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9.

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Klettern können die Burschen, dachte Hasard, die reinsten Äffen.

Er stand auf dem Achterdeck der „Barcelona“ und beobachtete, wie Ferris Tucker und Smoky mit den Schwarzen in den Wanten und auf den Rahen herumturnten. Die schwarzen Söhne Afrikas wurden in der Handhabung der Segel unterwiesen.

Immerhin war das Ben Brightons Vorschlag gewesen. Hasard wandte den Kopf und blickte über die glitzernde See. Steuerbord achteraus segelte die „Santa Barbara“. Auch dort wurden die Neger mit praktischer Seemannschaft beschäftigt.

Den Kerkules Batuti hatte Hasard bei sich an Bord. Die Sache mit der schönen Nuva war zwar aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Hasard seufzte und riskierte einen Blick zum Vorschiff. Dort saßen die siebzehn Schönheiten und schnatterten wie eine Affenherde. Sie schienen sich herrlich zu amüsieren, kicherten, zeigten mehr von ihrer nackten Schönheit, als in England erlaubt war, wo man sich bis oben hin zuschnürte, und ließen sich den Wind um die Nase wehen.

Nuva kämmte ihr Haar mit einem hölzernen Kamm. Sie saß aufrecht im Schneidersitz seitlich zu Hasards Blickrichtung, und das Profil ihres Körpers war atemberaubend. Der Blick, den sie Hasard plötzlich über die linke Schulter zuwarf, war fast wie ein Dolchstoß.

Hasard wandte sich abrupt um und stiefelte zur Heckgalerie, von dort zur Backbordseite, hinüber auf die Steuerbordseite, wieder zurück zum Heck.

Er hatte sechzehn Neger an Bord und die siebzehn Töchter Afrikas. Auch auf der „Santa Barbara“ befanden sich sechzehn Neger.

Gut, sie würden die Azoren anlaufen und dort die Schwarzen an Land setzen. Dann mußte Ferris Tucker darangehen, einen neuen Fockmast für die „Santa Barbara“ herzurichten.

Und wo sollte er mit den gefangenen Spaniern hin?

In dem dumpfen Loch des Frachtraums der „Barcelona“ hockten sechsunddreißig Dons. Juan Descola, dieser schwarze Hundesohn, hatte sechs Stunden gebraucht, um den Frachtraum leerzupumpen. In diesen sechs Stunden war er mehrere Tode gestorben, denn Matt Davies hatte ihm keine Sekunde Ruhe gegönnt. Als der Capitan den Frachtraum leergelenzt hatte, war er an der Pumpe zusammengebrochen, und sie hatten ihn zu der Ladeluke tragen müssen.

Hasard hatte nicht das geringste Mitleid mit ihm. Außerdem war der Frachtraum jetzt geradezu ein paradiesischer Aufenthalt im Gegensatz zu früher. Die Dons selbst hatten ihn reinigen müssen. So penetrant wie zuvor roch es nicht mehr. Zweimal am Tag durften die Dons zu zweit an Oberdeck und gewissermaßen aufs Töpfchen.

Das „Töpfchen“ war eine Segeltuchpütz, eine Sensation für die Schwarzen, die denn auch mit der Naivität von Kindern den wütenden Dons interessiert zuschauten, wenn’s soweit war.

Hasard stieg hinunter in die Kapitänskammer, in der er mehrere Seekarten gefunden hatte. Dieser Capitan Descola mochte ein elender Menschenschinder und Sklavenhändler sein, aber als Navigator und Seemann war er beste Klasse. Auf der einen Karte mit der Westküste Afrikas und Spaniens hatte er den letzten Schiffsort eingetragen – dort auf diesem Punkt, wo die „Santa Barbara“ mit dem „Leck“ beigedreht und um Hilfe gebeten hatte.

Hasards Finger fuhr in nordwestlicher Richtung zu den Azoren. Er beugte sich über die Karte. Ja, er würde die westlichste Insel – Flores – ansteuern. Über ihr, etwa acht Meilen entfernt, lag die winzige Insel Corvo. Auf ihr würde er zuerst die Spanier absetzen. Mochten sie bleiben, wo der Pfeffer wächst. Die Inseln waren portugiesischer Besitz, aber Kapitän Drake hatte Hasard vor den Azoren gewarnt und gesagt, er habe den Eindruck, daß die Dons scharf auf die Inseln seien. Jedenfalls wurden sie von den aus Westindien zurücksegelnden Schiffen gern angesteuert, um Proviant und Frischwasser zu ergänzen.

Wenn er die Spanier auf Corvo aussetzte, würde sich schon irgendeine Gelegenheit für sie ergeben, von einem zum Mutterland zurücksegelnden Schiff mitgenommen zu werden. Das sollte seine geringste Sorge sein.

Hatte er sie abgesetzt, würde er Flores anlaufen.

Der Schiffsort von Capitan Descola hatte fast haargenau mit Hasards übereingestimmt. In der Nacht waren sie dann vom Wind in nordöstliche Richtung versetzt worden, nachdem sie beigedreht hatten. Das bedeutete eine Verschiebung vom letzten Schiffsort bis zu dem Punkt, von dem sie dann am Morgen losgesegelt waren. Aber diese Verschiebung war nach Hasards Schätzung nicht allzu groß. Wenn er Kurs, Zeit und Distanz zu den Azoren richtig berechnet hatte, sollten sie morgen um die Mittagszeit gesichtet werden – vorausgesetzt, Windstärke und Windrichtung blieben konstant. Wenn sie in einer Flaute hängenblieben, waren sowieso sämtliche Berechnungen zum Teufel.

Hasard ließ stündlich loggen, um die eigene Schiffsgeschwindigkeit festzustellen. Sie ermöglichte es ihm, die zurückgelegte Distanz zu berechnen und mit dem Kurs auf die Seekarte einzutragen. Dabei ging ihm Donegal Daniel O’Flynn zur Hand, der vor Wißbegierde zappelte und sich alles hundertmal erklären ließ.

Hasard merkte rasch, daß das Bürschchen durchaus die Anlagen hatte, einmal ein guter Pilot zu werden.

Hasard ging wieder zurück aufs Achterdeck, kontrollierte automatisch den Stand der Segel, den Kompaßkurs, nickte dem Rudergänger – es war Blacky – zu und rief den Schiffszimmermann zu sich.

Ferris Tucker turnte die Großwanten hinunter und stieg aufs Achterdeck.

„Sag mal“, fragte Hasard, „wie lange Zeit brauchst du, um für die ‚Santa Barbara‘ einen neuen Fockmast zu bauen?“

Ferris Tucker kratzte sich hinter dem Ohr und überlegte, „Wenn ich auf Anhieb einen guten Stamm finde, etwa zwei bis drei Tage. Er muß gefällt und abgeschält werden – eine alte Fockrah hab ich übrigens im Vorschiff entdeckt, die Vormarsrah krieg ich auch hin – na ja, dann muß ich das Ding insgesamt neu aufriggen, da vergeht schon allerlei Zeit.“ Er grinste. „Hast du’s so eilig?“

„Kapitän Drake warnte mich vor den Azoren – wegen der Dons, die sich dort herumtreiben. Wieweit die Portugiesen ihnen gefällig sind, kann ich nicht beurteilen. Da kann es immer einen geben, der neugierig wird, feststellt, daß wir gar keine Spanier sind und nichts Eiligeres zu tun hat, als den Dons unsere Anwesenheit zu melden.“

Ferris Tucker nickte. „Verstehe. Aber Flores liegt ziemlich weit westlich der anderen Azoreninseln, da kreuzt so schnell kein Don auf.“

„Eben, darum laufen wir sie ja auch an. Nur müssen wir davon ausgehen, daß jeder weitere Tag, den wir dort herumliegen, die Gefahr einer Entdeckung vergrößert.“

„Ich werde mich beeilen“, sagte Ferris Tucker. „Und wie willst du das Problem der Spanier und Neger lösen? Wenn wir die zusammen auf Flores an Land setzen, gibt’s Mord und Totschlag. Die Schwarzen würden am liebsten schon jetzt den Dons den Hals umdrehen. Und weißt du, warum? Dieser verdammte Descola hat sich alle paar Nächte irgendeine der siebzehn schwarzen Täubchen in die Kammer geholt – nicht zum Plauderstündchen, verstehst du? O nein, er hat sie vernascht. Unser Herkules hat mir da einiges erzählt, da kann’s einem glattweg schlecht werden.“

Hasard preßte die Lippen zusammen. Dann sagte er: „Ich setze zuerst die Spanier aus – auf Corvo. Ich habe mir das eben auf der Karte angeschaut. Die Insel liegt nördlich von Flores, knapp acht Meilen von ihr entfernt. Dann segeln wir zurück nach Flores, und dort werden die Neger gelandet. Was soll ich sonst tun? Ich bin kein Kindermädchen. Schau sie dir an, Ferris. Alles junge, kräftige Burschen. Die sollten doch in der Lage sein, sich zu wehren und für ihre Freiheit zu kämpfen. Wir werden ihnen Waffen und Werkzeuge zurücklassen. Alles andere sollen sie dann selbst in die Hand nehmen.“

„Ja, du hast recht. Eine bessere Lösung gibt es nicht.“

„Doch“, sagte Hasard, „aber es wäre nicht die bessere Lösung für uns. Wir könnten die Fracht der ‚Santa Barbara‘ auf die ‚Barcelona‘ umladen und den Negern die „Santa Barbara‘ zur Verfügung stellen. Mit der könnten sie nach Afrika zurücksegeln.“

Ferris Tucker grinste. „Die Affen wissen doch noch nicht einmal, wo hinten und vorn bei einem Schiff ist.“

„Dann lernen sie es“, sagte Hasard. „Aber es ist eben nicht die bessere Lösung für uns, denn ich will beide Galeonen nach England bringen. Und für diese Galeone hier haben wir Kopf und Kragen riskiert. England braucht jedes Schiff. Das ist es.“

„Genau. Soll ich weiter mit den Affen exerzieren?“

„Ja, je mehr sie lernen, um so besser. Und wer weiß, was uns noch blüht, bis wir die Azoren erreichen.“

Hasard nahm seinen Marsch auf dem Achterdeck wieder auf, und Ferris Tucker widmete sich den „Affen“. Batuti mußte dolmetschen. Wie die Segel gesetzt und wieder geborgen wurden, hatten seine Schüler inzwischen verstanden. Jetzt brachte er ihnen bei, wie sie bedient wurden und bei den verschiedenen Windrichtungen stehen mußten. Zwischendurch fluchte Ferris Tucker, und die Flüche übersetzte Batuti getreulich mit. Sie hatten viel Spaß.

Am Nachmittag standen sie abwechselnd am Ruder und steuerten Zickzackkurse oder Kringel, bis auch daraus ein geraderes Kielwasser wurde. Als Ferris Tucker mit ihnen die gebräuchlichsten Knoten üben wollte, stellte sich heraus, daß sie die schon kannten. Natürlich hieß bei ihnen der Webleinenstek nicht Webleinenstek, sondern irgend etwas Unaussprechliches. Aber Ferris Tucker begriff, daß die „Affen“ auch Menschen waren – logisch, wer seemännische Knoten beherrschte, konnte kein Affe sein.

Batuti erklärte ihm, wozu sie die verschiedenen Knoten brauchten – zum Bau ihrer Hütten, beim Zusammenbinden von Flößen, für die Sehnenbespannung ihrer Kampfbögen, für die Herstellung von Tierfallen und Fischfangnetzen. Ferris Tucker geriet ganz schön ins Staunen. Und als ihm Batuti nur mit einem Messer, aber sehr flinken und geschickten Fingern vorführte, mit welcher Geschwindigkeit und Exaktheit er aus einem Vierkantholz einen etwa fingerdicken Pfeil zu schnitzen vermochte, da stand Ferris Tucker ganz schön dumm da.

Und Hasard meinte, ob er, Ferris, immer noch der Ansicht sei, daß die Affen vorn und hinten bei einem Schiff nicht zu unterscheiden wüßten.

Ferris Tucker schwenkte restlos um.

„Das ist eine ganz gerissene Bande, ist das, ich hab’s ja gleich gesagt.“

„So, so“, sagte Hasard. „Hattest du sie nicht auf eine Stufe mit Affen gestellt?“

„Ach verdammt, hab ich das?“ Ferris Tucker brummelte etwas Undeutliches vor sich hin.

„Wie bitte?“ fragte Hasard sehr höflich.

„Ich sagte, sie seien dennoch schwarz.“ Ferris Tuckers Gesichtsfarbe war so rot wie sein Haar.

„Und wir sind weiß“, sagte Hasard, „und haben Kopf und Arme und Leib und Füße genau wie sie. Und dann schau dir mal ihre Zähne an.“

„Perlen“, sagte Ferris Tucker begeistert.

„Eben“, sagte Hasard und fuhr in seiner liebenswürdigen Art, gemischt mit einer gehörigen Portion Sarkasmus, fort: „Unsere Pferdehändler in Falmouth pflegten beim Ankauf von Pferden zuerst die Zähne zu untersuchen. Und je besser das Pferdegebiß war, um so höher war der Preis des Verkäufers. Merkst du was, Ferris?“

Ferris Tucker schnaufte. „Aber du sprichst doch von Pferden.“

„Du hattest von Affen gesprochen“, sagte Hasard ziemlich brutal. „Aber du meintest Menschen. Und ich bin überzeugt, daß dieser Descola seine menschliche Ware nach der Methode der Pferdehändler ausgesucht hat. Haben wir uns jetzt verstanden?“

„Aye, aye, Sir“, sagte Ferris Tucker erschüttert.

Batuti, der diesem Dialog mit wachsendem Interesse gefolgt war, grinste über das ganze Gesicht und zeigte seine „Perlen“.

„Verdammich“, sagte er – das hatte er von Ferris Tucker gelernt –, „du sehr gut, Ssör. Du sogar zu gut für Nuva. Aber da ist noch Wobia ...“ Sein Blick suchte Wobia, die dort beim Vorschiff sein mußte.

Hasard und Ferris Tucker wechselten einen schnellen Blick – der Seewolf ziemlich hilflos, Ferris Tucker mit einem Zwinkern des rechten Auges.

„Da!“ sagte Batuti und zeigte auf eine samthäutige Antilope, die auf einer Stufe des Niedergangs zur Back saß und verträumt über das Schanzkleid hinweg auf die See starrte. Sie blickte nach Osten, wo weit hinter der Kimm Afrika sein mochte.

Und genau zu diesem Zeitpunkt hatte Matt Davies die Frachtluke geöffnet und eine Jakobsleiter hinuntergelassen, um den beiden ersten Dons routinemäßig ihren zweiten „Ausgang“ zu gewähren.

Aus der Ladeluke tauchte der Kopf von Juan Descola auf.

Batuti gab so etwas Ähnliches wie ein Knurren von sich.

Wobia, die samthäutige Antilope, starrte weiter verträumt nach Osten. Sie saß nur drei Schritte entfernt vom Süllrand der Ladeluke.

Hasards Gesicht versteinerte. Er sah zu, wie der kleine Capitan an Deck stieg und von Matt Davies die Segeltuchpütz in Empfang nahm. Er schlenkerte sie an dem Stropp, der den Henkel bildete und schaute sich auf dem Deck um – dem Deck, über das er bisher befohlen hatte.

Es geschah in Bruchteilen von Sekunden.

Die Segeltuchpütz flog Matt Davies ins Gesicht, ein riesiger Satz, und dann war Juan Descola über Wobia, riß sie vom Niedergang und wälzte sich über sie.

Wobia schrie gellend auf.

Matt Davies wischte die Segeltuchpütz beiseite, duckte sich und nahm die Rechte mit dem furchtbaren Haken zurück.

Ein Schatten huschte an ihm vorbei – der Seewolf.

Mit einem wilden Sprung erreichte er den Capitan, der mit zuckendem Körper über der sich windenden Negerin lag. Er packte in die Hemdkrause, riß das Männchen hoch, stellte es vor sich hin und ließ die Hemdkrause los.

Dann trat Hasard einen Schritt zurück und sagte, ohne den Capitan aus den Augen zu lassen: „Zieh die Jakobsleiter hoch, Matt.“

„Aye, aye, Sir“, sagte Matt Davies fast erschrocken und griff augenblicklich zu.

Capitan de Pordenone, der gerade an Deck steigen wollte, kippte mit einem Aufschrei wieder zurück. Er krachte mit dumpfen Poltern auf die Planken des Frachtraums.

Das Männchen stand zusammengekrümmt vor Hasard, Speichel in den Mundwinkeln, Haß in den Augen – Haß und Gier und Wahnsinn –, die Finger beider Hände wie Krallen gespreizt. Ein stoßweises Keuchen drang durch seine messerscharfen Lippen. Schweiß glitzerte auf der knochigen, fahlgelben Stirn.

„Jetzt mach ich Picadillo aus dir“, sagte Hasard und spuckte in die Hände.

Picadillo-Hackfleisch!

Das Männchen zuckte zusammen, als es das Wörtchen „Picadillo“ hörte.

Wobia flüchtete aufs Vordeck. Wer sich auf der Kuhl befunden hatte, verschwand, einige auf die Back, andere aufs Achterkastell, Matt Davies und Donegal Daniel O’Flynn in die Wanten.

Mit einem Riesensatz rettete sich das Männchen hinter die Frachtluke. Zwischen ihm und Hasard gähnte jetzt ein Quadrat von drei mal drei Yards.

Hasard lächelte verächtlich.

Das Männchen griff hinter sich zur Nagelbank des Großmastes und riß einen Belegnagel heraus.

Hasard wartete, locker und dabei etwas angeduckt. Ohne auch nur einmal mit den Wimpern zu zucken, blickte er das Männchen unbewegt an – Sekunden, Minuten. Descola wurde unruhig, wich dem Blick dieser eisblauen Augen aus, wandte den Kopf hin und her, sah in die kalten Gesichter der Engländer und die haßglühenden Augen der Neger. Sein Adamsapfel bewegte sich in der Kehle. Er wirkte wie eine in die Enge getriebene Ratte.

Aufreizend langsam löste der Seewolf seinen Lederriemen und zog ihn aus den Schlaufen. Er nahm ihn in die Rechte und ließ ihn hin und her pendeln. Unverwandt starrte er das Männchen an.

Dem Capitan gingen die Nerven durch. Mit einem Aufschrei schleuderte er den Belegnagel auf Hasard, der etwas zur Seite wich. Das eisenharte Holz flog an seinem Kopf vorbei, prallte auf das straffgespannte Fockfall, ein Ton wie von einer riesigen Baßsaite klang auf, das Holz wurde abgefedert und wirbelte über das Schanzkleid in die See.

„Jetzt spielt er auch noch mit unseren Belegnägeln herum“, sagte Ferris Tucker erbittert.

Hasard glitt um die Frachtluke herum.

Das Männchen blickte gehetzt nach links und rechts, flitzte über die Kuhl, griff in die Backbordwanten des Großmastes und kletterte hoch.

Nun stand über ihm Matt Davies auf den quergespannten Webleinen. Er trat mit dem Stiefel zu und sagte: „Dort unten ist die Arena, du Torero!“

Brüllend krachte Juan Descola auf die Planken zurück, sprang aber sofort wieder auf. Da war der Seewolf heran. Sein erster Schlag mit dem Lederriemen zerfetzte die lächerliche Halskrause, beim nächsten wickelte sich der Riemen um den dürren Hals Descolas und hinterließ einen blutigen Striemen. Gnadenlos fielen die weiteren Schläge und peitschenartigen Hiebe, bis die Kleidung in Fetzen hing.

Er trieb den brüllenden Mann kreuz und quer über die Kuhl, und wenn Juan Descola jemals einen Stolz besessen haben sollte, so wurde er jetzt erbarmungslos gebrochen – vor den Augen der Schwarzen, die zusahen, wie ein weißer Mann von einem anderen weißen Mann ausgepeitscht wurde.

Er hatte die Neger erniedrigt, jetzt geschah ihm das gleiche. Er winselte und heulte und schrie, er hüpfte mit grotesken Sprüngen über die Kuhl – ein böser, widerwärtiger Kobold, der voller Gift und Brutalität und Gemeinheit war. Jetzt verabfolgte ihm der Seewolf eine Lektion, die er wohl nie wieder vergessen würde. Freilich war zu bezweifeln, ob dieser Mann sich je ändern würde.

Wimmernd hockte sich Juan Descola hin und hielt die Arme schützend über den Kopf.

Hasard warf Ferris Tucker den Lederriemen zu, riß den Capitan hoch und schmetterte ihm abwechselnd Rückhandschläge und Maulschellen um die Ohren. Blitzschnell und knallhart fielen die klatschenden Schläge, und der Kopf des Capitans flog nach links, nach rechts, nach links, nach rechts wie bei einer Marionette, deren Kopf von zwei Schnüren hin und hergezogen wird.

Juan Descola schrie hysterisch und in schrillem Diskant.

Angewidert ließ Hasard ihn los, drehte ihn um und trat ihm in den Hintern.

Kopfüber schoß der Capitan in die Ladeluke und landete krachend unten auf den Frachtraumplanken.

„Hoffentlich hat er sich das Genick gebrochen“, sagte Ferris Tucker grimmig und warf Hasard den Gürtel zu.

Hasard fing ihn auf und schnallte ihn wieder um. Dann trat er an den Süllrand und schaute nach unten.

„Capitan de Pordenone?“

„Si?“

Der braungebrannte Capitan mit der Adlernase und dem frechen Bärtchen auf der Oberlippe trat unter die Luke und blickte hoch.

„Hören Sie mir gut zu, Senor Capitan“, sagte Hasard. „Ihr Freund Descola – Sie nannten ihn jedenfalls Ihren Freund – ist ein Vieh. Vielleicht haben Sie es eben noch mitgekriegt. Er wollte über eine der Negerinnen herfallen, und ich habe ihm dafür eine Tracht Prügel verabreicht. Lassen Sie es sich von seinen Leuten erzählen, was er den Schwarzen noch alles angetan hat. Anders als er gewährte ich Ihnen die Vergünstigung, zweimal am Tag hier oben frische Luft schnappen zu können. Das ist jetzt vorbei. Beschweren Sie sich bei Ihrem Freund Descola. Ich habe etwas dagegen, Gefangene so zu behandeln, wie es bei Descola üblich zu sein scheint. Aber sein Verhalten zwingt mich dazu. Das ist keine Entschuldigung, sondern eine Feststellung. Das wär’s, Senor Capitan.“

„Was haben Sie mit uns vor?“

„Ich werde Sie irgendwo an Land setzen, mein Freund – bis dahin wird der Frachtraum Ihre ständige Behausung sein, genauso wie er es für die Neger war, mit Ausnahme jener Negerinnen, die sich dieses Vieh nachts in die Kammer zu holen pflegte.“ Er wandte sich ab. „Matt, verschließ die Ladeluke.“

„Aye, aye.“

Polternd schloß sich die Luke über dem Frachtraum. Von unten drang wütendes Stimmengemurmel herauf.

Ferris Tucker lauschte und sagte: „Wenn mich nicht alles täuscht, kriegt dieser Giftzwerg jetzt seine zweite Abreibung.“

„Das hatte ich gehofft“, erwiderte Hasard trocken.

Seewölfe Paket 1

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