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Die Konferenz von Jalta

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Auch wenn weder Deutschland noch das mit ihm verbündete Japan Anzeichen dafür zeigten, dass sie die seit 1943 geforderte bedingungslose Kapitulation akzeptieren würden, war für die Alliierten die Vollendung ihres Sieges Anfang 1945 nur eine Frage der Zeit. Die „Großen Drei“, nämlich der US-Präsident Franklin D. Roosevelt, der britische Premierminister Winston S. Churchill und der sowjetische Diktator Josef Stalin, verständigten sich deshalb darauf, die noch immer bestehenden offenen Fragen der künftigen Nachkriegsordnung bei einer neuen Zusammenkunft zu klären.11

Ihr letztes Treffen in Teheran vom 28. November bis 1. Dezember 1943 lag bereits mehr als ein Jahr zurück. Nach der Wiederwahl Roosevelts und seiner Vereidigung auf eine neue Amtsperiode am 20. Januar 1945 war auch der amerikanische Partner wieder voll handlungsfähig. Auf Wunsch Stalins fand die neue Gipfelkonferenz der Anti-Hitler-Koalition in Europa in einer befreiten sowjetischen Stadt statt. So wurde Jalta, der ehemalige zaristische Kur- und Badeort auf der Krim, vom 4. bis 11. Februar 1945 zur Kulisse von Verhandlungen, die den Gang der Weltgeschichte für die nächsten vier Jahrzehnte bestimmen sollten.

Die Stadt erinnerte mit ihren noch sichtbaren Spuren des Krieges und der deutschen Besetzung die Konferenzteilnehmer sehr nachhaltig an das gemeinsame Kriegsziel: Die Vernichtung des NS-Herrschaftssystems in Europa. Ob die westlichen Abgesandten durch diese Szenerie tatsächlich so beeindruckt worden sind, dass sie den sowjetischen Forderungen mit allzu großer Nachgiebigkeit begegneten, lässt sich wohl kaum mit Sicherheit sagen. Tatsächlich war das Ergebnis der Konferenz die Teilung Europas und der Welt.12 In Jalta begann die Epoche der bipolaren Welt, dominiert von den neuen Supermächten USA und UdSSR, und die Konferenz symbolisierte das Ende einer eigenständigen welthistorischen Rolle Europas. Das Klischee der „Bürde von Jalta“ meint die damals vollzogene Auslieferung Ostmitteleuropas an das stalinistische Imperium.13

Diese Kriegsbeute wurde zur Grundlage des Aufstiegs der Sowjetunion zur Weltmacht. Damit wurde das Überleben des kommunistischen Systems für eine weitere Generation lang gesichert, obwohl es im eigenen Land seit fast drei Jahrzehnten Millionen von Menschenleben gefordert hatte. Der Sieg über Hitlers Armeen aber schien dem Stalinismus eine neue Legitimation und Zukunft zu verleihen. Erst späteren Historikern blieb die Einsicht vorbehalten, dass dieser Sieg nicht wegen sondern trotz des Stalinismus möglich geworden ist.14

Haben die westlichen Regierungschefs also in Jalta versagt, haben sie sich von Stalin übertölpeln lassen und sind sie bei der Durchsetzung ihrer eigenen Kriegsziele gescheitert? Betrachtet man das Konferenzergebnis nicht von seinen Folgen, sondern von seiner Vorgeschichte, von der sich erst allmählich herausbildenden und wiederholt veränderten alliierten Deutschlandplanung her, dann wird der Verlauf der Konferenz verständlicher und das Urteil über Churchill und Roosevelt differenzierter.

Als die USA am 7. Dezember 1941 in den Krieg eintraten, stand Hitler auf dem Höhepunkt seiner Macht. Die deutsche Niederlage vor Moskau war in ihrem vollen Ausmaß noch nicht klar erkennbar. Dafür hatten die Japaner mit ihrem Überfall auf die US-Flotte in Pearl Harbor einen spektakulären Erfolg errungen. Die westlichen Demokratien schienen ebenso bedroht zu sein wie die bereits schwer angeschlagene stalinistische Diktatur. Der gemeinsame Feind war Hitler, also mussten sich alle Anstrengungen auf seine Niederwerfung richten. Im Kampf gegen den japanischen Imperialismus standen die Westmächte allein. Sie hatten einen Zweifrontenkrieg zu führen, während Moskau an seinem Neutralitätsvertrag mit Japan festhielt und seine Kräfte an der Front gegen Hitler konzentrieren konnte.

Wo also konnten die gemeinsamen Ziele jenseits des angestrebten militärischen Sieges liegen? Roosevelt und Churchill hatten am 14. August 1941 in der Atlantik-Charta lediglich vage Vorstellungen formuliert. Es sollte keine Eroberungen und Annexionen geben. Mit der Ausschaltung Deutschlands als militärischer Macht sollte eine künftige Bedrohung des Weltfriedens verhindert und eine „bessere Zukunft der Welt“ erreicht werden.15

Diese Formel erinnerte noch an Vorschläge, mit denen 1917 der US-Präsident Woodrow Wilson den Ersten Weltkrieg beenden wollte. Das Diktat von Versailles, mit dem Deutschlands erster Griff nach der Weltherrschaft beendet worden war, fiel zwar 1920 sehr hart aus, hatte aber das Wiederaufleben des deutschen Weltmachtstrebens unter Hitler nicht verhindern können. Eine Wiederholung von Versailles kam nach dieser Erfahrung also nicht in Betracht. Wollte man den „preußisch-deutschen Militarismus“ endgültig zerschlagen, dann musste man das auch mit seiner eigentlichen Basis machen, dem Bismarck-Reich, jener Schöpfung aus Blut und Eisen. So waren im Laufe des Jahres 1942 in Washington erste Pläne für die Aufteilung Deutschlands in drei, fünf oder sieben einzelne Staaten entworfen worden.16 Offizielle politische Vereinbarungen wurden aber noch nicht getroffen, als Churchill und Roosevelt vom 14. bis 24. Januar 1943 erneut, diesmal in Casablanca, zusammentrafen. Dort stand die Formel von der „bedingungslosen Kapitulation“ (= Unconditional Surrender) im Mittelpunkt.17 Stalin, der wegen der Schlacht um Stalingrad in Anspruch genommen war und nicht teilnehmen konnte, sollte mit dieser Formel in seinem Misstrauen beruhigt werden.

Der sowjetische Diktator fürchtete nämlich, dass seine westlichen Verbündeten mit der Errichtung der von ihm dringend geforderten „zweiten Front“ absichtlich zögerten und womöglich mit einem Separatfrieden zu seinen Lasten liebäugelten. Dabei pokerte er selbst mit angeblichen Friedensfühlern in Richtung Berlin, um seine Verbündeten unter Druck zu setzen. Mit ihrer Forderung nach totaler und bedingungsloser Kapitulation Deutschlands wollten die Westmächte zugleich verhindern, dass die Deutschen später wieder zu einer „Dolchstoßlegende“ Zuflucht nehmen konnten. Anders als nach dem Ersten Weltkrieg sollten die Deutschen die völlige Niederlage begreifen und diese Einsicht als Chance zu einem wirklichen demokratischen Neuanfang nutzen können. Vor allem aber gewährte diese Formel den Alliierten freie Hand bei der Gestaltung einer künftigen Friedensordnung in Deutschland und Europa.

Die westalliierten Aufteilungspläne waren im Laufe des Jahres 1943 innerhalb der US-Administration zum Streitfall geworden. Außenminister Cordell Hull und Kriegsminister Henry Stimson lehnten sie ab. Auch auf der Konferenz der drei Außenminister in Moskau im Oktober 1943 unterblieb eine exakte Abstimmung der Deutschlandpolitik. Man bekräftigte lediglich die Forderung nach der bedingungslosen Kapitulation und verständigte sich darauf, das Reich völlig zu besetzen, die deutschen Streitkräfte zu demobilisieren, das NS-Regime zu beseitigen und die deutsche Wirtschaft durch internationale Gremien zu kontrollieren.

Die Idee einer neuen Weltorganisation wurde zum eigentlichen Ziel des US-Präsidenten, das er auf den nachfolgenden Konferenzen hartnäckig verfolgte. Roosevelt konzentrierte sein Interesse auf die Verwirklichung dieses Traumes von der „Einen Welt“. Den Schlüssel dazu sah er in der Gründung der „Vereinten Nationen“ als einer Weltsicherheitsorganisation, die vor allem von den USA und der UdSSR getragen werden sollte.

Bei der ersten Kriegskonferenz der „Großen Drei“ in Teheran vom 28. November bis 1. Dezember 1943 sollten eigentlich die noch offenen Detailfragen, etwa über die Errichtung von Besatzungszonen und die Festlegung von Reparationen von Deutschland, geklärt werden. Einigkeit wurde zumindest darin erzielt, eine Europäische Beratungskommission (European Advisory Commission = EAC) mit Sitz in London zu gründen18, die sich darum kümmern sollte.

Die Gespräche in Teheran widmeten sich hauptsächlich der weiteren militärischen Zusammenarbeit und dem Problem der polnischen Nachkriegsgrenzen. Man ging davon aus, dass Polen „im Westen gewinnen solle, was es im Osten verliert“.19 Churchill demonstrierte das Verfahren durch drei Streichhölzer, die auf der Landkarte „ganz einfach“ nach Westen verschoben wurden. Obwohl Roosevelt diesem Abweichen von der Atlantik-Charta nicht ausdrücklich zustimmen wollte, verständigten sich Stalin und Churchill bereits auf die Oder als neue Westgrenze Polens.

Damit erkannte der Westen zwangsläufig die Annexionen an, die Stalin 1939/40 dank seines Paktes mit Hitler hatte durchführen können. Trotz dieses, wenn auch noch nicht förmlich besiegelten Zugeständnisses zeigte sich Stalin jedoch nicht geneigt, die in London residierende und westlich orientierte polnische Exilregierung zu akzeptieren. Beim Einmarsch der Roten Armee in Polen installierte er im Herbst 1944 vielmehr in Lublin ein eigenes Satellitenregime und dokumentierte so eindeutig seinen imperialen Herrschaftsanspruch.

Zu diesem Zeitpunkt, nach der erfolgreichen Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944, beschäftigte man sich in den USA mit gänzlich abgehobenen Vorstellungen zur Zukunft Deutschlands. Finanzminister Henry Morgenthau jr. hatte Präsident Roosevelt für die totale Entmilitarisierung und Zerstörung der Industrie des Reiches gewinnen können.20 Ruhrgebiet, Rheinland und das Gebiet um den Nord-Ostsee-Kanal sollten internationaler Verwaltung unterstellt werden. Die Deutschen würden künftig nur noch von Ackerbau und Viehzucht leben.

Morgenthaus radikale Vorstellungen wurden aber schon im eigenen Regierungslager als „Pläne voll blinder Rache“ charakterisiert und nicht zuletzt auch deshalb kritisiert, weil ein derartig zerstörtes Deutschland leicht zur Beute des Bolschewismus werden konnte. Obwohl Morgenthau und Roosevelt auf der Konferenz von Quebec (11. bis 16. September 1944) sogar Churchill für diese Idee gewinnen konnten, musste bald ein Rückzieher gemacht werden. Angesichts der heftigen Reaktionen in der öffentlichen Meinung beiderseits des Atlantiks entschloss sich Roosevelt, den Morgenthau-Plan aus dem Wahlkampf um seine Wiederwahl im November 1944 herauszuhalten. Man kam nicht wieder darauf zurück.21

Umso drängender wurde es zum Jahresende 1944 jedoch, sich mit Stalin endlich über die künftige Europa- und Deutschlandpolitik zu verständigen. Schon im Juli hatte Roosevelt eine neue Konferenz der „Großen Drei“ vorgeschlagen. Der Termin musste mehrmals verschoben werden. Athen, Konstantinopel und Jerusalem waren als Tagungsorte im Gespräch gewesen. Schließlich hatte man sich Ende Dezember auf Jalta geeinigt.

Eine Grundlage für das Gipfelgespräch bildeten die Arbeitsergebnisse der EAC. Es lagen vor der Entwurf für die Urkunde zur bedingungslosen Kapitulation Deutschlands, ein am 12. September 1944 unterzeichnetes Protokoll über die Aufteilung der drei Besatzungszonen mit einer Änderung vom 14. November sowie ein an diesem Tag verabschiedetes Abkommen über die Kontrolleinrichtungen im Nachkriegsdeutschland. Churchill hatte Wert darauf gelegt, zunächst eine britisch-amerikanische Vorkonferenz durchzuführen. Sie fand vom 30. Januar bis 2. Februar 1945 in Malta statt. Dieser Besprechung hatte Roosevelt aber nur sehr zögernd zugestimmt. Er fürchtete das Misstrauen Stalins, mit dem er gerade doch in Jalta ein offenes, unbelastetes Gespräch führen wollte.

Durch die Zurückhaltung der USA war also in Malta eine genaue Abklärung der angloamerikanischen Vorstellungen unterblieben. Roosevelt und Churchill flogen getrennt nach Jalta. Mit seiner Haltung kam der US-Präsident dem sowjetischen Diktator weit entgegen. Churchill stand mit seinen Bemühungen, eine europäische Balance herzustellen und das machtpolitische Ausgreifen der UdSSR einzudämmen, praktisch allein.22 Es war längst deutlich geworden, dass die militärische und ökonomische Stärke Großbritanniens und Frankreichs im Nachkriegseuropa nicht ausreichen würde, um ein Gegengewicht zur Sowjetunion zu bilden. Jalta brachte dann zutage, dass London nicht mehr als gleichberechtigter Partner im Kreis der „Großen Drei“ agieren konnte. Als „Juniorpartner“ musste sich der britische Premierminister letztlich nach den Leitlinien der USA richten. Die Delegation Roosevelts aber zeigte sich entschlossen, strittige Fragen über Deutschland bis auf die Zeit nach dem Kriegsende in Europa zu verschieben.

Durch den späten Termin des Gipfels hatte sich Stalins Position erheblich verbessert. Der neue Vorstoß der sowjetischen Streitkräfte am 12. Januar 1945 von der Weichsel zur Oder brachte die Rote Armee bis auf 60 km an Berlin heran, während die Westalliierten in den Ardennen erst die nochmals vorgedrungenen Deutschen zurückwerfen mussten. Es sah alles danach aus, dass es die Russen sein würden, die dem Hitler-Reich den Todesstoß versetzen würden. Moskau interpretierte dementsprechend den bevorstehenden Sieg als eigenes Verdienst; zudem beherrschte es inzwischen große Teile Osteuropas. Das von polnischen Kommunisten auf Geheiß Stalins gebildete Lubliner Komitee war als provisorische Regierung bereits in Warschau etabliert worden, während die Westmächte noch immer versuchten, die Exilregierung in London ins Gespräch zu bringen.

Roosevelts Erwartung, die Konferenz von Jalta in einem Klima der Freundschaft, der gegenseitigen Achtung und des allgemeinen Vertrauens zu einem raschen Abschluss zu bringen, wurde enttäuscht. Stalin stimmte zwar dem Lieblingsprojekt des US-Präsidenten, der Gründung der Vereinten Nationen, zu; aber dafür verlangte er auf nahezu allen Gebieten Zugeständnisse der westlichen Alliierten zu seinen Gunsten. Unter der Wiederherstellung der Demokratie in Europa im Sinne der Atlantik-Charta verstanden beide Seiten nun einmal etwas anderes, auch wenn man in Jalta eine „Erklärung über das befreite Europa“ verkündete.23 Darin wurde ein gemeinsames Vorgehen bei der Lösung der politischen und wirtschaftlichen Probleme des Kontinents „auf demokratischer Grundlage“ vorgesehen.

Diese Prinzipien blieben aber von Anfang an nur papierne Absichtserklärungen. In der Realität setzte Moskau in den „befreiten“ Staaten Ost- und Südosteuropas schrittweise eigene Marionettenregime ohne demokratische Legitimation ein, gestützt allein auf die Bajonette der Sowjetarmee. Für die britische Regierung war besonders der Fall Polen schmerzlich, denn man war schließlich 1939 zur Verteidigung der Unabhängigkeit dieses Landes in den Krieg gezogen. Hinzu kam, dass nun den Kommunisten jene territorialen Kompensationen in Deutschland zugestanden werden mussten, die sich aus der Verschiebung der polnischen Ostgrenze ergaben. Das Ausmaß dieser „Entschädigung im Westen“ blieb jedoch umstritten. Die ursprüngliche Vereinbarung hatte die Oder als Grenze vorgesehen, doch nun verlangte Stalin die Anerkennung der erweiterten Oder-Neiße-Linie.

Um Churchills Einwände gegen diese Linie zu entkräften, stellten Stalin und der sowjetische Außenkommissar Wjatscheslaw Molotow mehrmals im Verlauf der Konferenz die falsche Behauptung auf, dass die gesamte deutsche Bevölkerung aus den betroffenen östlichen Reichsgebieten bereits geflüchtet sei. Aber es ging bei diesem Schacher wohl nicht so sehr um moralische Skrupel oder humanitäre Bedenken. Churchill selbst formulierte zynisch seinen Zweifel, ob es klug sei, „wenn man die polnische Gans dermaßen mit deutschem Futter mäste, daß sie an Verdauungsbeschwerden eingehe“.24 Man verständigte sich schließlich darüber, zunächst die Meinung der polnischen Regierung einzuholen und die endgültige Westgrenze Polens erst auf der späteren Friedenskonferenz festzulegen. Daraus wurde dann im August 1945 bei der Potsdamer Konferenz die Anerkennung der von Moskau geschaffenen Realitäten und somit die Überlassung der Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie an die polnische Verwaltung.

Trotz seiner machtpolitisch-territorialen Erfolge hatte Stalin in Jalta allerdings auch selbst eine herbe Enttäuschung einstecken müssen. Er war bemüht gewesen, die Frage der Reparationen Deutschlands ins Gespräch zu bringen. Seine Forderung bezifferte er schon einmal auf zehn Milliarden Dollar, d. h. 50 Prozent der angenommenen Gesamtsumme von 20 Milliarden. Die Westmächte stimmten dieser Forderung aber nicht zu und überwiesen die Klärung der Frage an eine alliierte Reparationskommission, die – soweit das Zugeständnis an den drängenden Bundesgenossen – in Moskau eingerichtet werden sollte.

Auch bei den von westlicher Seite favorisierten Teilungsplänen (Dismemberment of Germany) kam man zu keiner Einigung. Ein weiteres spezielles Komitee sollte zunächst einmal detaillierte Entwürfe anfertigen. Der Grundsatz der Zerstückelung des Reiches wurde zwar im EAC-Entwurf für die Kapitulationsurkunde aufgenommen, doch eine praktische Folge ergab sich daraus nicht. Die Siegermächte zogen es nämlich später vor, an der Fiktion einer Einheit Deutschlands festzuhalten und die Aufteilung in Besatzungszonen nur als vorübergehende Lösung zu bezeichnen.

Neben der Frage der Vereinten Nationen hatte dem todkranken US-Präsidenten noch ein anderes Problem am Herzen gelegen. Auch hier fiel es Stalin leicht, dem Wunsche Roosevelts entgegenzukommen. Es ging um den Krieg gegen Japan. In einem Geheimprotokoll sicherte Moskau zu, zwei bis drei Monate nach Abschluss des Krieges in Europa an der Seite der Westmächte in den Krieg gegen Japan einzutreten und damit den bilateralen Nichtangriffsvertrag mit dem fernöstlichen Kaiserreich zu brechen. Dieses Ergebnis ist später heftig kritisiert worden, denn militärisch erwies sich das sowjetische Eingreifen im August 1945 als überflüssig, da Japan – erst recht nach dem Einsatz der US-Atombombe – ohnehin am Ende war. Dagegen erhielt Stalin die Chance, auch im Fernen Osten den sowjetischen Einfluss erheblich zu erweitern. Roosevelt allerdings baute im Februar 1945 auf die Prognose seiner Militärs, dass der Krieg gegen Japan nach der Niederlage Deutschlands noch mehr als zwölf bis 18 Monate andauern könnte und hohe Verluste befürchtet werden mussten. Insofern buchte er Stalins Zusage als großen Erfolg für sich.

Als zum Abschluss der Jalta-Konferenz eine Presseerklärung und ein Schlusskommuniqué veröffentlicht wurden (vgl. Dokument 13, S. 176 ff.), waren die unterschiedlichen Standpunkte in vielen Fragen deutlich zu erkennen. Auch die Ankündigung, dass Frankreich künftig als vierte Besatzungsmacht in den Kreis der Siegermächte aufgenommen werden sollte, war kein Zeichen der Einigkeit, denn Stalin hatte dieser Regelung nur zugestimmt, weil sie zu Lasten Großbritanniens und der USA ging. Roosevelts Bemühungen, die Sowjetunion in eine von westlichen Vorstellungen geprägte Weltfriedensordnung einzubinden, blieben illusionär. Zweifellos hatte der Präsident eine Teilung Europas nicht beabsichtigt, aber er war zu schwach gewesen, den machtpolitischen Gelüsten des überlegen agierenden sowjetischen Diktators entgegenzutreten.25

Die Anti-Hitler-Koalition stand offenbar vor ihrer Auflösung, denn außer dem gemeinsamen Feindbild verband die Alliierten praktisch nichts. Das Vertrauen, das Roosevelt als Vorschuss für ein künftiges Zusammengehen in Jalta eingebracht hatte, wurde von der anderen Seite nicht erwidert. Unter diesen Umständen aber musste der Traum einer Weltfriedensordnung auf den Trümmern des besiegten „Dritten Reiches“ unerfüllt bleiben.

1945

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