platz, schnallte sich wieder an und schwenkte dann den Steuerknüppel nach rechts, was das Flugzeug dazu veranlasste, leicht nach Westen abzudrehen.

Erneut hörte er die Stimmen und das geisterhafte Flüstern.

Sie sagten ihm, was er zu tun hatte.

Mit leerem Blick schob Enzio den Steuerknüppel nach vorn und dann nach unten. Die plötzliche Bewegung ließ das Flugzeug erzittern, da dieses jetzt gegen den starken Wind ankämpfen musste und dabei schnell an Höhe verlor. Je näher es dem Blätterdach des Dschungels kam, desto stärker erzitterte das Flugzeug.

Zwölf Sekunden später verschwand die Shepherd One vom Radar. Über die Funkgeräte war noch kurz ein statisches Rauschen zu hören, dann verstummte auch dieses.

Die spätere Suche nach dem Flugzeug blieb ergebnislos. Es gab keinerlei Trümmer, keinen Rauch, kein Feuer und auch keine Schneisen, die die abstürzende Maschine in den Dschungel getrieben hatte.

Die Shepherd One war einfach komplett vom Erdboden verschwunden.

DIE VERGESSENE KATHEDRALE (Die Ritter des Vatikan 7)

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