Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 20
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ОглавлениеWie der Seewolf vorausberechnet hatte, lief die „Isabella“ gegen Mitternacht eine kleine Bucht an der südlichen Küste von Rhodos an.
Der Sturm hatte etwas nachgelassen. Der Regen fiel nur noch schauerweise, und seltener grollte der Donner und zuckten die Blitze. Donner und Blitz erfolgten auch nicht mehr gleichzeitig, sondern nacheinander, woraus zu schließen war, daß sich die Gewitterfront nach Nordwesten entfernte.
Draußen auf dem Meer türmten sich die Wellen etwas weniger hoch, und hier, in der Bucht, verringerte sich der Seegang derart, daß Hasard daran hätte denken können, die Verschalkungen der Luken und Niedergänge zu lösen und die Manntaue zu entfernen.
Doch vorläufig beließ er es bei ihrem derzeitigen Zustand. Die Sturmsegel wurden aufgegeit, der Anker rauschte an seiner Trosse aus und ging auf Grund.
Hasard versammelte seine Männer auf dem Hauptdeck und sagte: „Wir hätten in der Hoffnung, daß das Wetter sich weiterhin bessert, auch weitersegeln können. Aber wir brauchen einen neuen Bugspriet und müssen aus diesem Grund einen Baum fällen. Außerdem nutzen wir die Gelegenheit und frischen unsere Proviantbestände ein wenig auf, da wir schon mal hier sind.“
„Ja“, sagte Ben Brighton. „Und die Männer können sich ein wenig ausruhen oder sich die Füße vertreten.“
Dan O’Flynn blickte zu den Inselbergen, die wuchtig hinter dem Ufer der Bucht aufstiegen. „Eigentlich müßte es hier auf Rhodos doch ein bißchen Wild geben, oder? Wie wäre es, wenn wir noch vor dem Morgengrauen losziehen? Das ist die beste Stunde für die Rebhuhn-, Fasanen- und Hasenjagd.“
„Einverstanden“, sagte der Seewolf. „Ich teile jetzt die Deckswachen neu ein und bestimme, wer alles an Land gehen wird. Wer sich noch ein paar Stunden aufs Ohr legen will, soll sich ruhig melden.“
„Ach was, so müde sind wir doch gar nicht“, sagte Carberry. „Sir, mal eine Frage. Ist die Insel bewohnt?“
„Es soll hier ein paar Fischer- und Bauerndörfer geben“, erwiderte der Seewolf.
„Und die Bewohner sind Griechen, nicht wahr?“ erkundigte sich Blacky.
„Ob sie griechischer oder byzantinischer Abstammung sind, ist mir nicht bekannt.“
„Das spielt ja auch keine Rolle“, meinte Smoky. „Die Hauptsache ist, daß sie friedfertige Leute sind und nicht versuchen, uns zu vertreiben, falls wir mit ihnen zusammentreffen. He, Ed, du müßtest eigentlich doch bestens Bescheid wissen.“
„Ich? Warum ausgerechnet ich?“
„Nun, wenn mich nicht alles täuscht, hast du vor ein paar Wochen auf Mallorca eine ausführliche Unterredung mit einer netten Lady aus Griechenland gehabt. Oder?“
„Was, zum Teufel, hat denn das mit Rhodos zu tun?“ fragte der Profos mit drohendem Unterton in der Stimme.
Smoky spielte auf die Abschiedsfeier an, die es auf Mallorca gegeben hatte, als die Seewölfe den aus Abu Al-Hassans Harem befreiten Frauen einen kleinen Einmaster zur Weiterreise nach Südfrankreich verschafft hatten. Nie hätten sich die „Ladys“ von den Männern der „Isabella“ getrennt, ohne sich auf gebührende Weise bei ihnen zu bedanken. So war es zu einem allgemeinen Techtelmechtel gekommen, bei dem auch Carberry nicht leer ausgegangen war, weil Irene, die Griechin, eine leidenschaftliche Begeisterung für ihn entwickelt hatte.
„Ihr habt euch doch sicher über Land und Leute unterhalten“, fuhr Smoky zur allgemeinen Erheiterung der anderen Männer fort. „Über Irenes Heimat, meine ich. Ob die Menschen hier angriffslustig wie die Türken oder friedliebend und aufnahmebereit wie die Italiener sind.“
„Das weiß ich nicht“, brummte der Narbenmann unfreundlich. „Keine Ahnung, wie es sich damit verhält.“
„Ja, Himmel, über was habt ihr beiden denn bloß gesprochen?“ rief Smoky aus.
Carberry sah ihn zornig an. „Das geht dich einen feuchten Schlick an, du Stint! Frage ich dich etwa auch über deine Weibergeschichten aus, was, wie?“
„Nein“, sagte nun der Seewolf. „Und deshalb solltest du auch nicht so aufdringlich fragen, Smoky. Schon mal was von Diskretion gehört?“ Er gab sich Mühe, ernst zu bleiben, konnte sich aber selbst ein feines Lächeln kaum verkneifen.
„Ja, Sir.“
„Dann halte dich daran.“
„Aye, Sir.“
„Was zur Hölle ist Diskretion?“ wollte Carberry von Blacky wissen, der dicht neben ihm stand.
Blacky grinste. „Ich erklär’s dir später, Ed. Das ist keine einfache Angelegenheit. Vielleicht sollte ich dir eine Zeichnung anfertigen.“
„Paß auf“, sagte der Profos mit grollender Stimme. „Ich merke schon, daß du mich auch auf den Arm nehmen willst, aber ich lasse mich von euch Rübenschweinen nicht verschaukeln. Paß auf, daß du nicht gegen eine Schott läufst, aus Versehen, meine ich.“
„Nein, Sir!“ Blacky riß sich zusammen, um nicht mehr zu sagen. Es war gefährlich, mit dem Feuer zu spielen, das Edwin Carberry hieß.
Hasard räusperte sich und lenkte dadurch die Aufmerksamkeit der Männer wieder auf sich. „Ich rechne fest damit, daß die Menschen von Rhodos gastfreundlich sind. Wir werden sie respektieren und auf keinen Fall etwas tun, das sie ärgerlich stimmen könnte. Wenn sie zum Beispiel nicht wollen, daß wir jagen, dann unterlassen wir es.“
„Falls wir überhaupt jemandem begegnen“, meinte Old O’Flynn.
„Ja“, sagte sein Sohn. „Von hier aus betrachtet, sieht die Insel öde und verlassen aus.“
„Aber man kann sich täuschen“, gab Big Old Shane zu bedenken. „Oft trügt der Schein. Stimmt’s, Donegal?“
„Habe ich euch das nicht immer vorgebetet?“ gab der Alte mit verdrossener Miene zurück. „Tu jetzt nicht so, als sei das auf deinem Mist gewachsen, Shane.“
„Schluß der Debatte!“ sagte der Seewolf. „Wir gehen mit einem starken Trupp an Land und nehmen genügend Waffen mit, um gegen alle eventuellen Überraschungen gerüstet zu sein.“
„Soll ich auch ein paar Höllenflaschen mitnehmen?“ fragte Ferris Tucker.
„Ja, natürlich.“
„Eben“, sagte Al Conroy, der Stückmeister und Waffenexperte der „Isabella“. „Man weiß nie, zu was man sie gebrauchen kann.“ Er blickte zu Hasard, dann zu Ferris. „Es hat sich noch nie als Fehler erwiesen, ein paar davon in die Taschen zu stekken, oder?“
„Ich hoffe, sie nicht einsetzen zu müssen“, sagte der Seewolf. „Wir geben hier nur eine kurze Gastrolle, dann verschwinden wir wieder.“
Selims Piraten hatten die Häuser von Pigadia geplündert und tatsächlich in den Hohlräumen unter den Estraden die Ketten und anderen Goldschmuck gefunden, die die Aussteuer der verheirateten Frauen darstellten.
Selim ließ sich die Kostbarkeiten bringen und aushändigen. Er war sorgsam darauf bedacht, jede Geste seiner Männer zu überwachen. Niemand sollte wagen, sich heimlich schon etwas von der Beute in die Tasche zu stecken, das Verteilen oblag ausschließlich ihm.
Er hatte sein Quartier in Lagios’ und Iris’ Haus bezogen, einem der größten und schönsten Bauten des Ortes. Hier häufte er nun das geraubte Gut auf dem Fußboden, schätzte überschlagsmäßig dessen Wert und stellte grinsend fest, daß er mit sich zufrieden sein konnte.
Er ließ Jella, Dobran, Ali und Firuz zu sich rufen und wies auf das Gold, das sich zu ihren Füßen häufte.
„Es hat sich gelohnt“, sagte er. „Wir haben einen wirklich guten Fang gemacht. Wer hätte das gedacht?“
„Keiner“, entgegnete Dobran, ein hagerer Mann mit einem riesigen Turban auf dem Kopf. „Wir sollten auch die anderen Inseldörfer aufsuchen und überfallen.“
„Das ist sicher“, sagte Selim. „Wohin habt ihr die gefangenen Mädchen gebracht?“
„In das Haus gegenüber“, antwortete Jella. „Ich habe sie zusammentreiben lassen, sie werden von zwei Männern bewacht. Sie schlottern vor Angst, aber ich habe ihnen gesagt, daß sie vorläufig nichts von unseren Leuten zu befürchten haben.“ Sie lachte leise.
„Wie viele sind es?“
„Achtzehn. Ich habe sie genau gezählt.“
„Wir werden sie als Sklavinnen verkaufen, zusammen mit den anderen, die Osman und unser Suchtrupp sicherlich doch wieder einfangen werden.“
„Osman ist noch nicht wieder zurück“, sagte Dobran.
„Man muß ihm Zeit lassen. In ein, zwei Stunden ist er bestimmt wieder da und bringt einen ganzen Schwarm von Weibern und Kindern. Auch die Kinder werden wir verkaufen – nach Zypern, wo es genügend Abnehmer für Ware dieser Art gibt.“
„Ich frage mich nur, wo die jüngeren Männer des Dorfes sind“, sagte Ali. „Es kann hier doch nicht nur Greise, Weiber und Kinder geben.“
Jella entgegnete darauf: „Eins der Mädchen hat mir auf meine Fragen hin erzählt, daß sie am Nachmittag zum Fischfang ausgelaufen seien, mit ihren Booten. Das Wetter erschien ihnen vielversprechend, doch sie sind vom Sturm überrascht worden.“
„Und wahrscheinlich alle ertrunken!“ rief Firuz lachend.
„Wenn nicht, bereiten wir ihnen hier einen angenehmen Empfang, sobald sie zurückkehren“, sagte Selim. „Vergessen wir nicht, überall Wachen aufzustellen.“
Weder Jella, er und die anderen ahnten, daß das Mädchen gelogen hatte, um die Männer von Pigadia vor einem Überfall der Seeräuber in den Olivenhainen zu schützen. Ihrer Geistesgegenwart sollte es zu verdanken sein, daß Lagios, Iris, Melania und all den anderen im weiteren Verlauf der Nacht tatsächlich nichts zustieß.
Selim wandte sich um und verließ Lagios’ Haus, um zu den Mädchen hinüberzugehen und sie zu begutachten.
Es hatte aufgehört zu regnen. Das Heulen und Pfeifen des Sturmwindes legte sich allmählich. Selim blieb bei den toten alten Männern stehen und sagte zu seinem Kumpan: „Später werfen wir sie in die Schlucht. Später, wenn Osman und die anderen zurück sind.“
Er sah auch Antos verkrümmt auf dem Pflaster der Gasse liegen und grinste voll Hohn und Verachtung.
Plötzlich kehrte der glatzköpfige Osman mit der Meute zurück, die Selim seinem Kommando anvertraut hatte. Er blieb schwer atmend vor seinem Anführer stehen und meldete: „Nichts zu machen, Selim. Wir haben keinen von den Flüchtlingen mehr finden können. Sie sind wie vom Erdboden verschwunden.“
„Das gibt es doch nicht“, sagte Selim unwirsch. „Sie können sich nicht in Luft aufgelöst haben. Ihr habt nicht gründlich genug gesucht.“
„Wir haben alles abgekämmt“, verteidigte sich Osman. Er deutete mit dem Finger auf Antos. „Vielleicht kann der uns noch verraten, in welchen Schlupfwinkel sie sich zurückgezogen haben. Vermutlich gibt es irgendwo Höhlen, die man im Dunkeln nicht sieht.“
Selim warf wieder einen Blick auf Antos. „Der? Der wird uns nichts mehr sagen. Er ist tot.“
„Fragen wir mal die Mädchen“, schlug Jella vor. „Wir bringen sie schon zum Sprechen, verlaßt euch drauf. Ich brauche nur eine von ihnen mit meinem Messer zu kitzeln, dann …“
„Einen Augenblick“, unterbrach Osman sie. „Selim, wir haben etwas anderes, vielleicht Wichtigeres entdeckt. Nur eine Meile weiter im Westen gibt es noch eine kleine Bucht. Dort liegt ein Schiff vor Anker.“
„Ein Schiff?“ Selim hob die Augenbrauen. „Das werden doch wohl nicht die Männer des Dorfes sein?“
Osman schüttelte den Kopf. „Bestimmt nicht. Wir haben uns ziemlich dicht anpirschen können und im Zucken der Blitze gesehen, daß es sich um ein europäisches Schiff handelt. Eine Dreimast-Galeone. So einen großen Segler können die Insulaner nicht besitzen, ich glaube, sie wüßten gar nicht damit umzugehen.“
„Ist es etwa ein Spanier?“ fragte Selim mit wachsendem Interesse.
„Möglich ist es. Vielleicht auch ein Genuese oder Venezianer.“
„Er hat bestimmt Beute für uns an Bord“, sagte Selim. „Beim Scheitan, diese Insel Rhodos wird immer interessanter für uns. Ehe wir sie verlassen, sind die Bäuche der ‚Grinta‘ und der Ghanja so voll, daß sie sich kaum noch voranbewegen können.“
„Wir könnten einen Boten zu unseren Schiffen schicken“, meinte Dobran. „Bei dem nachlassenden Seegang können sie das Südufer runden und die Galeone in ihrer Ankerbucht überfallen.“
„Nicht so hastig“, sagte Selim. „Osman, habt ihr die Stückpforten der Galeone zählen können?“
„Sie scheint zwanzig Geschütze zu haben, vielleicht auch noch mehr.“
„Ein ernstzunehmender Gegner also.“ Selim rieb sich nachdenklich den Schnauzbart. „Wir sollten lieber versuchen, einen Teil der Besatzung an Land zu locken.“
„Aber wie?“ fragte Dobran.
„Ich weiß es“, sagte Jella. „Ich kann es Selims Zügen ablesen, was er plant.“
Selim warf ihr einen seltsamen Blick zu. „Du scheinst überhaupt gut in meinen Gedanken lesen zu können, Jella. Nun gut, ich weiß eine List. Jella, du gehst mit Ali zur Bucht hinunter, und ihr holt zehn von unseren Frauen an Land. Ich habe eine feine Aufgabe für sie. Wir werden diesen Spanier – oder wer immer er auch sein mag – in eine tödliche Falle locken.“
Die Männer, Frauen und Kinder des Dorfes hatten die Olivenhaine erreicht. Jetzt zogen sie sich in die flachen Steinbauten zurück, die sich in einer langen Reihe an einen niedrigen Hang duckten, entfachten die Glut in den Öfen, die sie bei ihrem Aufbruch zurückgelassen hatten, zu Feuern, an denen sie sich wärmten, und weckten die Männer, die sich auf ihren Schlafplätzen niedergelassen hatten, um die Nacht hier zu verbringen.
So wurde berichtet und beratschlagt, und die Frauen beruhigten ihre Kinder, während die Männer den Piraten bittere Rache schworen.
„Wenn ihre Schiffe in der Bucht ankern“, sagte einer von Lagios’ Freunden, „brauchen wir doch nur zu unseren in den Grotten versteckten Booten zu schleichen, sie ins Wasser zu schieben und die Schiffe anzugreifen.“
„Womit?“ fragte Lagios. „Mit den wenigen Flinten, den Messern und den Knüppeln, die wir haben? Sie schießen uns mit ihren Geschützen in Fetzen.“
„Aber das Pulver ist naß, das Zündkraut nicht zu gebrauchen …“
„Jetzt nicht mehr“, widersprach Lagios, der nach und nach zum Wortführer der Gruppe geworden war. „Es regnet nicht mehr, und das Pulver trocknet schnell. Nein, wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.“
„Es ist unsere vordringliche Aufgabe, ins Dorf zu gehen und die jungen Frauen und Mädchen zu befreien“, sagte ein stämmiger Mann mit breitem, herbem Gesicht, der bei dem Kampf im Dorf seinen Vater verloren hatte, wie er durch Melania erfahren hatte. „Es muß uns gelingen, diese gemeine Bande irgendwie abzulenken, ihr in den Rücken zu fallen und sie zu vertreiben. Wir müssen es schaffen! Wenn wir ein paar Wachen zum Schutz unserer Frauen und Kinder hier zurücklassen, können wir immer noch einen Trupp von vierzig oder noch mehr Männern in Bewegung setzen. Das müßte doch genügen.“
Lagios sprang plötzlich auf. „Du hast recht! Und mir ist eben eingefallen, wie wir es schaffen können. Hört zu.“
Er beugte sich zu ihnen und sprach schnell und eindringlich auf sie ein. Sofort waren die Männer Feuer und Flamme, sie brannten darauf, ausrücken und losschlagen zu können.