Читать книгу Seewölfe Paket 13 - Roy Palmer, Fred McMason - Страница 7

3.

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Ein paar Lidschläge vergingen, während sie staunend auf die Karte blickten, die je nach Sonnenlicht ihr Geheimnis preisgab oder es für sich behielt.

„Philip, du gehst an Deck und holst den Kutscher und Dan. Nein“, berichtigte sich Hasard gleich darauf, „ich nehme die Karte mit. An Deck ist das Licht noch besser als hier unten.“

Zusammen mit dem Profos verließ er die Kammer. Die Zwillinge blieben da, auf dem Boden hockend und die vier anderen Karten mit den Augen verschlingend.

Als Hasard das Achterdeck erreichte, schien noch immer die Sonne.

„Kutscher!“ brüllte der Profos, als der Koch und Feldscher gerade seinen Abfallkübel ausschüttete. Er winkte ihn mit dem Finger herbei, aber der Kutscher zog ein mißtrauisches Gesicht und lehnte kopfschüttelnd ab. Er ahnte, was ihm bevorstand, wenn er dem Profos in die Fänge geriet, und so zog er es vor, lieber heimlich, still und leise zu verschwinden.

„Kutscher aufs Achterdeck!“ brüllte Carberry. „Wenn du nicht gleich antrabst, zieh ich dir die …“

„… Haut in Streifen“, sagte Dan, aber Ed überhörte es, als sei nichts gewesen.

„… Hammelbeine lang!“

Der Kutscher schlich mit mißtrauischem Gesicht über die Kuhl und dann halb geduckt den Niedergang hoch, wo Ed ihn grinsend erwartete und sagte: „Keine Angst, du mickriger Portionenschwenker. Ich werde dich doch nicht schlagen, du brichst doch auf den Yard dreimal durch, wenn ich einmal hinlange.“

Hasard weihte die Männer in seinen Fund ein.

„Bei dieser Karte habe ich etwas Eigenartiges festgestellt. Seht sie euch einmal an, vielleicht findet ihr es heraus. Aber haltet sie gut fest, denn wenn sie über Bord geht, haben wir etwas sehr Wertvolles verloren. Fang an, Ben!“

Ben nahm die Karte, betrachtete sie lange, drehte sie auch um und reichte sie dann an Dan O’Flynn weiter.

„Merkwürdige Linien sind darauf“, sagte er, „aber sonst kann ich nichts feststellen.“

Auch Dan O’Flynn fand es nicht heraus, und schließlich wurde die geheimnisvolle Karte dem Kutscher gereicht.

„Was versteht denn der Kutscher von See- oder Landkarten“, sagte Dan grinsend.

Die Karte ging weiter reihum, als auch der Kutscher nichts Besonderes an ihr entdeckt hatte. Schließlich strömten immer mehr Seewölfe auf dem Achterdeck zusammen und sahen die Karte an. Aber niemand fand das Geheimnis heraus, weder der ehemalige Schmied von Arwenack noch Smoky, Ferris Tukker, Batuti oder Stenmark. Auch der Moses Bill mühte sich vergeblich damit ab.

„Ich habe es auch nur zufällig entdeckt“, sagte Hasard. „Haltet die Karte jetzt einmal gegen das Sonnenlicht.“

Erstaunte Rufe wurden laut, und alle drängten sich um Ben, der fassungslos die geordnete Übersicht auf der Karte erkannte.

„Das ist ja ein Ding!“ sagte er überrascht. „Da ist ja ein Kontinent zu erkennen, oder was soll das darstellen?“

„Auf zwei Seiten Land“, sagte Dan O’Flynn. „Dazwischen scheint es einen riesigen Wassergraben zu geben, ungefähr so wie der Ärmelkanal. Kann aber auch breiter sein, wir kennen ja nicht den Maßstab dieser Karte.“

„Jedenfalls handelt es sich um eine wichtige Seeverbindung“, stellte Hasard fest. „Sonst hätte man das nicht so geheimnisvoll aufgezogen.“

„Diese Linien können auch zu versteckten Schätzen führen“, meinte Big Old Shane bedächtig. „Frühere Piraten können sie angelegt haben, und damit kein anderer sie findet, hat man sich eben dieser geheimnisvollen Methode bedient.“

„Jetzt haben wir also zwei Möglichkeiten. Aber wir haben noch vier andere Karten, und irgendwie hängt das meiner Meinung nach doch alles zusammen“, sagte der Seewolf.

Dann war der Kutscher an der Reihe, und der lächelte und erklärte in aller Gelassenheit: „Ich kenne das von Doc Freemont her. Wenn man Nachrichten austauschen wollte, dann hat man sich dieser Geheimschrift bedient, damit kein anderer es lesen konnte. Dadurch, daß diese Karte schon ziemlich alt ist, wie ich vermute, ist die Geheimschrift jetzt zu einem Teil sichtbar geworden. Sonst sieht man sie nämlich nicht.“

„Das heißt also“, faßte Hasard zusammen, „es gibt eine Möglichkeit, die Geheimschrift sichtbar werden zu lassen.“

„Ja, die gibt es“, behauptete der Kutscher.

„Und du Stint willst uns jetzt vorerzählen, daß du das natürlich kannst!“ rief der Profos dazwischen.

„Ja, das kann ich, Mister Carberry, auch wenn du das nicht glaubst. Diese Karte ist nämlich mit Zitronensaft geschrieben worden, und der verschwindet fast spurlos im Papier.“

Die Seewölfe sahen den Kutscher ungläubig an, und selbst der Seewolf hob fragend die Augenbrauen.

„Mit Zitronensaft?“ fragte Ed gedehnt. „Nicht vielleicht mit Dattelmus oder Pflaumenmarmelade?“

„Leider kann ich über deine reichlich naiven Bemerkungen nicht lachen“, sagte der Kutscher würdevoll. „Aber ich werde das gelegentlich nachholen, falls du dich je ändern solltest.“

„Hört mit der Flachserei auf!“ befahl Hasard. „Laßt den Kutscher reden, der versteht davon mehr als wir alle zusammen. Wie ist das nun, Kutscher, welche Möglichkeiten hast du?“

„Es gibt nur eine Möglichkeit, Sir. Man muß die Karte über eine kleine Flamme halten. Dadurch werden die Linien dunkelbraun und heben sich sehr deutlich von dem Papier ab.“

„Die Karte könnte dabei Feuer fangen“, sagte Hasard.

„Nicht, wenn man es ganz vorsichtig anfängt, Sir. Ich würde mir das zutrauen, und ich verbürge mich dafür, daß der Karte nicht das Geringste passiert. Ich bin auch davon überzeugt, daß sich noch weitaus mehr Positionen auf der Karte befinden, man kann sie nur noch nicht sehen.“

Hasard war von dieser Aussicht begeistert. Anscheinend wurde die Karte immer wertvoller. Und wenn dem Kutscher das gelang, was er behauptete, dann waren sie dem Rätsel ein ganzes Stück näher.

Alle blickten jetzt fast respektvoll auf den Mann ohne Namen, auf den schmalbrüstigen Koch, dessen Kenntnisse sich nicht nur im Kochen und dem Verarzten von Wunden erschöpften, sondern der auch noch davon etwas verstand, was den anderen ein Buch mit sieben Siegeln blieb.

Geheimschrift! Geheimtinte! Das war etwas, dachten die meisten. Der Kutscher war schon fast so etwas wie ein Alchimist oder zumindest ein Adept. Vielleicht konnte er sogar Gold herstellen.

„Das können wir hier an Deck aber nicht tun, Sir“, sagte der Mann, der sich selbst nur der Kutscher nannte. Mittelgroß und dunkelblond, mit blauen Augen, stand er da und ließ die Blicke gelassen über sich ergehen, ein Mann, der mehr war, als er darstellte, der auch distinguierter wirkte als die anderen.

Die Jahre bei Doc Freemont in Plymouth hatten seinen Verstand geschärft, die richtigen Seebeine waren ihm auf der „Isabella“ gewachsen. Ohne den Kutscher war die Crew eigentlich nur die Hälfte wert, dachten sie, und selbst der grobklotzige und rauhbautzige Profos beschloß, ihn nicht mehr zu ärgern – falls sich das vermeiden ließ.

„Dann gehen wir in die Messe“, sagte Hasard. „Aber nicht alle bitte, nur ein paar. Ihr anderen kriegt das Ergebnis später ohnehin zu sehen.“

Der Kutscher holte eine Kerze aus Bienenwachs, die nicht so stark rußte und mit gleichbleibender ruhiger Flamme brannte.

In der Messe, dem Aufenthaltsraum bei kaltem oder schlechtem Wetter, den Ferris Tucker gebaut hatte, wurde die Kerze auf die Back gestellt. Die Karte nahm der Kutscher in die Hand, und dann begann das geheimnisvolle Ritual.

„Tretet mal etwas zurück, damit euer Atem nicht immer die Flamme flakkern läßt“, sagte der Kutscher und war erstaunt, daß die Kerle sofort artig und ohne zu murren gehorchten.

Dann hielt er die Flamme ganz vorsichtig an die Karte, ließ aber gut zwei Handbreiten Abstand zwischen Flamme und Papier.

Die anderen standen neugierig und erwartungsvoll herum.

„Da bin ich aber gespannt“, sagte Ferris Tucker, „ob das nicht nur irgendwelche Possen sind. So richtig bin ich davon noch nicht überzeugt. Man sieht ja noch gar nichts.“

„Wart’s ab!“ riet der Kutscher. „Das muß alles schön langsam und ohne große Aufregung erledigt werden, sonst geht nur noch etwas dabei kaputt. Es dauert noch ein Weilchen.“

Immer wieder schwenkte er das Papier vorsichtig über die Flamme. Dann nahm er die Kerze in die Hand und fuhr vorsichtig an den Rändern entlang.

Nach einer Weile begann auch Hasard an dem Erfolg zu zweifeln, und sein Blick wurde immer skeptischer.

„Da tut sich nichts, aber rein gar nichts“, bemerkte Dan. „Du hast dich vielleicht doch geirrt, Kutscher.“

Der Kutscher gab keine Antwort. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er das Papier, das sich immer noch nicht veränderte.

Neben ihm hatte Big Old Shane die mächtigen Arme auf der Brust verschränkt. Auch in seinem Blick lag Neugier, und er zuckte zusammen, als der Kutscher plötzlich „Aha!“ ausrief.

In den unmöglichsten Positionen standen die meisten da. Dan verrenkte sich fast den Hals und schielte halb unter der Back hervor nach oben. Tucker blickte dem Kutscher über die Schulter, und der Profos Edwin Carberry blickte mißtrauisch mal auf die Kerzenflamme, dann wieder über das Papier.

„Verseng bloß die Karte nicht“, glaubte er bemerken zu müssen. „Wir haben nur die eine!“

Der Blick, den der Kutscher Ed aus blauen Augen zuwarf, ging dem Profos durch und durch. Da lag alle Überlegenheit dieser Welt drin, und dieser Blick drückte zumindest Rübenschwein, Kanalratte und triefäugige Kakerlake aus, wenn Carberry das richtig deutete, und so zog er leicht beschämt das Genick ein, getroffen von der überlegenen Würde, die der Kutscher ausstrahlte.

„Es klappt!“ rief er und drehte die Karte um, damit alle sehen konnten, was passiert war.

Ein bewunderndes Raunen ging durch die Reihe. Hasard beugte sich vor und sah sich die Karte an.

An den Rändern traten die braunen Linien scharf und klar zutage, zur Mitte hin wurden sie erkennbar, waren aber noch nicht deutlich genug zu sehen.

Jetzt ging das Rätselraten los, um welche Küste es sich wohl handeln mochte, und die Meinungen gingen weit auseinander.

Dan O’Flynn, der die Seekarten immer vervollständigt hatte und gut darüber Bescheid wußte, schüttelte den Kopf.

„Wir sind da jedenfalls noch nicht gewesen“, sagte er bestimmt. „Aber wir könnten sie noch einmal mit den spanischen Roteiros vergleichen. Mich irritiert dieser Wasserstreifen, der so aussieht, als beginne er erst weit hinter dem Festland.“

Hasard starrte die Karte an. Immer mehr Linien wurden sichtbar, immer schärfer zeichneten sich die Konturen ab. Seine Lippen wurden schmal, sein Blick immer nachdenklicher, und er konnte es kaum erwarten das Gesamtbild zu sehen.

Das Papier wölbte sich leicht und begann an einigen Stellen gelblich zu werden, und der Kutscher ging mit der Flamme immer behutsamer um, bis er die Kerze wegstellte und die Karte auf der Back ausbreitete.

Ein paar Lidschläge lang brachte keiner einen Ton heraus. Alle starrten gebannt auf die Karte, die ihr Geheimnis jetzt zu einem großen Teil preisgegeben hatte. Die Zeichnungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Es blieb nur noch die Frage offen, um welches Land es sich handelte. Das war allerdings fast unmöglich, es genau zu bezeichnen.

„Hier sind Kanäle eingezeichnet, das ist einwandfrei zu erkennen“, sagte der Seewolf heiser. „Diese Kanäle durchziehen ein unbekanntes Land, und einer von ihnen führt in diesen Wasserstreifen, wie Dan ihn bezeichnet hat. Männer, ich werde das Gefühl nicht los, daß wir vor einer phantastischen Entdeckung stehen.“

Ja, so sah es fast aus, und jetzt strengte sich jeder an, auch das letzte Rätsel noch zu lösen. Doch die Karte gab ihr letztes Geheimnis noch nicht preis, obwohl die Seewölfe danach fieberten.

Hasard spürte deutlich, daß sie etwas außerordentlich Wichtiges entdeckt hatten. Vielleicht einen neuen Seeweg?

Nein, dachte er enttäuscht, als er die Linie immer weiter verfolgte. Sie ging in einen See über, aber aus diesem See wanderte sie wieder heraus und mündete schließlich in diesem geheimnisvollen Gewässer.

„Das scheinen Handelswege zu sein“, sagte er. „Man hat ein paar Flüsse durch Kanäle miteinander verbunden, weitere Kanäle in einen See geleitet, von dem aus es dann wieder weiterging. Diese Karte läßt mir keine Ruhe. Wir müssen unbedingt jemanden finden, der in der Lage ist, diese Schriftzeichen zu enträtseln. Das ist weder Persisch noch Türkisch, das ist etwas anderes. Hasard und Philip haben das auch noch nicht herausgefunden, sie haben lediglich ein paar Wörter erkannt.“

Die Aufregung legte sich keineswegs, und was ihnen am meisten zu raten aufgab, war der Maßstab der Karte. Auch ein paar ganz klein eingezeichnete Figuren blieben ein Rätsel. Niemand wußte, wer oder wen sie darstellten.

„Wenn es sich um einen Teil Ägyptens handelt“, sagte der Seewolf, „dann kriegen wir auch alles heraus, denn wir treffen bestimmt auf Sarazenen, die das wissen. Und eine fürstliche Belohnung wird die Erinnerung ganz schnell wieder auffrischen, davon bin ich überzeugt. Es wird nicht mehr lange dauern.“

Ein letzter langer Blick wurde auf die Karte geworfen, die ihnen allen soviel Kopfzerbrechen bereitete, ehe Hasard sie vorsichtig zusammenrollte.

Er schlug dem Kutscher mit der Hand anerkennend auf die Schulter.

„Du hast den größten Teil dieses Rätsels gelöst“, sagte er. „Ohne dich hätten wir mit der Karte nichts anfangen können.“

„Leider hilft uns das nicht viel weiter“, sagte der Kutscher bedauernd.

„Wir kriegen es heraus, verlaß dich darauf, Kutscher. Den Anfang haben wir, und ich gebe nicht eher Ruhe, bis ich alles weiß. Wir werden uns künftig ganz auf diese Karten konzentrieren, denn da scheint es nicht nur Schätze und seltsame Bauwerke zu geben, da gibt es auch neue Erkenntnisse, die uns helfen werden, unser Weltbild etwas mehr abzurunden. Und darauf bin ich gespannt, denn ich habe da eine ganz bestimmte Vermutung, über die ich jetzt aber noch nicht sprechen möchte, denn sie ist einfach zu phantastisch, und es ist, wie gesagt, leider auch nur eine Vermutung.“

„Vielleicht sollten wir alle vermuten“, meinte Ed. „Wenn du deine Vermutung preisgibst, Sir, dann kriegen wir ein Bild.“

Aber aus dem Seewolf war nichts herauszuholen. Hasard gab sich mit Vermutungen nicht zufrieden. Er würde erst dann reden, wenn er konkretere Ergebnisse hatte.

Danach ging jeder wieder seiner Beschäftigung nach, und Ferris Tukker reparierte die nun schon zweimal angeschlagenen Wasserfässer, denn bald würden sie die Insel erreichen.

Aber die Karte blieb dennoch Gesprächsthema eins an Bord der „Isabella“. Die tollsten Vermutungen wurden von den Seewölfen angestellt, denn jetzt ging das Rätselraten erst richtig los.

Jeder wußte immer mehr als der andere, und doch wußte keiner etwas.

Alles blieb graue Theorie.

Seewölfe Paket 13

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