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Klimawandel

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Eine der fatalen Auswirkungen der Globalisierung und des ungebremsten Wachstums ist der Klimawandel. Dieser wird in der Welt des 21. Jahrhunderts eine so bedeutende Rolle spielen, dass es sich lohnt ihn gesondert zu behandeln.

Klimaforscher sind sich einig, dass der Klimawandel eine Tatsache ist und dass er hauptsächlich vom Menschen verursacht wird. Die Erderwärmung ist extremer und vollzieht sich schneller als alle bisher beobachteten zwischeneiszeitlichen Erwärmungen. Die dafür maßgeblichen Treibhausgase sind in der größten je gemessenen Konzentration vorhanden und steigen weiter an. In den evangelikalen Kirchen ist das Malen von Schreckenszenarien mitunter als Effekthascherei abgetan worden und man betonte, die Forscher seien sich nicht einig, ob überhaupt ein Klimawandel stattfinde. Das hat verhindert, dass das Thema ernsthaft thematisiert wurde.

Der WWF hat unter dem Titel „im Treibhaus wird es ungemütlich“ vorgerechnet, was es uns kostet, wenn die weltweite Durchschnittstemperatur um zwei Grad ansteigt.3 Etwa die Hälfte der Menschheit wäre Wasserknappheit ausgesetzt. Allein in Indien wären 500 Millionen Menschen betroffen, weil die gewaltigen Gletscher des Himalaja weniger Schmelzwasser abgeben würden. In Nordafrika könnte die Regenmenge um gegen die Hälfte abnehmen. Die Folgen wären Dürre, Armut und Flüchtlingsströme. An anderen Orten würde es deutlich mehr regnen als heute, weil sich das Klima in verschiedenen Regionen unterschiedlich entwickeln würde. Stürme, Überschwemmungen und Taifune nähmen an Häufigkeit und Intensität dramatisch zu. Wegen der unsicheren Klimaverhältnisse würden Missernten stark ansteigen und in manchen Regionen zu Hungersnöten führen. Es wäre weiter zu erwarten, dass Zecken und Mücken und mit ihnen verschiedene Krankheiten, insbesondere Malaria, weitere Verbreitung finden würden. Ein Drittel aller Pflanzenarten wäre vom Aussterben bedroht, weil sich der Regenwald des Amazonas zur Savanne wandeln würde. Schon heute werden chinesische Großstädte im Sommer von Wüstenstürmen heimgesucht, weil sich auf dem chinesischen Festland die Steppe ausbreitet.

Man kann sich darüber streiten, ob dieses Szenario überspitzt ist oder nicht. Unleugbare Tatsache ist, dass die Menschheit gegenwärtig um den Faktor 1,5 über der biologischen Kapazität der Erde lebt. Der Klimawandel führt vor Augen, dass eine grenzenlose wirtschaftliche Globalisierung auf Dauer nicht durchzuhalten ist. Sachs und Santarius vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie formulieren deutlich:

Es ist hohe Zeit, das Wohlstandsmodell der Industriemoderne auf den Prüfstand zu stellen. Mehr Gerechtigkeit in dieser Welt ist auf dem Verbrauchsniveau der Industrieländer nicht zu erreichen. Eine Wirtschaftsentwicklung konventionellen Stils, die einer wachsenden Weltbevölkerung insgesamt einen westlichen Lebensstandard bescheren möchte, wird ökologisch nicht durchzuhalten sein. (Sachs & Santarius 2005, 44)

In der modernen Wirtschaftsgeschichte ging man bisher davon aus, dass Wachstum mehr Wohlstand für alle bedeute.

Bei wirtschaftlichem Aufstieg werde sich darum – so die geläufige Antwort – die Frage der Gerechtigkeit auf Dauer von selber lösen. Diese Ankoppelung von Gerechtigkeit an wirtschaftlichem Wachstum war nach dem Zweiten Weltkrieg zum konzeptuellen Eckstein des Entwicklungszeitalters geworden. Seit jedoch die Endlichkeit der Biosphäre zutage tritt, also seit wenigen Jahrzehnten, steht dieser Eckstein auf schwankendem Boden. In einem begrenzten Umweltraum kann konventionelles Wachstum keine Gerechtigkeit mehr schaffen – es sei denn um den Preis einer zerrütteten Biosphäre (Sachs & Santarius 2005, 41).

Was bedeutet es angesichts des Klimawandels, dass Christen das Salz der Erde und das Licht der Welt sein sollten?

Es steht außer Zweifel, dass das Überleben der Menschheit einen nachhaltigen Lebensstil verlangt. So wichtig das Thema des einfachen Lebensstils ist, so ist doch klar, dass mit Genügsamkeit allein das Klima nicht zu retten ist. Unternehmen, Institutionen und Individuen müssen eine nachhaltige Existenz anstreben. Die Evangelikalen sollten daran arbeiten, dass dies eine ihrer Kernkompetenzen im 21. Jahrhundert wird. Dazu müssten sie eine biblisch fundierte Theologie der Welt entwickeln, welche eine Theologie der Ökologie einschließt. Diese Theologie der Ökologie hätte eine dreifache Aufgabe:

Erstens müsste sie biblisch fundiert sein und sich nicht dem theologischen Liberalismus anbiedern. Eine Theologie der Ökologie darf nicht auf Kosten der Evangelisation oder der Jüngerschaft gehen. Es kann nicht darum gehen, eine Einnivellierung des biblischen Evangeliums mit liberalen Theologien zu erreichen. Es muss vielmehr um die Ganzheitlichkeit der Guten Nachricht gehen, die eben nicht nur die Seele des Menschen und sein ewiges Heil betrifft, sondern auch den natürlichen Lebensraum des Menschen als von Gott geliebte Welt. Die Theologie der Ökologie müsste bei der Schöpfung in Gen 1 ansetzen und nicht erst beim Sündenfall in Gen 3 (Gnanakan 1999, 40–41).

Zweitens müsste die zu entwickelnde Theologie der Ökologie in den Sendungsauftrag der Kirche integriert werden. Es müsste klar werden, dass es beim Umweltbewusstsein nicht um ein Lieblingsthema einiger grün angehauchter Nachfolger von Jesus geht, sondern dass die Umwelt die Kirche als Ganzes angeht. Auf diese Weise würde die Kirche ernst damit machen, dass sie in dieser Welt existiert, dass sie mit dieser Welt auf Gedeih und Verderb verbunden ist und dass Gott sein Heil in dieser Welt verwirklichen will. Ökologisches Bewusstsein müsste konkret in das evangelikale Missionsverständnis eingebunden werden und den richtigen Platz zugewiesen bekommen.

Drittens müsste eine evangelikale Theologie der Ökologie konkrete Handlungsanweisungen für einen nachhaltigen Lebensstil enthalten. Das würde bedeuten, dass der nachhaltige Lebensstil ein Thema der Jüngerschaft und der Heiligung wird. Es würde um nichts weniger als eine weltliche Heiligkeit gehen. Die Kirche könnte eine Senfkornrevolution in Gang setzen, wenn es ihr gelänge, mit ihren Mitgliedern einen nachhaltigen, den Frieden fördernden und sozial gerechten Lebensstil zu entwickeln. Das eine wird in Zukunft ohne das andere nicht zu haben sein.

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