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KAPITEL 1

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Ben Blackshaw tauchte in der Chesapeake Bay nach Austern, nicht nach Leichen. Die Novemberkälte ließ Tag für Tag jegliche Hoffnung auf Behaglichkeit um ein paar Grad mehr schwinden. Der Triebsand, in der Nachsaison aufgewirbelt von einem in einem Anfall von Kreativität von der Weltorganisation für Meteorologie Odette benannten Hurrikane, verschleierte seine Sicht. Es war schwierig, die Plastikobstkisten zu füllen, die an seinem Deadrise angeleint waren, einem flach aufgekimmten Austernboot, fünf Meter über ihm. Ein anderes Austernriff würde vielleicht bessere Ausbeute liefern. Er sah auf seine Uhr. Nicht die besten Aussichten. Da war kaum Zeit, aufzutauchen, das Boot wer weiß wie weit zu fahren und wieder runterzutauchen zu einem anderen Felsen, bevor es dunkel wurde. Luft strömte Ben durch den Schlauch von Miss Dotsys Kompressor zu, der in einem rissigen Atemregler endete, der zwischen seinen Zähnen klemmte. Die Luft, die durch diese alte Ausrüstung gepresst wurde, schmeckte, als hätte sie zuerst einen Sumpf passiert, bevor sie in seinem Mund ankam. Solch eine krude Ausstattung hätte auf Cousteaus Calypso vielleicht gallischen Spott von der Speedo-und-Wollmützen-Fraktion geerntet, aber sie brachte Ben hautnah an seinen Fang. Das war es, was er wollte. Austern von der Wasseroberfläche aus zu harken oder gar sie auszubaggern, funktionierte nur blind und war verdammt langsam. Die Austernsaison wurde jedes Jahr kürzer, da die Verschmutzung in der Bucht den Meeresfrüchtebestand abtötete. Ben musste Geld verdienen. Es gab da jemand Besonderes. Ben hatte Pläne. Bis zu dieser makabren Entdeckung lichtete sich der Triebsand viel zu langsam. Ben vertrieb sich die Zeit, die er wie so oft grabend und grapschend im frostigen Dunkel verbrachte, indem er Plastic Houses von Chester River Runoff summte, der einen Bluegrass-Band, die er wirklich mochte. Der Text wetterte gegen die heimtückische Zersiedelung der Vorstädte und sprach redegewandt Bens Humor an, der so böse war, wie das Wetter zu werden drohte, während der neue Sturm namens Polly den Süden auffrischte. Es schien, als würden die modernen Zeiten Ben zurücklassen, mit nur wenig Hoffnung, aufholen zu können, selbst wenn er gewollt hätte. Dann, wie aus dem Nichts, gab eine gefährliche Strömung Ben einen Schubs und spülte die schwebenden Ablagerungen fort, als wäre ein Vorhang gelüftet worden. Und da war er. Ein toter Mann. Offensichtlich ein Ertrunkener, der nahe der Kante des Austernfelsens trieb, die Zehen im Schlamm versunken wie für das letzte Gebet. Doch sein Gebet war wohl nicht erhört worden, wie das R-Gespräch nach Hause von jemandem, der seine Sippe einmal zu oft angeschnorrt hatte.

Die langen weißen Haare des Toten umwehten seinen Schädel wie ein Heiligenschein. Kleine Fische schossen zwischen seinen sanft wehenden Locken hindurch. Was Ben von dem Gesicht des Toten erkennen konnte, war erbleicht und aufgedunsen. Er war höchstens ein paar Tage hier unten. Das Wasser und seine Bewohner zersetzen einen Toten schnell und unschön. Asche zu Asche, Fleisch zu Fischfutter.

Eine Blaukrabbe dinierte an einer ausgestreckten Hand. Spatelförmige Krabbenbeine und die Fingerknochen des Toten winkten Ben zu. Komm näher. Ben hatte zuvor schon tote Menschen gesehen, hauptsächlich Kriegsopfer. Mehr Männer, als er zählen konnte, waren durch seine eigene Hand gestorben. Eine stolze Nation hatte ihm für jedes terminierte Ziel gedankt. Das war jedoch in einem anderen Land gewesen. Ein toter Soldat in einer fremden Wüste und ein aufgeschwemmter Mann in heimischen Gewässern waren nun wirklich zwei Paar Stiefel. Der Ertrunkene ließ Ben den bitteren Geschmack von Galle in den Rachen steigen. Solche Tragödien waren hier häufig genug. Normalerweise betrunkene Bootsfahrer im Sommer, aber es gab auch andere, die hier aus der Nähe kamen. Nicht zum ersten Mal dachte Ben über die Ironie nach. Auf Smith Island, wo er geboren und groß geworden war und wo er sich zu Hause wähnte, erkämpften sich viele Fischer mühsam ihren Lebensunterhalt in der Chesapeake Bay, hatten aber nie gelernt, darin zu schwimmen.

Wie auch immer Bens Gefühle bezüglich des menschlichen Daseins waren, dieser Tote war weniger eine Tragödie als eine Unterbrechung seiner Arbeit. Die rechtlichen Scherereien, die damit einhergingen, eine Leiche den entsprechenden Behörden zuzuführen, würden ihn in den nächsten Stunden und Tagen wertvolle Zeit auf dem Meeresboden kosten. Ben war hin- und hergerissen. Er sah wieder auf die Uhr und blickte in die beinahe leere Obstkiste. Er hätte vor zehn Minuten das Wasser verlassen und all das hier vermeiden können. Er konnte die Leiche und die mitgeführten Probleme immer noch zurücklassen und nach oben schwimmen, um woanders noch reichlich Austern zu fangen. Der Fang des Tages war insgesamt recht dürftig ausgefallen und würde noch nicht einmal die Spritkosten decken. Auftauchen und Verdienen oder einen Moment mehr investieren, um die wachsende Neugier zu stillen. Ben fragte sich, ob er den Mann kannte.

Den Luftschlauch hinter sich herziehend ruderte und schleppte er sich am Boden entlang auf die Überreste zu, wie Diver Dan, der bleifüßige TV-Helmtaucher aus den Sechzigern, dessen Wiederholungen er als Kind gesehen hatte. Mit jedem Schritt tauschte sein undichter, alter Taucheranzug das Wasser nah an seinem Körper gegen kalten, brackigen Schlamm. Ben wusste genau, was ein NFL-Trainer durchmachte, wenn nach einem gewonnenen Spiel der Eiskübel über seinem Kopf ausgeschüttet wird. Doch er hatte keine Umkleide mit heißer Dusche in der Nähe, und er hatte sicherlich keine jubelnden Fans. Die ersten Anzeichen von Unterkühlung waren hier unten Bens ständige Begleiter, und sie versuchten immer, ihn zu töten. Die zusammengefallene Rettungsweste eines Piloten flatterte um den Nacken des Toten und verdeckte das Meiste seines Gesichts. Das war Ben recht. Obwohl sie leicht aufgebauscht war, erkannte er die Jacke als eine alte, grüne Armeejacke. Nicht ungewöhnlich unter den Kriegsveteranen auf Smith Island. Irgendetwas aber war eigenartig daran. Ein Funke von Vertrautheit jagte durch Bens von Kälte gebeutelten Verstand. Seine Synapsen zündeten, aber doch das Timing stimmte nicht; wie ein alter, klappriger Motor, der dringend eine Überholung brauchte. Vielleicht war es ein Freund von ihm. Möglicherweise ein Nachbar. Gott bewahre, hoffentlich kein Verwandter. Von denen hatte er sowieso zu wenig. Dann, hinter der Schulter der Leiche, erblickte Ben das Wrack.

Nach weiterem Stapfen stand er in einem flachen Wirbel aus Triebsand am Bug einer wunderschönen Nantucket Lance. Des einen Freud … Sie war etwa siebeneinhalb Meter lang und viel schicker als seine Miss Dotsy. Bens uraltes Boot besaß die klassischen, schwungvollen Chesapeake-Linien, gefertigt aus Bootssperrholz. Sie wurde von einem Atomic-Four-Motor angetrieben, einem bescheidenen Vierzylinder, der Rauch spuckte, ratterte und fauchte; und obwohl laut und schmutzig, war er so zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk. Bei Vollgas schaffte Miss Dotsy höchstens zehn Knoten. Und das mit der Strömung. Die Fiberglasrakete, die vor ihm auf dem Meeresboden lag, hatte eine Mittelkonsole und drei große Mercury 225-Pro-XS-Motoren am Heckbalken. Viel zu viel Leistung für solch ein kleines Boot. Dieses Schätzchen würde wie ein geölter Blitz davonflitzen und wäre bei Vollgas kaum unter Kontrolle zu halten. Es war nicht wirklich ein Rennboot. Es war ein Schlepper, ein modernes Schmuggelboot.

Diesem Punkt wurde Nachdruck verliehen, als Ben eine Art Fracht festgezurrt unter einer Plane entdeckte. Mit seinem alten Tauchermesser schnitt er einen der Gurte durch, entfaltete eine Ecke der Plane und hob sie an. Das Wasser trübte sich mit Schlick und es dauerte einen Moment, bis die Sicht wieder klar wurde. Ben erblickte einen Haufen gestapelter Boxen. Oder Munitionskisten? Er konnte sich bei dem schlechten Licht nicht sicher sein. Aber was auch immer, es war nun Bergungsgut. Sein Bergungsgut. Des anderen Leid. Vielleicht war etwas altes Erbsilber in den Kisten. Oder wenigstens interessanter Trödel, den ein Sammler bei der nächsten Auktion in Crumpton begehren könnte. Er zielte mit seiner Tauchlampe auf die nächste Kiste. Der Riegel, die Scharniere, die üblichen Schwachpunkte lagen alle im Inneren. Das war eigenartig, aber na gut. Vielleicht würden die Kisten selbst ein Sümmchen einbringen. Er bohrte mit der Messerspitze im Schloss herum. Kein Glück. Das Schlüsselloch war ein flacher Schlitz. Ben verdrehte das Messer kräftig. Es sprang mit einem knackenden Ping entzwei. Verdammt. Ein neues Messer war teuer. Ein weiterer Rückschlag angesichts seines Versuchs, Geld zu sparen. Vielleicht würde etwas aus seiner Küchenschublade in die Messerhülle passen.

Als Ben das abgebrochene Ende des Messers aus dem Schloss zog, beschlich ihn plötzlich eine vage Erinnerung. Die Rädchen in seinem Kopf begannen zu knirschen und zu kreischen, verzahnten sich dann schlussendlich miteinander und summten im Einklang.

Wie der tote Mann, so schien ihm auch das Boot seltsam vertraut. Obwohl Ben sich sicher war, das Boot tatsächlich noch nie zuvor gesehen zu haben, war es ihm an vielen langen Winterabenden als der Traum eines einzelnen Mannes beschrieben worden. Ein Vergnügungsboot, ja, aber mit genug Leistung, um ein Patrouillenboot der Natur- und Wasserschutzpolizei abzuhängen. Es war kein Arbeitsboot, zumindest nicht für gesetzestreue Arbeit. Es war der Traum eines armen Seemanns. Nicht wirklich praktisch und sicherlich bescheiden im Vergleich zu den Megajachten der Reichen und Impotenten.

Ja, Ben bemerkte die viel gepriesene Raymarine-Radarkuppel, die hoch auf dem Mast thronte. Und da saß die neueste Generation des Garmin-GPS. Gesonderte Treibstoffleitungen, Tanks, Ölabscheider und Batterien für jeden Motor. Check. Hochleistungs-Trimmruder von Lenco. Check. Viele weitere Spezialanfertigungen, Überflüssiges und Ausfallsicherungen, an deren Beschreibungen sich Ben erinnern konnte, lagen da vor ihm auf dem Grund. Der Mann, der so sehnsüchtig von diesem perfekten Schnellboot gesprochen hatte, war vor fünfzehn Jahren verschwunden. Ben wurde schlecht vor Entsetzen. Er hatte das verrottende Gesicht nicht wiedererkannt, aber er war dem wahr gewordenen Traum eines toten Mannes auf die Schliche gekommen.

Wachgerüttelt, die Müdigkeit und Kälte vergessen, bahnte sich Ben seinen Weg zu dem friedlich betenden Leichnam. Beim Gedanken an den Kontakt mit dem durchweichten Toten unterdrückte er einen Würgereiz und ergriff das Jackenrevers. Er las den ausgeblichenen Namen, der auf dem Stoffstreifen über der rechten Brusttasche gedruckt war. Nicht der richtige Name.

Ben kannte diesen Mann. Er fühlte es, aber er hatte keinen Beweis. Frustriert klaubte er die Brieftasche aus der inneren Jackentasche. Als seine Taschenlampe flackerte, wurde die kleine Schrift auf dem Führerschein ein- und ausgeblendet. Er schüttelte die Lampe kräftig. Der Lichtstrahl erhellte sich für einen Moment. Der Name auf dem Führerschein war auch nicht richtig und er unterschied sich von dem auf der Jacke. Tom Chase. Ein Alias vielleicht? Ben sammelte mehr Fragen als Antworten. Viel mehr Fragen als Austern.

Es war das Foto auf dem Führerschein, das Ben den Atem verschlug. Blasen stiegen nicht länger aus seinem Atemregler, als sich seine Nackenmuskeln wie eine Schlinge zusammenzogen. Er richtete sein schwindendes Licht auf das Bild, um sicherzugehen. Die gesamte Welt verschwamm vor seinen Augen. Er klappte die Brieftasche zu, zog die Rettungsweste nach unten und enthüllte das Gesicht des Kadavers vollständig. Ein totes Auge wurde von den maritimen Marodeuren konsumiert. Nun war es eine halb geschlossene Augenhöhle. Das andere Auge, das rechte, blickte ihn glänzend und unerbittlich an. Ben dachte, dass er die verräterische Narbe erkannte, die von der Stirn über das Auge bis runter zur Wange verlief.

So viel Zeit war vergangen. Zu viele Fragen und Wahrheiten würden nun für immer unausgesprochen bleiben. So hätten die Dinge eigentlich nicht enden sollen. Odysseus, der Krieger, hatte es nach so langer Zeit beinahe nach Hause geschafft.

Mit einem Male spürte Ben wieder die Kälte. Sein Körper schmerzte vor Traurigkeit und er hörte das Todesrasseln der Hoffnung in seinem Herzen. Alles, was durch den Kummer in den Tiefen seiner Seele an seinen gefrorenen Verstand drang, war die Begrüßung eines Jungen aus alten Tagen. »'n Abend, Paps.«

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