Читать книгу Nacken Schmerzen selbst behandeln - Roland Liebscher-Bracht - Страница 11
ОглавлениеHERKÖMMLICHE BEHANDLUNGSWEGE
Viele Ärzte stehen unter dem Druck, bei nahezu jedem Krankheitsbild einen schnellen Behandlungserfolg erzielen zu wollen oder zu müssen. Aufgrund des Zeitdrucks werden jedoch die Wirksamkeit und die Nachhaltigkeit von Behandlungsmaßnahmen gerade bei diffusen Krankheitsbildern oft nur unzureichend überprüft. Das bedeutet: Nicht immer werden erst alle manuellen, nichtinvasiven Methoden ausprobiert, ehe zu starken Schmerzmitteln oder gar Operationen gegriffen wird.
Im Nachfolgenden finden Sie einen Überblick über konventionelle Behandlungsmethoden bei Nackenschmerzen, die in der herkömmlichen Medizin immer wieder zum Einsatz kommen. Aber wie wirksam sind sie wirklich?
Medikamente, Muskelrelaxantien, Injektionen
Zum Glück hat sich inzwischen in der Schulmedizin die Meinung durchgesetzt, dass Schmerzmittel als Therapieform bei chronischen HWS-Schmerzen nicht empfehlenswert sind.11 Trotzdem ist es bei Nackenschmerzen häufig wie bei Kopfweh: Wer das erste Mal damit zum Arzt geht, soll es zunächst mit Schmerzmitteln wie Paracetamol versuchen, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Aber kann das die Lösung sein?
Wir von Liebscher & Bracht halten schmerzstillende Medikamente grundsätzlich für eine schlechte Lösung. Natürlich können Sie sich im Notfall damit aushelfen. Wenden Sie sie aber keinesfalls über einen längeren Zeitraum zur Therapie an. Zum einen belasten sie den Organismus mit körperfremden Stoffen, zum anderen bergen sie das Risiko zahlreicher Nebenwirkungen oder machen sogar selbst krank. Doch was am schlimmsten ist: Sie lösen das Problem nicht.
Wir von Liebscher & Bracht sehen Schmerzen als Warnsignale des Körpers (siehe >). Wenn Sie diese mit Schmerzmitteln stumm schalten, kann genau das passieren, wovor die Alarmschmerzen warnen wollen: Überforderungen der Bandscheiben, Überbelastung der Halswirbelsäule und schwerwiegende Schäden am Bewegungsapparat. Die Heilung verzögert sich dadurch immer weiter und wird mitunter ganz verhindert.
Auch Muskelrelaxantien werden oft eingesetzt. Die Theorie dahinter: Wenn sich die Muskeln entspannen, verschwinden auch die Nackenverspannung und die Schmerzen. Eigentlich keine so schlechte Idee, nur die Umsetzung hat, aus unserer Sicht, sehr viele Nachteile für den Patienten. Alle Muskelrelaxantien führen nämlich zu einer eingeschränkten Verkehrstüchtigkeit, Maschinen sollten nicht bedient werden und zudem erhöhen sie bei Älteren das Sturzrisiko.12 Die Leitlinie zu Nackenschmerzen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin kommt daher zu dem Schluss, dass Muskelrelaxantien prinzipiell nicht in der Schmerztherapie eingesetzt werden sollten.13
Wenn gar nichts mehr zu helfen scheint, gehen einige Ärzte dazu über, die Schmerzen mit Lokalanästhetika zu betäuben. Die Injektion erfolgt dabei nach der sogenannten Davos-Methode (»Da, wo es wehtut«).14 Die Anästhetika blockieren eine Reizweiterleitung, was den Nackenschmerz schnell und anhaltend lindern soll. Diese minimal-invasive Injektionstherapie (MIT) gilt gerade bei chronischen HWS-Syndromen als Herzstück der multimodalen Therapie – insbesondere bei Beschwerden wie Gefühlsstörungen oder Lähmungserscheinungen in den Händen (radikuläre Symptomatik).15
Aus unserer Sicht ist das der völlig falsche Weg: Wir sind der Auffassung, dass Ihr Körper Ihnen mit den Schmerzen zeigt, wo er falsch bewegt und belastet wird. Eine Unterdrückung dieser Kommunikation ist nicht sinnvoll. Abgesehen davon fehlt ein wissenschaftlicher Nachweis, dass Lokalanästhetika muskuläre Beschwerden lindern.16
Erst wenn unsere Therapie wirklich nicht geholfen hat und die MIT dazu führen kann, eine Operation zu verhindern, können wir sie befürworten. Injektionen mit Betäubungs- und Schmerzmitteln sollten – genau wie OPs – stets die allerletzte Option sein. Selbst bei technisch korrektem Vorgehen und großer Sorgfalt können nämlich schwere Komplikationen auftreten: Infektionen an der Einstichstelle sind genauso möglich wie Schwindel, Erbrechen, Hör-, Seh- und Sprachstörungen, Muskelkrämpfe oder sogar eine zentrale Atemlähmung. Gute Gründe also, zunächst einmal risikolos unsere Light-Osteopressur oder die Übungen auszuprobieren. Denn wenn Sie Ihre Spannungen in den Muskeln und Faszien des Nackens damit wieder normalisieren, stellt Ihr Körper die Schmerzen auch ohne Medikamente und Injektion wieder ab (mehr dazu erfahren Sie ab > ).
QUADDELTHERAPIE
In der klinischen Praxis ist bei der Behandlung eines hartnäckigen HWS-Syndroms die Quaddeltherapie besonders beliebt, bei der der Arzt geringe Mengen eines Betäubungsmittels unter die Haut einer schmerzhaft überspannten Stelle spritzt. Der Wirkstoff soll sich langsam und gleichmäßig über der Nacken-Schulter-Muskulatur ausbreiten und dort an Nervenendigungen die Schmerzreize blockieren. Klingt gut? Kurzfristig vielleicht, zumal in der Regel keine Nebenwirkungen auftreten. Es gibt allerdings nur wenige aussagekräftige klinische Untersuchungen, die sich mit dieser Behandlungsmethode auseinandersetzen. Hinzu kommt, dass die wahren Ursachen der Muskelverspannungen auch dabei nicht beachtet werden und es immer schlimmer werden kann.
Chiropraktik
Mit speziellen Handgriffen lässt sich eventueller Druck auf Nervenbahnen mindern und Blockaden lassen sich zeitweise aufheben.
Dass eine regelmäßige Manipulation der Wirbelsäule nicht nur bei Nackenschmerzen im akuten Zustand helfen soll, sondern auch präventiv eingesetzt werden kann, finden wir jedoch riskant, da die wahre Ursache unberücksichtigt bleibt. Auch zeigt eine kanadische Studie mit 98 Patienten, die von Chiropraktikern behandelt wurden, dass die Wirbelsäulenmanipulation zur Vorbeugung von Nackenschmerzen nicht wirkungsvoll war.17 Eine andere Auswertung von 33 Studien kam zu dem Ergebnis, dass Manipulation allein nicht wirksam ist.18 Erst in Verbindung mit Krankengymnastik konnten bessere Ergebnisse erzielt werden – was uns klar ist, da wir wissen, dass nur Übungen langfristig helfen.
Massagen entspannen die Halsmuskulatur ebenfalls nur kurzfristig, lösen aber auf lange Sicht die Verkrampfungen nicht, da die Ursache nicht beseitigt wird.
Akupunktur
Die schmerzreduzierende Wirksamkeit von Akupunkturbehandlungen bei Nackenschmerzen konnte in verschiedenen Studien nachgewiesen werden, etwa in einer Untersuchung an der University of New York.19 Die meisten dieser Studien zeigen positive Effekte auf die HWS-Beweglichkeit. Sogar bei chronischen Nackenschmerzen kann diese Behandlung wirken – allerdings nur, wenn man sich regelmäßig unter die Nadel legt, da die Ursache nicht beseitigt wird. Mit unserer Schmerztherapie sind Sie dagegen im Schnitt bereits nach drei Behandlungen schmerzfrei. Und dabei können Sie unsere Übungen auch noch bequem von zu Hause aus machen, ohne viel Zeit investieren zu müssen. Wie genau es geht, erfahren Sie ab > .
Nordic Walking
Die richtige Bewegung ist der Schlüssel zum schmerzfreien Leben. Es gilt als gesichert, dass Nordic Walking nicht nur positive Effekte auf die Ausdauerleistung der Patienten hat, sondern durch die Bewegung mit den Stöcken auch die gesamte Haltungsmuskulatur gestärkt wird.20 Das wirkt sich auch auf Nackenschmerzen positiv aus. Damit das Training wirkt, müssten Patienten allerdings mehrmals pro Woche für ca. eine Stunde Nordic Walking betreiben. Das ist im stressigen Alltag kaum zu schaffen. Für unsere Dehnübungen ab > reichen bereits rund 5–15 Minuten am Tag. Die kann wirklich jeder erübrigen.
Elektrotherapie
Unter Elektrotherapie versteht man den therapeutischen Einsatz von Strom, um die Nackenschmerzen zu reduzieren. Zum Einsatz kommen dabei vor allem Ultraschall, Neurostimulation (NSM), also die Stimulation von Nerven mittels Stromimpulsen, und Iontophorese, bei der unter Anwendung eines schwachen elektronischen Gleichstroms Arzneimittel über die Haut zugeführt werden.21 Studien konnten bisher keine Wirksamkeit der Elektrotherapie belegen.22 Auch wir halten sie für ungeeignet, da sie die Ursache nicht beseitigt.
Thermotherapie
Beliebt ist bei Nackenschmerzen auch die Behandlung mit Wärme und Kälte. Dabei sollen Wärmeanwendungen mit Wärmflaschen, Rotlichtlampen, einem heißen Bad oder einer heißen Dusche sowie in der Sauna dem Patienten helfen, sich zu entspannen, wodurch sich auch die Muskeln lockern. Weil die Wärme jedoch nicht die Ursache der Schmerzen bekämpft, lässt sich allerdings keine langfristige Wirkung erzielen.
Wenn Sie merken, dass Ihnen Wärme guttut, spricht natürlich nichts gegen entsprechende Anwendungen – ergänzend zur Therapie. Wärme kurbelt zudem die Durchblutung des Nackengewebes an. Gleiches gilt für diverse Präparate aus der pflanzenheilkundlichen Therapie. Ätherische Öle aus Eukalyptusblättern, Fichten- oder Kiefernadeln sollen durchblutungsfördernd, indirekt entzündungshemmend und muskelentspannend wirken.
Eine bessere Durchblutung kann in Verbindung mit Bewegung oder unserer Faszien-Rollmassage (siehe ab > ) insofern hilfreich sein, da der Körper Abfallstoffe so schneller abtransportieren kann. Aber Vorsicht: Bei starken Entzündungen ist Wärme mit Vorsicht zu genießen und nicht sinnvoll.23
Eine Kältebehandlung hat den Effekt, dass die Leitfähigkeit der Nervenfasern im Gewebe merklich reduziert wird.24 Dadurch wird manchmal auch kurzfristig der Schmerz blockiert. Aber aufgepasst: Kalte Zugluft sorgt bei den meisten für Verschlimmerung, da die Nackenmuskulatur im sehr gestressten, schon spannungserhöhten Zustand ist.
ORTHESEN
Unfallopfern mit Schleudertrauma wird oft eine sogenannte Orthese verordnet. Wir von Liebscher & Bracht sehen solche externen Hilfsmittel jedoch kritisch. Schaumstoffkragen oder Kopfstützen sind nach Verletzungen zunächst vielleicht sinnvoll, als Behandlungsform für »klassische« HWS-Syndrome oder auch bei einem Bandscheibenvorfall sind sie jedoch ungeeignet, weil die Ursachen dadurch nicht dauerhaft beseitigt werden. Eine Halskrause stützt die Halswirbelsäule und hält sie in einer »bequemen« Haltung. Im Prinzip begünstigt sie also eine Schonhaltung, die schon bestehende Verkürzungen sogar noch zusätzlich verschlimmern und die Muskelfunktion mindern kann. Fällt die stützende Funktion der Halskrause weg, kehren die Schmerzen also früher oder später zurück.