Читать книгу Eine Blau-Weisse Autobiografie "5:04" – Es ist niemals zu früh, um Schalke zu leben - Rolf Rojek - Страница 16
1982 – Vom Bauherr zum „Pleitegeier“: Unser Hauskauf in Saerbeck.
ОглавлениеSaerbeck, ein schönes Dörfchen mit 4.900 Einwohnern im nördlichen Münsterland. Hier kennt jeder Jeden, hier ist die Welt noch in Ordnung. Ja, wir haben uns in Saerbeck sauwohl gefühlt. Wir wohnten damals in einer großen Doppelhaushälfte mit schönem Garten. Unsere Kinder gingen gerne in den Kindergarten und wir hatten viele gute Freunde. Dorfidylle pur.
Als Schalker gründete ich 1980 den Schalke Fan-Club Blau-Weiß Saerbeck, während ich beruflich erfolgreich als Versicherungskaufmann aktiv war und kurz davorstand, das alteingesessene Sportgeschäft Clausmeier in Osnabrück zu kaufen. Man könnte also sagen, unser Leben verlief prima.
Mit der Zeit kam unser Hausvermieter immer häufiger zu Besuch und wollte uns den Kauf der Doppelhaushälfte schmackhaft machen. Das Haus hatte rund 165 qm Wohnfläche, viele Zimmer, einen Keller und einen schönen Garten. Der Kaufpreis von 320.000 DM war eigentlich auch nicht zu hoch für das Objekt, trotzdem zögerten wir mit dem Kauf. Ich denke, wir waren noch nicht so weit, ein Haus zu kaufen. Mein damaliger Freund und gleichzeitiger Chef sowie meine Steuerberaterin haben mich zwar schon mehrfach dazu drängen wollen, dass ich mir bei meinem Verdient unbedingt eine Immobilie als Altersvorsorge zulegen sollte, aber der Kopf sagte noch immer nein. Dabei gab es keine finanziellen Probleme, im Gegenteil. Ich verdiente bei der Versicherung im Außendienst gutes Geld, ich hatte eine große Versicherungsagentur mit drei hauptamtlichen Mitarbeitern und betreute zudem 40 Vertreter im Nebenjob. Trotzdem bekam ich das Geld nicht geschenkt und musste dafür hart arbeiten.
Mein Alltag begann spätestens um 9.00 Uhr im Büro und endetet meist erst nach 20.00 Uhr. An den Wochenenden, an denen Schalke spielfrei hatte, saß ich auch in meinem Büro oder besuchte meine Kunden. Von nichts kommt nun einmal nichts! Trotz Zweifel machten Gudrun und ich uns immer mehr mit dem Gedanken vertraut, uns Eigentum anzuschaffen. Wenn unser damaliger Vermieter mit seinem Preis vielleicht etwas runtergegangen wäre, hätte er uns damit Verhandlungsbereitschaft signalisiert und wir vielleicht schon längst zugesagt.
Die Fußballbundesliga ging in die Sommerpause und in Spanien fing die WM an. Wie erwähnt, mein damaliger Chef bei der Vereinten Versicherung war auch gleichzeitig mein Freund. Wir beide waren als Zeitsoldaten in Münster stationiert. Er war fast ein Jahr früher als ich beim Bund fertig und startete anschließend eine Karriere bei der Versicherung. Mich holte er ein Jahr später dazu, weil er sicher war, dass ich dahin gehöre. Wir kickten auch jahrelang gemeinsam in der Betriebssportmannschaft und ich schaffte es, ihn nach und nach ein bisschen Schalke-Verrückt zu machen.
Hans-Jürgen, so hieß mein Chef und Freund, hatte mich und Gudrun zum Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Chile eingeladen. Wir wollten uns das Spiel gemeinsam bei Bier und Bratwurst anschauen. Kurz vor der Abfahrt fiel mir ein, dass wir noch kein Mitbringsel für die Ehefrau haben. Also ging es schnell ins Auto und zum einzigen Blumenladen, der genau in der Dorfmitte lag, um wenigsten einen Blumenstrauß mitzubringen. Die Verkäuferin war sehr freundlich und gemeinsam stellten wir einen bunten Strauß Blumen zusammen. Danach fragte sie mich, ob ich noch einen Wunsch hätte. Und so wie ich bin, äußerte ich meinen Wunsch, wenn auch nur aus Spaß.
»Ja, du kannst mir das Haus einpacken, ich suche noch eins.« Sie guckte mich an, lachte und antwortete genau so locker wie ich. »Super, wir wollen unser Haus verkaufen. Soll ich es in Papier oder Folie einwickeln?« Ich bekam große Augen und in meinem Kopf fing es sofort an zu arbeiten. »Ein Haus mit einem Ladenlokal mitten im Dorf, das wäre doch was.« Ich sagte ihr, dass ich jetzt leider keine Zeit hätte, aber ich mich gleich morgen früh bei ihr melden würde.
In Albachten schauten Gudrun und ich uns gemeinsam mit Hans-Jürgen und seiner Frau das Spiel an. Deutschland gewann 4:1. Aber das war für mich jetzt unwichtig, mir ging das Gespräch im Blumenladen nicht mehr aus dem Kopf. Direkt am Montagmorgen saß ich früh am Schreibtisch und machte Pläne, falls das mit dem Hauskauf funktionieren würde. Ein Blumenladen käme auf alle Fälle nicht mehr da rein. Auch nicht mein Versicherungsbüro, denn das hatte ich ja in Greven. Aber ich wusste durch mein gut funktionierendes Netzwerk, dass die beiden älteren Betreiber des einzigen Lottoladens in Saerbeck in Kürze schließen wollten. Lotto, das wäre was für mich, dachte ich. Und Gudrun ist außerdem eine fleißige Sammelbestellerin bei Quelle. Warum nicht auch eine Quelle-Agentur, überlegte ich. Das wären gleich zwei Gewerbe mit minimalem finanziellen Eigenaufwand. Ich nahm mir also vor, sofort nach dem Gespräch mit der Laden- und Hausbesitzerin, bei Lotto und Quelle anzurufen. Ja, ich war schon immer spontan. Ein paar Stunden später saß ich mit meiner Gudrun und den beiden Besitzern der Immobilie bei einem Kaffee zusammen. Wir machten eine Hausbesichtigung von maximal 15 Minuten, danach stand für uns fest: Wenn der Preis stimmt, schlagen wir zu.
Das Haus war zwar bedeutend kleiner als unsere Doppelhaushälfte und hatte nur knappe 110 qm Wohnfläche, dafür aber einen sehr schön angelegten Garten. Damit lässt es sich doch erst einmal leben, dachte ich. Gleichzeitig hatte ich aber schon andere Pläne im Kopf. Typisch für mich, den Kaufpreis kannten wir noch nicht, aber ich war gedanklich schon im Umbau.
Nun ja, mit 305.000 DM war das Objekt schon ziemlich nahe an unserer oberen Schmerzgrenze. Aber die Lage und meine Pläne glichen das wieder aus. So ging dann auch alles ganz schnell: Die Finanzierung über meinen Arbeitgeber war überhaupt kein Problem. Von der Lottozentrale aus Münster lag das OK für die Übernahme der alten Lottoannahmestelle vor und auch Quelle hatte bereits zugesagt. Ich denke, das war schon eine starke Aktion. Ein Haus mit Ladenlokal zu kaufen, dazu eine Lotto- und Quelle-Agentur übernehmen und das alles ohne Eigenkapital. Schon sechs Wochen später sind wir umgezogen und zwei weitere Wochen später gab es in Saerbeck eine große Neueröffnung zu feiern …
Es war ein schönes Ladenlokal. Die Lottoannahmestelle wurde durch Zeitschriften und Tabakwaren ergänzt und durch den Kontakt zu Rosi-Reisen in Marl haben wir zusätzlich ein „Mini-Reisebüro“ im Laden intrigiert. Ach ja, über Quelle bekamen wir auch noch eine Reinigungsannahmestelle. Ich habe es doch gleich gesagt, der Laden ist zu klein. Gudrun, als Besitzerin der Geschäfte, stöhnte über die viele Arbeit. Das hielt mich aber nicht davon ab, eine Kartenvorverkaufsstelle von Schalke und einige Fan-Artikel in den Laden zu holen….
Im laufenden und darauffolgenden Jahr erreichten wir so gute Umsätze, dass einem Ausbau des Objektes nichts mehr im Wege stand. Unser Architekt in Saerbeck war gut, aber auch teuer. Schnell hatte er die Pläne für die Vergrößerung des Ladenlokals fertig. Aber das war nicht alles. Ich wollte an dem kleinen Haus ein weiteres Haus anbauen lassen. Beide Häuser sollten bautechnisch als ein Wohnhaus bei der Gemeinde durchgehen, aber es sollte sich trotzdem um zwei verschieden Objekte handeln. Eine schwierige Aufgabe, aber für unseren guten Architekten kein Problem. So sah dann aber auch seine Rechnung aus. Mit der vom Architekten kalkulierten Bausumme inklusive aller Nebengebäude musste ich bei der Hausbank noch einmal 320.000 DM finanzieren …
Im Frühjahr sollte der Umbau beginnen, aber ich hatte noch gar keine Baufirma. Zum „Glück“ stellte mir mein damaliger Organisationsleiter meiner Versicherung einen Kontakt zu seinem guten Freund her, mit dem er in den letzten zwei Jahren vier Häuser gebaut hatte. Ich dachte, eine bessere Referenz kann es für mich nicht geben. Und mein Gespräch mit dem Bauunternehmer verlief durchweg positiv. Vielleicht lag es auch daran, dass ich noch nie ein Haus gebaut habe, denn ansonsten wäre mir vielleicht der günstige Preis aufgefallen. Aber so habe ich dann den Vertrag mit ruhigem Gewissen unterschrieben und damit begann das Unheil …
Ein paar Tage später standen Baukran und einige andere Geräte und Werkzeuge bei uns vor der Tür. Es wurde zügig und sauber gearbeitet, sodass mein Architekt zufrieden war. Und da ich ein guter Bauherr war, versorgte ich die Arbeiter und ihren Chef mit Kaffee und Brötchen oder manchmal auch mit einer leckeren Pizza. Schneller als geplant konnten wir das Richtfest feiern. Eines Tages kam der Bauunternehmer zu mir und meinte, ob ich vielleicht ein paar Helfer besorgen könnte, damit es noch schneller vorangehen würde. Na ja, er sah täglich meinen Schwager, meinen Bruder oder meinen Neffen bei uns herumlaufen. Ich sah daher keinen Grund, warum ich meine Verwandtschaft nicht ansprechen sollte. Was sollte dagegen sprechen sie zu fragen, ob sie helfen wollen? Schließlich könnte ich so viel Zeit und Geld sparen. Und natürlich packte meine Verwandtschaft mit an.
Trotz einer mehrwöchigen Sommerpause, die Mitarbeiter des Bauunternehmers mussten schließlich auch in den Urlaub gehen, ging es meines Erachtens gut voran. Das mein Architekt, der auch die Bauaufsicht hatte, sich öfters mit dem Bauunternehmer besprach, sollte eigentlich normal sein. Das sagten zumindest viele, die schon einmal selbst gebaut haben. Also machte ich mir da keine weiteren Gedanken.
Eines Tages nahm mich mein Bauunternehmer zur Seite und meinte, ich könnte über 5.000 DM sparen, wenn ich ihm die Bauaufsicht übertragen würde. Schließlich hätte er die Lizenz dazu. Natürlich war das anschließende Gespräch mit dem Architekten nicht so schön. Er fragte mich allen Ernstes, ob ich einen an der Waffel hätte, einem Bauunternehmer die Kontrolle für seine eigene Arbeit zu geben, nur um ein bisschen Geld zu sparen. Aber ich sagte ihm, dass mein Organisationsleiter, zu dem ich volles Vertrauen hatte, schon mehrere Häuser mit dem Bauunternehmer gebaut hat. Was soll da schon schiefgehen?
Noch heute habe ich seine Worte im Ohr: »Bitte schön, Herr Rojek. Ich habe Sie gewarnt. Hoffen wir, dass alles gut geht.« Aber es ging alles gut, zumindest bis die nächste Teilzahlung für die Bauleistung fällig war. Da kam der Bauunternehmer mit dem nächsten Verbesserungsvorschlag zu mir. Die ganze Arbeit würde noch effizienter laufen, wenn ich ihm eine Bankvollmacht über das Baukonto geben würde. Er bräuchte dann nicht mehr mit jeder einzelnen Rechnung, sei es vom Elektriker oder Installateur, zu mir kommen. Ich könnte damit Zeit und Geld sparen. Ja, dass die Bauaufsicht auch die Kontogewalt hatte, war nicht unüblich. Aber auch nur dann, wenn die Bauaufsicht nicht auch der Bauunternehmer war. Aber ich dachte, ich kann Geld sparen. Ihr wisst, was jetzt kommt. Eines Morgens stand ich auf, schaute aus dem Fenster und erstarrte. Der Baukran war weg!
Sofort rannte ich zum Telefon und rief den Bauunternehmer an, da ich glaubte, jemand hätte den Kran gestohlen. Er beruhigte mich und sagte nur, er hätte einen wichtigen Auftrag in Rheine dazwischen bekommen, dafür bräuchte er den Kran. Bei uns am Haus seien wir eh schon weiter als geplant und es würden noch irgendwelche Formsteine für die Außenverkleidung fehlen. Daher dachte er, ich hätte nichts dagegen, wenn er für ein paar Tage die Arbeit bei uns liegen lassen würde. Ich habe vom Hausbau keine Ahnung. Und auch wenn es mir nicht unbedingt gefallen hat, stimmte ich der kurzen Unterbrechung zu. Ich erinnerte ihn aber noch einmal an das Loch im Dach, das schon lange von ihm abgedichtet werden sollte. Das Loch behinderte zurzeit noch nicht den Kundenverkehr in unserem Laden, deshalb ließ ich mich auch vertrösten. Er wollte in den nächsten Tagen vorbeikommen, um das Loch notdürftig abzudichten.
Aus ein paar Tagen wurde eine Woche, ein Monat und es wurde letztendlich Winter. Das Loch in der Decke war noch da, die Heizung im Ladenlokal ging nicht mehr, die Textilien im Geschäft waren klamm und schimmelten und auch die Elektroteile waren genauso feucht wie die Lottoscheine, die damals noch in der Maschine registriert wurden. Nichts ging mehr, nichts war mehr zu gebrauchen. Seltsamerweise bekam ich seit ein paar Tagen immer mehr Mahnungen von Handwerkern, die noch auf ihre Bezahlung warteten. Ich war nicht nur ärgerlich, sondern auch richtig wütend. Kein Umsatz mehr in unseren Geschäften, offene Rechnungen und ein Bau, der nur halbfertig war.
Und dann kam es Schlag auf Schlag. Es gab Gespräche bei der Bank, das Konto war leer. Der Bauunternehmer hat täglich Geld abgeholt, um damit angeblich Rechnungen zu bezahlen. Von der gesamten Darlehenssumme waren nur noch ein paar Hunderter auf dem Konto. Die vielen Kontaktaufnahmen zum Bauunternehmer blieben erfolglos, selbst der mittlerweile eingeschaltete Anwalt erreichte nichts. Wir mussten das Gewerbe in dieser Bauruine abmelden. Alle Kreditkarten wurden gesperrt, die Auto-Leasing Bank forderte nach der dritten Mahnung den Wagen zurück. Eine Katastrophe! Ich war pleite.
Und so etwas spricht sich nicht nur in einem Dorf schnell herum. Jeder Handwerker mit einer offenen Rechnung schaltete alle rechtlichen Möglichkeiten gegen uns ein, um an sein Geld zu kommen.
Ich mache es kurz: Mit beiden Hypotheken, allen Handwerkerrechnungen inklusive aller fremden Rechtsanwaltskosten und Gebühren hatte ich über 700.000 DM Schulden am Arsch. Dazu kam die Leasing-Bank, die Schadensersatzansprüche von Quelle und noch der Kontoüberzug. Denn kurz bevor alles zusammenbrach, hatte ich für meine Frau und meine drei Kindern die letzten 10 Euroschecks vordatiert und eingelöst.
Damals herrschte die Hochzinsphase, und Zinsen über 10% waren völlig normal. Somit erhöhte sich mein Schuldenstand jährlich um über 100.000 DM. Wahrlich keine schöne Situation für eine junge Familie, bei denen vor einigen Monaten die Welt noch in Ordnung war. Unser Rechtsanwalt klagte in unserem Namen gegen den Bauunternehmer, der in der Zwischenzeit mit seiner GmbH Insolvenz war. Insolvenz ist Insolvenz, da gibt es nichts mehr zu holen.
Wir klagten wegen Betrug vor dem Landgericht in Hamm, haben den Prozess gewonnen und einen Titel bekommen. Nur hatte der Bauunternehmer trotzdem kein Geld, um uns etwas zurückgeben. Von einem Titel der 30 Jahre zählt, konnte ich meine Familie nicht am Kacken halten. Von heute auf morgen war alles zusammengebrochen. Aber aufgeben und den Kopf in den Sand stecken, das war noch nie eine Option für mich.
Natürlich genossen wir bisher einen sehr hohen Lebensstandard, dieser musste runtergefahren werden, aber ohne, dass unsere Kinder eine große Veränderung spüren sollten. Also ging ich zu meinem Chef Hans-Jürgen und führte eines der besten Gespräche. Ich erzählte offen und ehrlich, dass alle Konten, Schecks und Kreditkarten gesperrt seien. Ich hatte nur noch die letzten 4.000 DM von den 10 Euroschecks, das war alles. Noch hatte mich keiner der Gläubiger zum Offenbarungseid gezwungen, aber das war nur noch eine Frage der Zeit. Den Gerichtsvollzieher duzte ich mittlerweile, schaffte es aber bisher immer noch, ihn ohne Beute wieder wegschicken. Ich erklärte meinem Chef und Freund, dass meine Familie mir das Wichtigste ist und ich alles Menschenmögliche dafür geben würde, um aus dieser fatalen Lage wieder herauszukommen. Wir einigten uns darauf, dass er den Versicherungsvorstand in München anrufen würde, um einen Zinsstillstand zu erreichen. Gleichzeitig wollte er den Vorstand bitten, das Gleiche bei meiner Hausbank zu erfragen, die beiden waren immerhin die größten Gläubiger auf meiner Liste. In der Zwischenzeit wollte ich mich mit allen anderen Gläubigern in Verbindung setzen und ihnen vorschlagen, jeweils am Monatsende, nach Abzug all unserer Kosten, den Restbetrag unter allen aufzuteilen. Die einzige Voraussetzung war: Kein Gläubiger zwingt mich dazu, den Offenbarungseid zu leisten. Sollte das geschehen, würde ich sofort die Arbeit einstellen und keinen mehr bedienen.
Schon nach wenigen Tagen hatte ich von allen Gläubigern die schriftliche Zusage. Auch mein Chef bekam von beiden Banken die Zusage, dass nichts weiter gegen mich unternommen würde. Während mein Arbeitgeber auch einem Zinsstillstand zustimmte, hat die Hausbank weiter ordentlich Zinsen berechnet. Das war mir aber erst einmal egal, jetzt hatte ich die Ruhe, die ich brauchte, um richtig zu arbeiten.
Jeder Gläubiger wurde am Monatsende mit einem kleinen Betrag vorerst zufrieden gestellt. Wenn ich einen guten Monat hatte, habe ich ein bisschen mehr Geld in die Hand genommen und bin zu einem kleineren Gläubiger gegangen und habe ihm angeboten anstatt einer monatlichen kleinen Rate jetzt sofort ein Drittel der Schuldsumme zu bezahlen und den Restbetrag zu vergessen. Fast alle Handwerker ließen sich auf diesen Deal ein, auch wenn ich manchmal noch etwas nachlegen musste. Aber innerhalb von zwei Jahren habe ich alle Handwerker in Saerbeck bezahlt, bereits zwei Jahre später die Leasing-Bank und Quelle. Nun blieben nur noch die beiden großen Banken über. Nach über fünf Jahren kam ich auch mit unserer Hausbank zu einem Vergleich und da meine Versicherungsbank auf den größten Teil der Hypothek verzichtete, war ich endlich wieder schuldenfrei.
Oh ja, das war eine ganz, ganz harte Zeit und ich bin froh und dankbar, dass mir unser damaliger Rechtsanwalt als unser Freund und Berater zur Seite stand. Und auch, dass mein Arbeitgeber mir für meinen Einsatz und meine Loyalität zur Firma, unheimlich entgegengekommen ist. Ohne die Unterstützung der beiden wäre die Sache vielleicht ganz anders ausgegangen.
Ich ärgere mich heute nicht darüber, dass ich damals so viel Geld verloren habe. Nein, ich bin eher stolz, dass ich fast 1 Million DM Schulden abgearbeitet habe und kein Gläubiger auf der Strecke geblieben ist. Das war fast so wie im Fußball, als die Bayern am letzten Spieltag der Saison 2000/01 nach Hamburg mussten: In der 90. Minute machte Sergej Barbarez das 1:0 für die Hamburger und Schalke 04 war eigentlich Deutscher Meister. Eigentlich. Die Bayern Spieler lagen zerstört am Boden und nur Olli Kahn rannte zu seinen Kameraden und furzte sie an. Weiter, weiter, immer weiter! Und in der 94. Minute machten die Bayern das nicht mehr für möglich gehaltene 1:1 und wurden deutscher Fußballmeister.
Ein bitterer Tag auf Schalke …
»Weiter, immer weiter!«
(Oliver Kahn)