Читать книгу Der Tod bucht Zimmer 502 - Ronald Ryley - Страница 8
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Оглавление7:30 pm, Savoy Hotel, Lobby
Oliver zählte zu den Dauergästen im Savoy. Seine Suite wurde also ohnehin mit keiner anderen Person belegt. Sicherheitshalber checkte Phil trotzdem doppelt, ob alles gemäß seiner Extrawünsche und Vorlieben hergerichtet worden war. Erst dann reichte er ihm die Schlüsselkarte. »Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen, Sir.« Manchmal kam es ihm wirklich vor, als wäre Zimmer 502 mit einem Fluch belegt. Auch wenn die Holzklassetouristen sich diese Geistergeschichten über Londons angebliches Spukhotel mit Sicherheit nur erzählten, weil sie genau wussten, dass sie sich ohnehin nie eine Nacht in diesem Haus würden leisten können.
»Kein Problem, Phil. Ich weiß, Sie geben Ihr Bestes.«
»Oh dear«, quiekte er erleichtert über Olivers Lob. »Wie großzügig von Ihnen.« Aber das machte das Drama rund um Mildred Granville auch nicht besser. Warum hatte ihm dieser Fehler ausgerechnet mit dieser Frau und an diesem Wochenende passieren müssen? Das Management des Hotels hatte ausdrücklich betont, wie wichtig das Chandelier Charity Concert war. Nicht etwa für das Coachbright Education Programme, für das die Besucher am Ende spenden würden. Nein! Wen interessierten schon nervige, lernbehinderte Kinder? In Wahrheit drehte sich alles einzig und allein um die Zukunft des Hotels. Die goldenen Jahre, in denen das Savoy den Einzigartigkeitsstatus für sich beanspruchen konnte, waren lange vorbei. Luxushotels schossen in London wie Unkraut aus dem Boden, und die Reichsten der Reichen ließen sich nicht mit TV-Spots und Urlaubsprospekten akquirieren. Sie sollten für einen guten Zweck an diesen Ort gelockt und mit Aufmerksamkeit, Glanz und Gloria belohnt werden. Wer sonnte sich nicht gern im Lichte der Stars und Sternchen dieser Welt? Und wenn sich dieses spektakuläre Ereignis erst so richtig in sie eingebrannt hatte, würden sie ganz von allein und völlig nebenbei zu neuen Stammgästen werden. Wie hieß es doch so schön? Du bleibst nicht im Savoy. Das Savoy bleibt in dir.
»Ach, Phil?«, riss Oliver ihn unerwartet aus seinen Gedanken. »Ich habe kurz vor meiner Abreise letzte Woche noch einen meiner Schals in die professionellen Hände Ihrer Reinigung gegeben …«
Phil erinnerte sich. Der Schal! Mit einem Lächeln der Ruhe rasselten seine Finger über die Tastatur. Der Schal. Abholbereit, stand in dem Infofeld der Wäscherei. Phil zwinkerte Oliver zu. »Es ist selbstverständlich alles bereits für Sie organisiert, Mr Montagu.« So langsam kroch das Concierge-Blut in seine Adern zurück. Er liebte diesen Kick. Falsch: Er brauchte ihn. Das war sogar besser als jede Line Koks in der Nase. »Lehnen Sie sich einfach zurück, und genießen Sie einen perfekten Aufenthalt in unserem Haus …« Er schlug die Hände vor der Brust zusammen. »… und in unseren Weltklasserestaurants.«
Oliver Montagus Blick wurde schlagartig finster und kalt. Hatte Phil etwas Falsches gesagt? Verflixt! Beim Checken der Zimmervorbereitungen hatte er den Reminder doch in dicker roter Schrift gelesen: Oliver nicht auf Essen ansprechen! Wie hatte er das jetzt nur vergessen können? Olivers Essproblem war schließlich unübersehbar. Phil ärgerte sich. Er war nicht in Form, und das an diesem Wochenende.
»Dann habe ich, glaube ich, alles, was ich brauche.«
»Im Savoy immer, Sir«, schleimte Phil. »Willkommen zu Hause!« Er atmete tief durch. Das war anscheinend gerade nochmal gut gegangen. Er musste cooler werden. Sollte der Montagu sich doch in Narkose fressen im Savoy. Sie hatten herrlich lange Designer-Eislöffel aus poliertem Stahl. Davon konnte er sich ja anschließend einen mit aufs Zimmer nehmen, um in aller Ruhe über der Toilette sein Gaumensegel zu kitzeln.
Olivers Blick veränderte sich erneut. War das jetzt gut oder schlecht? Rasch schickte Phil ein breites Lächeln hinterher. Oh, die Anwesenheit dieser Mildred Granville hatte seine Gedanken vergiftet, und er fürchtete, dass Mr Montagu in ihnen lesen konnte. Prompt zog Oliver sein Handy aus der Hosentasche. »Wer ist eigentlich Ihr Vorgesetzter, Mr Dubois?«
Phil presste den Namen des Hotelmanagers heraus und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, während Mr Montagu auf seinem Handydisplay herumtippte. Nicht noch ein Desaster, bitte nicht. Warum hatte Oliver Montagu nicht einfach in Paris bleiben können? Nur dieses Wochenende? Wer kümmerte sich schon darum, ob dieser B-Klasse-Designer einen Kronleuchter für das Charity-Konzert gebastelt hatte oder nicht. Der hockte doch seit Jahren ohnehin nur depressiv auf seinem Hotelzimmer herum. Was hatte das Savoy davon? Mildred Granville aber kannte Gott und die Welt. Jene Welt, die der Großteil der Londoner dort draußen niemals zu Gesicht bekommen würde. Es war tödlich, es sich mit ihr zu verderben. Ein Anruf, und Phils Karriere im Savoy war beendet.
Er betete, dass sie die Story mit dem Computerhack geschluckt hatte. Aber was, wenn sie sie weitererzählte und auf diesem Weg am Ende doch noch die Wahrheit herauskam? Phil verfluchte sich und seine Fahrigkeit. Er liebte diesen Job. Und von niemandem würde er sich die Möglichkeit, Teil von dieser glamourösen Welt sein zu können, kaputt machen lassen. Von niemandem. Konnte sich dieser Möchtegern-Designer vor ihm nicht einfach an einem fetten Brocken Fleisch verschlucken und tot umfallen, damit er Mildred Granville seine Suite anbieten konnte?
Phil hielt inne. Tot umfallen. Während Oliver Montagu noch immer mit seinem Smartphone beschäftigt war, kam Phil die vor seiner Nase tänzelnde Silk Card von Mildred Granville wieder in den Sinn. Phil wurde schon schwindlig, wenn er nur versuchte, sich vorzustellen, welche Unmengen an Pfund sich hinter dieser Karte verbargen. Noch schwindliger wurde ihm, wenn er an die unzähligen Pfund dachte, die sie für ein Zimmer an Provision zahlen würde. Vielleicht würde er das entsetzliche Missgeschick am Ende ja noch in einen Triumph verwandeln können?
Oliver Montagu rückte sein Jackett zurecht. Ganz schön stramm unter den Achseln für maßgeschneidert, dachte Phil. Prompt kam ihm eine Idee. Apropos Pfund! Wieso an einem Stück Fleisch ersticken, wenn es viel einfacher ging? Eine unbemerkte Dosis Medizin im Tee hatte in dem Netflix-Thriller nach seiner letzten Nachtschicht genügt, um das Herz der Hauptfigur für immer zum Stillstand zu bringen. Ein unerwarteter Herzinfarkt würde bei Oliver Montagus Körperbau mit Sicherheit auch keinen Arzt überraschen. Und wo ließ sich so ein unglücklicher Todesfall besser vertuschen als hier im Savoy Hotel? Nach einigen Überdosen, Suizidversuchen oder peinlichen Sexunfällen waren sie perfekt darin geübt, eine Leiche unbemerkt an den Gästen des Hauses vorbei nach draußen zu schleusen. Der Kronleuchter war fertig. Wen kümmerte es da, ob Oliver Montagu zum Konzert erschien oder nicht? Womöglich würde sein plötzlicher Tod dem Event sogar zu noch mehr Strahlkraft und Aufmerksamkeit verhelfen? Waren nicht schon viele Mittelklassekünstler durch ihr verfrühtes Ableben zu Legenden geworden? Würde er Oliver da mit einem raffinierten Mord nicht geradezu einen Gefallen tun?
Just in diesem Moment zog Mr Montagu eine Hundert-Pfund-Note aus seiner Handytasche und legte sie Phil auf den Tresen. »Ich werde Ihrem Chef persönlich und mit Freude mitteilen, was für einen entscheidenden Beitrag Sie für das einzigartige Erlebnis in diesem Haus leisten, Mr Dubois.«
»Oh dear.« Phils Stimme winselte in die Höhe. Ein einzigartiges Erlebnis? Das konnte er haben. Nichts leichter als das.