Читать книгу Der Tod bucht Zimmer 502 - Ronald Ryley - Страница 7
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Оглавление7:00 pm, Thurloe Square
An der Tür auf halber Treppe zwischen Erdgeschoss und großem Saal befand sich Blut. »Hierher!«, rief Alison. Eine Horde von 20 Teenagern polterte aus Kaminzimmer, Flur und Küche über die Treppenstufen zu ihr. Alison zog ihr Handy aus der Hosentasche, schaltete die Taschenlampe ein und beleuchtete Schloss und Klinke. Prompt stand Chloe neben ihr. Da sollte ihr noch einmal jemand erzählen, dass dieses Mädchen Konzentrationsstörungen hatte und nicht begeisterungsfähig war. Seit Commander Ken Kilburn ihnen mitgeteilt hatte, dass Alisons Butler Roy kurz vor dem Start der Party mit den Kids vom Bacon’s College auf mysteriöse Art spurlos verschwunden war, hatte sie sich mit voller Hingabe mit auf die Suche gemacht.
»Da sind Kratzspuren. Es sieht aus, als wollte jemand das Schloss aufbrechen. Was ist hinter dieser Tür? Eine Kammer?«
»Kein Ahnung«, antwortete Alison.
»Was? Du wohnst hier und hast keine Ahnung, was sich in den einzelnen Zimmern befindet?«
Alison fühlte sich ertappt. Okay, sie hatte den Schlüssel für das Haus vor drei Wochen bekommen. Aber die alten Möbel, die Mildred ausgesucht hatte, waren der Horror gewesen. Bis Roy einen geeigneten Lagerraum und die Abholung organisiert hatte, war sie bei ihrer besten Freundin Peggy im Gästezimmer untergekommen. Das war irgendwie cooler als ein Hotel und so herrlich down-to-earth, fand sie. Nun war sie zwar schon seit zwei Tagen hier, aber mit den Vorbereitungen für das Chandelier Charity Concert hatte sie Wichtigeres zu tun, als sich um Inneneinrichtung zu kümmern und hinter dreißig auf vier Etagen verteilte Türen zu schauen. Außerdem war die Idee einer Spontanparty mit den Teens vom Bacon’s College in diesen halbleeren Räumen voll hip. Sie waren ihr in den letzten Wochen echt ans Herz gewachsen und hatten es sich nach all der harten Arbeit auch mehr als verdient. Wenn nur dieses Dilemma mit ihrem Butler Roy nicht wäre. Wer sollte den Kindern jetzt das Essen reichen, Drinks einschenken und Musik auflegen? Klar, Alison war sicher: Ken hatte das zusammen mit den Kids ausgeheckt. Sie wussten, wie sehr sie Krimis liebte. Sonst würde Ken als Commander beim Scotland Yard jetzt wohl kaum entspannt die Füße hochlegen, während sie mit den Kiddies hier ermittelte. Aber Roy war über 70, und sie suchten jetzt schon seit einer halben Stunde.
»Ich glaube nicht, dass jemand das Schloss knacken wollte«, antwortete sie den Kids. »Dafür sind die Kratzer zu willkürlich und die Spuren im Holz zu tief. Auf mich wirkt es eher, als wenn hier ein Kampf stattgefunden hat.«
Henry drängelte sich aus der Menge hervor. »Er hatte einen Krampf?« Wofür er unverzüglich eine Kopfnuss von Chloe erntete.
»Ein Kampf, du Hirni.«
Henry riss seine mit bunten Tattoos übersäten Arme in die Höhe. »Hey, Leute. Hier sind Kampfspuren. Überall Blut!«
Überall war übertrieben. Aber Alison war durchaus beeindruckt. Ken hatte sich selbst übertroffen. Das Blut sah erstaunlich echt aus. Wildes Gedränge brach los. Binnen eines Atemzuges war Alison von einem dichten Pulk aus Jugendlichen mit gepiercten Augenbrauen, bunt gefärbten Kurzhaarschnitten, kahl rasierten Köpfen, selbstgedrehten Dauerwellen, zerrissenen Jeans, Crop Tops, klimpernden Riesenhalsketten, Kaugummigeschmatze und durchgewetzten Sneakers umgeben. Chloes Augen blitzten auf. Die knallgrünen Spitzen ihrer kurzen wasserstoffblondierten Zöpfe schaukelten vor Aufregung. »Bist du sicher?«
Alison nickte, winkte Henry zu sich heran, griff seine Hand und formte sie zur Faust. »Stell dir ein Messer vor.«
Er stellte sich in Pose.
»Hey Leute, wir brauchen Platz!«, rief Chloe.
Die Menge stob auseinander. Alison machte weiter.
»Ich komme die Treppe hinauf, und du tust so, als wärst du in der Kammer, um mir aufzulauern.«
»Wieso vorstellen?«, fragte Henry und streckte seine Hand nach der Klinke.
»Nicht!«, schrie die Menge im Chor. »Wer weiß, was dahinter ist.«
»Frag sie doch!«, rief jemand.
Chloe stöhnte. »Sie weiß es auch nicht.«
»In ihrem eigenen Haus? Alison, du bist so voll der Snob.« Gelächter brach los.
Alison hob die Hände, um die Menge zu beschwichtigen. Ruhe kehrte ein. »Außerdem dürfen wir keine Spuren verwischen. Also nochmal von vorn.« Sie stieg ein paar Stufen herab.
»Vorsicht mit dem Blut, Alison, dein Jumpsuit!«, rief eines der Mädchen. »Das geht nie wieder raus aus dem Baumwollsatin.«
»Passt doch super zu dem Rosa«, hallte es von hinten.
»Und pass nur auf mit deinen Pumps.«
»Die rennt damit doch jeden Tag rum, du Scholle.«
»Außerdem sind das Highheel-Sandalen.«
»Hey Leute«, rief Alison. »Hier wird jemand vermisst!« Sie musste sich ja selber auslachen für ihr Outfit. Aber sie hatte ja auch nicht wissen können, dass sie einen blutigen Kriminalfall würden lösen müssen. Dann hätte sie sich einfach nur ihren Trainingsanzug von Gucci übergeworfen.
Der Trubel legte sich. Alison vergewisserte sich der Aufmerksamkeit von Henry. »Ich befinde mich auf dem Weg in den Salon und komme die Treppen hinauf, nichts ahnend, dass du dich in der Kammer befindest.«
Er nickte.
Alison schritt auf die Kammer zu. »In letzter Sekunde nutzt du das Überraschungsmoment, springst aus der Kammer und schlägst mir die Tür vor den Kopf.« Henry markierte die Bewegung in der Luft, ohne die Tür zu berühren. »Mein Butler ist etwa einen Kopf größer als ich. Er müsste also ungefähr auf dieser Höhe gegen die Tür prallen.« Chloe riss begeistert die Augen auf, als Alison ihr Handy zückte und an besagter Stelle die Tür zur Kammer ableuchtete. Prompt sprang sie wieder dazwischen.
»Oh mein Gott!« Chloe benetzte ihren Zeigefinger, drückte ihn gegen die Tür, zog ihn vorsichtig zurück und hielt ihn Alison vor die Nase. »Ein graues Haar!«
»In Roys Schnittlänge«, bejahte Alison und setzte ihre Ermittlungen fort. »Die Tür schleudert mich zurück und bringt mich für einen kurzen Moment aus der Fassung.« Sie torkelte leicht. »Das nutzt du aus und versuchst, mich zu erstechen.«
Henry riss seine geballte Faust in die Höhe, verzog das Gesicht und stach zu. Die Kids hinter ihm schrien auf.
»Aber ich bin geistesgegenwärtig genug, um mich zu ducken und auszuweichen.« Alison drehte sich und schleuderte überdramatisch ihre rotbraunen Haare durch die Luft. »Dabei pralle ich erneut gegen die Tür – die jedoch nachgibt und zurück ins Schloss fällt. Das raubt mir den Halt. Ich kippe nach vorne und lande mit den Knien auf dem Boden. Weil ich mit allem rechnen muss, drehe ich mich zu dir, mit dem Rücken an die Tür gelehnt.«
Henry holte bereits ein weiteres Mal aus.
»Jetzt habe ich nur eine Chance.«
»Du weichst seitwärts aus, Alison«, schlussfolgerte Chloe.
»Genau!« Alison drehte sich zur Seite weg. »Nun landet dein Stich …«
Henry führte seine Armbewegung zu Ende und jubelte. »… genau neben dem Türschloss!«
Aufgeregtes Getuschel hetzte durch die Menge. Chloe holte eine Lupe heraus. »Und die Tiefe und der Winkel des Loches im Holz der Tür bestätigen die Theorie, Alison.«
Alison nickte. »Wir haben eine heiße Spur!«
Die Gruppe jubelte. »Holt den Commander vom Scotland Yard her, schnell!«, rief Chloe. Jemand eilte die Treppe hinab.
»Hoffentlich geht es deinem Butler gut«, sagte Henry. »Schließlich haben wir Blut an der Tür.«
Chloe kratzte sich am Kopf. »Vielleicht vom Aufprall?«
»Unwahrscheinlich«, sagte Alison.
»Dann gibt es nur eine Möglichkeit!« Henry griff nach der Klinke. Die Menge schrie in Panik auf.
»Bist du dir wirklich sicher?« Von der tiefen männlichen Stimme verschreckt, stoppte Henry mitten in der Bewegung, ließ die Klinke wieder los und drehte sich um. Ken Kilburn stand hinter ihm, die Arme über dem ausladenden Bauch verschränkt. Das Pistolenholster kniff eng unter seinen Achseln.
»Wir haben endlich eine Spur«, sagte Alison und bat Chloe, alle Ergebnisse noch einmal zusammenzufassen. Ken nickte stumm, vergrub die Finger in seinem Vollbart und nickte. »Das klingt gut. Sehr gut sogar!«
Erneuter Jubel brach los. Henry streckte seine Hand ein zweites Mal in Richtung Klinke aus. »Darf ich, Commander Kilburn?«
Ken zog seine Pistole, hielt sie im Anschlag und lehnte sich neben die Tür an die Wand.
Es klingelte an der Haustür.
Alison zuckte zusammen. Ken löste sich aus der Jagdposition und sah sie fragend an.
»Wer ist das?«, fragte jemand.
»Kommt Dustin doch noch?«
»Oder Oliver Montagu!«
»Ja, Oliver kommt!«
So sehr es sich die Kids offenbar auch wünschten, aber Oliver konnte es gar nicht sein. Erstens kam er heute erst von der Fashion Week in Paris zurück, und zweitens wusste er gar nicht, wo sie wohnte.
»Oder Roy! Vielleicht ist er gar nicht weg.«
»Roy?«, gab Alison die Frage an Ken weiter. Der wirkte seltsam unentspannt. Sie ahnte, was er dachte. Bis auf die Kids wusste noch niemand, dass sie am Thurloe Square eingezogen war – mit Ausnahme von einer Person. Alison blickte auf die Uhr und überlegte. Wie lange brauchte man von Sandbanks bis zum Savoy?
»Du hast Mildred doch gesagt, du wärst nicht da, oder?«, fragte Ken.
»Natürlich!«
Es klingelte erneut.
»Das ist nicht gut«, sagte Ken.
»Das ist gar nicht gut«, antwortete Alison.