Читать книгу Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist - Ross Welford - Страница 22

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Sonntagmorgen. Sonnenbankmorgen.

Granny war zur Kirche gegangen. Manchmal gehe ich mit, aber ich hatte ihr gesagt, ich hätte Bauchschmerzen (was auch stimmte), und ihr war’s anscheinend egal. Sie konnte gar nicht schnell genug wegkommen und ließ mich mit Lady zurück.

Granny würde fast den ganzen Tag weg sein. Übrigens ist das ein großer Fortschritt in unserem kleinen Haushalt. Seit etwa einem Jahr darf ich allein zu Hause bleiben, hin und wieder sogar am Abend. Anfangs war ich noch ein wenig nervös, aber bald hat es mir gefallen.

Nach der Kirche würde sie zum Frühstückskaffee einer Bibelgruppe gehen, danach zum Mittagessen bei Mrs Abercrombie und dann zum Jahrestreffen irgendeiner ihrer anderen Aktivitäten. Manchmal frage ich mich, woher sie die Energie nimmt.

Am Abend vorher hatte ich Dr. Changs Haut-So-Klar runtergewürgt und vielleicht des Guten zu viel getan, denn mir war wirklich etwas übel. Das Getränk – man bekommt ein Pulver, aus dem man eine Art kalten Tee zubereitet – riecht nach Pilzen und schmeckt so, wie ich mir den Geschmack von Würmern vorstelle. Es ist widerlich, aber Dr. Xi Chang (»ein hochgeachteter Arzt der traditionellen chinesischen Kräutermedizin« steht auf der Website) behauptet, es wäre sehr effektiv bei schwerer Akne. Als Beweis dienen ziemlich beeindruckende Vorher-Nachher-Aufnahmen.

Bei mir hatte es an diesem Morgen den Effekt, dass ich mit einem Blähbauch aufwachte. Wirklich und wahrhaftig, mein Bauch war rund wie ein Ball und machte ein Geräusch wie eine Trommel, als ich mit dem Finger dagegentippte.

Und auch wenn es peinlich ist, muss ich ein Geständnis machen, bitte »vergebt mir die Taktlosigkeit«, wie Granny sagen würde. Ich könnte alle möglichen Ausdrücke benutzen, um es zu umgehen, zum Beispiel »aufstoßen« oder »austreibende Gase«, doch nur Erwachsene, Lehrer und Ärzte sagen so etwas, deshalb ganz direkt: Sofort nach dem Aufwachen gab ich einen Riesenrülpser von mir, dessen Geruch ihr – wenn ihr es nicht besser wüsstet – für den Gestank eines verrottenden Tierkadavers gehalten hättet. Von einem Stinktier vielleicht, obwohl ich nie ein Stinktier gerochen habe, denn sie sind ja in England nicht heimisch. Ich weiß nur, dass sie stinken.

Doch das Seltsamste war, dass ich gar nichts schmeckte (Gott sei Dank).

Wir machen ja alle mal Witze über das, was der Körper so von sich gibt. (Granny selbstverständlich nie – muss ich das noch extra betonen?) Auf alle Fälle finden die meisten von uns es saukomisch.

Das war es nicht.

Es roch so widerlich, dass es schon fast … beängstigend war. Völlig anders als jeder … Furz, den ich je gerochen habe, und viel schlimmer als der, den Cory Muscroft in der sechsten Klasse in der Aula losgelassen hat und an den sich die Leute noch heute erinnern. Wenn ich geahnt hätte, was noch kommen würde, hätte ich es vielleicht als Warnung verstanden. Doch natürlich weiß man bei diesen Dingen immer erst nachher, was passiert.

Auf alle Fälle war mein Bauch nach ein paar weiteren Rülpsern etwas kleiner und ich ging in die nach Staub und alten Teppichen müffelnde Garage. Ich fröstelte ein wenig in meiner Unterwäsche und mit bloßen Füßen auf dem Betonboden. Das war überhaupt nicht wie in den Bräunungsstudios. Ich ging wieder ins Haus und holte mein Handy.

Auf Spotify fand ich langsame elektronische Trancemusik aus den Neunzigern, die so klang wie die Stücke, die sie in den Studios spielten, und ich steckte die Stöpsel in die Ohren. Nackt legte ich mich auf die Sonnenbank, die ultraviolett glimmte. Den Timer stellte ich auf zehn Minuten – lieber vorsichtig anfangen –, dann zog ich den Deckel runter, bis er nur noch ein paar Zentimeter von meiner Nase entfernt war.

Die Augen hatte ich geschlossen, die Musik tönte sanft in meinen Ohren, das Licht der UV-Röhren war warm, und es machte mir nichts aus, ein wenig wegzudriften, denn der Timer würde mich ja wecken.

Doch stattdessen weckten mich eine ganze Weile später das grelle Licht, das durch meine unsichtbaren Lider schien, und der Lärm, den Lady mit ihrem Fressnapf veranstaltete.

Damit haben wir angefangen – erinnert ihr euch?

Was du niemals tun solltest, wenn du unsichtbar bist

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