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KAPITEL 4

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Ben klappte den Deckel zu, als ob ihn jemand gesehen haben könnte. Sand wirbelte umher. Er fühlte sich töricht und sein Herz pochte, als er den Deckel erneut anhob. Zugleich prachtvoll und unwirklich, aber da lag es vor ihm. Mit dem zerbrochenen Ende seines Messers ritzte er mit Leichtigkeit eine dünne Linie in die weiche Oberfläche eines großen Goldbarrens. Er bemerkte ein undeutliches Motiv, das in jeden Barren gegossen war. Es sah wie ein grob skizzierter, schiefer Smiley aus. Als ob die fröhliche Ikone der Siebziger einen Schlaganfall erlitten hätte. Falls dies das Prägezeichen war, war es das eigenartigste und primitivste, das Ben sich vorstellen konnte. Er klaubte einen der leuchtenden Barren aus der Kiste. Mehr als zehn Kilo, schätzte er. Er hatte keine Ahnung, was es wert war, aber er wusste, es war ein Vermögen. Dann kam sein Verstand schliddernd zum Stehen wie ein Pick-up auf einer buckligen Schotterpiste. Er starrte auf die gesamte Ladung. Zwei Kisten hoch mal zwei Kisten breit mal fünf Kisten hintereinander entlang des Bootskiels. Zwanzig Kisten. Und alle konnten gefüllt sein wie diese. Unmöglich! Bens Haut kräuselte sich. Eidechsen rannten mit ihren scharfen, trockenen Klauen seine Wirbelsäule entlang.

Das Gefühl würde ihn wieder überkommen, sobald alle Kisten geöffnet und ihr Inhalt offenbart war. Denn eine enthielt eine Ladung, auf der ein größerer Fluch lag als auf dem Gold. Die heimtückische Fracht beinhaltete nicht den üblichen Strauß aus bunten Drähten, wie man es aus Fernsehfilmen kannte. Kein schwarzes Isolierband, keine Sprengkapseln, nicht mal ein Handyauslöser. Die Baupläne für diese Chaosmaschine fingen mit dem Periodensystem der Elemente an. Anders als seine konventionellen Kollegen würde diese isotopische Büchse der Pandora niemals ticken, solange kein Geigerzähler in der Nähe war. Doch Ben wusste bisher nichts davon.

Er ließ den Barren und die Brieftasche in seinen Sammelbeutel fallen, in dem er all die interessanten Fundsachen aus der Chesapeake Bay verstaute. Der Beutel war vorn an seinem Tauchgürtel befestigt. Das zusätzliche Gewicht zog an seinen Hüften. Ben nahm den Atemregler für einen Moment aus dem Mund, um die Kette mit den Schlüsseln über seinen Kopf zu ziehen. Er stieg auf das Deck des gesunkenen Schnellboots und stieß sich in Richtung Miss Dotsy ab. Erschöpfung kombiniert mit dem Extragewicht des Goldes machten aus der kurzen Strecke einen Kraftakt, als würde man die Niagarafälle hinaufschwimmen. Die Schlüssel klimperten auf seiner Brust. Bevor Bens Kopf die Oberfläche durchbrach, griff seine Hand bereits verzweifelt nach Miss Dotsys Schanzkleid. Ein Schraubstock spannte sich um Bens Arm, gleich über dem Ellbogen. Mit einer Wucht, die ihm beinahe die Schulter auskugelte, wurde er aus dem Wasser gehievt und landete auf Miss Dotsys Deck wie ein gegaffter Speerfisch. Dies war Knocker Ellis' Vorstellung davon, jemandem zur Hand zu gehen. Dann entspannten sich Knocker Ellis' drahtige Sehnen und knochenharte Muskeln unter seiner tiefbraunen Haut und gaben Ben frei. Er hatte schon lange akzeptiert, dass Ellis jeden Tag stundenlang Scheffelkörbe handhaben konnte, als würden sie nichts wiegen, trotz der Tatsache, dass sich sein Alter irgendwo nördlich der sechzig befand. Ben konnte seine Überraschung kaum verbergen, dass Ellis ihn mit gleicher Leichtigkeit aus dem Wasser wuchtete. Nicht zum ersten Mal suchte er Knocker Ellis' dunkle Augen nach Hinweisen ab, wer sein Austernsortierer wirklich war. Wie immer konnte er nichts in dessen ungerührtem Gesicht lesen, das sorgfältig arrangiert zu sein schien, um eine Lebenszeit voller Wunden zu verstecken.

Knocker Ellis war Richard Blackshaws einziges Crewmitglied und Sortierer seit über einem Jahrzehnt. Als Bens Vater verschwand, übernahm Ben das Kommando über die Miss Dotsy. Es war selbstverständlich und unbestritten, dass Knocker Ellis mit dem neuen Kapitän ausschiffen würde. Einen Moment lang fühlte es sich für Ben realer an, ergreifender, sich klarzumachen, dass es Ellis' früherer Boss war, anstatt Bens eigener Vaters, der nur wenige Meter unter Miss Dotsys Kiel trieb. Nach seinem wenig eleganten Einstieg spuckte Ben den Atemregler aus und schälte die Taucherbrille von seinem Gesicht. Er erinnerte sich, wie der Sortierer sich seinen Spitznamen verdient hatte, und beschloss, sich in Acht zu nehmen. Ellis hatte mal erzählt, dass er nach seinem Großvater benannt worden war. Als kleiner Junge hatte sein Großvater sich wohl als Krabbenklopfer für Pennies abgerackert, wobei er die breiten Oberschalen der Blaukrabben auskratzte, damit sie für die Restaurants mit losem Krabbenfleisch gefüllt werden konnten. Es war einer der wenigen Jobs, die einem schwarzen Jungen in jenen Tagen erlaubt waren. In Ellis' Fall hatte der Name Knocker genauso viel mit seinem Vorfahren zu tun wie sein mörderischer linker Kinnhaken. Der konnte einen Mann ungespitzt in den Boden rammen, so hatte es Ben gehört.

Knocker Ellis stellte den Kompressor aus, wickelte den Luftschlauch zu einer ordentlichen Rolle und zog die Kiste an Bord. Ellis schaute missbilligend auf den halb leeren Korb, sagte aber nichts. Und er erwähnte auch nicht die komischen Schlüssel, die von Bens Hals baumelten. Das war seine Art. Er sortierte schnell die wenigen Austern unterhalb der Vorschriftsgröße aus und warf sie wieder ins Wasser. Dann wanderte sein Blick zu den Wolken, die die Ausläufer von Polly ankündigten, dem nächsten Sturm, der sie ersäufen wollte. Er hielt immer ein wachsames Auge auf Sturmböen oder Luftwogen, die in der Bucht so plötzlich auftauchen konnten. Da Ben auf dem Meeresboden die Austerngrößen sehr gut selbst einschätzen konnte, bestand der Großteil seiner Arbeit darin, den Luftkompressor und den Bootsmotor zu pflegen. Ben versuchte, entspannt zu wirken. Was sollte er dem Mann erzählen, falls überhaupt? Er musste etwas sagen, wenigstens, um den schlechten Fang zu erklären. Ben griff in seinen Leinenbeutel und zog einen kleinen Block Pinienholz hervor, aus dem er zurzeit eine Stockente schnitzte. Er betrachtete das Holz genau, bevor er das rasiermesserscharf geschliffene Schnitzmesser zur Hand nahm. Aus irgendeinem Grund war die letzte Ente, die er kreiert hatte, mit einem dämlichen Grinsen herausgekommen, das eher an eine Disney-Figur erinnert hatte, als an irgendetwas Natürliches. Ellis schaute ihm zu.

Ohne seine Augen von dem hölzernen Vogel zu nehmen, log Ben: »Hatte 'nen Wadenkrampf.«

Knocker Ellis drehte sich um und checkte mit einer schwieligen, nackten Hand den glühend heißen Ölstab des Vierzylindermotors. Es kam selten vor, dass er den Mund aufmachte. Seine Haltung allein sagte: Kauf ich dir nicht ab. Ben wusste, dass er nicht umhinkam, Ellis einzuweihen. Von Rechtswegen hatte er genauso viel Anspruch auf einen Teil des Bergungsguts wie auf einen Teil des Austernfangs. Ben betrog niemals einen Freund, aber was war Ellis für ihn eigentlich genau? Bens Vater hatte ihm bedingungslos vertraut. Das war fünfzehn Jahre her. Wie Ben gerade erfahren musste, konnte bereits in fünfzehn Sekunden so viel passieren, dass es das Leben eines Mannes veränderte, ganz zu schweigen von fünfzehn Jahren. Er schabte einen hauchdünnen Holzspan vom Schnabel der Ente. Der Kringel segelte in der auffrischenden Brise davon.

Für Ben war dieses Gold ein letztes Vermächtnis seines Vaters. Natürlich ahnte er, dass es seinem Vater vermutlich nicht rechtmäßig gehört hatte, aber Besitz war neun Zehntel des Gesetzes. Die Frage blieb unterdessen, für wen war das Geschenk wirklich beabsichtigt gewesen? Nur für Ben? Für jeden auf Smith Island? Vielleicht war dieses Vermögen eine Rückzahlung für hundert Jahre schwerer Verluste, die Bens Familie und Nachbarn erleiden mussten. Im Jahr 1900 verbot die Lacey-Verfügung, ein frühes Gesetz im Eifer gut gemeinter Naturschutzbemühungen, seinen Ururgroßvätern, Wasservögel über die Staatsgrenzen hinweg zu verkaufen. Als dieses Gesetz weder den Appetit noch die Jagd auf Enten und Gänse eindämmen konnte, wurden ihre großkalibrigen Vogelflinten im Jahr 1910 von der Regierung konfisziert, weil sie immer noch zu effektiv waren. Wo die Inselbewohner einst genug Wasservögel erlegt hatten, um die Ostküste zu versorgen, waren sie nun auf Eigenbedarfsjagd mit kleineren Flinten beschränkt. Als wäre das noch nicht genug gewesen, wurde das Hauptjagdgebiet seiner Leute 1954 von der Naturschutzbehörde geschluckt und dem staatlichen Wildtierschutzgebiet im Norden zugefügt, was aus ehrlichen Männern Wilderer machte, falls magere Zeiten sie zwangen, in ihren alten Revieren zu jagen.

Heutzutage waren mehr als achtzehn Quadratkilometer tabu für die Inselschützen, angefangen in Sichtweite ihrer eigenen Haustüren. Als Wasserverschmutzung und Krankheiten durch Abflusswasser der Landwirtschaft und Überbauung von Eigentumswohnungen an den Küsten der Chesapeake Bay die Fisch-, Blaukrabben-, Austern- und Muschelbestände töteten, da weite Teile der Bucht zu sauerstoffarmen Todeszonen wurden, in denen nichts leben konnte, waren es Ben und seinesgleichen, die ihre Arbeitssaison kürzen mussten, damit die Fischerei überleben konnte. Wieder einmal wurden sie beschuldigt, zu effizient zu sein. Man vergaß gerne, dass Bens Verwandte in jedem Krieg des zwanzigsten Jahrhunderts für eine Regierung gekämpft und geblutet hatten und gestorben waren, die entschlossen schien, sie verhungern zu lassen. Ben selbst hatte mit Auszeichnung gedient.

Zwei weitere Schnitte von Bens Messer entlang des hölzernen Entenschnabels. Er war schon näher an der richtigen Form, aber irgendetwas stimmte noch nicht. Nein. Ben entschied, dass er das Gold nicht zurückgeben würde, wer auch immer es vor seinem Vater besessen hatte. Nicht, solange es ein wenig von dem Leid auf Smith und Tangier Island lindern konnte. Sicherlich nicht, solange Bens Vater ertrunken ein paar Meter unter ihm trieb. Nicht, solange Ben Luft holte.

Ein weiterer Schnitt mit dem Messer. Der Entenschnabel stimmte immer noch nicht. Ben wurde klar, warum er es hinauszögerte, Ellis über seinen Fund zu informieren. Solange Ben der Einzige blieb, der wusste, wo Dick Blackshaws Leiche war, hatte er mit seinem Vater eine düstere Vertrautheit im Tod gefunden, die ihnen im Leben lange gefehlt hatte. Sagte man jemand anderem, dass Dick Blackshaw tot war, sprach man die Worte auch nur zu einer anderen Person, so wurde die entfernte Wahrheit plötzlich real.

Lonesome George, ein halbzahmer Kanadareiher, segelte auf breiten Schwingen heran und beanspruchte seinen Ich-bin-der-König-der-Welt!-Posten auf Miss Dotsys Bug. Die gewiefte, majestätische Kreatur kannte Ben und Knocker Ellis als leichte Opfer. Er schnorrte täglich Almosen in Form von frisch aus der Schale gelösten Austern. Ellis nahm eine aus dem mageren Fang. Er hebelte sie flink mit dem Messer auf und ließ das zuckende Fleisch nach vorne schnellen. Lonesome George schnappte es sich mitten in der Luft, ruckte zweimal seinen Kopf, um den Happen in seinem Schnabel zu positionieren, und schluckte runter. Trotz eines heiseren Schreis, einem Zucken seines Brustgefieders und einem bettelnden gelben Auge gab Ellis dem fliegenden Schmarotzer danach nichts mehr. Ben stählte sich selbst, brachte es zur Sprache. »'n paar Probleme da unten.«

Knocker Ellis nickte, schien so was erwartet zu haben. Der große Mann wartete stumm darauf, dass Ben weitersprach.

»Der Sturm hat ein Boot versenkt. Da unten bei dem Austernfelsen. Nantucket Lance. Schönes Boot.«

Knocker Ellis dachte kurz nach. »Tuckets sinken nicht.« Diese drei Worte ließen den langatmigen Fidel Castro stumm erscheinen.

Ben kämpfte mit der Überraschung, Ellis so gesprächig zu erleben. Und Ellis hatte recht. Wie hatte Ben das übersehen können? All die Anzeigen und die Fernsehwerbung für die Nantucket Lance prahlten mit ihren geschlossenen Flotationskammern. Der Hersteller zersägte in einem Demonstrationsvideo den Rumpf auf einem See erbarmungslos in kleine Abschnitte, doch jedes Stück blieb über Wasser. Die Anzeigen waren erstaunlich und sicherlich überzeugend. Dennoch lag da ein unsinkbares Boot auf dem Grund der Chesapeake Bay. Und wieso trieb ein ertrunkener Mann mit einer einwandfreien Rettungsweste im Schlamm bei diesem Boot? Vielleicht war die Weste doch nicht ganz einwandfrei. Ben wollte es beim nächsten Tauchgang überprüfen.

Er schob die letzte Frage beiseite. »Ich weiß, was ich gesehen hab.« Anstatt seinen Verlust zu enthüllen, sprach er lieber den Gewinn an. »War nich' allzu viel Ladung.«

Knocker Ellis schaute ihn kritisch an. »So? Wie groß?«

»Siebeneinhalb Meter vielleicht. Mittelkonsole. Drei 250er-Mercurys. Könnte ein hübsches Sümmchen erzielen.«

Knocker Ellis kommunizierte für einen Moment mit seinem inneren Taschenrechner. »Müssen an die zweieinhalb Tonnen Ladung sein.« Er schüttelte den Kopf und lächelte leicht, als bewunderte er etwas, das Ben nicht verstehen konnte.

Ben fragte: »Willst du mir was erklären und vielleicht mal den undurchschaubaren, allwissenden Powerboot-Guru sein lassen?«

»Volllastkapazität«, sagte Ellis einfach.

Ben war genervt. »Ich rede von einem gesunkenen Boot, das nicht sinken sollte, und du klingst wie eine Gebrauchsanweisung.«

Ellis' Blick sagte alles. Ben fühlte sich wie ein Anfänger.

Ellis sprach, als würde er Allgemeinwissen zitieren: »Die Volllastkapazität einer siebeneinhalb-Meter-Nantucket-Lancer mit Mittelkonsole liegt bei zweieinhalb Tonnen. Sie wird nicht sinken, solange Ladung, Ausrüstung, Passagiere, Treibstoff und Wasser in der Plicht dieses Gewicht nicht übersteigen. Miss Dotsys Kapazität dürfte ein paar Hundert Kilo mehr betragen, einfach wegen ihrer Größe.« Das erklärte das Boot, aber nicht Knocker Ellis' plötzliche Belesenheit darüber.

In Erwartung von Bens Frage sagte Ellis: »Ich wollte selbst immer eine Lance, sollte ich es mir je leisten können, in den Ruhestand zu gehen. Also hab ich mich belesen.« Ellis nickte in Richtung des Stapels Scheffelkörbe, die Ben noch zu füllen hatte. »Ich muss sagen, der Ruhestand wird auf sich warten lassen, wenn du die Arbeit schmeißt, zum Krämpfekriegen, Schnitzen, Jammern und was weiß ich.«

Nachdem er sonst üblicherweise wochenlang schweigen konnte, war Ellis plötzlich redselig, scharfsinnig und besserwisserisch. Ben wurde klar, dass er diesen Mann überhaupt nicht kannte. »Vielleicht ist die goldene Uhr gar nicht so weit weg.«

Ellis wirkte interessiert. »Wie meinst du das?«

»Dazu komm' ich noch, aber du musst erst etwas anderes wissen.« Ben sah dem westlichen Horizont entgegen, um Ellis nicht in die Augen sehen zu müssen. »Der Kapitän ist mit dem Schiff untergegangen.«

Knocker Ellis verfiel wieder in sein Schlechte-Neuigkeiten-Schweigen. Ein langer, tiefer Atemzug. »Jemand, den du kennst?«

Bens Hände verkrampften sich. Das Messer schnitt tief. Der kleine Schnabel der Holzente brach ab. Ben und Ellis starrten auf die verstümmelte Schnitzfigur. Ben warf sie über Bord und sah zu, wie sie auf den Dünungen davon tanzte. »Du kanntest ihn länger als ich.«

Ellis schüttelte langsam den Kopf. War das die Bestätigung einer Vermutung oder einer Angst, dass etwas schiefgelaufen war? Ben war sich nicht sicher.

Ellis sah Ben in die Augen. »Ihr Blackshaws habt 'ne höllische Art und Weise, die Dinge anzupacken. Du glaubst, es ist dein Vater? Nach all der Zeit fern der Insel?«

»Wie ich sagte, es ist erst vor Kurzem gesunken. Der Sturm hat das Boot erwischt.«

Knocker Ellis hakte nach. »Sicher, dass du ihn wiedererkannt hast? Nach fünfzehn Jahren und ein paar Tagen auf dem Grund?«

»Der Leichnam, das Gesicht, ja, das war schrecklich anzusehen. Aber da ist diese Armeejacke. Die mochte er. Der Name daran ist falsch. Der Führerschein hatte auch einen ganz anderen Namen. Nicht überraschend. Er hätte seinen Eigenen schon lange geändert. Vielleicht mehr als einmal. Das Führerscheinfoto? Das war so hell wie der Tag. Es ist Paps. Älter, aber unverwechselbar. Hier, sieh selbst.«

Ben zog die Brieftasche aus seinem Sammelbeutel und reichte Ellis den Führerschein.

Ellis sah ihn sich mit zusammengekniffenen Augen an. Seine Schultern beugten sich, als wäre eine große Last auf sie gelegt worden. »Tut mir leid, Ben. War ein guter Mann.«

»Schätze schon. Solange er in der Nähe war.« Zorn blitzte in Knocker Ellis' Augen auf, als Ben den Führerschein zurücknahm.

Ellis griff nach dem Funkgerät in Miss Dotsys kleiner Kombüse. Er stellte Kanal 16 ein, die Frequenz, die von der Natur- und Wasserschutzpolizei abgehört wurde. Ben zog den Goldbarren aus seinem Sammelbeutel und legte ihn mit einem dumpfen Geräusch auf den Motorkasten.

Mit dem Rücken zu Ben nahm Ellis das Sprechgerät in die Hand. »Wir bringen das besser hinter uns. Melden das den Behörden. Der verdammte Sturm kommt zurück.«

»Knocker Ellis. Wir müssen reden.«

Ben schaffte es nicht, die Anspannung in seiner Stimme zu verbergen. Ellis drehte sich um, sah den goldenen Batzen und kniff die Augen zusammen. »Na so was, Ben. Worüber denn bloß?«

»Stell das Funkgerät ab.«

Ellis gehorchte. Er zog sogar das Stromkabel aus der Rückseite des Empfängers. Er wusste, dass ein klemmendes Sprechgerät anderen Seeleuten, die auf einer öffentlichen Frequenz mithörten, Stunden an Unterhaltung bieten konnte. Lockere Plauderei auf Sendung hatte sogar die Standorte von lange geheim gehaltenen Austernfelsen enthüllt. Es war Zeit für größere Sorgfalt.

Ellis wies mit dem Kopf auf den Goldbarren. »Ist das die Ladung, die du erwähnt hast?«

Ben nickte. Knocker Ellis näherte sich dem Motorkasten und strich langsam mit einem knorrigen Finger über das Gold. Als er lächelte, sah es aus, als würde sein goldener Eckzahn mit dem Barren kommunizieren, schimmernde Strahlen, die sich über Reichtum und Unheil austauschten.

Ellis räusperte sich. »Mehr davon da unten?«

Ben nickte wieder. »Hab zwanzig Kisten gezählt. Zwei mal sechs in jeder Kiste.«

»Meine Güte. Da haben wir aber mal tüchtig Schwein.« Knocker Ellis fuhr wieder den Computer in seinem Kopf hoch und rechnete los. »Zweihundertvierzig Barren. Eine Menge Gold, falls in jeder Kiste welches ist. Und hier ist ein Stempel. Vier-null-null o-z-t.«

Ben grübelte laut. »Okay, das sind vermutlich Feinunzen.«

Ellis fuhr mit seiner Rechnung fort. Und mit seinem Vortrag. »Zwölf Feinunzen sind ein Troy-Pfund. Ein schottisches Troy-Pfund hat sechzehn Feinunzen. Zumindest, wenn man nach der Gesellschaft der Goldschmiede der Stadt Edinburgh geht, spätes siebzehntes Jahrhundert. Vierhundert durch sechzehn sind glatte fünfundzwanzig imperiale Pfund. Das ist ein altes Maß. Altes Gold. Was ist mit dem Stempel? Wie ein Grinsegesicht, aber ein bisschen schief.«

Ben starrte seinen Sortierer an. »Du bist ziemlich gut informiert, Ellis. Aber sag nichts. Du hast dich über Investitionsgüter informiert für …«

»Für meinen Ruhestand, ja, Ben. Als Absicherung für schlechte Zeiten.« Ellis antwortete gelassen, aber die Warnung an Ben, nicht weiterzugraben, war deutlich.

»Da du so schön in Fahrt bist, würdest du eine Vermutung anstellen, wie viel eine Feinunze wert ist, sagen wir, gegen Ende des gestrigen Goldmarkts?«

Ellis kratzte sich am Kopf. »Weiß nicht. Wenn ich schätzen müsste …«

Ben verschränkte seine Arme. »Oh, bitte.«

»Das käme so auf 1732 Penunzen. Ist in letzter Zeit ziemlich schnell gestiegen, aber nicht so schnell wie Silber oder Palladium. Ist trotzdem eine ordentliche Absicherung, wenn der Aktienmarkt weich wird und mit Feiglingen und Betrügern durchlöchert ist. China und Indien sind die großen Goldmärkte, aber hauptsächlich für Schmuck. Da es immer ein paar Jahre dauert, neue Goldminen einzubringen, ist die Nachfrage für ein Weilchen ein bisschen höher als das Angebot, bevor sich der Preis stabilisiert, ganz zu schweigen von einer Korrektur nach unten. Aber nimm mich nicht beim Wort.«

Ben nahm den Goldbarren in die Hand und sprach leise: »Dieses kleine Ding ist sechshundertdreiundneunzigtausend Dollar wert?« Knocker Ellis lächelte. »Mehr oder weniger. Und du glaubst, davon sind noch mehr da unten?«

»Ja, ich würde sagen, ziemlich viele. Was geht hier vor sich, Ellis? Hinter jedem Wort von dir stecken noch ein halbes Dutzend mehr. Würdest du mich vielleicht aufklären?«

Nun war Ellis an der Reihe, gen Horizont zu sehen. »Ich würde sagen, wir haben Probleme. Und mit allem gebührlichen Respekt, wir haben auch einen Toten.«

»Der hält sich.«

Ellis Augenbrauen zuckten einen Millimeter nach oben, was bei ihm eine Zurschaustellung enormer Überraschung war. »Könnte tüchtig Ärger geben, falls wir das für uns behalten, Ben. Bußgelder. Deine Lizenz wäre weg. Laut Gesetz …«

Bens Stimme war fest. Seine Augen klar. »Das Gesetz ist gerade nicht an Bord. Ich beende die Austernsaison dieses Jahr etwas früher.«

Ellis sah wieder auf den Goldbarren und lächelte ein wenig. »Aye aye, Captain Blackshaw.«

Ben war sich sicher, dass Knocker Ellis mehr wusste, als er vorgab. In diesem Moment war die plötzliche Geschwätzigkeit des Sortierers die geringste der heutigen Überraschungen. Ben fühlte sich von den Geheimnissen derart umzingelt, wie das Wasser der Bucht hart und kalt von allen Seiten drücken konnte. Ging man zu tief, konnte es das Leben aus einem herauspressen.

DRECKIGES GOLD

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