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Weltbezug

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Der Weltbezug des eurozentrisch-kolonialen Paradigmas durchlief verschiedene Phasen. Im 19. Jahrhundert zeichnete sich die evangelikale Theologie durch eine ausgeprägte Weltzugewandtheit aus. Für Mission und Diakonie wurden enorme Kräfte freigesetzt. Das hatte einerseits mit dem oben beschriebenen Heilsverständnis zu tun, das auf Bekehrung angelegt war und so eine brennende Motivation für Mission und Evangelisation ergab. Anderseits wurde der Fortschrittsglaube der Aufklärung übernommen. Man rechnete noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts damit, dass das Evangelium sich auf einem weltweiten Siegeszug befinde. Stattdessen brachen der theologische Liberalismus, der Darwinismus und der Säkularismus auf breiter Front durch. Der Schrecken zweier Weltkriege erschütterte den Fortschrittsoptimismus nachhaltig. Fortan verlegte sich die evangelikale Mehrheit auf den Standpunkt, die Welt sei böse und das Ende sei nur noch eine Sache kurzer Frist. Das führte zwar vereinzelt zu intensiven missionarischen Bemühungen, dämpfte aber das soziale Engagement.

Im missional-ganzheitlichen Paradigma wird eine neue Beziehung zur Welt gesucht und in der geliebten Schöpfung gefunden. Der Auftrag der Kirche wird missional, das heißt von ihrem Sendungsauftrag ausgehend, gedacht. Mission umschreibt die gesamte Aufgabe, zu der die Kirche gerufen ist, und dazu gehören nicht nur die Evangelisation und die Mission, sondern auch die Verkörperung des Heils in der Koinonia (Gemeinschaft) der Kirche und die soziale Verantwortung. Eine neue Weltzugewandtheit tritt zutage, welche die Welt nicht in erster Linie als abgefallenen Sündenpfuhl betrachtet, sondern als von Gott geliebt und darum ganzheitlichen Dienstes wert.

Ich habe in diesem Abschnitt drei Unterschiede zwischen dem eurozentrisch-kolonialen und dem anbrechenden missional-ganzheitlichen Paradigma beschrieben. Wir befinden uns in einem Paradigmenwechsel, der wie folgt zusammengefasst werden kann:

Im alten Paradigma wird das Christentum durch die Brille des Westens definiert. Im neuen Paradigma werden vermehrt die Stimmen des Südens und der Armen gehört. Dies führt zu einer Vermenschlichung der Kirche im besten Sinn des Wortes, weil die Welt nicht mehr allein durch die Brille der Reichen gesehen wird, sondern stärker durch die Brille der Armen.

Das alte Paradigma besaß als theologischen Kern ein individualistisches Heilsverständnis und als Folge davon eine auf die geistlichen Bedürfnisse der Menschen ausgerichtete Missionspraxis. Das neue Paradigma ist ganzheitlicher Natur. Seine Vertreter integrieren die Weltgestaltung und die soziale Verantwortung in den Sendungsauftrag der Kirche. Sie glauben, dass die Kirche mit dem ganzen Reichtum des Evangeliums auf die ganze Bandbreite der menschlichen Bedürfnisse reagieren muss. Aus diesem Grund habe ich das neue Paradigma als ganzheitlich charakterisiert.

Im alten Paradigma wird die Welt unter dualistischen Gesichtspunkten betrachtet. Die Welt ist ein vorübergehender Schauplatz, aus dem möglichst viele Seelen gerettet werden sollen. Im neuen Paradigma wird in der Welt die geliebte Schöpfung Gottes erblickt, die nicht als sinkendes Schiff fahren gelassen werden soll. Die Kirche nimmt aktiv an der Weltgestaltung teil und strebt danach, alle Bereiche des Lebens auf den Willen Gottes hin zu verändern. Dieser Sendungsauftrag ist zentral für die Ekklesiologie (Lehre von der Kirche). Aus diesem Grund habe ich das neue Paradigma als missional definiert.

Das verbindende Element des missional-ganzheitlichen Paradigmas ist ein neuer Weltbezug. Die Kirche wird als im Dienst der Welt gesehen. Sie dient den Menschen mit dem ganzen Reichtum, der ganzen transformierenden Kraft des Evangeliums. Sie ist nicht von der Welt, aber in der Welt und für die Welt da. Ich werde diese Feststellung abschließend an je einem Beispiel aus der Mission, der sozialen Aktion und dem Gemeindebau untermauern.

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