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Kapitel 3

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Rom

Die beiden Männer, die in einem kleinen Lokal etwa zwei Kilometer westlich der Vatikanstadt saßen, schienen vollkommen emotionslos zu sein. Ihre Bewegungen wirkten seltsam automatisiert und einstudiert, beinahe steif, wie die alter Männer. Sie waren allerdings erst Ende zwanzig und von kräftiger Statur, mit schlanken, muskulösen Körpern.

In ihren Köpfen hörten sie tiefe Stimmen, die sie führten und anleiteten. Das Flüstern und Raunen in den leisen deutschen Worten motivierte sie eher, als dass es sie behinderte.

Die Männer saßen zwar getrennt voneinander da, waren sich der Anwesenheit des jeweils anderen jedoch bewusst. In etwa fünfzehn Minuten würden sie sich in die Vatikanstadt begeben, um dort der jeden Mittwochvormittag stattfindenden Papstaudienz beizuwohnen, und wenn der richtige Moment gekommen war, würden sie ein Attentat auf den Papst verüben.

Der Mann, der näher an der Tür saß, griff jetzt in seine Manteltasche und zog eine Pistole aus einem speziellen Hartplastikgemisch hervor, die für Metalldetektoren unsichtbar war. Sie war in der Lage, zwei Kugeln zu fassen, deren Patronenhülsen und Zünder zu geringe Mengen Metall enthielten, um die Sensoren anschlagen zu lassen. Zwei Kugeln verringerten aber natürlich ihre Erfolgsaussichten, denn somit besaß er nur zwei Chancen, einen tödlichen Schuss abzugeben.

Er überprüfte die Waffe unauffällig, indem er den Schlitten zurückzog und die eine Kugel in die Kammer lud. Wenn die erste Kugel abgefeuert worden war, würde sich die zweite selbst nachladen.

Nachdem er die Waffe wieder in seiner Jacke verstaut hatte, blickte er hoch und sah, dass der zweite Mann seine Waffe ebenfalls unter dem Tisch durchlud. Mit einem leichten Kopfnicken, das bestätigte, dass alles nach Plan verlief, stand der Mann an der Tür auf, warf ein paar Euroscheine auf den Tisch und verließ das Lokal.

Weniger als eine Minute später folgte ihm sein Komplize.

***

Bonasero Vessucci, besser bekannt unter dem Namen Papst Pius XIV, zog gerade eine traditionelle weiße Mozetta an und legte einen Schulterkragen mit der dazu passenden Kappe an, der Zucchetto, wobei ihm mehrere Bischöfe halfen.

Bonasero bereitete sich damit für die päpstliche Audienz vor, bei der er immer vor die Menschen trat, die sich auf dem Petersplatz versammelt hatten. Durch die geöffneten Türen, die auf den päpstlichen Balkon hinausführten, konnte er bereits das Stimmengewirr der wartenden Massen hören.

»Ein wirklich wunderschöner Tag«, sagte einer der Bischöfe, der gerade eine Falte der Mozetta glattstrich. »Nicht eine einzige Wolke ist am Himmel zu sehen. Aber es ist sehr schwül.«

Bonasero lächelte. Er genoss die Audienzen und das Bedürfnis der Menschen, Gott ein wenig näher zu sein, indem sie den höchsten christlichen Thron besuchten, sehr. Er liebte es, diesem Wunsch zu entsprechen, denn auf diese Weise konnte er jedem der Anwesenden einen unvergesslichen Moment bescheren. »In meinem Alter ist jeder Tag ein wunderschöner Tag, Alberico«, scherzte der Pontifex.

Der Bischof quittierte diesen Scherz mit einem sanften Lächeln. Nachdem er einen Schritt zurückgetreten war, um die päpstliche Tracht noch einmal in der Gesamtheit zu begutachten, nickte er zufrieden. »Sie sind bereit, Eure Heiligkeit. Der Sicherheitsdienst wird Sie jetzt zu Ihrem Mobil bringen.«

Bonasero streckte die Hand aus und ergriff dankbar den Arm des Bischofs. »Danke, Alberico. Bitte sorgen Sie dafür, dass bei meiner Rückkehr alles bereit ist.«

Der Bischof verbeugte sich leicht. »Natürlich, Eure Heiligkeit.«

Als der Papst vor seine Kammer trat, wurde er sofort von der vatikanischen Sicherheit umringt, allesamt kräftig aussehende Männer in scharlachroten Jacken, schwarzen Hosen, Krawatte und einem blütenweißen Hemd. Auf der Brusttasche der Jacken war das Logo des Vatikan eingestickt, die beiden sich kreuzenden Schlüssel Petri unter der päpstlichen Tiara.

Sie liefen im Schritttempo des Pontifex, welches sich in den letzten Monaten dramatisch verlangsamt hatte, gemeinsam zu dem Fuhrpark, wo das Papstmobil bereits auf sie wartete – eine Mercedes-Benz-Limousine ohne weitere Schutzvorrichtungen.

Nachdem sie dem Papst auf die Rückbank geholfen hatten, klopfte einer der Sicherheitsleute mit der flachen Hand auf das Wagendach, als Zeichen für den Fahrer, dass sie nun startbereit waren. Langsam rollte der Fahrer auf das Ausfalltor zu und begann danach seine weitläufige Runde über den Petersplatz.

Sobald das Papstmobil in Sichtweite war, begannen die Massen zu jubeln.

***

In diesem Moment trennten sich die beiden Männer und schienen kurz darauf darum zu wetteifern, wer den besten Platz an der Absperrung nahe der Route ergatterte.

Einer von ihnen positionierte sich als erster Schütze etwa in der Mitte der Strecke. Der zweite Mann ging im hinteren Drittel in Position. Sollte der erste Schütze sein Ziel verfehlen, würde er eingreifen. Er würde vor das Fahrzeug springen, eine Kugel in den Fahrer pumpen und danach mit dem letzten Schuss meisterhaft die Brust des Pontifex treffen und ihn töten.

Sie hatten dieses Szenario im Dschungel von Brasilien wieder und wieder einstudiert, bis es ihnen völlig in Fleisch und Blut übergegangen war.

Sie standen an der Seitenlinie, starrten ausdruckslos vor sich hin und lauschten dabei den Befehlen der Stimmen in ihrem Kopf. Als das Papstmobil das erste Viertel des Weges zurückgelegt hatte, zog der erste Schütze unauffällig die Spezialanfertigung seiner Pistole hervor, hielt sie verborgen an seiner Seite und wartete.

Langsam kam das Fahrzeug immer näher. Die Menge jubelte laut, als der Pontifex sie segnete. Doch der Schütze blieb weiterhin ruhig. Seine Miene verriet nichts, weder Aufregung noch Euphorie, nur das absolute Minimum an Emotionen.

Der Papst winkte der Menge zu.

Der Wagen rollte näher.

Der Attentäter krümmte seinen Finger um den Abzug.

Noch zehn Meter.

Der Mann trat einen Schritt nach vorn.

Noch fünf Meter.

Das Flüstern in seinem Kopf war jetzt laut und deutlich zu hören. Worte, die forderten: Töte ihn!

Als der Wagen nur noch drei Meter entfernt war, zog der Attentäter dem Mann der Vatikanpolizei vor sich den Pistolengriff über den Schädel, was den Mann lautlos zusammenbrechen ließ, dann trat er in die Mitte der Fahrbahn, zielte auf den Fahrer und zog den Abzug zurück.

Die Kugel durchschlug die Windschutzscheibe, wo sie ein Loch in der Größe eines Fünf-Cent-Stückes hinterließ, das von spinnwebartigen Rissen umgeben war. Dadurch wurde die Kugel allerdings leicht abgelenkt und traf den Fahrer kurz unterhalb des Schlüsselbeins. Ein roter Nebel sprühte aus der Wunde. Als der Attentäter auf die Brust des Pontifex ansetzen wollte, um den tödlichen Schuss abzugeben, beschleunigte der Fahrer den Wagen, und der plötzliche Ruck sorgte dafür, dass der Papst das Gleichgewicht verlor. Trotzdem fand der zweite Schuss sein Ziel. Auf der weißen Mozetta des Papstes breitete sich kurz darauf ganz in der Nähe seines Herzens ein roter Fleck aus.

Die Menschen begannen zu schreien.

Der Schütze wurde von der Vatikanpolizei überwältigt, die ihn hastig entwaffneten und sich dann wie Haie auf einen verwundeten Fisch stürzten.

Doch der Attentäter verzog bei alldem keine Miene. Sein Blick war abwesend und seltsam leer. Als er auf dem Boden lag, sah er dem Fahrzeug hinterher, welches nun mit hohem Tempo davonfuhr. Danach blickte er zu seinem Mittäter hinüber, der ihm jedoch keinerlei Beachtung schenkte, sondern sich regungslos abwandte und in der Menge verschwand.

Nachdem man den Mann in Handschellen gelegt und auf die Beine gehoben hatte, entluden sich die Beschimpfungen der versammelten Menge auf ihn, und plötzlich wurde ihm etwas bewusst: Die Stimmen in seinem Kopf waren auf einmal verschwunden.

***

»Sein Blutdruck fällt, und alle anderen Vitalwerte ebenfalls«, rief der Rettungssanitäter panisch.

Bonasero Vessucci wurde so schnell es ging ins Gemelli-Krankenhaus in Rom gebracht. Seine Mozetta war aufgeschnitten worden, um das Geldstück-große Loch in seiner Brust freilegen zu können, das immer noch unablässig blutete und die ganze Zeit mit Mullkompressen abgetupft werden musste, um die Wunde sauber zu halten. Die unzähligen Geräte, die überwachen sollten, wie es um sein Leben bestellt war, zeigten allesamt an, dass es mit ihm zu Ende ging. Sein Gesicht war aufgrund des Blutverlustes bereits leichenblass und seine Lungen konnten nur noch mühsam Luft einsaugen.

Als der Krankenwagen schleudernd um eine Kurve bog, schien der Papst laut aufzuseufzen, als würde er große Schmerzen erleiden, doch er war bewusstlos und spürte daher nichts mehr, während ihm das Leben entglitt. Wenige Meter vor dem Eingang der Notaufnahme, als seine Rettung nur noch um Haaresbreite entfernt war, gab das EKG plötzlich einen anhaltenden, schrillen Heulton von sich.

Der Papst lag offiziell im Sterben.

***

Der zweite Attentäter stand jetzt inmitten einer fassungslosen, untröstlichen Menschenmenge hinter der Grenzlinie, die Rom von der Vatikanstadt trennte. Er zog ein Satellitentelefon hervor, das nicht größer als ein normales Handy war, und drückte nur eine Zahl auf dem Tastenfeld. Die deutsche Stimme am anderen Ende hörte sich weit entfernt und seltsam leer an.

»Ja?«

»Das Ziel wurde neutralisiert«, sagte der Attentäter in fließendem Deutsch.

»Kannst du das sicher bestätigen?«

»Ja, ich sah den Treffer. Obere Körperhälfte, nahe dem Herzen.«

»Bleib trotzdem in der Nähe, bis die Medien offiziell seinen Tod verkünden, und kehre erst dann nach Hause zurück.«

Der Attentäter beendete das Gespräch, steckte das Satellitentelefon in die Tasche und verschwand lautlos in der Menge.

DIE VERGESSENE KATHEDRALE (Die Ritter des Vatikan 7)

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