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6.

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Drei Tage war es nun schon her, seit sie mit der „Isabella“ den Ring der spanischen Kriegsgaleonen durchbrochen hatten und aus dem Hafen von Cadiz geflohen waren.

Sie hätten es wohl nicht geschafft, wenn ihnen der Wettergott nicht gnädig gewesen wäre. Der steife Südost hatte ihnen die Spanier vom Halse geschafft, die ihnen sicher gefolgt waren.

Kap da Roca lag hinter ihnen. Als Batuti Land gesichtet hatte, war Hasard auf Nordwestkurs gegangen, um die Berlenga-Inseln anzusteuern, wo er endlich die gefangenen Spanier absetzen würde, die eine beständige Gefahr für seine kleine Mannschaft bildeten.

Der Seewolf hatte darauf geachtet, daß die Gefangenen von seinen Männern anständig behandelt wurden und genügend zu essen und trinken erhielten, denn nichts war gefährlicher als eine Meute verzweifelter Gefangener, die ihre einzige Rettung in einem Aufstand sahen. Die Spanier wußten, daß sie nicht mit nach England geschleppt, sondern auf den Berlengas ausgesetzt werden sollten. Hasard hoffte, daß sie seine Großmut anerkennen und sich dementsprechend verhalten würden.

Ein Problem bereitete Hasard noch Sorgen. Sie hatten nur noch ein kleines Beiboot an Deck, das sie wahrscheinlich den Spaniern überlassen mußten. Jetzt fehlte ihnen das Dinghi, das sie nicht mehr hatten an Bord holen können, weil sie von den beiden Galeeren angegriffen worden waren.

Es widerstrebte Hasard, sich der letzten Rettungsmöglichkeit zu entledigen. Aber er wußte nur zu gut, daß ihnen das Boot auch nichts mehr nutzte, wenn die Spanier sich endlich ihres Stolzes und Mutes besannen und einen Ausfall wagten.

Hasard blickte zum Großmars hoch. Batuti hockte dort. Er hatte sich mit einem Tampen gesichert. Hasard hatte sich entschlossen, ab jetzt immer einen Mann im Mars zu lassen, denn vor der portugiesischen Küste herrschte ein reger Schiffsverkehr.

An Deck waren nur Smoky und ein anderer Mann zu sehen, die sich an Steuerbord herumlümmelten. Hasard hätte sie ebenfalls unter Deck schicken können, um den anderen Männern beim Herstellen von Kartuschen zu helfen, denn der steife Wind blies mit einer fast schon unglaublichen Gleichmäßigkeit, so daß die Segel nur selten getrimmt werden mußten.

Doch Hasard ging auf Nummer Sicher. Zu oft schon hatte er in seinen jungen Jahren erleben müssen, wie schnell ein Wind umschlagen konnte.

Er dachte mit einem zufriedenen Grinsen an das Probeschießen vom Morgen. Viel besser waren selbst die Leute des alten Killigrew nicht aufeinander eingespielt – und die hatte der rothaarige Satan monatelang mit der Peitsche gedrillt.

Am Nachmittag hatte er sich dann mit Ferris Tucker die vier Drehbassen vorgenommen, von denen zwei auf der Back und zwei weitere auf dem Achterdeck standen, Hasard liebte die kleinen Dinger, die gehacktes Eisen verschossen, nicht sonderlich, aber sie waren im Nahkampf unentbehrlich.

Die Spanier hatten sich um ihre Kanonen in den letzten Wochen nicht viel gekümmert. Die Sicherheit des Flottenverbandes, in dessen Schutz sie über den Atlantik gesegelt waren, hatte sie sorglos werden lassen. Ferris Tucker und der Kutscher, der ihm zur Hand ging, brauchten eine ganze Weile, um die Drehbassen wieder auf Vordermann zu bringen.

Hasard haßte nichts mehr als Schlamperei. Ein Schiff mußte auf jede nur erdenkliche Situation vorbereitet sein. Hasard wollte sich niemals so überrumpeln und sein Schiff stehlen lassen, wie es Capitan Romero Valdez mit der „Isabella“ geschehen war.

„Land voraus!“

Der mächtige Baß des Gambia-Negers aus dem Mars riß den Seewolf aus seinen Gedanken. Hasard ging nach Steuerbord hinüber und schaute nach vorn, doch die Blinde nahm ihm die Sicht.

„Heda!“ brüllte er Smoky zu, der zum Mars hochblickte, wo Batuti aufgeregt mit den Armen herumfuchtelte. „Hol den Bootsmann an Deck!“

Der breitschultrige Mann hob die rechte Hand, zum Zeichen, daß er Hasard verstanden hatte, und ging langsam auf den Niedergang zu, der unter Deck zu den Pulverkammern führte.

Hasards scharfe Stimme peitschte übers Deck.

„Ein bißchen schneller, Smoky, verstanden?“

Hasard sah, wie Smoky zusammenzuckte. Der vierschrötige Mann blickte erschrocken zum Quarterdeck hoch, und dann hastete er vorwärts, daß er beinahe über die Kante der Decksgräting gestolpert wäre.

Hasard war wütend. Was bildete sich der Kerl eigentlich ein? Der Mann mußte wissen, daß ein Befehl so schnell wie möglich ausgeführt werden mußte. Diese Nachlässigkeit hätte er sich auf der „Marygold“ von Francis Drake nicht erlauben dürfen.

Die Hände des Seewolfs zitterten. Er mußte sich zusammenreißen, um nicht loszubrüllen und den Mann am Ankerspill festbinden und auspeitschen zu lassen.

Ben Brighton erschien an Deck und stieg sofort die Stufen zum Quarterdeck hoch. Sein Blick war fragend auf Hasard gerichtet. Wahrscheinlich sah er, daß Hasard sich bemühte, nicht die Fassung zu verlieren.

Hasard wies auf Smoky, der mit knallrotem Kopf neben dem Niedergang stehengeblieben war.

„Jag Smoky in den Mars, Ben“, sagte er kalt. „Und laß ihn nicht eher wieder herunter, bis ich den ausdrücklichen Befehl dazu gebe!“

„Aye, aye“, sagte der Bootsmann. Er schien zu wissen, daß es unklug war, jetzt eine Frage zu stellen.

„Smoky, in den Großmars!“ brüllte er. „Du löst Batuti ab!“

Der Mann reagierte diesmal, als seien ein paar Freibeuter mit dem Entermesser hinter ihm her. Er enterte die Wanten, bevor Hasard zweimal durchgeatmet hatte. Er half Batuti, den Tampen zu lösen, mit dem sich der Schwarze gesichert hatte, und übernahm dann seinen Platz. Batuti schwang sich in die Wanten und hangelte sich innenbords an den Webeleinen hinunter an Deck, wo er grinsend auf weitere Befehle wartete.

„Batuti hat Land gesichtet“, sagte Hasard zu Ben Brighton. Der Seewolf hatte sich wieder gefangen. Seine Wut war verraucht, aber er würde diesen Zwischenfall nicht vergessen. Das Verhalten des früheren Decksältesten hatte ihm zu denken gegeben. Er hatte geglaubt, mit einer Mannschaft auf einer kameradschaftlichen Basis zusammenarbeiten zu können, aber er hatte nicht in Betracht gezogen, daß es immer wieder Männer gab, die Anständigkeit mit Gutmütigkeit und Schwäche verwechselten.

Hasard wußte, daß er nicht alle über einen Kamm scheren durfte, aber Smoky hatte ihm mit seinem Verhalten bewiesen, daß es besser war, wenn man der Mannschaft immer und immer wieder klarmachte, wer der Kapitän war. Er würde es dem Decksältesten einbleuen, daß er an nichts anderes mehr denken konnte. Hier an Bord war Hasard der Herrgott, dessen Wort oberstes Gesetz war!

Ben Brighton war zur Steuerbordreling hinübergegangen und betrachtete den schmalen schwarzen Streifen über der Kimm.

„Die Berlengas“, sagte er. „Ich hätte nicht geglaubt, daß wir sie heute noch bei Tageslicht erreichen.“

„Bereite die Spanier darauf vor, daß sie noch vor Einbruch der Dunkelheit an Land gesetzt werden“, sagte Hasard. „Die Mannschaft soll sich vollzählig versammeln. Die Männer werden mit Musketen und Pistolen bewaffnet. Erklär den Spaniern, daß meine Männer den Befehl haben, bei der geringsten verdächtigen Bewegung zu schießen. Es liegt ganz an ihnen, ob sie das Land heil erreichen.“

„Wir sollten die Insel westwärts umsegeln“, sagte Ben Brighton. „Bei Legerwall können wir nicht nah genug heran, und die Spanier werden uns Schwierigkeiten bereiten, wenn wir sie zu weit draußen absetzen. Schließlich finden nur ein paar von ihnen in dem Boot Platz. Die anderen müssen sich außenbords an Tampen festhalten.“

„Wir verlieren Zeit, wenn wir vom Kurs abgehen“, sagte Hasard nachdenklich.

„Wie lautet dein Befehl?“ fragte Ben Brighton mit unbeweglichem Gesicht.

Der Seewolf wollte schon wieder wütend werden. Er preßte die Lippen aufeinander und schluckte eine harte Antwort hinunter.

„Ich sehe Mastspitzen! Steuerbord achteraus!“ brüllte Smoky aus dem Großmars.

Hasard und Ben Brighton drehten sich erschrocken um. Hasard nahm seinen Kieker ans Auge, aber er konnte nichts entdecken.

„Es werden immer mehr!“ brüllte Smoky. „Die ganze Kimm sieht wie genagelt aus!“

„Dreh auf West, Ben!“ Hasard stieß die Worte zwischen zusammengepreßten Zähnen hervor. Er beobachtete das Gesicht des Bootsmanns, und er nahm sich vor, Brighton das geringste Grinsen heimzuzahlen. Doch Ben Brighton hatte sich voll in der Gewalt.

Er brüllte seine Befehle übers Deck.

Die Männer warfen die Brassen los. Die Rahen schwenkten herum, und wenig später segelte die Galeone mit Backbordhalsen auf westlichem Kurs.

Hasard hatte die Mastspitzen jetzt im Blickfeld des Kiekers. Sie wurden zusehends kleiner und verschwanden dann hinter der Kimm. Er hoffte, daß sie von den anderen Schiffen nicht entdeckt worden waren.

Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als Ben Brightons Vorschlag auszuführen und die Insel, auf der sie die Spanier aussetzen wollten, westwärts zu umsegeln.

Hasard wußte, daß Brighton sich zwischen den Berlengas auskannte. Francis Drake hatte das Inselgebiet schon mehr als einmal benutzt, um sich vor einer spanischen Übermacht in Sicherheit zu bringen.

Nach einer halben Stunde hatten sie die Südspitze der kahlen Insel erreicht. Ben Brighton brachte die Galeone wieder auf Nordkurs. Er befahl Smoky, die Küste genau abzusuchen. Er wollte die Spanier möglichst in einer kleinen Bucht an Land setzen, in der die Brandung nicht so stark war.

Die Insel war ziemlich lang. Die Vegetation war spärlich. Der rauhe Wind, der fast stetig blies, hatte einen Großteil des felsigen Bodens kahl gefegt.

Hasard beneidete die Spanier nicht um ihren unfreiwilligen Aufenthalt, den sie auf dieser Insel vor sich hatten. Aber er war überzeugt davon, daß sie nicht allzu lange hier ausharren mußten. Die Seestraßen zwischen den Berlengas und der portugiesischen Küste waren stark befahren, und wenn die ausgesetzten Spanier ein Feuer anzündeten, würde es nicht lange dauern, bis ein Schiff auftauchte.

Nach einer weiteren Stunde konnten sie bereits das Ende der Insel erkennen. Ben Brighton dachte schon, daß ihm nichts weiter übrigbleiben würde, die Spanier an der scharfgratigen Felsenküste auszusetzen, als Smoky aus dem Mars brüllte: „Hinter dem langen Felsen, der ins Meer ragt, ist eine kleine Bucht mit einem schmalen Sandstrand!“

Ben Brighton und Hasard gerieten in Bewegung.

„Laß zuerst Proviant und Wasser in das Boot laden“, sagte Hasard zu Brighton. „Wir lassen die Männer erst raus, wenn wir das Boot abgefiert haben.“

Ben Brighton nickte. Er gab die Befehle an Blacky, Batuti und Dan O’Flynn weiter. Blacky meckerte lauthals, daß den stinkenden Spaniern auch noch guter Fraß nachgeworfen werde. Aber er achtete darauf, daß seine Worte nicht bis aufs Quarterdeck zu hören waren.

Hasard holte den Capitan aus der Offizierskammer.

Romero Valdez war blaß. Seine Wangen waren eingefallen. Seine Augen glänzten seltsam, und Hasard vermutete, daß er Fieber hatte. Er trug jedoch den Kopf aufrecht und sagte kein Wort. Die Lippen hatte er zu einem schmalen Strich zusammengepreßt.

Draußen auf dem Quarterdeck rief Hasard Ben Brighton zu sich.

„Sag ihm, daß er an Bord bleiben kann. Er ist krank. Ich verspreche ihm, daß er England sofort nach seiner Genesung als freier Mann verlassen kann.“

Ben Brighton übersetzte Hasards Worte.

Romero Valdez blickte den Seewolf mit seinen dunklen, glänzenden Augen an.

„Gracias, senor“, sagte er mit heiserer Stimme, „aber mein Platz ist bei meinen Männern.“

Hasard zuckte mit den Schultern. Er wußte, daß es keinen Zweck hatte, den Spanier umzustimmen, und er versuchte es deshalb gar nicht erst. Er befahl, das Boot mit dem Proviant und der Wassertonne an Steuerbord abzufieren, und wartete, bis der flache Rumpf aufs Wasser klatschte.

Ben Brighton hatte Blacky und Batuti dazu ausersehen, die Gefangenen in Gruppen aus dem Lagerraum zu lassen und an Deck zu bringen. Die anderen Männer bildeten eine Gasse bis zur Stelle an Steuerbord, wo das Boot abgefiert worden war. Sie hielten alle Musketen in den Händen. Ein paar von ihnen hatten außerdem Pistolen im Hosenbund stecken.

Ben Brighton und Hasard waren mit dem Capitan aufs Hauptdeck hinuntergestiegen. Hasard hielt in der rechten Hand den Degen, den er Valdez abgenommen hatte.

Sie brachten den Capitan an Steuerbord, wo ihn die Leute sofort sehen konnten, wenn sie das Deck betraten.

Brighton erklärte dem Capitan noch einmal eindringlich, daß es besser für sie sei, keinen Widerstand zu leisten. Die Männer hatten Befehl, sofort zu schießen.

Valdez nickte nur. Sein Körper zitterte. Ein Schüttelfrost hatte ihn gepackt.

Hasard gab Ferris Tucker, der am Niedergang stand, ein Zeichen. Der Schiffszimmermann beugte sich hinunter und rief Blacky und Batuti etwas zu. Sie hörten dumpfes Stimmengemurmel.

Es dauerte eine Weile, bis der erste Spanier seinen Kopf an Deck streckte. Er schaute sich mit angstgeweiteten Augen erst einmal um, ehe er ganz erschien. Sein Blick war auf Capitan Valdez gerichtet.

Valdez nickte kurz, und der Spanier marschierte durch die Gasse der waffenstarrenden Engländer auf das Steuerbordschanzkleid zu, über dem eine Jakobsleiter hing. Er schwang sich hinüber und kletterte ins Boot hinunter, das auf den Wellen schaukelte und ab und zu gegen den Rumpf der Galeone stieß.

Die nächsten Spanier folgten.

Hasard wunderte sich, daß sie ihr Schiff ohne jeden Widerstand verließen, aber vielleicht hatten ihnen die geladenen Musketen genug Angst eingejagt, um einen geplanten Angriff sofort wieder zu vergessen.

Hasard hörte die laute Stimme Batutis aus dem Lagerraum. Er hoffte, daß der Schwarze sich an seinen Befehl, die Spanier nicht zu reizen, hielt. Er konnte die Wut Batutis auf die Spanier gut verstehen, denn schließlich hatten sie ihn als Sklaven aus seiner Heimat verschleppt. Doch wenn Batuti sich jetzt nicht beherrschte, konnte es eine Katastrophe geben.

Er flüsterte Ben Brighton zu, daß er zwei Männer an die Drehbassen auf der Back beordern solle. Der Bootsmann nickte und schickte Dan O’Flynn und den Kutscher auf die Back. Die beiden begannen sofort damit, die Drehbassen zu laden und auf den Niedergang zu richten.

Plötzlich ertönte ein wildes Geschrei aus dem Lagerraum. Hasard vernahm ein lautes Klatschen, dann folgte ein Röcheln, und Blacky brüllte: „Ihr verdammten Hunde!“

Blacky hatte bei den ersten zwanzig Spaniern darauf geachtet, daß immer genügend Abstand zwischen ihnen war, als sie aus dem Laderaum kletterten. Als alles reibungslos verlief, wurde er nachlässig. Er beobachtete grinsend den schwarzen Batuti, der jedem Spanier einen Tritt in den Hintern verpaßte, bevor er die Stiege des Niedergangs hinaufkletterte.

Blacky lachte dröhnend, als einer der Spanier dabei ausrutschte und mit dem Gesicht auf die unterste Stufe des Niedergangs krachte. Er trat auf den Spanier zu, der sich gerade wieder aufrappelte und Blut spuckte, packte ihn am Kragen und am Hosenboden und beförderte ihn mit einem wilden Schwung hinauf an Deck.

Im selben Moment spürte Blacky einen dumpfen Schmerz im Nacken. Er drehte sich um und sah einen Spanier, der zum zweitenmal ausholte, um ihm die Faust in den Nacken zu schlagen. Ein anderer warf sich zur Seite und versuchte, Batuti von den Beinen zu reißen.

„Ihr verdammten Hunde!“ brüllte Blacky.

Seine Faust wirbelte durch die Luft. Er traf den Spanier, der sich zurückwerfen wollte, an die Stirn und schleuderte ihn zu Boden. Wie die Ameisen krochen die Spanier plötzlich aus dem Laderaum.

Blacky schrie und griff sie mit beiden Fäusten an. Er schaffte es, ein paar von ihnen zurückzuwerfen, aber es wurden immer mehr.

Drei Spanier hingen Batuti am Hals. Der Gambia-Neger schlug wild um sich und konnte sich befreien, doch er schaffte es nicht, die Spanier ganz auszuschalten.

Am Niedergang erschien plötzlich ein Gesicht. Batuti erkannte Ferris Tukker, der eine Pistole in der rechten Hand hielt. Die Waffe brüllte auf und hüllte die Stiege in Pulverdampf.

Die Kugel klatschte dicht neben einem Spanier in die Planken des Zwischendecks.

Plötzlich war es still. Es war, als hielten die Gefangenen, die sich noch im Laderaum befanden, vor Schreck den Atem an. Blacky glaubte schon, der Schuß hätte die Spanier eingeschüchtert, doch plötzlich ertönte ein Schrei aus fast zwanzig Kehlen.

Die Spanier schienen zu glauben, daß sie zusammengeschossen werden sollten. Sie warfen sich mit Todesverachtung auf die beiden bärenstarken Männer, die sich auf dem Zwischendeck aufhielten. Batuti und Blacky hatten alle Hände voll zu tun, um nicht zu Boden geschlagen zu Werden.

Batuti kämpfte wie ein Berserker. Er blutete aus der Nase, aber er schien es nicht zu bemerken. Er schnappte zwei Spanier und ließ ihre Köpfe zusammenkrachen, so daß sie bewußtlos niederstürzten, Blacky verteidigte die große Luke des Laderaums geschickt mit den Füßen. Eine ganze Zeit konnte er so verhindern, daß noch mehr Spanier aufs Zwischendeck kletterten.

Er bemerkte ebenso wenig wie Batuti, daß sich der Niedergang verdunkelte und ihnen drei Männer zu Hilfe eilten.

Ben Brighton erreichte als erster das Zwischendeck. Hinter ihm erschien der kleine, stämmige Pete Ballie, der Fäuste wie Ankerklüsen hatte.

Ben Brighton schrie ein paar Worte auf Spanisch, doch er konnte sich erst verständlich machen, nachdem er seine Pistole abgefeuert hatte.

Er erklärte den Spaniern, wie gering ihre Chancen seien. Wenn sie auch nur den Kopf aus dem Niedergang steckten, würden die Drehbassen auf der Back ihr heißes Eisen ausspukken und sie in Fetzen schießen.

„Eure anderen Leute sitzen schon im Boot!“ schrie Ben Brighton. „Sie können euch nicht mehr helfen. Wenn ihr den Widerstand nicht aufgebt, werden wir absegeln und euch mit nach England nehmen!“

Der Widerstand der Spanier brach zusammen wie ein Feuer, das keine Nahrung mehr fand. Ben Brighton schickte die Spanier, die auf dem Zwischendeck mit Blacky und Batuti gekämpft hatten, nach oben. Dann erst befahl er den anderen im Laderaum, einzeln das Zwischendeck zu betreten. Mit grimmigen Blicken musterte er Batuti und Blacky, die schuldbewußt ihre Köpfe senkten. Der Schwarze wischte sich mit dem Ärmel seiner Segeltuchjacke das Blut aus dem Gesicht und murmelte etwas in einer Sprache, die Ben Brighton nicht verstand.

Blacky hustete, als der Pulverdampf seine Schleimhäute reizte. Er wäre gern dieser stickigen Luft entronnen, aber er wagte es nicht, Ben Brighton zu fragen, ob er an Deck gehen könne.

Pete Ballie grinste. Der kleine, stämmige Mann hätte gern an diesem Spaß teilgehabt, aber leider hatte der Bootsmann die Situation ohne einen Kampf bereinigen können.

Dann kletterten die letzten drei Spanier nach oben an Deck. Ben Brighton schickte Batuti, Blacky und Pete Ballie hinter ihnen her. Er selbst verließ als letzter das Zwischendeck. Er sah gerade noch, wie der letzte Spanier sich über das Schanzkleid schwang und sich an der Jakobsleiter hinunter ins Wasser ließ.

Das kleine Boot hatte bereits abgelegt. Etwa zwanzig Mann hatten darin Platz gefunden. Vom Heck hingen einige Taue außenbords, an denen sich die restlichen Spanier festhalten mußten. Die Bootsgasten begannen zu pullen. Nur mühsam konnten sie das schwerbeladene Boot mit der daranhängenden Menschentraube in Richtung Bucht in Bewegung setzen.

Hasard begann aufzuatmen, als sich das Boot von der Galeone entfernte. Er war froh, die Bedrohung; die die gefangenen Spanier gebildet hatten, endlich los zu sein.

Als das Boot die Bucht ohne Zwischenfall erreicht hatte, gab Hasard den Befehl, die Segel wieder zu setzen. Ben Brighton jagte die Männer in die Masten.

Blacky und Batuti taten sich mit ihrem Eifer besonders hervor. Sie waren froh, daß der Zwischenfall am Niedergang kein Nachspiel nach sich gezogen hatte.

Die „Isabella“ ließ die lange Insel hinter sich. Smoky, der immer noch im Großmars saß, meldete, daß von den Mastspitzen nichts mehr zu sehen sei.

Hasard zog sich in die Kapitänskammer zurück, nachdem er Ferris Tucker den Auftrag erteilt hatte, das Schiff noch einmal von oben bis unten durchsuchen zu lassen, ob sich nicht noch ein Spanier an Bord befand, den sie übersehen hatten. Er wollte es nicht noch einmal erleben, daß seine Männer überwältigt wurden, nur weil er zu nachlässig gewesen war.

Hasard holte die schweinslederne Kassette unter der Matratze seiner Koje hervor und drehte sie in den Händen. Er konnte es immer noch kaum fassen, welches Glück er gehabt hatte. Jeder vernünftige Mensch hätte darauf verzichtet, den spanischen Kapitän, der sich mit einer Nußschale hinaus aufs rauhe Meer gewagt hatte, zu verfolgen. Er hatte es dem Gesicht Ben Brightons angesehen, daß er seine, Hasards Entscheidung, zu halsen und den Capitan zu verfolgen, für die Tat eines Wahnsinnigen hielt. Aber sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen.

Jetzt hielt er den größten Schatz in Händen, den je ein englischer Seemann den Spaniern entrissen hatte.

Hasard holte die Karten aus der Kassette und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Fast zärtlich fuhren seine Finger über die Küstenlinien einem ihm unbekannten Landes, das so viele Schätze barg, daß Spaniens Schiffe pausenlos unterwegs waren, um sie über das große Wasser in die Heimat zu bringen.

Hasard prägte sich die Karten und die spanischen Namen, die ihm noch nichts sagten, ein. Er hatte noch Zeit genug, bis sie Plymouth erreichten. Bis dahin würden diese Seekarten unauslöschlich in seinem Gehirn eingeprägt sein, so daß er sie jederzeit würde nachzeichnen können.

Seewölfe Paket 1

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