Читать книгу Der Regent - Roland Bochynek - Страница 21

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Sechs Wochen harte Arbeit lagen hinter dem Prüfungsteam. Die Ergebnisse zeigten ein niederschmetterndes Bild. „Das ist keine Firma, das ist eine offene Schublade, in die jeder Manager nach Herzenslust hineinlangt!“, fluchte Scherer. „Allein die Spesenabrechnungen würden bedeuten, dass die drei Vorstände die letzten fünf Jahre ihre Familien nicht mehr gesehen haben. So viele Arbeitsessen kann kein normaler Mensch in dem Zeitraum abhalten! Ganz zu schweigen von den unzähligen anderen Verfehlungen. Einen solch unverfrorenen Griff in die Kasse habe ich noch nicht gesehen. Hier paarte sich absolute Unfähigkeit mit krimineller Energie. Dies ist ein Fall für den Staatsanwalt. Ich denke, das weitere Vorgehen sollten wir mit den zuständigen Behörden abstimmen. Vielleicht können wir einen Lokaltermin mit anschließender Mitarbeiterversammlung organisieren. Ich werde mich mit den Leuten der Kripo, Abteilung Wirtschaftskriminalität in Verbindung setzen.“

Das Besprechungszimmer auf der Chefetage der Maschinenbau AG, war ein luxuriös ausgestatteter Raum, im Gegensatz zu den Büros und Arbeitsplätzen der Mitarbeiter. An einem langen Oval saßen sich die Parteien gegenüber. Auf einer Seite der Vorstand der Maschinenbau, Karl Malzer mit den beiden Stellvertretern, gegenüber platzierte sich Scherer mit seinem Team, immerhin acht Personen. Scherer trug das Prüfergebnis vor. Geduldig hörten alle zu, obwohl die Zahlen eher zum Weglaufen animiert hätten. Nachdem er den Vortrag beendet hatte, herrschte betretenes Schweigen. „Herr Malzer!“, begann Scherer, „Sie haben die Ergebnisse der Prüfung gehört. Sie zeigen, dass der Betrieb unmittelbar vor der Pleite steht. Als Vorstand haben Sie doch sicher schon Pläne erarbeitet, wie die Firma zu retten ist. Was gedenken Sie als Verantwortlicher gegen diese Misere zu unternehmen?“

Sichtlich nervös setzte Malzer zu einem Vortrag an. „Äh… selbstverständlich habe ich schon Vorschläge in der Schublade. Ich hätte sie auch längst umgesetzt, wenn nicht der Verkauf des Unternehmens dazwischen gekommen wäre. Diese, äh Transaktion, verzögerte natürlich alles.“ Tiefes Durchatmen: „Mein Plan sieht vor, auch die restliche Fertigung der Halbwaren nach Fernost auszulagern. Wir könnten dadurch die gesamte Metallbearbeitung dichtmachen. Das würde uns von 30% des Personals befreien und …“ „Befreien? Vom Personal befreien???“, schrie Scherer ihn an. „Sie reden da von Menschen! Die würden Sie einfach so auf die Straße setzen? Was wollen Sie damit erreichen? Das Unternehmen schrumpft weiter, wird noch weniger überlebensfähig!“ Malzer versuchte, etwas einzuwenden, aber Scherer ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. „Ich kann Sie durchaus verstehen, diese Aktion passt haargenau zu Ihrem Charakter! Das Einzige, was sich damit verbessert, wäre die nächste Bilanz wegen der Kostenauslagerung. So machen Sie sich zum ausschließlichen Nutznießer, weil dadurch Ihre Boni steigen. Das passt genau zu Ihnen, so wie Sie die ganze Zeit auf kriminelle Weise dieses Unternehmen ausgesaugt haben.“ Malzer sprang von seinem Sessel auf. „Bleiben Sie sitzen! Wir haben genug Material in den Büchern gefunden, um Sie alle drei hinter Schloss und Riegel zu bringen. Allein Ihre Spesenabrechnungen überschreiten den Begriff sittenwidrig über alle Maße. Dazu kommen die Scheinverträge der Maschinenbau AG mit euch dreien und mit Ihren Ehefrauen. Ich frage mich, ob die Damen davon überhaupt etwas wissen. In den letzten vier Jahren wurden von Ihnen rund zehn Millionen Euro veruntreut – ja veruntreut, von euch dreien! Mit dem fehlenden Geld hätte die Firma saniert werden können. Dafür ziehen wir Sie zur Rechenschaft!“

Jeder im Raum erkannte den Angstschweiß auf Malzers Stirn. Sichtlich verlegen versuchte er, sich herauszureden: „Nun ja, äh, ich räume ja ein, dass wir vielleicht die eine oder andere unglückliche Entscheidung getroffen haben. Äh, ...die zehn Millionen sind aber starker Tobak. Außerdem muss so eine Behauptung erst mal bewiesen werden. Wir haben uns hier eindeutig branchenüblich verhalten. Das machen alle so. Ich kenne eine Vielzahl von Kollegen, die gleichzeitig als Berater für die eigene Firma tätig sind. Ich denke, wir sind ja hier unter uns. Da müsste doch sicher eine gütliche Einigung möglich sein. Wir könnten zum Beispiel als Ausgleich für die äh ... Fehlentscheidungen dieses Jahr unsere Boni etwas reduzieren?“

„Herr Malzer!“, begann Scherer sichtlich gereizt. „Erstens sind die zehn Millionen rechtssicher als veruntreut nachgewiesen, dank Ihrer eigenen Unfähigkeit, solche Dinge richtig zu vertuschen. Zweitens werden wir Sie über diese Summe voll in Regress nehmen. Drittens irren Sie sich auch darüber, dass wir unter uns sind. Der Herr zu meiner Linken, Herr Schröder, gehört nämlich nicht zu unserem Team. Er ist der für Wirtschaftskriminalität zuständige Staatsanwalt, den ich zu diesem Treffen eingeladen habe. Er wurde von uns über alles informiert. Ihm liegen alle Beweise vor, die wir gefunden haben. Ich denke, ich erteile ihm jetzt das Wort, ach ja, noch ein letzter Satz fürs Protokoll: Sie drei sind natürlich fristlos entlassen.“

Bei den letzten Worten Scherers hatte Schröder bereits sein Smartphone zur Hand genommen und eine Verbindung zu seinen Mitarbeitern aufgebaut. Er sprach nur ein Wort „Zugriff!“ Daraufhin öffnete sich die Tür und sechs Polizisten traten ein. Sie postierten sich hinter den drei Vorständen. Das Ganze lief so glatt ab, dass ein Beobachter dies als einstudierte Choreografie angesehen hätte.

„Ich verhafte Sie wegen Betruges, Veruntreuung, sowie Steuerhinterziehung in Millionenhöhe. Das Gesprächsprotokoll dieser Sitzung wird natürlich auch als Beweismittel gegen Sie verwendet. Bevor Sie jetzt abgeführt werden, geben Sie noch alle Gegenstände, die dem Unternehmen gehören wie Smartphone, Laptop, Autoschlüssel der Geschäftswagen, usw. ab.

Ich darf mich hier nochmals ausdrücklich bei Herrn Scherer, sowie seinem gesamten Team für die gute Kooperation bedanken. Auch möchte ich bekannt geben, dass es uns, nicht zuletzt wegen der optimalen Zusammenarbeit mit Ihren Mitarbeitern gelungen ist, Konten, Depots und Besitztümer der drei Herren ausfindig zu machen. Die Beschlagnahmung läuft in diesem Moment an. Die gefundenen Beträge werden den angerichteten Schaden mindestens zu zwei drittel ersetzen. Die Herrschaften haben sich offensichtlich bei der Arbeit genauso dilettantisch angestellt, wie beim Verstecken ihrer Beute. Ich denke, dass Sie über den größten Teil der beschlagnahmten Summe in etwa vier bis sechs Wochen verfügen können. Jetzt bitte abführen!“ Keiner der drei hatte mit so einer Aktion gerechnet. Sie waren so vollkommen überrumpelt, dass sie noch gar nicht richtig begriffen, wie ihnen geschah.

Um alle Gerüchte und Unruhen im Keim zu ersticken, wurde diese Aktion so geplant, dass unmittelbar danach eine Betriebsversammlung stattfand. Die Mitarbeiter saßen bereits in einer großen Halle, während die Ex-Vorstände von der Belegschaft unbemerkt abgeführt wurden. Als Berger, Scherer und ihr Team die Halle betraten, wurde es schlagartig still. Nur leises Gemurmel drang an Bergers Ohr. Darin erkannte er Worte wie Heuschrecken, neue Ausbeuter, und noch Schlimmeres. Aber damit hatte er gerechnet. Er konnte es den Menschen nicht verübeln.

Nach den Begrüßungsworten des Betriebsratsvorsitzenden, bei der er sein Erstaunen zum Ausdruck brachte, dass der Vorstand wieder einmal durch Abwesenheit glänzt, ergriff Scherer das Wort. Er kam gleich zur Sache:

„… natürlich wurden die drei verhafteten Vorstände von uns fristlos entlassen, was aber nicht darüber hinwegtröstet, dass die Bücher der Firma tiefrote Zahlen aufweisen. Wir sehen uns gezwungen, das Unternehmen einer Totalsanierung zu unterziehen.“ „Wie viel Arbeitsplätze wird uns das wieder kosten?“, kam ein Zwischenruf. „Lassen Sie es mich erklären“, erwiderte Scherer, „Ja, wir werden das Unternehmen sanieren, aber in einer unüblichen Weise. Wie Sie alle wissen, sind die Auftragsbücher voll, jedoch wird nicht genügend produziert. Außerdem gibt es zu viel Ausschuss, besonders bei den in Fernost eingekauften Halbwaren.

Das wird sich ändern. Bevor ich zu Ihnen kam, habe ich dem Personalbüro den Auftrag erteilt, sich mit allen Mitarbeitern in Verbindung zu setzen, die in letzter Zeit entlassen wurden, um sie erneut zu rekrutieren. Wir werden aus diesem Laden wieder ein blühendes Unternehmen machen!“ Verhaltener Applaus kam auf. „Wir sind keine Heuschrecken, die Firmen kaufen und dann auslutschen. Wir haben die Firma erworben, um damit Gewinne zu erwirtschaften. Dazu braucht es in doppelter Hinsicht Kapital. Das benötigte Geld wird von uns kommen, alle Schulden haben wir bereits bezahlt.

Das andere Kapital, das ich meine, ist das Können sowie das Wissen der Mitarbeiter. Darauf bauen wir. Zukünftig werden wir so viele Kräfte einstellen wie nötig, unabhängig davon, wie sich das in den nächsten Quartalszahlen auswirkt. Wir denken wieder mittel- bzw. langfristig. Ab sofort werden nicht mehr die Bankkonten der Vorstände, sondern das Betriebsklima gepflegt, denn Sie, die Mitarbeiter, sind der wichtigste Teil des Unternehmens!“ Jetzt brandete ihm tosender Applaus entgegen.

„Unsere Ziele für das Unternehmen sehen wie folgt aus: Alles wird hier im Haus gefertigt. Kein Outsourcing mehr, keine Leiharbeiter, höchstens mal, um Notsituationen zu überbrücken. Ausbildung von Nachwuchs, Aufstiegschancen in allen Ebenen. Die zukünftigen Geschäftsführer werden aus Ihren Reihen kommen. Die Lohnrückstände zahlen wir Ihnen mit der nächsten Abrechnung aus. Spätestens im folgenden Jahr heben wir alle Löhne und Gehälter auf das übliche Tarif-Niveau an.

Wir wollen, dass Sie gerne zur Arbeit gehen, auch weil dadurch die Qualität der Produkte gesichert wird. Wenn Sie einmal bei Gesprächen mit Freunden wie selbstverständlich den Begriff – in meiner Firma – benutzen, dann wissen wir, dass wir unser Ziel erreicht haben. Dann haben Sie sich mit diesem, mit Ihrem Unternehmen identifiziert. Damit sich Ihre Laune noch etwas erhellt, darf ich Ihnen ankündigen, dass wir alle Mitarbeiter zukünftig am Unternehmensgewinn beteiligen werden.

Das geschieht in Form einer zusätzlichen Altersversorgung, sowie einer jährlichen Gewinnausschüttung. Allerdings rechnen Sie in diesem Jahr noch nicht damit. Bis wir hier wieder alles im Lot haben, werden wir im laufenden Geschäftsjahr noch dicke rote Zahlen schreiben.“ Nachdem der Applaus endlich abgeebbt war, kamen natürlich eine Menge an Zwischenfragen. Aber Scherer spürte, man hatte den richtigen Weg eingeschlagen. Wenn man die Gier einzelner verhinderte, würde der Betrieb wieder funktionieren.

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