Читать книгу Der Regent - Roland Bochynek - Страница 25
Der neue Firmensitz
Оглавление„Herzlich willkommen im neuen Gebäude der All-Invest AG. Da haben wir es ja noch rechtzeitig zum fünfzehnjährigen Firmenjubiläum mit dem Einzug geschafft. Hierzu meine besten Glückwünsche“, wurde Berger von Scherer freudig begrüßt. „Den Glückwunsch zurück zum fünfzehnjährigen Dienstjubiläum,“ erwiderte Berger schmunzelnd. Scherer hatte einen Sektempfang für die Führungskräfte organisiert. Das gerade erst fertiggestellte Gebäude stellte ein interessantes Bauwerk dar. Sternförmig liefen vom Mittelpunkt drei Gebäudefluchten auseinander. Die sich nach oben immer weiter verjüngenden Geschosse gaben dem Bau ein äußerst ästhetisches Aussehen. Man sah dem eleganten Koloss die zehn Stockwerke nicht an. Ein wenig erinnerte der Komplex an einen dreizackigen Seestern. Diese Bauweise schaffte eine Vielzahl von lichtdurchfluteten Räumen. Das ergab Büroräume, die das Arbeiten in angenehmer Atmosphäre ermöglichten. Hervorragend geeignete Besprechungs- und Schulungsräume gab es ebenfalls zuhauf. Hiervon benötigte man eine Menge. Ständig waren Jungunternehmer, Existenzgründer, ebenso wie gestandene Geschäftsführer zur Fortbildung im Haus. Schon unmittelbar nach Fertigstellung hatten diese Einrichtungen eine gute Auslastung erreicht.
Nach dem Austausch von Nettigkeiten hielt Scherer noch eine kleine Ansprache. Dann verschwanden wieder alle in ihre Büros, um sich um die Alltagsgeschäfte zu kümmern. Berger und Scherer trafen sich wie so oft schon zu einer Besprechung in dem dafür vorgesehenen Raum, der in dem neuen Gebäude zwischen den Büros der beiden lag.
Berger wusste, dass er Scherer mit der folgenden Frage wieder ins Schwärmen brachte: „Was macht eigentlich deine Lieblingsabteilung für Existenzgründung und Beteiligung?“ Sofort nahm Scherer diesen Faden auf: „Du wirst staunen, wenn du die Aufstellungen siehst. Das war von Anfang an ein voller Erfolg. Siebentausend Abschlüsse in fünfzehn Jahren, davon knapp zweitausend Beteiligungen. Der Rest setzte sich aus Krediten an Jungunternehmer und Aufsteiger zusammen. Aber das Tollste, wir hatten keine zehn Insolvenzen dabei. Das muss uns erst noch einer nachmachen. Diese Abteilung ist ein beachtlicher Faktor in der Bilanz der All-Invest AG. Wenn die etablierten Banken wüssten, welches Geschäft sie sich haben entgehen lassen.“
Berger schaute nachdenklich in den Kaffeesatz, der den Boden seiner Tasse bedeckte. „Na ja“, meinte er spöttisch, „da könnten wir uns vielleicht doch mal eine neue Kaffeemaschine leisten.
Aber im Ernst, du hattest wirklich eine hervorragende Idee. Paradebeispiel ist ja dein erster Kunde. Die Haas und Co. Spezialwerkzeuge ist zu einem stattlichen Mittelstandsbetrieb geworden. Ich hab nachgeschaut, 4000 Mitarbeiter haben die mittlerweile. Sogar Niederlassungen im Ausland wurden schon gegründet. Dieser Haas ist so begeistert von unserer Geschäftsidee, dass er, obwohl er es jetzt wirklich nicht mehr nötig hätte, mit Freude hier bei uns Vorträge vor Existenzgründern hält. Er ist einer der besten Werbelokomotiven.“
„Ja mein lieber Horst, das hättest du vor fünfzehn Jahren sicher nicht gedacht, dass wir unsere Ideen so erfolgreich umsetzen können. Eigentlich haben wir nahezu alle Ziele erreicht. Mehr als eine Million Mitarbeiter – ohne die in den ausländischen Filialen, breit gefächert in allen Sparten, sogar eine Hausbank besitzen wir jetzt. Wir haben das Gewicht, um überall mitzureden. Ohne uns gibt es keine Tarifabschlüsse, den Politikern klopfen wir auch auf die Finger, schwarze Schafe in der Wirtschaft können wir in die Knie zwingen. Den uneingeschränkten Mindestlohn gäbe es ohne uns genauso wenig. Es geht langsam aufwärts mit unserem Staat. Das alles haben wir quasi aus dem Hintergrund heraus erreicht. Kaum jemand nimmt die All-Invest AG wirklich wahr. Wir leben sozusagen versteckt hinter dem schlechten Ruf von Investment-Firmen.“ Nachdenklich antwortete Scherer darauf: „Und alles gehört einer Person, nämlich Dir. Du hast wirklich Großartiges geschaffen. Würdest du dich nicht verstecken, könntest du berühmter als Bill Gates, Steven Jobs, oder Rockefeller sein.“
Berger lachte:„Lass mal gut sein, mir reicht es vollkommen aus, selbst zu wissen, was ich kann und was ich bin. Und mit Letzterem möchte ich auf keinen Fall verglichen werden. Wenn die Geschichtsbücher stimmen, ließ Rockefeller sogar auf seine streikenden Mitarbeiter schießen. Nein, den Rummel überlass ich gerne anderen. Wie ich sehe, kommst du ja sehr gut mit dem Ruhm zurecht, du hast es aber auch verdient, im Rampenlicht zu stehen. Deine Öffentlichkeitsarbeit ist hervorragend. Ich lese kaum noch schlechte Kritiken über uns. Es scheint so, dass unsere Gegner es aufgegeben haben, uns in den Medien herunterzuziehen. Da bin ich ja direkt auf die Pressekonferenz nachher gespannt, ob man da versucht, uns ein paar Fallen zu stellen?“
Eine Vielzahl Journalisten waren der Einladung gefolgt. Der Besprechungsraum reichte gerade so aus. Scherer hielt seine vorbereitete Eröffnungsrede. Zur Enttäuschung der Anwesenden lüftete er nicht das Geheimnis, wer hinter den Unternehmen steht. „… darf ich zusammenfassen, dass unsere Strategie in vollem Umfang aufgegangen ist. Wir setzen nicht auf den Profit um jeden Preis, sondern auf die Menschen, die bei uns arbeiten. Dazu zählt in erster Linie ein gesundes Betriebsklima mit allem, was dazu gehört. Unsere Produkte besitzen in den meisten Sparten die beste Qualität. Das führen wir darauf zurück, dass wir den Mitarbeitern eine vernünftig bemessene Arbeitsmenge, sowie geregelte Arbeitszeiten garantieren. Das funktioniert bis hinauf ins oberste Management. Ja, sogar wir in der Geschäftsleitung haben das Arbeitsvolumen auf ausreichend viele Köpfe verteilt, damit wir in der Regel mit vierzig bis fünfundvierzig Stunden in der Woche auskommen. Durch diese erholsame Arbeitsweise ist die Qualität der geleisteten Arbeit in allen Ebenen wesentlich besser als bei den Konkurrenzunternehmen. Vergleichen Sie doch nur die Scheidungsraten bei unseren Führungskräften mit denen anderer Konzerne. Alleine das spricht schon Bände.
Dazu kommen die intensiven sozialen Investitionen. Nahezu in allen Betrieben mit entsprechender Personalzahl wurden Kindergärten eingerichtet. Wir unterhalten eine erhebliche Menge von Werkswohnungen. Zusammengefasst würden sie eine Kleinstadt ergeben. Auch Betriebssportvereine fördern wir großzügig. Dies alles haben wir nur erreicht, weil wir vom sturen Profitdenken Abstand nahmen. Weniger Gewinn, dafür mehr Investitionen. Das ist der Hauptausschlagspunkt unseres Erfolges. Genauso werden wir weiter machen. Welche Pläne wir für die Zukunft noch haben wird Ihnen jetzt unser ständiger Berater, Herr Berger, erläutern:“
„Gemäß der Firmenphilosophie wird sich das Unternehmen zukünftig noch stärker in gemeinnützigen Bereichen engagieren. Nachdem die Stiftung zur Unterstützung von Medienopfern, sowie die zur Ausländerintegration so erfolgreich waren, wird es weitere geben. Hier schwebt uns als Erstes eine Stiftung 'Bildung/ Studium' vor. Diese soll sich sowohl um lernschwache Schüler kümmern, als auch Hochbegabte entsprechend ihren Fähigkeiten fördern. Dabei geht es nicht um Elitebildung, sondern darum, dass jeder seinen Begabungen gemäß in die Gesellschaft integriert wird. Ein Hochbegabter leidet bei Unterforderung ähnlich wie ein schlecht begabter bei Überforderung. Als weitere Aufgaben steht die Unterstützung bei Berufsausbildung, sowie der Vergabe von Stipendien an. Zusätzlich gründen wir noch Forschungsinstitute mit verschiedenen Fachbereichen. Letztere sehen wir für erforderlich an, weil wir kaum noch unabhängige Einrichtungen in diesem Land finden. Mittlerweile ist es ja bei Gutachten wichtiger, darauf zu achten, wer sie beauftragt hat, als darauf, wer sie geschrieben hat. Außerdem wird in unserem Staat die Grundlagenforschung in nahezu allen Bereichen sträflich vernachlässigt. Auch eine Auswirkung des pervertierten, nur profitorientierten Denkens. Das versuchen wir mit unseren Mitteln auszugleichen. Wir werden zukünftig verstärkt in Forschungsobjekte investieren.“
Natürlich musste bei der anschließenden Fragestunde eine Vielzahl von Fragen nach den Besitzern des Unternehmens abgewimmelt werden.
Nach Beendigung der Pressekonferenz gingen Scherer und Berger gemeinsam in Richtung ihrer Büros. „Dein Hinweis auf die Stiftung für Medienopfer wird sicher dazu beitragen, dass uns keiner von denen in ihren Berichten verreißt. Hat dem Grunde nach ja niemand hierfür einen Anlass, es sei denn, man hätte ihn von der Konkurrenz beauftragt. Ach ja, zum Thema Forschung: Vorhin habe ich die Information erhalten, dass die Firma Chip-Design in Dresden zum Kauf ansteht. Die haben sich da mit etwas kräftig verkalkuliert, jetzt stecken sie gewaltig in Geldnot. Wie Aktionäre auf so etwas reagieren kennen wir ja. Du hast dir den Einstieg in diese Sparte doch schon lange gewünscht. Hier ist deine Chance gekommen.“