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Jesus als Nur-Prophet
ОглавлениеDies ist das Bild von Jesus, das wir im Koran finden. Jesus ist ein Bote Gottes wie andere Propheten: Mose, Abraham, David. Zwar wird ihm auch im Koran eine besonders hohe Stellung unter den Propheten eingeräumt, er trägt Ehrentitel, die kein anderer, nicht einmal Mohammed selbst, für sich in Anspruch nimmt: Wort Gottes, Geist von Gott und andere. Auch im Koran wird von seinen Wundern berichtet. Und dennoch ist er letztlich doch nur Prophet und nicht mehr. Die koranische Vorstellung von Jesus formt ihn nach dem Vorbild des Propheten Mohammed. Die Kreuzigung Jesu wird geleugnet, da es unvorstellbar ist, dass Gott es zulassen würde, dass sein Prophet so leidet. Denn Gott ist allmächtig und kann nicht erlauben, dass der von ihm Gesandte eine solche endgültige Schlappe erleidet.12
Aber nicht nur im Koran findet sich dieses Jesusbild. Eine ganze Reihe von nachchristlichen Religionen hat versucht, Jesus in ihr System einzubauen. Und das ist so zu erklären: Diese in den letzten 2000 Jahren entstandenen Religionen können nicht an Jesus vorbei. Es geht nicht, ihn einfach zu ignorieren. So muss er irgendwie in die neue Religion aufgenommen werden. Und das geschieht meist, indem man ihn als einen der Propheten bezeichnet, die als Vorläufer des jeweiligen Religionsgründers gekommen sind. Jesus ist auf diese Weise unschädlich gemacht, denn man kann jederzeit sagen: Wir glauben auch an Jesus. Aber eben nur als Prophet. Als einer unter anderen. Als Vorläufer. Und so hat man ihn integriert, hält sich ihn aber gleichzeitig mit seinem Anspruch vom Hals.
So attraktiv diese Lösung des Problems Jesus ist, so schwierig ist sie auch. Denn alles, was wir vom wirklichen Jesus wissen, deutet in eine andere Richtung. Er behauptete eben nicht, nur ein Prophet unter anderen zu sein, einer von denen, die halt sporadisch in der Weltgeschichte auftauchen. Die Vorstellung von Jesus als nur einem Propheten ist eine unwahrhaftige Kompromisslösung. Auf der einen Seite kann man Jesus nicht ignorieren. Auf der anderen Seite will man ihn aber auch nicht als die entscheidende Schlüsselfigur anerkennen. So macht man ihn zu einem Propheten unter anderen, zum letzten großen Vorläufer des jeweiligen Religionsstifters. Das große Problem dabei ist nur: Die Berichte der Evangelien lassen einen solchen Lösungsversuch nicht zu. Genauso wie der liberale Jesus oder der Geheimlehrer Jesus ist der Nur-Prophet Jesus eine Erfindung.