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EINLEITUNG

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Vor einigen Jahren, ich war gerade Student im ersten Ausbildungsjahr, sprach ein begeisternder Dozent in einer lockeren Einführung in die Physiologie äußerst humorvoll über allerlei körperliche Funktionen. Dozenten, damals wie heute, ziehen Aufmerksamkeit mehr aufgrund ihrer Ausdrucksform und ihrer Art der Übermittlung auf sich als durch die vermittelten Inhalte selbst. Er sprach einprägsam über den Praxisalltag, eine Reihe von Situationen, in welchen es notwendig sei, ein Interesse an alles und allem zu haben was Patienten möglicherweise mitteilen möchten. Dies war eine meiner frühesten Lehrstunden, was Empathie angeht, und er schmückte diese mit typischer Mimik und Gestik aus, um seinen Standpunkt zu verdeutlichen: die notwendige Faszination für Golf, Zügebeobachten, Maurern usf. Ich konnte mir sehr gut vorstellen, dass der von Patienten kommende Enthusiasmus ansteckend sein könne, allerdings war ich mir sicher, dass es Grenzen für mich gab, z. B. wenn es ums Jagen oder Briefmarkensammeln ging.

Einige Zeit später wollte tatsächlich ein Patient seine Passion für Briefmarken mit mir teilen. Die Verführung begann, als er Briefmarken als kleine Fenster zur Geschichte beschrieb, und wieder einmal hing ich an der Angel und alles hörte sich gut an. Ich bin mir nach all den vielen klinischen Jahren immer noch nicht sicher, ob ich bezüglich des Maurerns wirklich getestet wurde, aber ich gehe einmal davon aus, dafür offen zu sein, sollte es jemals notwendig werden.

Vor rund 40 Jahren hörte ich aufgrund meiner Passion für virtuose Klaviermusik ein Interview mit dem großen Vladimir Horowitz. (Musik und Klavier sind mir als Obsession geblieben.) Damals sagte Horowitz, dass sich der Künstler außer für Musik auch für viele andere Dinge interessieren müsse, um ein wirklich ausgezeichneter Pianist zu werden. Ich glaube allerdings nicht, dass er dabei Maurern oder Briefmarkensammeln im Hinterkopf hatte, sondern sich wohl eher auf Malen, Theater, Tanz, Geschichte und Kunst im Allgemeinen bezog.

Zwei Dinge ergeben sich aus dieser Vorrede: Erstens, dass man nicht selten unerwarteterweise den Wert einer Sache zu schätzen lernt; einen Reichtum in etwas findet, was man ansonsten als unbedeutend beurteilt, ignoriert oder gar aufgrund von Missverständnis oder Fehlinterpretation gänzlich ablehnt. Und zweitens, dass jedes Interessengebiet durch Einverleibung oder Einbeziehung scheinbar nichtverwandter Materie bereichert werden kann. Diese kann auf bemerkenswerte Weise der Veranschaulichung und Erweiterung dienen, auf eine Weise, die nicht nur wichtig, sondern sogar unerlässlich für das Streben nach Exzellenz auf diesem Gebiet ist. Meiner Ansicht nach trifft beides auf die Osteopathie zu und auch wenn dies kein Lehrbuch für Osteopathie ist, für mich fängt hier alles an. Einfach gesagt, Theorie und Praxis erlangen unermesslichen Reichtum durch ein breites Interesse und ebensolches Verständnis. Und ich behaupte, dass sich die Praxis der Osteopathie bezüglich zweier bedeutender Gesichtspunkte in einer Krise befindet. Da sind einerseits ein unvollständiges Verständnis und damit eine mangelhafte Implementierung des holistischen Prinzips. Und andererseits die irgendwie schwierige Einverleibung dessen, was ich als subjektives Element in der Praxis bezeichne, bzw. dessen theoretische Basis zu erfassen und entsprechend aufzubereiten. Ich beabsichtige in diesem Buch beide Themen sorgfältig aufzuarbeiten und werde zudem versuchen, Ihnen die Bedeutung des erweiterten Aspektes der Menschlichkeit innerhalb der Kunst der Osteopathie näherzubringen.

Die Kunst und Philosophie der Osteopathie

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