Читать книгу Nacken Schmerzen selbst behandeln - Roland Liebscher-Bracht - Страница 16

ALLES BEGINNT MIT DER HALTUNG

Оглавление

Wie Sie sehen, geht es bei Nackenschmerzen um Fehlbelastungen – typischerweise beim Sitzen im Büro –, die ein Überstrecken der Nackenmuskulatur zur Folge haben. Ein Beispiel: Je weiter man sich gedanklich in seine Arbeit am Schreibtisch vertieft, umso mehr sackt der Oberkörper in sich zusammen. Der Rücken wird rund, die Schultern fallen nach vorne. Um den Blick weiter auf den Bildschirm richten zu können, überstrecken wir automatisch den Hals. Manchmal ertappt man sich dann selbst in dieser Position und richtet sich wieder auf. Doch das hält meist nicht lange an und man fällt zurück in die krumme Körperhaltung, weil die durch unsere Haltungsgewohnheit verkürzten Muskeln und Faszien uns wieder dorthin ziehen. Was genau aber passiert dadurch eigentlich?

INFO

Der Ausdruck »kürzer werden« bedeutet nicht, dass ein Stück des Muskels oder der Faszie verloren geht, so als würde man ein Stück davon abschneiden. Er verdeutlicht aber bildlich, was passiert, wenn sie zu angespannt bzw. stark verfilzt sind. Weil die Fasern dann nämlich nicht mehr so flexibel nachgeben wie genetisch gedacht, wirken sie, als wären sie zu kurz, um die ihnen zugedachte Aufgabe zu erfüllen.

An sich wären etliche Stunden in statischer Körperhaltung gar nicht das Problem – wenn sie durch gezielte Gegenbewegungen kompensiert werden würden. Genau dieser Ausgleich der »Fehlhaltung« bleibt jedoch bei vielen von uns im hektischen Alltag auf der Strecke. Leidtragende dieses Missverhältnisses sind die Muskeln und die elastischen Teile des Bindegewebes, die Faszien. Sie passen sich nämlich permanent dem individuellen Bewegungsprofil an und verlieren exakt dort ihre Flexibilität, wo sie nicht in vollem Umfang gedehnt werden. Im Laufe der Zeit wird das muskulär-fasziale Netzwerk daher immer unnachgiebiger und spröder. Wir sprechen hier von einer sogenannten Verkürzung der Muskeln und Faszien.

Das ständige Sitzen hat natürlich auf den gesamten Rücken weitreichende Auswirkungen: Normalerweise verläuft die Wirbelsäule in einer doppelten S-Form. Im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule krümmt sie sich nach vorne (Lordose), im Bereich der Brustwirbelsäule nach hinten (Kyphose). Ein leichtes Hohlkreuz im oberen und unteren Bereich ist daher genauso normal wie ein leichter Rundrücken. Weil sich durch unseren sitzenden Alltag die Hüftbeuger und Bauchmuskeln jedoch massiv verkürzen, müssen Rücken- und Hüftstrecker entgegensteuern, damit der Rumpf aufrecht bleibt. Da ein Teil des Hüftbeugers an der Lendenwirbelsäule befestigt ist, fördert die Verkürzung dort das Hohlkreuz.

Gleichzeitig zieht der immer größer werdende Zug der geraden Bauchmuskeln auch das Brustbein nach vorne unten. Die fasziale Zugspannung steigt und steigt, bis die Rückenstrecker irgendwann nachgeben und sich ein Rundrücken (Hyperkyphose) entwickelt, der mit der Zeit wie das Hohlkreuz immer extremer wird.

Was im Bereich der Brustwirbelsäule noch dazukommt: Weil wir die Arme heute meist vor dem Körper halten, zum Beispiel um auf einer Tastatur zu tippen, verkürzt sich auch der Brustmuskel und die Schultern werden ebenfalls immer weiter nach vorne gezogen.

Wer (meist über Jahre) immer mehr in den Rundrücken fällt, könnte irgendwann gar nicht mehr geradeaus blicken. Um das zu kompensieren, wird der Kopf automatisch und ohne dass wir es bewusst wahrnehmen, nach vorne überstreckt. Von der Seite betrachtet bildet die Halswirbelsäule nun vom zweiten Halswirbel, dem Axis, bis zum ersten Brustwirbel ein vermehrtes Hohlkreuz. Durch diese sogenannte Hyperlordose lastet mehr Gewicht auf der Brustwirbelsäule. Um wiederum die Lordose in der Halswirbelsäule zu kompensieren, wird der Kopf weiter nach hinten verlagert. Dementsprechend wird bei einer Hyperlordose der Halswirbelsäule vor allem auch der rückwärtige Bereich der Wirbelkörper und der Bandscheibe belastet. Dadurch wird oft der Spinalkanal verengt und die Facettengelenke verschleißen. Durch den sich ausbreitenden Hartspann der Nacken- und Schultermuskulatur können die Beschwerden bis in die Arme und Hände ausstrahlen.

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen:

Die Halswirbelsäule bildet den beweglichsten Abschnitt des Rückens. Sitzen Sie jedoch viele Stunden täglich, ohne für den nötigen Ausgleich zu sorgen, schlägt das Pendel in eine für Sie ungünstige Richtung aus: Sie bewegen Ihren überstreckten Kopf zu wenig, Muskeln und Faszien vom Nacken bis zur Schulter verkürzen und es entwickelt sich ein nach vorne gerichteter Zug im Oberkörper, sobald Sie sich wieder aufrichten.

Damit Sie sich dennoch gerade hinstellen können, versucht Ihr Körper, die nach vorne wirkende Kraft durch die Muskeln und Faszien im Rücken wettzumachen. Dies gelingt jedoch nur mit einer Spannung, die weit über das normale Maß hinausreicht. An einem bestimmten Zeitpunkt läuft das Fass sprichwörtlich über: Dann herrschen sowohl im vorderen als auch im hinteren Körperbereich so heftige Zugkräfte, dass die Bandscheiben Ihrer Halswirbelsäule unnatürlich stark aufeinandergepresst und die kleinen Zwischenwirbelgelenke bedroht sind. Jetzt schreitet Ihr Körper ein.

WICHTIG

Vor allem bei Kindern sollte unbedingt vermieden werden, dass sich eine Hyperkyphose entwickelt bzw. sollte ihr sofort entgegengewirkt werden, denn in jungen Jahren ist sehr viel weniger Aufwand nötig, um den Rundrücken wieder zu »begradigen«. Noch besser ist es natürlich, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Achten Sie daher darauf, dass Ihr Kind nicht zu viel sitzt, und sorgen Sie mit viel Bewegung und sportlichen Aktivitäten für genug Ausgleich.

Nacken Schmerzen selbst behandeln

Подняться наверх