Читать книгу Der Regent - Roland Bochynek - Страница 16
ОглавлениеBerger wachte in einem Hotelbett auf.
„Wo bin ich?“
„Welches Hotel ist das?“
„Verdammt, in welcher Stadt bin ich denn???“
Es dauerte eine Weile, bis er sich wieder orientieren konnte. Solche Zustände hatte er öfter in letzter Zeit. „So geht das nicht weiter!“ Über ein Jahr zog er schon kreuz und quer durch Deutschland, sogar ein Stück darüber hinaus, von einem Casino zum anderen. Dieses Zigeunerleben, selbst auf höchstem Niveau, war nichts für ihn. Dafür war er zu bodenständig. So langsam bekam er einen Hotelkoller. Da halfen nicht mal die komfortabelsten, teuersten Unterkünfte. Er hatte jetzt zwar einige Millionen auf seinem Konto, aber zu welchem Preis?
Seinen Freundeskreis musste er aufgeben, hohes Ansehen hatte er trotz des vielen Geldes auch nirgends. Einige Casinos erteilten ihm sogar schon Hausverbot, dort hatte er die Gewinne etwas übertrieben. Wenn sich jetzt nichts änderte, würde er womöglich offiziell als Spiel-Junky abgestempelt. Spontan packte er seine Sachen, zahlte das Zimmer und fuhr auf direktem Weg nach Hause.
Er brauchte einen festen Bezugspunkt, vor allem: ein sinnvolles Lebensziel. „Wie geht es jetzt weiter? Die Zockerei hat ein Ende.“ Mit seinem Vermögen ließe sich etwas anderes anfangen. Es war ja geradezu lächerlich, eine solche Summe nur auf einem Konto liegen zu lassen. Außerdem meldete sich sein Gerechtigkeitssinn wieder. Er hatte sowohl Geld als auch eine Begabung. Hatte er da nicht die Pflicht, zumindest einen Teil von beidem zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen? Aber wie konnte er das möglichst effektiv umsetzen, ohne dass er dabei von jemanden über den Tisch gezogen wurde?
Die Idee kam ihm beim Durchblättern der Zeitung. Im Wirtschaftsteil fielen ihm die Börsennachrichten auf. Jetzt erkannte er sein Ziel. Ein Unternehmen aufbauen, alles anders machen als diese Profit-Junkies in den Konzernen. Dazu benötigte er aber wesentlich mehr Kapital. Seine 'paar Millionen' aus den Roulette-Gewinnen reichten da nicht aus. Das erforderliche Geld nahm er am besten denen ab, die er bekämpfen wollte. Ob seine Fähigkeiten auf dem Börsenparkett ebenso funktionierten? Er schaltete den Laptop ein, um mit einer umfangreichen Recherche zu beginnen. Schnell merkte er, dass dies kein Kinderspiel werden würde. Zu vieles war ihm in dem Metier unbekannt. Allein die ganzen Fachbegriffe. Er musste noch mal kräftig die Schulbank drücken. Aber er hatte ein Ziel. Um dies zu erreichen, nahm er den Aufwand gerne in Kauf.
Er arbeitete eine Vielzahl von Fachbüchern durch und besuchte Kurse. Tagelang suchte er das Internet nach Informationen ab. Dann endlich fühlte er sich bereit. Er eröffnete ein Aktiendepot. Zuvor hatte er auf dem Laptop, nachdem er die entsprechenden Webseiten gefunden hatte, seine Begabung am Börsengeschehen ausprobiert. Es schien zu klappen, zumindest in der Theorie! Wenn er sich einen Aktienkurs aussuchte und darauf konzentrierte, dazu einige Hintergrundinformationen zu dem Unternehmen im Internet nachschlug, dann ahnte er in vielen Fällen schon, wie sich die wirtschaftliche Lage der Firma entwickelte. „So funktioniert das also! Alles Weitere wird der praktische Versuch zeigen.“
Jetzt kam das Mühselige an dieser Aktion. Er suchte den Markt nach den Aktien ab, die seinem Gespür entsprechend die größten Renditen in kürzester Zeit versprachen. „Na ja, Roulette spielen ging einfacher.“ Aber schließlich hatte er passende 'Opfer' gefunden. Er identifizierte ein paar kleinere Unternehmen, welche sich nach seiner Vorahnung kurz vor einem technologischen Durchbruch befanden. Ein sicheres Zeichen dafür stellte ein sehr niedriger Aktienkurs dar, der in keinem Verhältnis zum wahren Wert des Unternehmens stand. Der wurde dadurch ausgelöst, dass viel Geld in Forschung und Entwicklung floss, wodurch nicht genug übrig blieb, um den Geiern an der Börse möglichst schnelle Profite zu bescheren.
Fünf Millionen Euro riskierte er gleich bei der ersten Hausse, beinahe die Hälfte seines Vermögens. Dann kam das bange Warten. Hatte er recht mit den Prognosen? Wie hoch würde die Rendite, wenn sie denn überhaupt existierte? Nervenaufreibend war, dass die Kurse erst einmal noch tiefer sanken. Jetzt hieß es Ruhe und Nerven bewahren!
Nach einem viertel Jahr hatte sein Aktienpaket nur noch einen Wert von drei Millionen Euro. Er wurde unsicher. Zwei Wochen später hatte er wieder eine halbe Million verloren. Allmählich zweifelte er an sich und an seiner Begabung. Aktienhandel ist eben kein Roulettespiel. Berger überlegte, wie er die Aktien loswerden konnte, ohne noch mehr zu verlieren. Das Einzige, was ihm sinnvoll erschien, war sie in kleinen Paketen anzubieten, damit der Kurs nicht völlig zusammen brach.
Noch einmal kontrollierte er in den Börsennachrichten den aktuellen Stand des Kurses, bevor er der Bank die Order zum Verkaufen erteilen wollte. Sein Blick fiel auf eine Schlagzeile. Ein Bericht über die Firma Schroll Kunststoff Recycling AG. Er hatte 45% Anteile an dem kleinen Unternehmen, welchem der Durchbruch bei der Wiederverwertung von Kunststoffabfällen gelang, die bisher nicht als recycelbar galten. Ihr Aktienkurs explodierte. „Gewonnen!“ Er hatte auf das richtige Pferd gesetzt. Einhundertfünfzig Prozent Gewinn in sechs Monaten. „Das soll mir mal einer nachmachen.“ Die erste Etappe zum großen Ziel war erreicht. Nach und nach kamen seine anderen Aktienpakete ebenfalls in die Gewinnzone. Jetzt hielt ihn nichts mehr davon ab, nahezu sein gesamtes Vermögen auf diese Weise anzulegen. Er musste die Erfolge weiter ausbauen, die nächsten Maßnahmen sorgfältig vorbereiten.
Er hatte wieder ein Ziel, eine richtige Aufgabe, die ihn forderte. Er war auf dem besten Weg. Die Zeiten, in denen er als Edel-Zocker durch die Casinos zog, gehörten zur Vergangenheit.
Einen Monat nach diesem Ereignis traf ein Brief bei Berger ein. Darin bedankte sich Schroll, der Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens, bei ihm für seine Geduld mit der Firma: „Es ist in unserer schnelllebigen Welt leider nicht üblich, dass ein Aktionär, der so große Anteile an einer AG hält, dieser die Zeit lässt, ihre Entwicklungen auch wirklich ausgereift auf den Markt zu bringen. Hätten Sie das Aktienpaket in den letzten Monaten nicht gehalten, wäre das Unternehmen mit Sicherheit von Hedgefonds geschluckt, oder womöglich gleich abgewickelt worden. Sie haben uns gerettet! Dafür möchte ich mich bei Ihnen in meinem, sowie im Namen unserer Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze Sie gerettet haben, auf das Herzlichste bedanken.“
Dieser Brief zeigte Berger, dass er den richtigen Weg eingeschlagen hatte, so musste er weitermachen.
Mit der Zeit entwickelte er sich zu einem Fachmann in Sachen Börse und Aktienhandel. Die Geschäfte liefen immer erfolgreicher. Mithilfe seiner Gabe fand er aus dem Aktienangebot diejenigen Außenseiter-Unternehmen heraus, die ihm am erfolgversprechendsten erschienen. Etablierte Broker kümmerten sich kaum um solche 'Mauerblümchen'. Sie erkannten in den meisten Fällen nicht das Potenzial, das in diesen Firmen steckte. Dazu fehlte ihnen auch das technische Verständnis. Damit schlug Berger zwei Fliegen mit einer Klappe. Er verbuchte gewaltige Gewinne. Gleichzeitig schützte er viele der Unternehmen vor ungeduldigen Spekulanten und somit oft vor der Zerschlagung. Nach ein paar Jahren hatte er einen enormen Reichtum angehäuft. Er bezeichnete sich selbst als unanständig reich.
„Jetzt wird es Zeit, mit dem vielen Geld etwas Vernünftiges anzufangen“, sagte er zu sich. „Ich brauche einen Schlachtplan, wie ich die Welt verbessern kann. Vor allem benötige ich Hilfe, das schaffe ich nicht alleine.“