Читать книгу Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer - Страница 29
4.
ОглавлениеBen Brighton hatte genau richtig reagiert. Als er den Musketenschuß oben in den Felsen vernommen hatte, wollte er im ersten Moment wirklich Hasard mit ein paar Männern zur Hilfe eilen.
Doch dann hatte der Kutscher, der als Ankerwache auf der „Santa Barbara“ eingeteilt war, die spanische Kriegsgaleone gesichtet.
Ben Brighton hatte sofort den Gambia-Negern befohlen, sich mit Musketen zu bewaffnen und den Felsabhang zu beobachten, ob die Soldaten von Land aus einen zweiten Angriff wagten.
Er selbst hatte alle Männer, die Ferris Tucker im Augenblick entbehren konnte, auf die beiden Galeonen befohlen, den Anker hochholen lassen und die Schiffe dicht neben der schmalen Buchtenge in den Schutz der ins Meer hinauslaufenden Felsvorsprünge manövriert. Er hatte Smoky auf den Großmast der „Barcelona“ gejagt, um festzustellen, ob er die Mastspitzen der Kriegsgaleone sehen könne. Doch zum Glück waren die Lavafelsen hoch genug, um die seitliche Bucht vor dem Blick vom Meer aus zu schützen.
Hasard hatte sich zur „Santa Barbara“ hinausrudern lassen. Er sprach kurz mit Ben Brighton.
Der Bootsmann war kühl. Hasard konnte ihm keinerlei Erregung anmerken. Als Hasard ihn nach seiner Meinung fragte, sagte er: „Völlig aussichtslos. Das einzige, was uns bleibt, ist zu kämpfen, bis sie uns alle getötet haben, oder aber die Waffen zu strecken.“
Hasard blickte den erfahrenen Bootsmann skeptisch an. Er hatte von Ben Brighton mehr erwartet. So leicht durfte ein englischer Seemann nicht aufgeben.
„Morgen früh werden sie ihre Seesoldaten an Land setzen“, sagte Ben Brighton. „Dann werden sie uns von zwei Seiten angreifen. Gegen die Geschütze der Kriegsgaleone nimmt sich unsere Bewaffnung aus wie ein Zahnstocher gegen ein Entermesser. Wenn du meine Meinung hören willst, Hasard, morgen bei Sonnenaufgang hat unser letztes Stündlein geschlagen.“
Hasard machte eine wilde Handbewegung.
„Unsinn, Ben“, sagte er hart. „Morgen früh sind alle drei Schiffe auf See, und auch die Galeone da draußen wird uns nicht am Auslaufen hindern!“
Damit drehte er sich um und gab den Männern an Bord den Befehl, die beiden Galeonen nach Einbruch der Dunkelheit wieder an ihre alten Plätze zu bringen, damit sie die Karacke vom Strand ziehen konnten, wenn Ferris Tucker seine Arbeit beendet hatte.
Dann wandte er sich wieder Ben Brighton zu.
„Ich vermute, daß die Spanier im Schutz der Dunkelheit versuchen, ein Boot mit Soldaten in die Bucht einzuschleusen. Nimm dir zehn von Batutis Männern und schaff eine der Kanonen nach vorn aufs Kap, wo du die Buchtenge gut überblicken kannst. Nimm ein paar Kartätschen mit und halte voll drauf, wenn du ein spanisches Boot siehst oder hörst.“
„Was haben wir damit gewonnen?“ fragte Ben Brighton brummig.
Der Bootsmann spürte, warum Hasard ihm diesen Auftrag gab und ihn nicht bei den Schiffen ließ. Er fluchte im stillen auf diese jungen Kerle, die immer mit dem Kopf durch die Wand wollten, und wenn sie auch aus yarddicken Quadern bestand.
„Ich werde in der Nacht mit ein paar Männern zur Kriegsgaleone hinausrudern und versuchen, die Spanier mit ein paar Fässern Pulver manövrierunfähig zu sprengen“, sagte Hasard. „Wenn es uns gelingt, werden wir im Schutz der Dunkelheit aus der Bucht entfliehen.“
Ben Brighton nickte. Dann drehte er sich abrupt um und verließ das Schiff. Als er an Land ruderte, schlich sich ein Grinsen in sein Gesicht. Dieser verdammte Killigrew! Er war schon ein verwegener Bursche. Und es schien so, als wache er erst richtig auf, wenn die Lage aussichtslos war.
Ben Brighton dachte wieder einmal, daß Hasard seinen Kriegsnamen Seewolf wirklich verdient hatte.
Die Dunkelheit senkte sich innerhalb von Minuten wie ein schwarzes Tuch über die Bucht. Die Schatten der dunklen Lavafelsen verschwammen ineinander, und die Gambia-Neger mußten sich auf ihr Gehör verlassen, wenn sie die Spanier rechtzeitig bemerken wollten, die sicher in dieser Nacht versuchen würden, die Feinde ins Meer zu jagen.
Ben Brighton hatte sich Bogo und zehn weitere Schwarze ausgesucht. Keuchend und schwitzend wuchteten sie das Fünfpfündergeschütz auf den Felsvorsprung, von dem aus sie die schmale Buchteinfahrt beobachten konnten. Das Licht einzelner Sterne, die zwischen den Wolken hervorschauten, reichte nicht aus, Einzelheiten auf der Kriegsgaleone zu erkennen. Ben Brighton war sich darüber im klaren, daß sie es nicht einmal bemerken würden, wenn die Spanier ein Boot zu Wasser ließen. Wenn er Glück hatte, würden die Riemenschläge die Spanier verraten.
Der Bootsmann blickte zurück in die Bucht. Hinter dem dunklen Schatten der Karacke sah er den rötlichen Schein des Feuers, das auf dem Floß brannte, und dessen Licht die Arbeitsstätte von Ferris Tucker beleuchtete.
Ein Schuß durchbrach die Stille, die trotz der emsigen Geschäftigkeit über der Bucht lag. Bei der Karacke schrie ein Mann auf. Ben Brighton hatte den kleinen Mündungsblitz oben auf den Lavafelsen gesehen. Er winkte Bogo zu sich heran und bedeutete ihm durch Zeichen, mit ein paar Männern zurückzulaufen und den heimtückischen Schützen auszuschalten.
Er behielt drei Männer zurück. Sie mußten genügen, den Fünfpfünder zu bedienen. Gedämpfte Stimmen drangen an Ben Brightons Ohr. Er sah, wie sich die Männer bei der Karacke in den Schutz der Dunkelheit flüchteten. Der Bootsmann fluchte leise. Wenn es den Spaniern auf dem Plateau gelang, die Männer an der Arbeit zu hindern, fiel der Plan des Seewolfs ins Wasser. Oder aber sie mußten die Karacke in der Bucht zurücklassen und die Schwarzen mit an Bord der beiden Galeonen nehmen.
Eine halbe Stunde rührte sich unten am Strand nichts. Das Feuer auf dem Floß brannte langsam herunter. Dann hatten die Männer Bogos die Stelle erreicht, an dem sich die Spanier verborgen hatten. Ben Brighton hörte den Kampflärm. Er sah Schatten durch den zuckenden Feuerschein laufen, und dann schienen die Schwarzen die Spanier in die Flucht geschlagen zu haben.
Ben Brighton grinste, als der rötliche Schein hinter der Karacke wieder intensiver wurde. Ferris Tucker verlor keine Zeit.
Einer der Gambia-Neger packte den Bootsmann am Arm. Er stieß einen leisen Laut aus und deutete aufs Wasser.
Ben Brighton lauschte, und dann hörte er es auch. Die Spanier ruderten sehr vorsichtig, aber es war fast unmöglich, jedes Geräusch zu vermeiden, wenn die Riemen ins Wasser getaucht wurden.
Ben Brighton wartete, bis das Boot auf der Höhe seiner Kanone war. Er brauchte nur die Höhe geringfügig zu verändern. Schnell hielt er die Lunte, die er unter seiner Segeltuchjacke verborgen hatte, ans Zündloch, und mit einem ohrenbetäubenden Krachen spuckte die Kanone die Kartätsche aus, die von der Wucht der Treibladung auseinandergefetzt wurde.
Da das Geschütz keinen Halt hatte, wäre es fast von dem Felsvorsprung heruntergestürzt. Das schmale Felsband, gegen das die Kanone beim Rückstoß geprallt war, knirschte verdächtig.
Ben Brighton war in Pulverdampf gehüllt. Während er daranging, den Fünfpfünder neu zu laden, befahl er den drei Schwarzen, das Geschütz wieder an den alten Platz zu bugsieren. Erst als er eine neue Kartätsche in den Lauf gestopft hatte, drehte er sich um und besah sich die Wirkung, die die erste Ladung seiner Kanone gehabt hatte.
Er hörte das Schreien und Jammern von verwundeten Männern, das immer deutlicher wurde, je mehr das taube Gefühl vom Donnern des Geschützes in Ben Brightons Ohr nachließ. Der Bootsmann strengte seine Augen an, und dann sah er das zweite Boot.
Die Spanier waren damit beschäftigt, die Verwundeten aus dem ersten Boot, das Ben Brighton nirgends entdecken konnte, aufzulesen. Einer der Spanier hatte eine Fackel entzündet, um die Männer im dunklen Wasser besser sehen zu können.
Ben Brighton richtete die Kanone auf diese Fackel, aber er zögerte noch. Wenn er auch dieses Boot zerschoß, würde den Spaniern nichts weiter übrigbleiben, als an Land zu schwimmen. Und dort konnten sie den Engländern gefährlich werden. Vielleicht aber ruderte das zweite Boot zur Kriegsgaleone zurück, wenn es die Spanier aus dem ersten Boot aufgelesen hatte.
Der Bootsmann wußte nicht, wie viele Spanier von seiner Ladung Eisen verwundet oder getötet worden waren, aber eines war sicher: Die Spanier hatten gemerkt, daß sie es mit einem zu allem entschlossenen Gegner zu tun hatten. Ben Brighton hoffte, daß die Spanier kein weiteres Risiko eingingen und lieber auf den neuen Tag warteten, in dessen Licht sie die Engländer mit ihren Kanonen in Stücke schießen konnten.
Der Kanonenschuß hatte die Männer am Strand wieder aufgescheucht. Sicher hatte Hasard ein Boot bemannt, das den Spaniern entgegenfahren sollte.
Ben Brighton grinste, als er sah, wie das Boot der Spanier gewendet und zur Galeone zurückgepullt wurde. Die Fackel verlöschte. Nichts als schwarze Dunkelheit umgab den Lavafelsen, auf dem der Bootsmann mit seinem Fünfpfünder stand.
Diese Dunkelheit wurde jäh von einem weißen Blitz zerrissen. Ben hatte Sekunden vorher einen Lichtpunkt vom Meer her aufleuchten gesehen, aber daß die Spanier eine ihrer Kanonen abgefeuert hatten, merkte er erst, als die Kugel etwa dreißig Yards von ihm entfernt einschlug und ihn und die drei Schwarzen mit einem Hagel aus Lavasplittern überschüttete.
Die drei Männer hatten sich auf den Boden geworfen und die Arme über dem Kopf verschränkt. Sie erwarteten einen weiteren Schuß, aber nichts geschah. Erst nach Minuten wagte Ben Brighton, den Kopf wieder zu heben. Vorsichtig kroch er eine schräge Felsplatte hinauf, bis er übers Meer blickten konnte. Er sah jetzt nicht einmal mehr den Schatten der Kriegsgaleone, aber daß sie noch vor der Bucht lag, das war so sicher, wie Lissys Vater ein alter Hurenbock gewesen war.
Hasard hatte die Spanier verflucht, als er den toten Neger sah, der in seinem Blut langgestreckt auf dem Floß lag. Er hatte die Männer sofort angerufen und ihnen befohlen, in Deckung zu gehen. Ferris Tucker hatte sich den toten Neger geschnappt und hatte ihn an den Strand gelegt. Drei Mädchen liefen herbei und kümmerten sich schluchzend um den Mann, dem nicht mehr zu helfen war.
Hasard rief Batuti zu sich und sprach eine Weile mit ihm. Dann holte sich der riesige Gambia-Neger ein paar Männer und machte sich auf den Weg. Er sollte das Plateau erklimmen und die spanischen Soldaten auf der anderen Seite der Insel ins Meer jagen, damit Ferris Tucker seine Arbeit an der Karakke endlich vollenden konnte.
Die Außenplanken waren bereits befestigt. Sie brauchten jetzt nur noch kalfatert zu werden.
Die Männer warteten gespannt, ob es Batuti gelingen würde, die Spanier aus ihren Felslöchern aufzustöbern. Fast eine halbe Stunde dauerte es, dann rief Batuti vom Rand des Plateaus zum Strand hinunter, daß alles in Ordnung sei.
Ferris Tucker war im nächsten Moment wieder auf dem Floß. Smoky, Blakky und Pete Ballie waren ihm gefolgt. Zu viert hämmerten sie das Werg in die Ritzen zwischen den Planken. Als sie fast damit fertig waren, begann Ferris Tukker die Ritzen mit Pech auszufüllen. Auf dem Floß kochte inzwischen Teer, mit dem die reparierte Stelle noch überstrichen werden sollte.
Blacky, Smoky und Pete Ballie dachten nicht mehr an die schwarzen Schönen, die ihnen in dieser Nacht hatten gehören sollen. Sie wußten, um was es ging. Wenn es ihnen nicht gelang, den Spaniern ein Schnippchen zu schlagen, fanden sie sich nach ein paar Wochen auf einer der stinkenden spanischen Galeeren wieder, oder aber die Spanier schossen ihnen ein Loch in den Kopf, was immer noch besser war als das erste.
Als sie auch die letzte Ritze mit Werg verstopft hatten, jagte Ferris Tucker sie vom Floß. Sie sollten sich bei Hasard melden. Den Rest würde er selbst in einer halben Stunde erledigt haben.
In diesem Augenblick hörten sie den Kanonenschuß, der von der Kriegsgaleone abgefeuert worden war. Hasard, der mit Dan O’Flynn das Boot belud, mit dem sie zu den Spaniern hinausrudern wollten, zuckte regelrecht zusammen. Er preßte die Lippen zusammen, als er sah, wie die Kugel dicht an der Stelle, an der Ben Brighton seine Kanone aufgebaut hatte, einschlug.
„Ben“, murmelte Dan O’Flynn. „Ob es ihn erwischt hat?“
Hasard drehte sich abrupt herum.
„Steh hier nicht rum!“ schnauzte er den Jungen an. „Sorg dafür, daß die Pulverfässer richtig verstaut werden. Ich will noch mit Ferris sprechen, wie weit er ist, dann brechen wir auf.“
Dan O’Flynn starrte den Seewolf aus weit aufgerissenen Augen an. Berührte es ihn so wenig, daß Ben Brighton da oben auf den Felsen vielleicht von einer Kugel zerrissen worden war? Dan hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. Er beeilte sich, die Schwarzen anzuweisen, wo sie die Pulverfässer verstauen sollten, denn er wußte, daß Hasard fuchsteufelswild werden konnte, wenn seine Befehle nicht umgehend ausgeführt wurden.
Smoky, Blacky und Pete Ballie kamen Hasard bereits entgegen und berichteten, daß Ferris Tucker noch eine halbe Stunde brauche, die Karacke wieder seetüchtig zu machen.
Hasard erteilte Pete Ballie den Befehl, zusammen mit Ferris Tucker die Karacke ins Wasser zu bringen.
„Nehmt euch so viele von Batutis Leuten, wie ihr finden könnt“, sagte er. „Hast du Matt Davies gesehen?“
Pete Ballie schüttelte den Kopf.
„Sag am Strand Bescheid, daß er sich sofort bei mir melden soll“, sagte Hasard. „Wenn wir das Boot beladen haben, fahren wir los.“
„Aye, aye“, sagte Pete Ballie und lief davon.
Hasard ging zum Boot zurück. Smoky und Blacky folgten ihm. Hasard hatte ihnen nicht gesagt, daß sie für das Höllenkommando ausersehen waren, aber für die beiden bestand kein Zweifel daran. Wer sonst als sie kam für so etwas in Frage?
Dan O’Flynn stand neben dem abfahrbereiten Boot. Er hatte die Riemen bereits ausgelegt. Die Schwarzen, die beim Beladen des Bootes geholfen hatten, standen abwartend da. Hasard schickte sie zu Ferris Tucker hinüber.
„Los, ins Boot!“ sagte Hasard zu Blacky und Smoky.
Blacky warf einen skeptischen Blick auf Dan O’Flynn und sagte zu Hasard gewandt: „Soll der Knirps etwa auch mit?“
Dan O’Flynn atmete scharf ein.
„Sag noch einmal Knirps, du hirnloser Affe, dann werde ich ...“
„Schluß!“ sagte Hasard scharf. „Ihr könnt euch streiten, wenn wir zurück in England sind, oder wenn die Fische an euch knabbern, aber nicht jetzt!“
„Verdammt will ich sein, wenn ich mir so etwas von diesem stinkigen Bilgewassersäufer sagen lasse!“ zischte Dan O’Flynn zitternd vor Wut.
„Dan!“ Hasards Stimme klang wie der Knall einer Peitsche. Das Bürschchen zuckte regelrecht zusammen. Er preßte die Lippen aufeinander, watete durch das flache Wasser zum Boot und stieg hinein. Er setzte sich vorn in den Bug. Es war der Platz, den Hasard ihm zugewiesen hatte, denn der Junge konnte mit seinen Adleraugen auch in der Nacht am besten von ihnen allen sehen.
Hasard ballte die Hände zu Fäusten. Wütend blickte er zur Karacke hinüber. Wo blieb Matt Davies? Er hatte ihm zwar nicht gesagt, daß er an dem Kommando teilnehmen sollte, aber in einer solchen Situation, in der sie sich jetzt befanden, hatte jeder Mann zur Verfügung zu stehen. Wenn Davies nicht in der nächsten Minute auftauchte, würde er ohne ihn losfahren. Und wenn sie bei diesem Unternehmen nicht alle ins Gras bissen, würde er Davies die Peitsche spüren lassen, bis er begriff, was es hieß, seine Kameraden in einem Augenblick wie diesem im Stich zu lassen.
Der Seewolf wollte sich gerade umdrehen, als er den Schatten eines Mannes auf sich zuhuschen sah.
Es war Matt Davies. Der stämmige Mann keuchte. Sein Gesicht glänzte von Schweiß. Er zuckte mit den Schultern und sagte: „Entschuldigen Sie, Sir. Ich wußte nicht, daß Sie mich brauchen.“
Er hatte mit voller Absicht Sir zu Hasard gesagt. Der Seewolf merkte es, und seine Wut auf den Mann steigerte sich noch.
„Los, rein ins Boot!“ sagte er scharf. „Wir sprechen uns noch, Davies!“
Hasard schwang sich als letzter übers Dollbord. Er hörte die flüsternde Stimme Blackys, der etwas zu Smoky sagte. Und Hasard verstand die Worte genau.
„Der Hurensohn war bei den Weibern, während wir wie die Idioten geschuftet haben!“
Was Smoky murmelte, konnte Hasard nicht verstehen, aber es war sicher nichts Schmeichelhaftes für Matt Davies. Der Seewolf begann zu grinsen. So wie es aussah, brauchte er sich keine Gedanken über eine Bestrafung von Davies zu machen. Das würde sich innerhalb der Mannschaft von selbst lösen.
Matt Davies schien sich auch darüber klar zu sein. Er hatte die Lippen zusammengepreßt. Den rechten Arm hatte er leicht angehoben. Hasard sah den scharfen Haken, der Matt Davies die fehlende rechte Hand ersetzte, im Schein des Feuers, das vom Floß herüberleuchtete, aufblitzen.
Blacky und Smoky, die jetzt die Riemen packten und zu pullen begannen, sahen aus, als wollten sie sich jeden Augenblick auf Davies stürzen. Zu gern hätten sie Matt auf der Stelle verprügelt, aber der scharfe Blick des Seewolfs hielt sie zurück.
„Konzentriert euch auf das, was vor euch liegt“, sagte Hasard leise. „Wenn unser Unternehmen schiefgeht, sind wir alle verloren. Und ich fühle mich verdammt noch mal zu jung zum Sterben oder um ein Lebenlang an eine Galeerenbank gekettet zu sein.“
Er sah, wie die Männer nickten.
Die Riemen tauchten fast lautlos ins Wasser. Smoky und Blacky waren die besten Rudergasten, die Hasard jemals erlebt hatte. Wenn ihnen beiden es nicht gelang, ungehört an die Galeone heranzukommen, dann würde es niemand schaffen.
Dicht unterhalb der Buchtenge horchte Hasard nach oben zu den Felsen hin. Er stieß einen leisen Schrei aus, der dem einer Möwe ähnelte. Vom Felsen aus folgte umgehend die Antwort.
Ein Stein fiel Hasard vom Herzen. Ben Brighton lebte. Die Kugel der Spanier hatte ihm nichts anhaben können.
Das Boot glitt lautlos aufs Meer hinaus. Voraus vermeinte Hasard die schattenhaften Umrisse der Kriegsgaleone zu erkennen, aber er war sich nicht sicher. Mit kurzen Handbewegungen bedeutete er Smoky und Blacky, mehr nach Backbord zu halten. Sie wollten um die Galeone herumrudern und vom Meer aus auf sie zufahren. Hasard hoffte, daß die Wachen der Spanier sich nur auf die Seite zum Land hin konzentrierten.
Ferris Tucker wischte sich mit dem Handballen das rote Haar aus der Stirn. Sein bloßer Oberkörper war schweißüberströmt und glänzte im Licht des Feuers, das auf dem Floß brannte.
Die milde Luft war erfüllt von einem infernalischen Gestank, aber Ferris Tucker nahm es nicht wahr. Er war froh, daß er seine Arbeit beendet hatte.
Vorn auf der Back der gekrängten Karacke turnte Pete Ballie herum, der die letzten Anstalten traf, die dicken Trossen zu befestigen, mit denen die beiden Galeonen die Karakke ins Wasser hinausziehen sollten.
Ferris Tucker rief ein paar Schwarze herbei und befahl ihnen, das Floß wegzuschaffen. Das Feuer wurde gelöscht. Der Schiffszimmermann nahm den Eimer mit Teer hoch und watete an den Strand. Er hörte die tiefe Stimme Pete Ballies, der sich ebenfalls noch einmal an Land pullen ließ, nachdem er seine Männer losgejagt hatte, um die beiden Galeonen in die richtige Position zu bringen.
Ferris Tucker wartete auf den Rudergänger. Gemeinsam besprachen sie die geplante Aktion, die in der Dunkelheit gar nicht so einfach durchzuführen war. Dann pullte Pete Ballie hinaus zu den Galeonen, die inzwischen an der richtigen Stelle vor Anker lagen.
Pete Ballie hatte an die Gangspills der beiden Schiffe je acht Mann beordert. Er hoffte, daß es ausreichte.
Er wartete, bis das Zeichen von Ferris Tucker erfolgte.
„Los, Männer!“ rief Pete Ballie. „Legt euch ins Zeug! Wir müssen es schaffen, sonst massakrieren uns die Dons!“
Die Männer stemmten sich gegen die Spillspaken und begannen die Trommel zu drehen. Pete Ballie stand unter der Back und beobachtete, wie sich die Trosse spannte. Immer wieder lief er an der Trosse entlang und überprüfte die Zeisinge, mit denen die Trosse am Kabelar angesteckt war. Das Kabelar war handlicher als die schwere Trosse und schmiegte sich besser um die Spilltrommel.
Von Land her hörte er die Kommandos von Ferris Tucker. Die Schwarzen, die noch an Land geblieben waren, hatten sich mit großen Balken ausgerüstet und benutzten sie als Hebel. Als Ferris Tucker sah, wie die Karacke langsam vom Sandstrand herunterrutschte, feuerte er die Männer noch mehr an.
„Sie kommt! Sie kommt!“ schrie Pete Ballie. „Los Männer, noch dreimal rum, und wir haben es geschafft!“ Hastig schlug er einen weiteren Zeising an, dann lief er zum Gangspill zurück und stemmte sich mit gegen die Spillspake, gegen die Lewis Pattern keuchend drückte.
Sie spürten es plötzlich ganz deutlich. Mit einem Schlag ließ das Zerren der Trosse nach.
Sie hörten den Schrei von Ferris Tucker, der sie alle erlöste.
„Wir haben es hingekriegt, Männer!“ brüllte Pete Ballie. „Sie schwimmt wieder!“
Die Männer wollten in sein Gebrüll einstimmen, aber er brachte sie schnell wieder zum Schweigen. In der Nacht war der Lärm meilenweit zu hören.
Pete Ballie teilte zwei Männer als Ankerwache ein. Dann wollte er sich über das Schanzkleid der „Barcelona“ schwingen, um an den Berghölzern hinunter in das Boot zu klettern, das längsseits der Galeone lag.
Er erkannte den Mann drüben an Deck der „Santa Barbara“ und stieß einen leisen Fluch aus.
„Verdammt, Gary, bist du verrückt?“ rief er leise hinüber und gab seinen Männern einen Wink, loszupullen. „Geh sofort wieder unter Deck und leg dich hin!“
„Ich kann nicht, Pete“, antwortete Gary Andrews, der ziemlich wackelig auf den Beinen stand. „Ich halte das nicht mehr aus. Niemand kümmert sich um mich. Ich weiß nicht einmal, was hier vor sich geht.“
„Verdammt, dann frag doch Carter!“ sagte Ballie scharf. „Er bleibt an Bord und kann dir Märchen erzählen!“
Pete Ballie hörte nicht mehr, was Gary Andrews noch sagte. Das Boot war schon zu weit von der „Santa Barbara“ entfernt. Er konnte Gary Andrews verstehen. Wahrscheinlich setzten ihm das Fieber und die Brustwunde, die ihm ein Spanier beim Ausbruch auf der „Santa Barbara“ mit einem Entermesser beigebracht hatte, höllisch zu. Die ganze Zeit hatte er allein im Vordeck gelegen. Niemand hatte Zeit gehabt, ihm zu berichten, was seit Anbruch der Nacht geschehen war.
Sie pullten auf die Karacke zu, die wieder Wasser unter dem Kiel hatte und jetzt ebenfalls vor Anker lag. Pete Ballie hörte Ferris Tucker fluchen. Er jagte die Schwarzen nur so übers Deck, aber da sie ihn nicht richtig verstanden, mußte er ihnen fast jeden Handgriff vorexerzieren.
„Wo bleibst du denn, verdammt noch mal!“ fauchte der rothaarige Riese Pete Ballie an, als er sich über das Schanzkleid schwang. „Die schwarzen Bastarde bringen mir die ganze Takelage durcheinander.“
Pete Ballie grinste. Er wartete auf die Befehle von Ferris Tucker. Noch war allerhand zu tun, um die Karacke wieder segelfertig zu machen. Die Wanten mußten neu gespannt werden, Rahen an den Masten hochgefiert und schließlich die Segel angeschlagen werden.
Jeder der Männer erhielt zwei Schwarze zugeteilt. Sie waren verdammt geschickt, wenn ihnen erst einmal gezeigt wurde, was sie tun sollten. Im Nu war die Takelung der Karacke abgeschlossen, und Ferris Tucker atmete auf. Jetzt konnte Hasard mit seinem Tanz auf der Kriegsgaleone beginnen. Alle drei Schiffe waren bereit zum Auslaufen.
Der Schuß ging aus der falschen Richtung los.
Ferris Tucker, der am Strand stand und das Beladen der Boote überwachte, die die gesamte Ausrüstung an Bord der Karacke zurücktransportieren sollten, drehte sich erschrokken herum.
Er sah die Mündungsblitze der Musketen oben auf dem Plateau. Ein Mann schrie. Das Klirren von Waffen und die hellen Detonationen von Pistolen waren zu hören. Die gutturale Stimme Batutis brüllte etwas, das Ferris Tukker nicht verstehen konnte.
Der Schiffszimmermann überlegte, was er tun sollte. Im ersten Moment wollte er ein paar Männer zusammenrufen, um den Schwarzen zu Hilfe zu eilen, doch dann schüttelte er den Kopf. Batuti und seine Männer mußten mit den spanischen Soldaten allein fertig werden. Sie durften hier unten keine Zeit verlieren. Wenn der Seewolf mit dem Angriff auf die Kriegsgaleone begann, mußten alle drei Schiffe zum Auslaufen bereit sein.
Ferris Tucker trieb die Männer an den Booten, die ebenfalls zum Plateau hochstarrten, wieder an. Ein paar der Schwarzen wollten auf den stufenförmigen Aufgang zum Plateau zustürmen, um ihren Gefährten beizustehen, doch Ferris Tucker hielt sie mit gezogener Pistole zurück. Er hätte den Burschen gern erklärt, weshalb er es tat, aber sie verstanden ihn ja doch nicht.
Onoba starrte die Pistole in Tuckers Faust mit rollenden Augen an. Seine kräftigen Hände schlossen und öffneten sich. Hinter ihm drängten sich die anderen Schwarzen. Einer von ihnen erhob drohend die Faust.
Ferris Tucker fluchte. Er hörte leise Schritte im Sand. Als er den Kopf zur Seite drehte, sah er die schwarzen Mädchen aus der Dunkelheit auftauchen.
Der Schiffszimmermann deutete zur Karacke hinüber.
„Bringt sie an Bord“, sagte er keuchend. „Verdammt noch mal, wir helfen euch doch nur! Kann mich denn keiner von euch Affen verstehen?“
Ein Mädchen trat zwischen Ferris Tucker und Onoba. Der Schiffszimmermann erkannte Wobia, eines der Mädchen, die Batuti dem Seewolf angeboten hatte. Sie stand Nuva in ihrer Schönheit kaum nach, und Ferris Tucker gestand sich ein, daß er Batutis Angebot nicht so leichtfertig abgelehnt hätte wie der Seewolf.
Wobia redete hastig auf die Männer ein. Onobas Haltung entspannte sich. Schließlich drehte er sich um und gab seinen Männern Befehl, mit dem Beladen der Karacke fortzufahren.
Wobia wandte sich um und blickte Ferris Tucker lächelnd an.
„Wir nix Affen“, sagte sie. „Wir Engel.“
Sie nahm seine große schwielige Hand, an der noch Teerreste klebten, und legte sie auf ihre feste Brust.
„Beim siebenschwänzigen Klabautermann“, murmelte der rothaarige Riese und zog seine Hand zurück. „Seht zu, daß ihr auf euer Schiff kommt, bevor ich euch allen den Hintern versohle!“
Er drehte Wobia um, gab ihr mit seiner mächtigen Pranke einen Klaps aufs Hinterteil und schob sie auf den Strand zu, wo der grinsende Kutscher mit einem anderen Mann im Boot wartete, um die kostbare Ladung aufzunehmen.
Ferris Tucker schüttelte den Kopf, als er die Mädchen kichern hörte. Die Situation konnte für diese Geschöpfe noch so ernst werden, sie hatten immer nur das eine im Kopf.
Das Boot mit den Mädchen stieß vom Strand ab, während ein anderes mit Pete Ballie gerade wieder anlegte. Der Rudergänger blickte zum Plateau hoch, wo der Kampflärm noch zugenommen hatte.
„Hoffentlich schaffen sie es“, sagte er.
Ferris Tucker zuckte mit den Schultern. Er sah ein paar Schatten auf sich zueilen und winkte mit dem rechten Arm.
„Hierher!“ rief er. „Alle Sachen in das Boot!“
Er wollte sich schon wieder umdrehen, als Pete Ballie leise aufschrie.
„Vorsicht, Ferris, das sind Spanier!“
Ferris Tucker riß die Pistole hoch und feuerte auf den ersten Mann, der sich auf ihn stürzen wollte. Die Kugel streckte den Mann sofort nieder. Wenn Tucker gehofft hatte, die anderen Spanier würden sich durch diesen Zwischenfall aufhalten lassen, so hatte er sich getäuscht.
Die Einwohner von Punta Lagens waren diesmal fest entschlossen, nicht zurückzuweichen. Sie hatten den Zeitpunkt abgewartet, an dem sich nur noch wenige Männer am Strand aufhielten. Außer Ferris Tucker und Pete Ballie war nur noch Stenmark in der Nähe. Der blonde kräftige Schwede, der jetzt aus dem Boot sprang, war mit Ballie von der Karakke herübergepullt.
Die Spanier hatten sich mit allem bewaffnet, was ihnen in die Finger geraten war. Einige von ihnen schwangen Bretter und dicke Knüppel über den Köpfen.
Schweigend gingen sie gegen ihre Feinde vor, denn sie wollten verhindern, daß ihnen weitere Engländer oder Neger in die Quere gerieten. Wahrscheinlich hätten sie ihre Beine unter die Arme genommen und sich irgendwo zwischen den Lavafelsen verkrochen, wenn sie auch nur geahnt hätten, daß sie sich ausgerechnet drei der besten Kämpfer genähert hatten, die es in Hasards Mannschaft gab.
In den nächsten Minuten spürten sie es am eigenen Leib. Ferris Tucker und Pete Ballie, der Fäuste wie Ankerklüsen hatte, wüteten unter den Spaniern wie Berserker. Sie kümmerten sich kaum um die Latten und Knüppel, die auf ihre Rücken und Arme sausten. Sie schlugen mit ihren eisernen Fäusten eine Gasse in die Feinde, und wer von den Spaniern das Pech hatte, nicht gleich umzufallen, mußte noch die Schläge von Stenmark einstecken, die ihm dann den Rest gaben.
Innerhalb von zwei Minuten lagen mehr als die Hälfte der Spanier stöhnend im Sand. Ihnen war es nicht gelungen, auch nur einen der Feinde zu erschüttern. Einer von ihnen schrie leise auf und deutete nach rechts.
Ein paar von Batutis Männern, die die Ladung der Karakke zu den Booten schleppten, hatten den Kampf bemerkt und stürmten nun herbei.
Die Spanier hatten genug. Die ersten drehten sich um und liefen davon, und bevor die Schwarzen heran waren, hatten sich auch die restlichen Spanier abgesetzt und waren im Dunkeln verschwunden.
Vier von ihnen lagen noch bewußtlos im Sand. Stenmark wollte sie ins Wasser werfen, aber Ferris Tucker winkte ab.
„Laß sie“, sagte er. „Die verkriechen sich schon, wenn sie aufwachen. Los, wir müssen uns beeilen, damit wir endlich fertig werden.“
Die Schwarzen schleppten die Weinfässer heran, die die Karacke von Flores nach Spanien hatte bringen sollen. Drei von den zehn Fässern befanden sich bereits auf der „Santa Barbara“, zwei weitere auf der „Barcelona“.
Der Kampf auf dem Plateau tobte immer noch. Ab und zu klangen Schüsse auf, doch der Hauptkampf schien sich Mann gegen Mann abzuspielen.
Ferris Tucker hätte gern ein paar Schwarze zur Verstärkung nach oben geschickt, aber dann mußten sie darauf verzichten, die drei Fünfpfünderkanonen an Bord der Karacke zu bringen. Tucker fragte sich zwar, was die Schwarzen damit wollten, denn sie würden sich mit den Dingern höchstens selbst versenken, aber Bogo und Onoba hatten darauf bestanden, die Kanonen mitzunehmen.
Ben Brighton hielt es auf seinem Posten nicht mehr aus. Dort hinten auf dem Plateau tobte der Kampf zwischen den Schwarzen und den spanischen Soldaten. Unten am Strand wurde sicher jede Hand gebraucht, um die Ladung wieder an Bord der Karacke zu bringen. Und er hockte hier mit den drei Negern untätig herum.
Er glaubte nicht daran, daß die Spanier von der Kriegsgaleone es wagen würden; ein zweites Mal ein Boot zur Landung in die Bucht zu schicken. Der erste Versuch hatte sie zu viele Opfer gekostet.
Entschlossen drehte sich Ben Brighton herum. Er packte die Pistolen, die neben ihm lagen und gab den drei Schwarzen, die genauso unruhig waren wie er selbst, ein Zeichen. Sie sprangen sofort auf. Sie schienen froh zu sein, daß Ben Brighton sich endlich entschlossen hatte, den kämpfenden Männern zu Hilfe zu eilen.
In der Dunkelheit war es nicht einfach, durch die zerrissenen Lavafelsen zu klettern. Ben Brighton hatte sich die Umgebung genau eingeprägt, und trotzdem mußten sie immer wieder Umwege in Kauf nehmen, weil sie nicht wußten, wie tief die Schluchten waren, die ihnen den Weg versperrten.
Das Kampfgetümmel hatte inzwischen an Heftigkeit abgenommen. Es schien fast so, als sei bereits eine Entscheidung gefallen. Ben Brighton hoffte, daß Bogo und seine Männer es geschafft hatten, die spanischen Soldaten abzuschlagen. Wenn er es grob überrechnete, konnte die Stärke der spanischen Truppe nur noch knapp fünfzehn Mann betragen. Wie Ben Brighton den Seewolf kannte, hatte der sicherlich die gleiche Rechnung aufgestellt und dementsprechend die Leute eingeteilt.
Ab und zu krachte ein Schuß, und eine Mündungsflamme zuckte durch die Dunkelheit. Ben Brighton fragte sich, auf was die Spanier eigentlich schossen. In dieser Dunkelheit war doch nichts zu erkennen, schon gar nicht ein Schwarzer. Vielleicht machten sie sich mit diesen Schüssen selbst Mut.
Vom Rand des Plateaus aus wurde nicht ein einziger Schuß abgefeuert. Ben Brighton überlegte, ob er es wagen sollte, die Spanier von hinten anzugreifen. Er konnte dabei leicht in die Feuerlinie seiner eigenen Leute geraten.
Er mußte es wagen. Er konnte die Männer am Rande des Plateaus durch einen Ruf warnen und darauf hinweisen, daß er in den Kampf eingegriffen hatte.
Die drei Schwarzen verstanden, was Ben Brighton vorhatte, und ihre weißen Zahnreihen leuchteten, als sie grinsend nickten.
Der Bootsmann schlich voraus. Er orientierte sich nach dem letzten Mündungsblitz. Er hoffte, daß die Spanier alle zusammenhockten. Wenn sie sich über ein größeres Gelände verteilt hatten, konnte er in einige Schwierigkeiten geraten.
Sie hörten Stimmen. Spanische Worte drangen an ihre Ohren, und dann krachte es wieder, und eine Mündungsflamme blitzte nur ein paar Yards vor ihnen auf. Sie erhellte die Felsbarriere, hinter der sich fast ein Dutzend spanische Soldaten verbargen, für Sekundenbruchteile.
Ben Brighton packte seine Pistole fester. Er würde sie als Schlagwaffe benutzen, wenn er sie abgeschossen hatte. Sie mußten über die Spanier herfallen wie die Kastenteufel, und bevor die sich von ihrem Schrecken erholt hatten, mußten ihnen die Männer vom Plateaurand zu Hilfe geeilt sein.
Ben wartete noch ein paar Minuten, bis der nächste Spanier seine Muskete abfeuerte. Wie auf Kommando sprangen die Schwarzen auf. Ben konzentrierte sich auf den Mann, der eben geschossen hatte. Er glaubte das erschrockene Gesicht des Spaniers zu sehen, aber wahrscheinlich narrten ihn die Lichtreflexe des Mündungsfeuers, die sich wie ein Echo in seinen Augen wiederholten.
Er spürte, wie seine Faust gegen etwas Hartes krachte. Ein heißer Schmerz zuckte bis zu seiner Schulter hoch. Er warf sich nach vorn, und während er brüllte: „Wir haben die Dons in der Klemme!“, bohrte sich sein Knie in den Unterleib des spanischen Soldaten.
Neben Ben Brighton zuckte eine Flamme in die dunkle Nacht. Die Kugel zischte über seinen Rücken hinweg. Er hörte die Schwarzen neben sich nun ebenfalls schreien. Der Kampf war im vollen Gange.
Ben feuerte seine Pistole ab. Er schoß einfach in die Luft, denn er wollte nicht irgendeinen seiner eigenen Männer treffen. Dann schwang er die Waffe herum und hieb sie dem Spanier, der seine Hände nach oben streckte und nach Bens Hals griff, auf den Helm. Es gab einen hellen Klang. Der Helm flog zur Seite. Ben schlug abermals zu, und diesmal sackte der Spanier mit einem leisen Seufzer zusammen.
Das Geschrei, das plötzlich vom Plateaurand herüberwehte, war Musik in Ben Brightons Ohren. Wie ein Berserker warf er sich in das Getümmel, das um ihn herum tobte.
Kein Schuß war bisher mehr gefallen. Vielleicht hatten die Spanier ebenfalls Angst, einen der eigenen Leute zu treffen.
Ben Brighton spürte eine Bewegung neben sich und packte zu. Seine Hände krallten sich in nackte Haut. Sofort ließ er wieder los und rief leise: „Brighton!“
Es war höchste Zeit. Der Neger, den er gepackt hatte, wollte schon zu einem mächtigen Schlag ausholen. Dann stieß Bens Faust gegen einen Brustpanzer. Er hieb mit seiner Pistole zu und riß dem Spanier mit dem rechten Fuß die Beine unter dem Leib weg.
Plötzlich zuckten Flammen auf. Ben Brighton sah, wie der Spanier unter ihm eine Pistole auf ihn richtete. Im letzten Augenblick konnte er sich zur Seite werfen. Die Kugel fuhr durch den Ärmel seiner Jacke und versengte ihm die Haut.
Krachend traf der runde Knauf seiner Pistole den gepanzerten Arm des Soldaten, der die Pistole mit einem leisen Schrei fallen ließ. Bens linke Faust traf das Gesicht des Mannes. Blut schoß dem Spanier aus der Nase.
Mit einem Ruck riß Ben Brighton seinem Gegner das Messer aus der seitlich hängenden Scheide und setzte dem Soldaten die Spitze an die Kehle. Der Mann erschlaffte sofort. Aus weit aufgerissenen Augen starrte er Ben Brighton an.
Immer mehr Fackeln beleuchteten das Geschehen. Ben Brighton sah, daß die spanischen Soldaten den Widerstand aufgegeben hatten. Batuti hatte sein Gesicht zu einer furchterregenden Grimasse verzerrt, und Ben vermutete, daß der schwarze Herkules die Spanier am liebsten alle massakriert hätte.
Ohne den überwältigten Soldaten aus den Augen zu lassen, erhob sich Ben. Bevor die Schwarzen Amok laufen konnten, rief er Batuti zu: „Fesselt die Dons! Aber so, daß sie nicht mal mehr ihren kleinen Finger rühren können!“
Batuti begann zu grinsen.
„Aye, aye!“ brüllte er. „Wir wickeln ein wie Ferkel in Bananenblätter.“
Die Schwarzen packten zu. Einer von ihnen griff sich den Soldaten, den Ben zu Boden geworfen hatte. Keiner der Spanier dachte mehr an Widerstand. Zu groß war die Enttäuschung, daß sie sich von hinten hatten überrumpeln lassen.
Ben Brighton zählte die Gefangenen. Es waren dreizehn. Er vermutete, daß sich noch mehr Soldaten auf dem Plateau aufhielten, und da er verhindern wollte, daß sie ihre Kameraden befreien konnten, befahl er Batuti, die Gefangenen mit hinunter an den Strand zu nehmen.
Die Schwarzen gingen nicht gerade sanft mit den Spaniern um, und Ben konnte sie verstehen, als er von Batuti hörte, daß der Mann auf dem Floß an seiner Schußverletzung gestorben war.
Am Fuße des Plateaus erwarteten Ferris Tucker, der Kutscher und ein paar Schwarze die Gefangenen. Ferris Tucker war froh, als er Ben Brighton bei den Männern sah. Er hatte die ganze Zeit an Ben gedacht und befürchtet, die Kanonenkugel hätte ihn zerrissen.
Gemeinsam schleppten sie die Gefangenen zu der Hütte, in der die Mädchen gehaust hatten. Mit einigen Knüppeln und Brettern wurde die Tür verrammelt.
Vor den anderen Hütten standen die einheimischen Spanier mit ihren Frauen und Kindern. Die Angst stand in ihren Augen. Ben Brighton ging zu ihnen hinüber und sagte ihnen noch einmal eindringlich, daß sie nichts zu befürchten brauchten, wenn sie sich ruhig verhielten. Sollten sie allerdings versuchen, die Soldaten zu befreien, würde er seinen Männern den Befehl erteilen, ohne Rücksicht zu schießen.
Die Leute verschwanden in den Hütten. Ben ging zum Schiffszimmermann zurück.
„Ist auf den Schiffen alles klar?“ fragte er.
Ferris Tucker nickte.
„Wir warten nur noch darauf, daß die Kriegsgaleone da draußen in die Luft fliegt“, sagte er grinsend.