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Sie essen auch keine Eiderente, aber die ist nun mal kein Haustier, wenngleich sie ihr kleine Steinhäuser bauen, um an die Daunen heranzukommen, und es seit Jahren eine gibt, die unter der Treppe zum Windfang brütet. Wochenlang muss dann die Katze drinnen bleiben. Das mag sie nicht, denn sie darf nur in Martins Kammer bleiben, wo es keine Gardinen gibt, die sie in Stücke reißen kann. Die Katze heißt Bonken, es ist ein Kater, weil sie auf der Insel nun einmal keine Katze halten können, die, wie es heißt, immerfort Junge bekommt, welche Hans dann totschlagen muss, aber mit der Katze ist es wie mit allen anderen auf einer Insel, wo soll sie Junge herbekommen, wenn sie allein ist?

Wenn das Wetter im Frühsommer so schlecht ist, dass man draußen nichts tun kann, holen Maria und Barbro Daunenharfe und Daunenstock hervor und säubern die Daunen. Daunen sind wohl das Kostbarste und Geheimnisvollste, mit dem sie es zu tun haben. Man kann sie anfassen und an das Gesicht halten und eine vage, heilige Wärme erahnen. Man kann sie in der Hand zusammenpressen und nichts anderes spüren als Luft, und dann die Hand wieder öffnen und eine graue Wolke aufstieben sehen, so als wäre nichts geschehen.

Wenn sie die Daunen verkaufen wollen, stopfen sie sie in Leinensäcke und hängen ein Schild an den Zwirn, mit dem sie die Säcke zuknoten. Darauf stehen das Jahr, aus dem die Daunen stammen, der Name der Insel und 1 Kilo. Ein Kilo Daunen ist unheimlich groß und ungeheuer leicht. So ist der hohe Preis, den sie erzielen, im Grunde lächerlich gering. Und deshalb behalten sie viel davon selbst. Das ist Hans’ Idee.

Sie behalten sie in ihren eigenen Betten, wie feine Leute in der Stadt, oder lagern sie auf dem trockensten Heuboden über dem Viehstall, bis die Preise besser werden und die Daunen für das Doppelte davon verkauft werden können, was sie sonst im Sommer auf dem Markt oder von Tommesen bei der Handelsstation bekommen, da nun einmal die Daunenpreise am niedrigsten sind, wenn die Leute verkaufen wollen, und nur dann am höchsten, wenn Hans es macht. Er ist der Einzige aller Inselbewohner, der Glück hat mit diesem Geschäft. Was vielleicht daran liegt, dass sich die Bewohner von Barrøy ein wenig mehr leisten können, denn Hans gehört ein ganzer Fanganteil des Fischs, der von den Lofoten kommt. Aber womöglich liegt es auch daran, dass sie geduldiger sind.

Die Inselbewohner müssen geduldiger sein als alle anderen.

Barbro säubert nicht gern die Daunen, ihre Hände sind zu grob, und so muss Ingrid der Mutter helfen, vom Sommer an, in dem sie vier wird. Ingrid liebt die Daunen, erst will sie nur mit ihnen spielen und bringt auf der kleinen Werkbank alles durcheinander. Doch dann hält sie einen Ball aus gesäuberten Daunen in der einen und einen aus ungesäuberten in der anderen Hand, und kann, wie sie entdeckt, den Gedanken nicht ertragen, den ungesäuberten nicht auch zu säubern, er sieht so schrecklich aus mit all den Ästen und Grashalmen und winzig kleinen Muscheln, dass es unmöglich ist, mit ihnen zu leben, ohne zu sterben.

Die Mutter bringt es ihr bei, indem sie sie auffordert, mit geschlossenen Augen dazusitzen und diese beiden Daunenhäufchen behutsam zu betasten, einen gesäuberten und einen ungesäuberten, während sie laut zählt und nur bis zehn oder elf kommt, bevor sie am Lächeln ihrer Tochter erkennt, dass sie nun weiß, worum es geht. Da sagt sie, jetzt hast du etwas gelernt, das du nie wieder vergessen wirst.

Von diesem Augenblick an säubert Ingrid die Daunen viel schneller als Barbro, die somit der Sklaverei entkommt und im Stall oder Bootshaus sitzen und Netze flicken kann wie ein Mann.

Die Unsichtbaren

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