Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 13

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Die fünf Seewölfe wurden mit Erleichterung begrüßt, als das Beiboot an der „Isabella“ anlegte.

„Was ist passiert?“ fragte Ben Brighton. „Ihr seht ja reichlich mitgenommen aus. Wir glaubten, Schüsse gehört zu haben, waren uns aber nicht ganz sicher.“

„Da habt ihr richtig gehört“, sagte Ed. „Wir haben auch tatsächlich geschossen, und jetzt sind einige Hundesöhne unterwegs, um ihre Urgroßväter einzuholen.“

„Die Schebecke war eine Falle“, erklärte Hasard. „Sie müssen unsere Ankunft bemerkt haben und haben sich entsprechend darauf eingestellt. Sie wollten unsere Neugier wecken, und genau das haben sie auch erreicht.“

„Jetzt ist ihre Neugier allerdings auch befriedigt“, sagte Dan O’Flynn trokken.

Ben Brighton und die anderen, die die Zurückgekehrten umstanden, sahen sie ungläubig an.

„Und euch ist nichts passiert?“ wollte Old O’Flynn wissen. „Die Kerle waren doch gewiß in der Überzahl.“

„Das schon, aber unser gesundes Mißtrauen hat uns gerettet – und unsere schnelle Gegenwehr. Auf der Schebecke sind arabische Piraten, die sich auf den Sklavenhandel verlegt haben. Sie handeln mit weißen Sklaven, wir haben Kleiderfetzen von Spaniern gefunden, aber die Gefangenen waren nicht mehr an Bord. Man hat sie wahrscheinlich auf ein anderes Schiff gebracht, oder sie sind im Sturm ums Leben gekommen.“

„Wir sollten den Mistkahn versenken, Sir“, sagte Big Old Shane und blickte finster auf die Felsen.

„Wir werden ihm den Bug zerschießen, wenn wir an der Bucht vorbeisegeln. Hievt das Beiboot hoch. Sobald es an Bord ist, segeln wir weiter.“

Die meisten waren dafür, die Schebecke zu stürmen, die restlichen Araber kräftig zu verprügeln und sie anschließend ins Land zu jagen. Dann wollten sie den Mistkahn versenken, aber Hasard winkte ab.

„Damit halten wir uns nicht auf, Leute. Wir setzen ihm ein paar Siebzehn-Pfünder ins Vorkastell und segeln weiter. Bis der Kahn wieder aufgeriggt ist, wachsen den Kerlen lange Bärte, und sie werden noch eine Weile an uns denken.“

Der Anker wurde gehievt und die Segel gesetzt. Darüber verging fast eine halbe Stunde, und als die „Isabella“ aus der Bucht manövrierte und langsam Fahrt aufnahm, verging noch einmal eine weitere halbe Stunde.

Die Ausgucks suchten die Felsen ab, aber die geflüchteten Piraten waren entweder ins Landesinnere geflohen oder hatten sich irgendwo zwischen den Felsen gut versteckt.

Langsam kam die Bucht in Sicht und mit ihr die Schebecke, die Menschenfalle.

In dieser einen Stunde hatten die arabischen Piraten wie die Wilden geschuftet, weil sie fürchteten, die Giaurs würden mit ihrer gesamten Crew zurückkehren und alles kurz und klein schlagen.

Sie hatten auch die Verwundeten und Toten mitgenommen und an Land gebracht.

„Kein einziger befindet sich mehr an Bord, Sir!“ schrie Bill aus dem Großmars an Deck. „Aber ganz oben in den Felsen haben sich anscheinend einige versteckt.“

Der Seewolf gab das Verstandenzeichen.

Al Conroy hatte mittlerweile drei Culverinen laden lassen. Die Stückpforten waren auch schon hochgezogen. Er wartete nur noch auf den Feuerbefehl.

Blacky stand bereit, Smoky hatte den glimmenden Luntenstock in der Hand, und Al Conroy selbst nahm bereits Maß.

Der Schimpanse Arwenack verschwand nach oben – wie immer, wenn die Rohre Feuer spuckten. Dort hockte er auf der Großmarsrah und verzog grämlich das Gesicht.

Hasard hatte die Arme auf die Schmuckbalustrade des Achterdecks aufgestützt und rief Al Conroy zu: „Ohne Erlaubnis feuern, wenn ihr das Ziel aufgefaßt habt.“

„Aye, aye, Sir!“ tönte es zurück.

Die anderen umstanden ihre Kameraden, und der Profos hatte die Arme in die Seiten gestemmt und sah finster zu der jetzt wirklich verlassenen Schebekke hinüber.

„Glatte See, klares dichtes Ziel“, sagte er. „Wenn einer von euch nicht genau die Fliege trifft, die auf dem Vordeck sitzt, dann stopfe ich denjenigen anschließend in das Rohr und jage ihn mit zehn Pfund Pulver hinüber.“

Aus den Bergen erklang plötzlich Gebrüll. Die arabischen Piraten hatten erkannt, was die „Isabella“ beabsichtigte, und jetzt zeigten sich auch einige.

Sie brüllten, fluchten, und ein schwarzhaariger Kerl, den Hasard durch das Spektiv betrachtete, hüpfte ganz oben zwischen den Felsen hin und her und raufte sich die Haare.

Smoky hielt die Lunte an das Zündkraut. Der Funke fraß sich zischend hindurch. Die Culverine entlud sich mit einem dumpfen Gebrüll und sauste zurück, bis die Brooktaue sie auffingen und stoppten. Gleichzeitig fuhr eine feuerrote Lanze aus dem Rohr, eine Qualmwolke entstand auf der Steuerbordseite.

Unmittelbar darauf schlug es dröhnend im Vorkastell der Schebecke ein, und Planken wirbelten durch die Luft.

Die zweite Culverine entlud sich mit Gebrüll, spuckte Rauch und Feuer und die Siebzehnpfünderkugel rasierte einen Teil des als Rammbug ausgebauten Galionseck weg.

Auch dort ein Krachen, ein Zerfetzen von Holz und ein Splitterregen, der über das Deck und ins Wasser flog.

Der dritte Schuß. Krachen, Bersten. Der Maststumpf der Schebecke flog mit einem Teil des Decks davon, und riß auf der anderen Seite das Schanzkleid auf.

Als sich der Rauch verzogen hatte, war es in den Bergen still. Nur der Sarazene raufte sich noch immer die Haare und erstickte fast vor Wut.

Jetzt erst sah man die Beschädigungen. Die drei Siebzehnpfünder der „Isabella“ hatten sauber getroffen und das Vorschiff in einen Trümmerhaufen verwandelt. Geborstene Planken ragten nach oben, die Galion war zerfetzt und zertrümmert. Von dem Rammsporn hing nur noch ein trauriger Stumpf nieder.

„Ihr habt die Fliege getroffen“, sagte der Profos gönnerhaft. „Das habe ich ganz deutlich gesehen. Nächsten Monat ist Weihnachten, da dürft ihr euch alle etwas wünschen.“

Das ohnehin verwüstete Deck glich nun einem Berg aus wahllos aufgeschichteten Trümmern, die Ferris Tucker neugierig musterte.

„Das gibt Arbeit für die Hundesöhne“, sagte er fachmännisch. „Damit sind sie eine Weile beschäftigt und werden ihre Menschenjagd fürs erste vergessen. Man hätte den Kahn besser doch total versenken sollen.“

Daß das ein anderer für ihn tun würde, erfuhr Ferris Tucker allerdings nicht mehr, aber es sollte nicht lange dauern.

Die „Isabella“ segelte weiter, an der Bucht vorbei, und aus den Bergen rannten die Kerle ans Ufer, als gelte es ihr Leben.

Langsam blieb die Bucht zurück. Die Schebecke entschwand ihren Blicken, und auch die Felsen wurden kleiner.

Bevor die Nacht anbrach, wurde eine alte Ruinenstadt entdeckt, und als Hasard den fast flehentlichen Blick des Kutschers sah, wurde er weich und befahl zu ankern.

Morgen in aller Frühe wollten sie sich ein Stück uralter Geschichte ansehen und dann endgültig weitersegeln.

Die Sache mit dem Sarazenen hatte jedoch noch ein übles Nachspiel, von dem die Seewölfe ebenfalls nichts erfuhren.

In der Dämmerung des nächsten Morgens lief eine kleine unscheinbare Feluke die Bucht des Minotaurus an.

Sie hatte nur zehn Mann Besatzung, und aus dieser Besatzung, die ausschließlich aus Arabern bestand, hob sich nur ein Mann etwas aus der Masse der anderen heraus.

Dieser Mann war Ali Abdel Rasul, den nur wenige kannten, den aber alle fürchteten, und der an den Küsten bis hinauf zur Ägäis Angst und Schrecken verbreitete, wenn nur sein Name fiel.

Ali Abdel Rasul war groß und schlank, schwarzhaarig, mit kohlschwarzen Augen und einem Bärtchen, wie die Scheiche es trugen.

Aber dieses Bärtchen trug er nicht immer. Mitunter war er glattrasiert, mal in kostbare Gewänder gekleidet, mal in Lumpen gehüllt, mal als Händler auftretend, der Ware an andere Schiffe verkaufte.

Die Feluke lief in die Bucht. Die Segel wurden weggenommen, und der letzte Schwung brachte sie bis dicht auf den Strand, wo sie etwas schräg geneigt liegenblieb.

Ali Abdel Rasul winkte zwei Männer herbei. Seine linke Hand lag auf einem goldverzierten Krummdolch, der im Gewand an seiner linken Hüfte steckte. Er trug ein burnusähnliches Gewand von ockergelber Farbe und hatte Sandalen an den Füßen.

„Du siehst nach, wie viele Gefangene wir haben“, befahl er dem einen Mann, „und du drehst den Stein. Ich werde nachsehen, ob der Kapitän eine Nachricht hinterlassen hat.“

Die beiden verbeugten sich fast ehrfurchtsvoll vor Ali und sprangen in den Sand.

Der eine kletterte in die Berge, während der andere den Felsen erklomm und den schweren Stein bewegte.

Ali Rasul stand vor dem Bild des Minotaurus und blickte es aus ausdruckslosen Augen an.

Dann schwang der Stiermensch mit einem leisen Knirschen zurück und gab den Blick in das Innere preis.

Am Horizont ging die Sonne auf. Zaghaft schob sie sich von Osten her über das Meer und tastete mit roten und silbernen Strahlen über die Wasserfläche.

Aber dafür hatte der Ägypter keinen Blick. Er zog sich an dem Felsen hoch und blickte in die kleine Höhlung.

Das Gold, das Silber und die Perlen waren weg. Das war richtig so, das hatte sich der Kapitän geholt, wie es ihm zustand. Ali irritierten nur die fünf Steine, die darin lagen. Weiter befand sich nichts in dem Hohlraum.

Verblüfft und ratlos nahm er sie heraus, drehte sie hin und her und wußte nichts damit anzufangen.

Hinter ihm war ein weiterer Mann erschienen, ein kleiner, kriegerischer Bursche, der devot dienerte.

Ali drehte die Steine immer noch hin und her, betrachtete sie von allen Seiten und wurde nicht schlau daraus.

„Hast du dafür eine Erklärung?“ fragte er den Mann mit dem Wieselgesicht.

Der starrte ebenfalls auf die Steine und schüttelte den Kopf. Dann blickte er seitlich auf das Bild des Stiermenschen.

„O Herr“, sagte er, „vielleicht zürnt der Stier von Kreta und hat das Gold in Steine verwandelt.“

„Meinst du, daß ein Halbgott das kann?“ fragte Ali spöttisch und kräuselte verächtlich die Lippen.

„Die Halbgötter vermögen viel, o Herr.“

„Aber dieser ist nur ein Bastard“, sagte Ali lachend. „Und du redest wieder einmal dummes Zeug, Moshe.“

Der unterwürfig wirkende Mann zuckte ängstlich zusammen. Dann schwieg er bedrückt.

„Ich möchte wissen, was hier vorgeht“, sagte Ali Rasul leise. Dann blickte er nach oben. Seine Hand tat eine herrische Bewegung, und gleich darauf schloß sich ganz sanft das Versteck mit einem leisen Knirschen.

Auf Alis Zügen lag leichte Ratlosigkeit, aber er blieb geduldig stehen und wartete ab, bis der Mann aus den Bergen wieder zurückkehrte. Das dauerte fast eine Viertelstunde.

„Was ist?“ fragte Ali knapp.

„Es sind keine Gefangenen da, o Herr“, stammelte der Mann verstört. „Kein einziger Christenhund befindet sich in dem Verlies. Es ist leer.“

„Bist du ganz sicher?“

„Ganz sicher, Herr. Allah soll mich …“

„Schon gut. Du willst noch etwas sagen?“

„In der Bucht weit vor uns liegt der Sarazene, Herr. Sein Schiff ist arg beschädigt. Die Leute haben mich nicht gesehen, sie arbeiten und bessern aus.“

Alis Gesicht verfinsterte sich bei den Worten. Er blickte auf die Steine, sah den Minotaurus an, und dann erschien in seinen dunklen Augen ein bösartiges Licht.

„Keine Gefangenen“, sagte er, als spräche er zu sich selbst. „Das Gold ist fort, und dieser Hundesohn wagt es, in der Bucht liegenzubleiben und sein Schiff zu reparieren.“

Wütend warf er die Steine in den Sand.

„Er hat mich betrogen, dieser Hund. Er glaubte sich wohl in Sicherheit, aber dann hat ihm der Sturm übel mitgespielt. Gold und Silber hat er sich geholt, er hat die Bezahlung kassiert, ohne die geringste Gegenleistung zu erbringen. Das hat noch keiner gewagt.“

In den Augen glomm es immer düsterer auf, und die beiden Männer traten ein paar Schritte zurück, als sie ihren Herrn so zornig sahen.

„Dieser Hundling von einem Sarazenen“, sagte Ali flüsternd. „Er wagt es …“

Mit schnellen Schritten ging er an Bord zurück. Sein Gesicht blieb jetzt kalt und ausdruckslos, aber in seinem Innern fraß der Zorn, da kochte es über diese bodenlose Frechheit.

„Dorthin, wo die Schebecke liegt!“ befahl er.

Die Männer sprangen ins Wasser, schoben mit vereinten Kräften die kleine Händlerfeluke ins Wasser und sprangen wieder auf.

Sofort segelte die Feluke weiter, bis sie die bezeichnete Bucht erreichte.

Ali Abdel Rasul starrte auf die Schebecke, die bestenfalls noch ein Wrack war. Die Reparatur würde eine Weile in Anspruch nehmen. Er sah, wie die Männer sich abmühten, den Mast aufzuriggen und die Schäden auszubessern.

„Wer von ihnen ist der Sarazene, Moshe?“ fragte er.

Moshe deutete dezent nach achtern, wo ein Mann mit mürrischem Gesicht stand und den zertrümmerten Balustradenschmuck anstarrte.

„Der Kerl ganz achtern, Herr.“

Auf der Schebecke wurden die Arbeiten jetzt unterbrochen, als die kleine Feluke in die Bucht segelte, die Segel strich und langsam heranglitt.

Sie starrten den vermeintlichen Händler an und grüßten lässig.

Ali Abdel Rasul verneigte sich.

„Allahu Akhbar, meine Brüder“, grüßte er überschwenglich. „Allah sei mit Euch, Kapitän. Ihr seid doch der Kapitän, Herr?“

Der Sarazene war in ausgesprochen übler Stimmung.

Er erwiderte den Gruß mürrisch und fragte: „Was willst du? Was verkaufen?“

„Allah beschütze dich, Herr“, sagte Ali. „Ihr habt schwere Schäden erlitten, wie ich sehe, und ihr werdet unsere bescheidene Hilfe gut gebrauchen können. Wir haben alles an Bord, was Euch zum Leben mangelt. Nüsse, Datteln, Oliven, frisches Gemüse, Beeren und auch Pulver.“

Zuerst sah es so aus, als wollte der Sarazene die vermeintlichen Händler zum Teufel jagen, aber dann war er einem kleinen Plausch nicht abgeneigt und gestattete, daß die Feluke an der Bordwand vertäut wurde.

„Wir könnten schon etwas gebrauchen“, sagte er und musterte den Händler mißtrauisch von oben bis unten. „Aber nur, wenn ihr vernünftige Preise aushandelt.“

Alis Gesicht blieb devot und unterwürfig, wie die Händler ihren Kunden immer begegneten.

„Ihr werdet zufrieden sein, Herr, und Ihr werdet über meine Preise ehrlich erstaunt sein.“

„Dann kommt an Bord und bringt gleich Tee mit.“

„Zu Diensten, Herr.“

Ali und drei weitere Männer enterten geschickt und schnell auf und sahen sich bedauernd um.

„Seid ihr zufällig hier vorbeigesegelt?“ fragte der Sarazene.

„Zufällig, Herr. Wir wollten weiter nach China, um frische Ware zu übernehmen und dort zu handeln. Was ist geschehen, Herr? Wer hat euer Schiff so beschädigt?“

Der Sarazene spuckte wütend über Bord. Dabei musterte er anerkennend den Dolch in Alis Gürtel, ohne zu wissen, wen er vor sich hatte.

„Zuerst war es der Sturm, dann segelte ein spanischer Christenhund hier vorbei und feuerte auf uns, die wir doch völlig wehrlos waren.“

„Und warum tat er das?“

„Frag ihn selbst, Händler, ich weiß es nicht. Hast du auch Pulver anzubieten?“

„Soviel ihr wollt, Herr.“

Über Ali Rasuls Gesicht glitt ein Schimmer. Er blickte über das achtere Schanzkleid und gab den Befehl, ein paar Fässer Pulver an Bord zu bringen.

Ein anderer erschien mit einem Kessel kochenden Wassers und kleinen Täßchen mit frischen Pfefferminzblättern.

Ali nahm sie entgegen, hielt eins der zerbrechlichen Täßchen in der linken Hand und goß aus großer Höhe geschickt wie ein Zauberkünstler das kochende Wasser schwungvoll in das Täßchen. Dann tat er ein paar Tropfen Tamarindensaft dazu und in das andere ein paar Tropfen Rosenöl.

Der Sarazene nickte anerkennend über soviel Geschick. Dieser Händler hatte nicht einen einzigen Tropfen verschüttet. Wahrlich, ein sehr geschickter Mann.

Ali plauderte, stellte Fragen und horchte den Sarazenen geschickt aus. Aber er erfuhr nicht viel, denn der Kapitän war mißtrauisch und geizte mit den Worten.

Für Ali Rasul stand jedoch schon das Urteil fest. Der Sarazene hatte ihn betrogen, betrogen um die Sklaven und betrogen um das Gold, das er widerrechtlich und entgegen aller Geschäftspraktiken an sich genommen hatte.

Aber einen Ali Abdel Rasul betrog man nicht, auch wenn der Sarazene sich bisher immer korrekt verhalten hatte. Ali glaubte genügend und einwandfreie Beweise zu haben.

Die Pulverfässer wurden an Deck gestellt, scheinbar unabsichtlich an mehreren Stellen. Dann wurden die Lebensmittel nach oben gebracht, die der Sarazene verlangte.

Er begutachtete alles, meckerte hier und da herum und versuchte, den Preis zu drücken, was Ali mit beifälligem freundlichem Lächeln quittierte. Aber er blieb bei dem Preis.

„Du bist ein harter Knochen!“ fuhr er Ali an. „Deine Preise sind zu hoch. In der nächsten Stadt kriege ich das Zeug billiger.“

„Herr, ich muß auch meine Leute bezahlen, ich bin ein armer Mann, der eine große Familie ernährt. Ich kann euch eine Zugabe geben. Aber dann möchte ich euch an Bord meines Schiffes bitten, damit Ihr euch eine der Kostbarkeiten aussuchen könnt. In welcher Währung wollt ihr mich bezahlen?“

„In Piastern“, sagte der Kapitän.

Mit meinen eigenen Piastern, dachte Ali, die du Hundesohn mir aus dem Versteck geklaut hast. Er lächelte verbindlich und blickte auf die kleinen Krüge und Fässer, die jetzt an Deck standen.

Der Sarazene war neugierig auf die Zugabe, die der Händler ihm gewährte, und so zeigte er nach unten.

„Gehen wir, ich habe nicht viel Zeit. Mein Schiff muß wieder aufgeriggt werden. Was qualmt da so entsetzlich bei euch an Bord?“ wollte er wissen.

„Moshe wird Brotfladen backen, Herr. Er stellt sich dabei reichlich ungeschickt an. Eines Tages wird er das ganze Schiff in Brand setzen.“

Der Sarazene enterte ab. Er sah sich die Feluke an und war erstaunt, daß das kleine Händlerschiff über eine hölzerne Schleudervorrichtung verfügte, mit der man Brandtöpfe und Griechisches Feuer verschießen konnte.

Ali sah den Blick und lächelte.

„Wir werden oft ausgeplündert, Herr. Aber wir wissen uns unserer Haut zu wehren. Bitte, folgt mir!“

Kaum war der Sarazene an Bord, da beugten sich auch schon neugierige Köpfe über das Schanzkleid.

„Steht nicht rum, glotzt nicht!“ befahl der Kapitän. „Geht an eure Arbeit, ihr Hundesöhne.“

Die Köpfe fuhren zurück, und die Arbeit wurde emsig fortgesetzt.

Ali Abdel Rasul bat den Kapitän in seinen bescheidenen Raum, der mit kostbaren Teppichen ausgestattet war. Teure Öllampen hingen von der Decke, auf dem Boden lagen Wasserpfeifen, Tonkrüge und Gewänder, alles, was die Händler verkauften.

Zwei Mann aus Alis Besatzung lösten unauffällig die Leine, und gleich darauf trieb die Feluke leicht von der Schebecke ab. Zunächst bemerkte es niemand, doch dann fiel dem Sarazenen die leichte schlingernde Bewegung auf, und er stürzte an Deck.

Gehetzt sah er sich um, starrte Ali an und wollte etwas sagen, denn die Feluke hatte bereits Fahrt aufgenommen und glitt aus der Bucht.

Auf der Schebecke brüllten die Leute durcheinander und rangen die Hände, als das Händlerschiff weitersegelte.

„Was hat das zu bedeuten?“ fragte der Sarazene mit vor Wut verzerrtem Gesicht. „Willst du Hundesohn mir wohl eine Antwort geben, du räudiger Köter?“

Ali Abdel Rasul lächelte hintergründig. Der Sarazene sah sich plötzlich von sechs Männern eingekreist und wurde blaß.

„Wenn du einem giftigen Köter die Zähne ziehst“, sagte Rasul immer noch lächelnd, „dann kann er nicht mehr beißen. Stimmt das?“ fragte er mit sanfter Stimme.

Zitternd hob der Sarazene die Hände, als er den scharf geschliffenen Krummdolch an seiner Hüfte verspürte. Die Männer, die ihn umringten, starrten ihn mit finsteren Augen an.

„Ali – Ali – Abdel Rasul!“ stammelte der Sarazene, als ihm endlich dämmerte, was hier passiert war.

Der schlanke Mann sah ihn an und nickte.

„Ganz recht, Hundesohn. Du hast mich bestohlen, du hast mich getäuscht und betrogen. Du hast keinen einzigen Gefangenen, aber trotzdem hast du mein Geld genommen! Das hast du nun davon.“

„Ich habe nichts genommen!“ schrie der Kapitän angstvoll und hob abwehrend die Hände hoch, als der Dolch ihn drückte. „Und die Gefangenen sind im Verlies. Fünf Leute sind es.“

„Und jetzt belügst du mich auch noch, du räudiger Hund. Wir hätten das verrechnen können, aber du mußtest mich auch noch verhöhnen, indem du fünf Steine in das Versteck legtest. Du hast meine Ehre besudelt und mich der Lächerlichkeit preisgegeben. Du weißt, wie ich darauf reagiere.“

Der Sarazene schrie wie am Spieß, beteuerte lauthals seine Unschuld, aber dafür hatte Ali Rasul nicht mehr als ein verächtliches Lächeln übrig.

„Sieh dir jetzt an, wie es Verrätern geht!“ sagte er kalt.

Dann gab er seinen Männern einen Wink. Sie trugen einen runden Kessel an Deck, in dem es qualmte, zischte und brodelte. Vorsichtig legten sie ihn in den hölzernen Kopf der Schleuder. Dann trat ein Mann zurück und kappte das Tau mit dem die Schleuder gespannt war.

Voller Kraft schoß der Topf in die Höhe, der Luftzug ließ das Leuchtöl erglühen, und eine helle Flamme schoß hoch, als der Topf einen großen Bogen beschrieb und sich wie eine glühende Sonne über der Schebecke entlud.

Waberndes Feuer leckte nach allen Seiten, schaurige Schreie hallten von der Schebecke herüber, und dann stand sie schlagartig lichterloh in Flammen.

Etwas später detonierten die Pulverfässer unter bestialischer Geräuschentwicklung. Der Rest der Schebecke flog krachend auseinander, und alles verging in einem Glutball.

Der Sarazene stand mit leerem Blick da. Er hatte nur noch Angst, hündische Angst, und er sank heulend und jammernd auf die Knie und hob bittend die Hände.

„Es muß der Spanier gewesen sein, Herr“, winselte er. „Ich war es nicht, bei Allah, ich schwöre.“

„Du brauchst nicht mehr bei Allah zu schwören, Sarazene“, sagte Ali freundlich. „Einmal ein räudiger Hund, immer ein räudiger Hund, daran wird sich nichts ändern.“

Der Sarazene stieß einen dumpfen Schrei aus, als ihm der Dolch in die Rippen fuhr und sein Leben beendete.

Ali Abdel Rasul sah kalt auf ihn hinunter. Dann warf er einen Blick auf das Chaos in der Bucht und wandte sich ab.

„Werft ihn über Bord!“ befahl er.

Der tote Sarazene wurde über Bord geworfen und verschwand aufklatschend in der See. Er ging sofort unter und tauchte auch nicht mehr auf. Nur ein paar Blasen stiegen noch hoch.

„Weiter, immer an der Küste entlang!“ befahl Ali.

Er stand auf dem Achterdeck der Feluke und blickte ins Wasser.

„Vielleicht hat er doch die Wahrheit gesprochen“, murmelte er leise, „vielleicht treffen wir diesen Spanier, wenn es ihn überhaupt gibt.“

Doch dann schüttelte er den Kopf. Nein, nein, dachte er, es paßte alles viel zu gut zusammen. Der Sarazene hatte den Tod verdient.

Noch während der Kutscher und einige andere die historische Stätte besichtigten, rollte dumpfer Donner durch die Luft. Das donnernde Geräusch erklang zweifellos aus Westen, und es mußte von jener Stelle herrühren, wo die Schebecke lag.

Die Seewölfe legten das auf ihre Art aus, denn sie wußten es nicht anders.

„Die haben den Kahn in die Luft gejagt“, meinte Hasard. „Wahrscheinlich haben sie eingesehen, daß sich eine Reparatur nicht mehr lohnte.“

„Ganz recht, Sir“, pflichtete Ferris Tucker bei. „Ich an Ihrer Stelle hätte genauso gehandelt. Da gab es nicht mehr viel zu reparieren, das lohnte sich gar nicht, und das haben sie auch eingesehen.“

„Ist nicht schade darum“, meinte Dan. „Der Kerl wird vorerst keine Sklaven mehr verkaufen. Bis der ein neues Schiff hat, vergeht eine Weile.“

Gegen Mittag kehrte der Kutscher mit den anderen zurück, und die „Isabella“ ging wieder ankerauf und setzte die Segel.

Von achtern segelte eine kleine Feluke auf, ein Händlerschiff, wie es den Anschein erweckte. Aber niemand schenkte dem kleinen Kahn Beachtung, der in mehr als zwei Kabellängen vorbeisegelte.

Und niemand ahnte, daß sich auf der Feluke ein Mann befand, der ihnen noch sehr viel Ärger bereiten sollte und sehr nachdenklich durch ein Spektiv die „Isabella“ beobachtete.

Ali Abdel Rasul lächelte, während er den vermeintlichen Spanier musterte.

Das Schiff interessierte ihn, und womöglich hatte der Sarazene doch nicht gelogen.

Aber das würde die Zukunft erweisen, denn Ali Abdel Rasul hatte Zeit, sehr viel Zeit, und er war außerordentlich hartnäckig, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.

Immer noch lächelnd sah er, wie die ranke Galeone Fahrt aufnahm und Ostkurs steuerte.

Für ihn war die Angelegenheit noch lange nicht erledigt, für die Seewölfe vorerst schon …

Seewölfe Paket 13

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