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Barbro kann auch Netze knüpfen, sie kann ganz neue Kabeljaunetze und Heringsnetze und Flundernetze fertigen, ja sogar Dreiwandnetze. Damit verbringt sie die meiste Zeit des Winters, wenn Hans bei den Lofoten ist. Das Schöne an neuen Netzen ist, dass sie sauber und trocken sind und nicht stinken, man kann mit Rundholz und Nadel in der Küche sitzen und knüpfen und knüpfen und die murmelnde Wärme des Ofens im Rücken spüren, egal wie kalt es draußen auch ist.

Martin allerdings mag es nicht, wenn diese Arbeit in der Küche verrichtet wird, Fischernetze sollen draußen bearbeitet werden, im Freien oder im Bootshaus.

Netze in frostiger Kälte zu säubern oder zu flicken, ist die schlimmste Arbeit, die es gibt. Es ist die Arbeit, die alle Hände hier draußen an der Küste zugrunde gerichtet hat, denn nur sie allein lässt sich nicht mit Fäustlingen ausführen, und so betrachtet es Martin als ein Privileg, neue und trockene Netze zu knüpfen, dazu wird nicht noch ein Ofen voll glühenden Torfs im Innern des Hauses benötigt, das ist nicht nur überflüssig, sondern töricht, und so muss Martin nicht erneut daran erinnert werden, dass seine Tochter nun einmal so ist, wie sie ist.

Barbro kümmert es nicht, was ihr Vater sagt.

Auch sonst schert sich niemand darum. Es muss erst vor ein paar Jahren passiert sein, keiner könnte heute noch sagen, was genau es damals war, aber von einem Tag auf den anderen war es nicht mehr Martin, der auf der Insel bestimmte, von da an war es Hans.

Auch wenn sich niemand mehr erinnert, so weiß es Martin noch genau: Es geschah, als er und sein Sohn sich an der russischen Säule versuchten und keine Lösung fanden. Mit einer Eisenstange wollten sie sie auf eine Tragrolle hieven, doch als er zupackte, wich die Kraft aus seinem Körper, so wie das feuchte Moor der Eisenstange weicht. Ein kurzer Knall in den Gedanken. Er musste sich setzen und um Atem ringen, während sein Sohn das ganze Gewicht auf den Schultern trug.

Von da an herrschte ein anderer Ton.

Das merkten auch die anderen.

Sogar Ingrid hat begonnen, sich Unarten einfallen zu lassen. Zum Beispiel will sie sich nicht mit Verboten abfinden, die der Großvater erlässt, und geht stattdessen zur Mutter, die sie dann oft tun lässt, was Martin ihr verbieten will. Zwar geschieht es auch, dass Maria Partei für den Schwiegervater ergreift, dann aber meist willkürlich, so als wäre es ihr schlichtweg einerlei, ob er da ist und irgendetwas sagt oder entscheidet.

Martin hat sich damit abgefunden. Aber er ist zornig geworden. Als er jung war, so wie ein Mann es viele Jahre ist, war er niemals zornig, jetzt ist er es die ganze Zeit. Aber auch darum schert sich niemand. In den Frühsommernächten schläft der Kater auf seinem Bauch, da drinnen in der Kammer. Durch die dünnen Wände können sie ihn schnarchen und den Kater schnurren hören. Das ist lächerlich. Wenn die Eiderente unter der Treppe zum Windfang endlich ihre Eier ausgebrütet und die kleinen Küken den langen Weg zum Meer hinunter geleitet hat, wird der Kater wieder ins Freie gelassen und schläft den Rest des Jahres unter dem Ofen in der Küche, sofern er nicht gerade Mäuse und Vogeljunge jagt.

Bonken, den Kater, ereilte ein tragisches Ende.

Er wurde vom Adler geholt. Es geschah bei der Heuernte. Sie hörten die Schreie, blickten von Heureutern und Rechen auf und entdeckten ihn, einem zerfließenden Tintenfleck ähnelnd, unter den gewaltigen Schwingen eines Seeadlers. Er zappelte und fauchte und schwang die Krallen, und für einen Augenblick glaubten sie, dass er sich losreißen könne. Es gelang ihm auch. Aber erst als er zu fallen begann, merkten sie, wie hoch es war. Sie sahen ihn die Beine ausstrecken, gleich einer Fledermaus, die sich der Flügel bedient, und lotrecht durch die Unendlichkeit stürzen, bevor er plötzlich und ohne jeden Grund mit den Pfoten zappelte, so als wäre er es leid zu fallen und wollte lieber losrennen, doch stattdessen machte er eine halbe Drehung und krachte mit dem Rücken auf den Felsüberhang beim Lofotschuppen.

Das war zu hoch, sogar für eine Katze, sagte Hans. Und so wurde auf der Insel eine Redensart daraus, auf die er immer wieder zurückkam, wenn irgendetwas sogar die Kräfte eines Inselbewohners überstieg.

Ingrid und Barbro begruben den Kater am Rande des Rosengartens und bedeckten das Grab mit einem Herz aus Muscheln. Barbro sang einen Choral. Ingrid weinte. Und ungefähr eine Woche später brachte Hans eine neue Katze mit. Es war ein Weibchen und bekam den Namen Karnot, nach einem Mann, mit dem Hans zur Schule gegangen war und der, wie er meinte, wie eine Katze aussah; sie hatten ihn sogar Katzenmensch genannt, als er noch klein war. Die Katze Karnot war braun und hübsch wie frisch gekochter Süßkäse, graziös und anschmiegsam, und durfte auf dem Küchentisch liegen, wenn die Männer draußen waren. In der Nacht schlief sie am Fußende von Ingrids Bett. Sie nannten sie eine Tageskatze, weil sie genauso lange und zur selben Zeit wie die Menschen schlief. Aber auch Karnot musste drinnen bleiben, wenn im nächsten Frühjahr die Eiderente angewatschelt kam, um ihr Nest unter der Treppe zum Windfang zu richten. Die Eiderente ist ein heiliges Tier.

Die Unsichtbaren

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