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7:30 pm, Thurloe Square

Es klingelte zum dritten Mal. Wer auch immer vor der Tür stand, meinte es offensichtlich ernst. »Keinen Mucks!«, zischte Alison. Die Menge verstummte. Alison erinnerte sich, dass Roy ganz stolz die neueste Generation von Videoklingel installiert hatte. Aber der Hauptmonitor, auf dem sie sehen konnte, wer vor der Tür stand, befand sich in der Küche, und die dazu gehörige App hatte sie aus Faulheit noch nicht auf ihrem iPhone installiert. Warum auch? Normalerweise ging Roy zur Tür und nicht sie. Auf Zehenspitzen schritt sie so weit die Treppe hinab, dass sie durch die Milchglasscheibe im oberen Viertel der Tür spähen konnte. Die Gestalt, die hindurchschimmerte, war der Höhe des Glases nach locker zwei Yards groß. Und sie war allein. Es konnte sich also definitiv nicht um Mildred handeln. Alison gab Entwarnung und eilte zur Tür.

Den Mann, der vor ihr stand, kannte sie nicht. Er musste mit dem Wagen gekommen sein. Erstens war er lediglich mit Hose, Hemd und Krawatte bekleidet und zweitens in Anbetracht des Dauerregens erstaunlich wenig durchnässt. Aber was wollte er dann hier?

»Guten Abend, Madam.«

Alison bemerkte, wie der Fremde angestrengt seine linke Hand hinter seinem Rücken verbarg. Auch wenn er sie mit allem Charme anlächelte, wirkte seine ganze Körperhaltung merkwürdig verkrampft. Irgendeine falsche Sache war hier am Laufen. Das spürte sie.

»Ich habe das Licht in Ihrem Haus gesehen und dachte, es wäre eine gute Gelegenheit …« Dabei bewegte er langsam den hinter seinem Rücken befindlichen Arm.

»Für was?«, knurrte Ken, der wie aus dem Nichts neben Alison auftauchte und seine Hände so in die Hüften stemmte, dass die Pistole im Holster unübersehbar war.

Sofort zuckte der Arm des Besuchers wieder zurück. »Eine dumme Idee von mir.« Der Fremde hob beschwichtigend die rechte Hand. »Ich wusste nicht … Ich wollte Sie und Ihren … Besuch … keinesfalls stören, Ms Granville. Ich …« Sein Blick wanderte zwischen ihr und Ken hin und her. Seine Anwesenheit schien ihn nervös zu machen, was Alison sonst nur von Betrügern oder Hütchenspielern kannte. Die rochen einen Bullen auf hundert Yards Entfernung und verkrochen sich, wenn Ken sie nur ansah. »… Vielleicht ergibt sich einmal eine passendere Gelegenheit.« Damit erhob er die Hand zum Gruß und war gerade im Begriff, sich umzudrehen, als Alison nachhakte. Was sollte diese merkwürdige Aktion?

»Eine passendere Gelegenheit wofür?«

Der Fremde schüttelte verlegen den Kopf, »Oh, verzeihen Sie«, streckte Alison seine rechte Hand zum Gruß entgegen und nickte in Richtung des nächsten Hauseinganges links von ihm. »William Frankland mein Name. Ich wohne im Haus nebenan und dachte …« Mit der linken Hand holte er eine Flasche KRUG Champagner hinter seinem Rücken hervor. »… wir könnten vielleicht mit einem Gläschen auf unsere gemeinsame Nachbarschaft anstoßen.«

Alison wollte gerade dankend ihre Hand nach der Flasche ausstrecken, als Frankland sie wieder zurückzog.

»Aber ich sehe, Sie haben Gäste. Vielleicht ein anderes Mal.« Frankland entschuldigte sich und eilte durch den Regen zurück in sein Haus. Kaum hatte Alison die Tür zugeschlagen, hob Ken neckisch die Augenbrauen.

»Schau an, schau an: ein Nachbar.«

Alison rollte die Augen. »Und sicher nicht mehr. Außerdem weißt du, dass ich einen Freund habe.«

Ken ließ seine Hände durch die Luft flattern. »Der große Unbekannte.«

»Er ist eben erfolgreich und beruflich viel unterwegs.«

»Ein richtiger Mann sollte eine Lady wie dich nicht ständig alleine lassen.« Er zog sie dicht an sich heran und flüsterte in ihr Ohr. »Hast du die Champagner-Flasche gesehen?«

»Bin ich blind? Er hat mir das Etikett ja quasi unter die Nase gehalten.«

Kens Augenbrauen hüpften. »Soweit ich mich erinnere, kostet ein KRUG aus diesem Jahrgang mindestens eintausend Pfund.«

»Ja, und? Er hat ihn wieder mitgenommen!« Alison schüttelte verwirrt den Kopf. »Wer bitte nimmt sein Willkommensgeschenk wieder mit?«

Von der Treppe her tönte ein Sprechchor zu ihnen: »Aufmachen! Aufmachen! Aufmachen!«

Alison zuckte zusammen und schlug sich gegen die Stirn. »Roy!«

Ken zwinkerte ihr zu und grinste verschwörerisch. »Ich denke, es ist Zeit, ihn zu befreien.«

Also doch! Sie hatte gleich gewusst, dass die Spuren auf die Kammer als Versteck hindeuteten. Sie eilte die Treppe hoch und nickte Henry zu.

»Yes!«, jubelte er und legte seine Hand an die Klinke. Die Menge zählte herunter, »Drei, zwei, eins!«, und Henry riss die Tür auf. Jubelgeschrei ertönte – und verstummte schlagartig.

»Was ist das?«, fragte Alison.

Ken drängelte sich durch die Menge und trat an die Kammer heran. »Das kann nicht sein! Ich habe doch gemeinsam mit ihm die Spuren gelegt und ausgemacht, dass er sich hier in der Kammer verstecken wird.« Er drehte sich um und sah zu den Kids. »Das wart ihr, oder? Ihr habt mich reingelegt, damit ich auch noch was zu raten habe.«

Die Kids aber rührten sich nicht. Zwanzig starre Gesichter schwiegen ihn an. »Ehrlich, Ken«, sagte Chloe. »Wir haben damit nichts zu tun. Alles wie abgesprochen. Du organisierst einen coolen Kriminalfall, den Alison dann auf der Party lösen kann.«

»Als Dankeschön«, rief jemand.

»Genau«, ging es weiter, »als Überraschung.«

»Weil sie doch immer so gerne Polizistin werden wollte.«

»Und so viel für uns getan hat.«

Alison drehte sich zur Seite und tupfte heimlich die Tränen weg, die ihr gerade über die Augenlider schwappen wollten. Das, was die Kids hier für sie auf die Beine gestellt hatten, war einfach rührend.

»Aber die Kammer ist leer!«, rief Ken.

»Roy«, seufzte Alison. »Er steht doch so auf plötzliche Twists kurz vor dem Krimifinale.« Sie atmete tief durch und blickte in die Kammer. Sie war leer. Lediglich eine Bank stand darin. Der Anblick erinnerte Alison an etwas. Irgendwo hatte sie so ein kleines Zimmer mit Bank schon einmal gesehen. Aber wo?

»Hey Leute«, rief Henry. »Schaut mal, Schrift, in roter Farbe!«

Augenblicklich versuchte die Menge, sich in die enge Kammer zu drängeln. Ken schob sie beiseite und trat dicht an die Wand heran. Die plötzliche Hektik in seinen Bewegungen gefiel Alison nicht.

»Alison, deine Handytaschenlampe!«

Sie reichte ihm das iPhone. Er fuhr damit über die rote Schrift, drehte sich mit ernstem Blick wieder in ihre Richtung und gab ihr das Handy. »Das ist keine Farbe, Alison.«

Ein Raunen ging durch die Menge. Dann ein Schrei. »Den hat jemand umgebracht. So richtig!«

»Ja klar, Kevin, sicher du.«

»Halts Maul, du Lappen!«

»Ruhe!«, schrie Chloe. »Wir müssen uns jetzt zusammenreißen, klar?«

»Wir müssen die Bullen rufen!«

»Wieso? Der Kilburn ist doch da. Der ist doch Commander beim Scotland Yard.«

Mit einem lauten »Scht!« brachte Alison die Gruppe zum Schweigen. »Ich bin mir sicher, es ist alles gut«, log sie. Sie trat einen Schritt zurück und betrachtete die Schrift an der Wand. Die Zahlen ‑1 bis 6 waren in zwei Reihen übereinandergeschrieben. Die ‑1 war umkreist. »Das habe ich doch schon einmal gesehen.« Sie kniff ihre Augen zusammen und versuchte, sich zu konzentrieren, als es schon wieder klingelte. »Dieser blöde Nachbar!«, fluchte sie, eilte die Stufen hinunter und blieb auf halber Treppe stehen.

»Was ist, Alison?«, fragte Ken.

»Das ist nicht der Nachbar.« Der Schatten hinter der Milchglasscheibe war bedeutend kleiner und trug einen großen schrägen Hut.

»Ist das der Mörder?«, flüsterte jemand.

Alison schluckte. »Schlimmer.«

Der Tod bucht Zimmer 502

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