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Sie haben drei Weiden auf Barrøy, vier Birken und fünf Ebereschen, eine davon ist knorrig und in der Mitte rund wie eine Tonne und heißt die Alte Esche, und alle zwölf neigen sich in die Richtung, die die Natur ihnen auferlegt hat.

Auf einer Felskuppe im Westen gibt es auch ein paar kleinere unscheinbare Birken, sie stehen da und halten einander wie umarmt und werden das Liebeswäldchen genannt, spreizen sich indes in alle Richtungen, wenn der Wind bläst.

Darüber hinaus haben sie eine mächtige Weide, die fast flach am Boden liegt und seit ewigen Zeiten so gelebt hat, auf den Knien, auf der Grenze zwischen Rosengarten und Busengarten. Die Vorfahren haben die Steinmauer in einem Bogen um die Weide herumgebaut, anstatt sie zu fällen. Es ist anscheinend der einzige Baum auf der Insel, der nicht gefällt werden kann. Auch fällen sie nicht die anderen, obwohl Holz kostbar und notwendig ist, doch manchmal kommt ihnen der Gedanke. Niemals allerdings denkt jemand daran, die Weide auf der Grenze zwischen den beiden Gärten zu fällen, in gewisser Weise ist sie dort, wo sie liegt, schon gefällt, und somit befriedet, wie ein Grab.

In den größten Ebereschen am Haus hängen mächtige Elsternester. Oft verfluchen die Inselbewohner die Elstern, weil sie stehlen und alles vollscheißen, sie reden davon, die Nester herunterzureißen. Aber auch daraus wird nichts.

Wenn dann die aus Zweigen gebauten Nester im Kampf mit einem weiteren Sturm schwanken und überleben, nehmen die Menschen mit stoischer Erleichterung zur Kenntnis, dass auch dieses Mal nichts zerstört wurde, gleichwohl geschieht es häufig.

Wenn Regen oder Schnee einmal senkrecht herunterfallen, bilden sich trockene Kreise im Gras unter den Nestern in der Alten Esche. Dort drängen sich dann die Schafe aneinander.

Besonders die Lämmer scheuen den Regen, sie erleichtern sich gemäß der Natur, so bildet sich ein schwarzer und morastiger Lebenszirkel unter jedem Nest, alles hängt mit allem zusammen, wie ein Mensch nicht in zwei Hälften zerfällt, obwohl er sich vornüberbeugt.

Genauso ist es auf den tausend anderen Inseln des Archipels.

Den zehntausend Inseln.

Da die Landschaft so offen und ungeschützt daliegt, könnte wohl jemand auf den Gedanken kommen, die Küste in ein immergrünes Gewand zu kleiden, Kiefern oder Fichten zum Beispiel, könnte überall im Königreich idealistische Baumschulen errichten und beginnen, große Mengen winziger Fichten zu verschiffen und sie den Bewohnern der kleinen und großen Inseln kostenlos zu übereignen, und sagen, dass Generationen nach ihnen über Brennstoff und Bauholz verfügen würden, wenn sie die kleinen Fichtenbäume auf ihr Land pflanzten und wachsen ließen. Der Wind würde aufhören, die Ackerkrume aufs Meer hinauszublasen, Mensch und Tier würden geschützt in Frieden leben, wo zuvor tagein, tagaus der Wind das Haar zerzauste, die Inseln würden nicht länger wie schwimmende Tempel am Horizont aussehen, sondern einer verwahrlosten Wildnis aus Riedgras und Sauerampfer ähneln. Nein, niemand käme auf den Gedanken, so etwas zu tun, einen Horizont zu zerstören. Der Horizont ist offenbar das Wichtigste, das sie hier draußen haben, der vibrierende Sehnerv in einem Traum, wenngleich sie ihn kaum bemerken und auch keinen Versuch machen, ihn zu beschreiben, bevor das Land so reich wird, dass er zu verschwinden beginnt.

Die Unsichtbaren

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