Читать книгу Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer - Страница 17

4.

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Sie hatten noch nicht einmal Atem geholt, da hing der Seewolf bereits an der Nachbarplanke, zog sich im Klimmzug durch den Spalt hoch in den Stemmstütz, schwang seine Beine hoch und war verschwunden.

Verblüfft starrten die Männer nach oben.

Klatsch!

Da schlug jemand mit der Faust zu. Ein Schnarchton brach abrupt ab. Aber da schnarchten noch mehr.

Klatsch! Noch dreimal kurz hintereinander. Da schnarchte keiner mehr. Dafür erschien das grinsende Gesicht des Seewolfs über dem Plankenspalt.

„Alles klar im Unterdeck“, sagte er. „Vier Dons schlafen jetzt noch fester. Aber wir müssen sie sofort fesseln und knebeln. Ben, ihr könnt euren Horchposten am Schott jetzt verlassen. Helft den anderen, Pete und Gary hochzuhieven. Ferris, bist du noch nicht hier oben?“

„Ich kann nicht“, sagte der Schiffszimmermann erbittert.

„Und wieso nicht?“

„Ich komm nicht durch den verdammten Spalt durch. Meine Schultern ...“

„Ach du lieber Gott!“ Hasard sah sich im Unterdeck um, entdeckte eine Handspake, holte sie und hebelte sie unter die nächste Planke. „Allmählich nehmen wir die ganze ‚Santa Barbara‘ auseinander. Los, hilf mit, du Klotz.“

Mit dieser Planke war es nicht so leicht. Ben Brighton und drei andere Männer waren auf die Säcke gestiegen und wuchteten gemeinsam mit dem Schiffszimmermann und Hasard an der Planke, bis sie krachend nachgab und angelüftet werden konnte. Ferris Tucker schwang sich hoch und landete bei Hasard, der ihm sofort die Spake in die Hand drückte.

„Paß dort beim Türschott auf, Ferris. Falls sich ein Don zeigt, gib ihm was auf die Rübe.“

„Aye, aye“, sagte Ferris Tucker und postierte sich neben dem Schott.

Hasard half den anderen Männern herauf. Smoky und Blakky gingen daran, die vier bewußtlosen Spanier zu fesseln und zu knebeln. Sie hatten auf Hängematten gelegen – an Deck, wie der Seewolf mißbilligend feststellte. Wahrscheinlich waren sie zu faul oder zu müde gewesen, sie zwischen den dafür vorgesehenen Augbolzen aufzuhängen.

Gary Andrews schlief, als sie ihn vorsichtig durch den Spalt bugsierten. Hasard hatte den Eindruck, daß Garys Kopf nicht mehr so heiß war. Er ließ zwei der Hängematten zwischen die Augbolzen spannen und verfrachtete Gary Andrews in die eine.

Pete Ballie wachte kurz auf, als er durch den Spalt gehoben wurde, sagte, heute sei doch ein sehr schöner Tag, und schlief sofort weiter. Sie legten ihn in die andere Hängematte.

„Und ob heute ein schöner Tag ist, mein Junge“, sagte Hasard leise.

Donegal Daniel O’Flynn war bereits dabei, die Backskisten im Unterdeck zu durchschnüffeln. Er förderte zwei Korbflaschen mit Wein zutage sowie den unvermeidlichen Schiffszwieback. Hasard verteilte den Wein, verdünnt mit Wasser aus einem kleinen Fäßchen, das im Unterdeck abgestellt war.

Fast noch wichtiger aber waren ihm die Waffen, die sie bei den vier Spaniern fanden – fünf Dolche, zwei Pistolen, eine Axt und zwei zierliche Stichdegen. Hasard verteilte die Waffen und behielt für sich eine Pistole.

„Stürmen wir jetzt das Achterkastell?“ fragte das Bürschchen begierig. Es fuchtelte mit einem Dolch herum und prüfte mit dem Daumen die Schärfe der Schneide.

Hasard blinzelte ihn an.

„Du bist wohl mächtig wild darauf, wie?“

„Klar“, sagte Donegal Daniel O’Flynn. „Vor allem den Kerl mit dem Knebelbart, der dich so gemein getreten hat, möchte ich ein bißchen mit dem Piekser hier kitzeln.“

„Das ist mein Mann, Dan O’Flynn. Laß von dem ja die Finger weg. Und im übrigen stürmen wir nicht, sondern warten ab.“ Er blickte seine Männer der Reihe nach an. „Ohne Pete und Gary steht das Verhältnis jetzt vierzehn zu sechs. Vier Dons haben wir bereits aus dem Verkehr gezogen. Ich schätze die Rangordnung der Dons wie folgt ein: acht Männer für die Decks- und Segelarbeiten, ein Bootsmann und der Capitan mit dem langen Namen. Der Bootsmann ist vermutlich der Kerl, der bei dem Überfall so bravourös mit der Handspake um sich schlug. Wenn diese Rechnung stimmt, sind die vier Dons hier die wachfreie Crew. Die vier anderen sind an Oberdeck – mit dem Bootsmann und dem Capitan.“ Er blickte das Bürschchen an. „Was passiert bei Wachwechsel, Dan?“

Donegal Daniel O’Flynn bohrte in der Nase und schien sichtlich überfordert.

„Zur Zeit bist du wohl nicht sehr helle, Dan“, sagte Hasard und grinste. Dann wurde er wieder ernst. „Ich möchte euch allen etwas sagen, und ihr könnt darüber denken, wie ihr Wollt. Solange ich euch führe, weigere ich mich, Situationen wie diese hier durch wildes Drauflosschlagen zu lösen. Wir können uns keine Verletzten leisten. Pete und Gary hat’s schon schlimm genug erwischt. Ich möchte euch alle und die ‚Santa Barbara‘ heil nach Plymouth bringen. Damit ihr mich richtig versteht: ich gehe keinem Kampf aus dem Weg, aber ich vermeide ihn, wenn ein anderer Weg zum Ziel führt, und zwar ein Weg, bei dem Vorsicht der bessere Teil der Tapferkeit ist. Und damit bin ich bei dem, was ich eben Dan fragte. Vor dem Wachwechsel wird ein Mann unter Deck geschickt, um die abzulösende Wache zu wecken. Dieser Mann wird dort durch das Schott treten. Ferris wird ihn an seine breite Brust drükken, und damit hätten wir den fünften Don kassiert.“ Hasard lächelte. „Und was passiert dann, Donegal Daniel O’Flynn?“

Jetzt grinste das Bürschchen und biß sich dabei fast die Ohrläppchen ab. „Erst nichts, aber dann taucht der sechste Don auf, um nachzusehen, wo der fünfte bleibt.“

„Richtig“, sagte der Seewolf. „Und dann wird’s spannend, denn wenn auch der sechste Don nicht mehr an Deck zurückkehrt, müssen die restlichen vier ja doch wohl allmählich Verdacht schöpfen. Aber dem möchte ich zuvorkommen. Wenn wir Nummer fünf und sechs kassiert haben, werden Ben und ich deren Klamotten anziehen – bei Nacht sind alle Katzen grau – und aufs Achterdeck steigen. Wenn Ben ein paar spanische Brocken murmelt, sollten wir das ungehindert schaffen. Ich glaube nicht, daß der Capitan so unvernünftig sein wird, gegen zwei vorgehaltene Pistolen anzugehen. Tut er es doch, dann greift ihr ein. Ich werde schon laut genug brüllen. Ferris, du führst dann die Männer. Stürmt nicht in einem Haufen vor, sondern verteilt euch. Ein Mann bleibt bei den Gefangenen zurück. Alles klar?“

Die Männer nickten und grinsten verwegen. Sie wußten, was für ein Draufgänger dieser Seewolf war, aber eben kein blinder Draufgänger, sondern einer, der mit sicherem Instinkt und präzisem Augenmaß zuschlug, und wenn er zuschlug, dann war die Hölle los. Dieser schlanke, breitschultrige große Bursche mit den eisblauen Augen in dem kühnen Gesicht war ein Mann nach ihrem Geschmack. Er wollte nicht mit „Sir“ angeredet werden, obwohl ihm das nach Geburt und Rang zustand. Er pochte auf keine Rechte, er führte mit leichter Hand, er beherrschte das Schiff und die See – und es schien nichts zu geben, das ihn umwerfen konnte. Er war eisenhart. Und da war nicht einer unter den fünfzehn Männern, der seine Führerrolle angezweifelt hätte.

Die zweite Pistole wechselte von Smoky zu Ben Brighton, der sie sofort untersuchte. Auch Hasard überprüfte seine Waffe. Dann warteten sie. Noch immer segelte die „Santa Barbara“ über Backbordbug. Vom Oberdeck her hörten sie das Knarren der Rahen und das Quietschen der Blöcke, über deren Scheiben die Taue liefen, mit denen die Segel bedient wurden.

Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein, da polterten Schritte einen Niedergang hinunter und näherten sich dem Türschott.

„Ferris“, flüsterte Hasard.

Der rothaarige Riese nickte nur und duckte sich lauernd zusammen. Hasard drehte den Docht der Öllampe etwas herunter. Der Don brauchte nicht gleich zu sehen, daß sich im Unterdeck einiges verändert hatte.

Ferris Tucker stand links von der Tür. Sie sprang nach rechts auf. Eine Gestalt erschien in dem Rechteck des Schotts und trat vor.

Geschmeidig glitt der Riese hinter den Spanier, hielt ihm mit der Linken den Mund zu und hämmerte ihm mit der Rechten einen knallharten Hieb an die Schläfe. Der Don seufzte nicht einmal, er sackte in sich zusammen, Ferris Tucker schob die Tür mit dem Fuß zu und trug den Spanier lässig unter dem linken Arm zu den vier anderen.

„Nummer fünf“, sagte er und grinste den Seewolf an. „Der hat bestimmt jetzt schlechte Träume.“

„Wie die anderen“, sagte Hasard. „Gut gemacht, Ferris.“

„Aye, aye, Sir“, sagte der Riese und lächelte glücklich. Er war bestimmt zehn Jahre älter als Hasard, aber er freute sich über das Lob, als sei er zehn Jahre jünger als der Mann aus Cornwall.

„Ben, probier mal, ob dir der Wams von dem Don paßt. Die Hosen laß ihm. Aber die rote Zipfelmütze müßte dir gut stehen. Vergeßt nicht, ihn nach Waffen zu durchsuchen. Ich sehe da schon einen Dolch in seinem Gürtel. Die Dons scheinen alle wild aufs Pieken zu sein.“

Sie zogen dem Spanier den Wams aus, stülpten seine Taschen um, fanden ein Bündel Takelgarn und ein winziges Messer in einer Lederscheide und fesselten ihn. Dann folgte der Knebel, und der Don wurde neben seine Compadres gelegt. Sie lagen sauber ausgerichtet einer neben dem anderen auf der Backbordseite des Unterdecks. Und alle fünf schliefen sehr sehr tief.

Ben Brighton kostümierte sich indessen. Als er sich die rote Zipfelmütze über die dunkelblonden Haare stülpte, begannen die Männer zu kollern und zu glucksen.

Ben Brighton, ein ruhiger und ausgeglichener Mann, blickte sich wütend um.

„Was grinst ihr denn so dämlich, ihr Affenärsche. Habt ihr noch nie ’n Don gesehen?“

Smoky, der breite ruppige Kerl, brachte einen Kratzfuß zustande, vollführte eine weitausholende Armbewegung und sagte geziert: „Habe die Ehre, Don Brighton, Euer Gnaden sehen entzückend aus, direkt zum Anknabbern.“

„Idiot“, sagte Ben Bringhton.

Worauf die Männer noch mehr glucksten.

Und der Bootsmann sah ziemlich beleidigt aus. Er blickte Hasard hilfesuchend an.

Hasard lächelte nur und sagte: „Ben, denk daran, was Dan O’Flynn unten im Frachtraum verkündet hat: Was kümmert den Adler das Gekrächze der Krähen. Paß mal auf, wie ich aussehe, wenn ich den sechsten Don spiele. In den nächsten zehn Minuten müßte er eigentlich aufkreuzen, wenn meine Rechnung stimmt.“

Er kreuzte auf, lärmend und mit einer ziemlichen Ladung Wut im Bauch. Kein Wunder, wer abgelöst werden soll, schachert mit jeder Minute, die ihm vom ersehnten Schlaf abgezwackt wird. Der Don verhielt sich nicht anders als alle Seeleute und Wachgänger dieser Welt. Und wer in den Stunden der Nacht Wache gegangen war, eine Wache, in der der Schlafteufel mit konstanter Bosheit das Wachsein untergraben hatte, der war doppelt erpicht auf das süße Vergessen.

Der Don näherte sich mit der Geschwindigkeit und dem Getöse einer Rakete. Er schoß durch das Schott, ohne daß Ferris Tucker die Chance erhielt, ihn an die breite Brust zu drücken.

Dafür landete er genau vor dem Seewolf, der breitbeinig vor ihm aufragte.

Es war der Knebelbart!

Hasard holte die Faust von tief unten rechts hoch.

„Du Scheißkerl!“ sagte er und rammte dem Don einen Amboß unter das Kinn, in dem mehr als nur die Wucht von drei Fußtritten saß.

Der Knebelbart stieg senkrecht hoch, knallte mit dem Kopf ans Oberdeck, das ihn zurückstieß, und erhielt von Hasard im Zusammensacken noch zusätzlich einen Hammer auf die Schädelplatte.

Sang- und klanglos kippte er nach vorn aufs Gesicht und rührte sich nicht mehr.

Hasard beugte sich über ihn, zerrte ihm das Cape von den Schultern und setzte die Zipfelmütze auf, die auch dieser Spanier getragen hatte. Das Cape schwang er sich über die Schultern.

„Na?“ sagte er.

„Don Killigrew“, sagte das Bürschchen, „der König von Spanien.“ Dann erschrak Donegal Daniel O’Flynn. „Du hast keinen Knebelhart, Hasard. Verdammt, wo kriegen wir einen Knebelbart her?“

„Geht auch ohne“, sagte der Seewolf. „Ich mag sowieso keine Fusseln im Gesicht.“ Er blickte auf den Spanier hinunter. „Verschnürt ihn besonders gut, und mit dem Knebel braucht ihr auch nicht zu sparen. Dieser Don hat sich nicht wie ein Kavalier benommen. Und bitte – nicht vergessen, ihn zu durchsuchen. Ben, bist du bereit?“

„Aye, aye, Sir.“

„Ferris, jetzt übernimmst du hier das Kommando. Dan, du folgst uns bis zu dem Schott, das auf die Kuhl führt. Dort bleibst du stehen und paßt auf, wie bei uns die Sache läuft. Wenn etwas schiefgeht, alarmierst du Ferris, klar?“

„Klar“, erwiderte das Bürschchen.

Hasard blickte seine Männer an. „Wie sagte der Kapitän, wenn die ‚Marygold‘ ins Gefecht ging? Er sagte: ‚Tut eure Pflicht. Gott möge euch behüten.‘ Das gilt immer noch.“

Der Kutscher reckte die schmale Brust heraus.

„Wir werden unsere Pflicht tun, Sir.“

Hasard schaute ihn fast verdutzt an. Das wuchs sich ja zu einem richtigen Theater aus, einem Heldengesang. Fast bestürzt wurde er sich bewußt, daß er dieses Theater heraufbeschworen hatte, mit den Worten Kapitän Drakes. Und die Männer hatten eherne Gesichter. Nur ihre Augen verrieten, daß sie jetzt sogar bereit waren, die Hölle mit einem Kochlöffel kurz und klein zu schlagen.

Nur ein paar Worte, dachte Hasard, und schon sind sie bereit, dir zu folgen und sich auf etwas zu stürzen, das Tod bedeuten kann.

Er drehte sich jäh um, ein fast wütender Mann, der plötzlich erkannt hatte, daß er Macht besaß, Macht über Männer, die ihm blindlings folgten.

Im Umdrehen streifte sein Blick das Gesicht Donegal Daniel O’Flynns, der ihn hingerissen anstarrte.

„Daß du dich unterstehst, uns aufs Achterdeck zu folgen“, fuhr er ihn an, „du – du Läuseknacker!“

„Aye, aye, Sir.“

Warum sagten diese Idioten plötzlich alle „Sir“?

Seewölfe Paket 1

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