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7.

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Die Sonne stand als riesiger glutroter Ball über der westlichen Kimm. Die „Barcelona“ und die„Santa Barbara“ segelten immer noch dicht nebeneinander am Tampen des Geleitzuges.

Hasard wartete auf die Nacht.

Es mußte ihnen gelingen, aus dem Geleitzug auszubrechen, wenn sie im Hafen von Cadiz oder Sevilla nicht von den Spaniern aufgeknüpft werden wollten.

Hasard sah, wie Ferris Tucker auf der Poop der „Santa Barbara“ sich dauernd am Kopf kratzte. Wahrscheinlich verfluchte er die Perücke, unter der er sicher schwitzte. Sie hatten sich mit Zeichen verständigt. Tucker wußte, daß sie nach Norden abdrehen sollten, wenn Hasard auf der „Barcelona“ dreimal mit dem Knauf seines Degens gegen die Kanone auf dem Quarterdeck schlug.

Hasard blickte in die Takelage hinauf. Sie hatten bisher keine Schwierigkeiten mit den Segeln gehabt. Der Wind blies noch immer mit gleichbleibender Stärke aus West. Nur selten mußten die Männer die Segel neu trimmen.

Mit zusammengepreßten Lippen beobachtete Hasard, wie die letzten Wolken, die die Nächte zuvor den Himmel verdunkelt hatten, zerrissen und sich langsam auflösten. Die breite Sichel des zunehmenden Mondes stand bereits am roten Himmel. Es würde nicht einfach sein, unbemerkt zu entwischen, denn in einer sternklaren Nacht und bei Mondschein konnte man die Segel eines Schiffes noch auf zwei Seemeilen erkennen. Und es war die Frage, ob die Begleitschiffe die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ überhaupt so weit vom Geleitzug abfallen lassen würden.

Hasard hörte die Stimmen seiner Leute vom Mitteldeck. Er grinste. Ben Brighton versuchte den Kerlen Spanisch beizubringen, aber außer si und no schienen sie nicht viel zu behalten. Hasard ärgerte sich, daß er nicht schon viel früher daran gedacht hatte, fremde Sprachen zu erlernen. Ben hatte ihnen mit seinen Spanischkenntnissen praktisch das Leben gerettet.

Hasard beschloß in diesem Moment, seine freie Zeit in Zukunft sinnvoller zu nutzen. Er würde außer Spanisch auch noch Französisch und vielleicht Holländisch lernen.

Ben Brighton fluchte.

„Ihr blöden Hornochsen“, sagte er wütend. „Ihr lernt es nie!“

Hasard hörte, wie er die Stufen zum Quarterdeck hinaufstieg. Ben Brighton blieb neben ihm stehen und schaute ebenfalls zum Himmel hinauf.

„Sieht schlecht für uns aus“, sagte er.

Hasard zuckte mit den Schultern.

„Irgendwie wird es schon klappen“, sagte er. „Sie können nicht auf alle sechsundachtzig Schiffe aufpassen.“

„Sie werden es zumindest versuchen“, erwiderte Ben Brighton und wies mit der rechten Hand nach vorn.

Hasard blickte über das Vorkastell hinweg und sah die drei Kriegsgaleonen, die beigedreht hatten und anscheinend warteten, bis die letzten Schiffe des Geleitzuges sie passiert hatten.

„Sie treiben die Schäfchen für die Nacht zusammen“, sagte Ben Brighton sarkastisch. „Wenn du glaubst, daß wir ihnen in dieser Nacht entwischen können, dann hast du einen sonnigen Humor.“

Hasard preßte die Lippen aufeinander. Er wußte, daß Ben Brighton recht hatte, aber er weigerte sich, die Ladung der „Santa Barbara“ verloren zu geben. Als Ben Brighton den Mund öffnete, wußte er schon, was der Bootsmann sagen würde.

„Wir sollten es uns noch mal überlegen“, sagte Ben. „Drake wird uns nicht die Köpfe abreißen. Sicher hätte auch er in dieser Lage die Ladung aufgegeben und wäre mit der ‚Barcelona‘ davongesegelt. Niemand wird uns einen Vorwurf machen.“

Hasard schüttelte stur den Kopf.

„Das stimmt nicht, Ben“, sagte er. „Ich selbst würde mir mein Leben lang vorwerfen, daß ich beim ersten Kommando, das mir übertragen wurde, jämmerlich versagt hätte. Ich soll eine Prise nach Plymouth bringen, und das werde ich auch tun. Es muß einfach einen Weg geben.“

Ben Brighton schwieg. Er kannte den Seewolf inzwischen gut genug, um zu wissen, daß jetzt Widerspruch sinnlos war. Er hoffte nur, daß sie nicht alle durch die Sturheit Hasards mit dem Leben zahlen mußten.

Die vier Kriegsgaleonen – eine weitere war an Backbord aufgetaucht – scheuchten die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ dichter an die anderen Schiffe heran. Die Besatzungen der beiden Galeonen hatten alle Hände voll zu tun, die Segel zu bedienen.

Hasard stand an der Reling der Poop und schlug die Faust auf das breite Geländer. Wenn der Wind weiterhin mit dieser Stärke aus Westen blies, hatten sie die spanische Küste in zwei, höchstens drei Tagen erreicht. Und wenn die Kriegsgaleonen sie den Guadalquivir hinauf nach Sevilla geschleust hatten, saßen sie in der Falle, aus der es kein Entrinnen mehr gab.

Ben Brighton hatte Hasard in den letzten Tagen einiges über die spanischen Häfen erzählt. Insbesondere über Sevilla, wo die Casa de Contratacion ihren Sitz hatte und den gesamten Handel zwischen Spanien und der Neuen Welt kontrollierte. Die Casa hatte ihre eigenen Zollbeamten und Soldaten, deren Grausamkeiten bei allen Seefahrern bekannt waren. Der Tod war noch das geringste Übel, das ihnen geschehen konnte, wenn sie in die Hände der Casa-Soldaten fielen.

Warum, zum Teufel, war er nicht gleich von Flores aus nach Norden gesegelt? Er hatte sich von der Kriegsgaleone täuschen lassen. Er hatte angenommen, daß sich die Flota nördlich von Flores befunden hatte. Dieser Irrtum konnte jetzt tödlich für sie sein.

Hasard blickte zur Mondsichel hoch, die ihr bleiches Licht auf die bewegte See warf. Durfte er das Leben seiner Männer aufs Spiel setzen, nur weil er selbst die Niederlage nicht eingestehen wollte, die doch unausweichlich war?

Hasard schüttelte den Kopf. Wie groß war denn ihre Chance, mit der „Barcelona“ den Kriegsgaleonen zu entkommen, wenn er die Männer von der „Santa Barbara“ herüberholte und die andere Galeone aufgab? Gewiß, das Schiff war ohne Ladung schnell, doch sicher war es nicht, daß sie den Kriegsgaleonen ungeschoren davonsegelten.

Zwei Nächte und zwei Tage hatte Hasard noch Zeit, etwas zu unternehmen. Vielleicht half ihnen der Wettergott, indem er einen Sturm schickte, der die Schiffe des Geleitzuges auseinandertrieb.

Hasard bedauerte, daß er nicht auf die „Santa Barbara“ gegangen war. Mit ihr hätte er die Flucht vielleicht gewagt. Die „Barcelona“, die ohne Ladung war, hätte er ohne Bedauern zurückgelassen.

Der nächste Tag begann so strahlend, wie der letzte zu Ende gegangen war. Kein Wölkchen zeigte sich am azurblauen Himmel. Eine Herde Tümmler begleitete den Konvoi. Die schlanken, silbrig glänzenden Körper schossen elegant aus dem Wasser und tauchten fast spritzerlos wieder ein.

Hasard war von diesem Bild jedesmal aufs Neue fasziniert, doch heute hatte er kaum Augen dafür. Er hatte die ganze Nacht über auf Deck verbracht und auf eine Gelegenheit gewartet, den Dons doch noch ein Schnippchen zu schlagen.

Es war alles umsonst gewesen. Er wußte nicht, ob die Kapitäne den neu zum Geleitzug gestoßenen Galeonen mißtrauten, jedenfalls schien es ihm so, als würden die Kriegsschiffe besonders auf die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ aufpassen.

Der Wind wehte mit einer entnervenden Gleichmäßigkeit. Wenn er nicht bald umschlug oder zu blasen aufhörte, würden sie am nächsten Abend die portugiesische oder spanische Küste erreichen. Es waren kleinere Schiffe als die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ im Geleitzug, aber sie hatten Lateinersegel an allen Masten und waren ziemlich schnell.

Die „Santa Barbara“ war eins der langsamsten Schiffe – zum Glück nicht das langsamste, sonst hätte Ferris Tucker wahrscheinlich Schwierigkeiten mit den Kriegsgaleonen gekriegt. Noch hinter den beiden von den Engländern gekaperten Prisen segelte eine dickbäuchige Galeone, die bis zu den Ladeluken mit Schätzen beladen zu sein schien, denn sie lag sehr tief im Wasser.

Ben Brighton, den Hasard hinunter in die Kammer zum Schlafen geschickt hatte, erschien auf dem Achterkastell. Sein erster Blick galt dem Himmel. Für die Spanier war dieses Wetter ein Geschenk Gottes, für die Engländer der Anfang vom Ende.

„Wenn der Wind anhält, sind wir morgen abend in Cadiz“, sagte der Bootsmann brummig.

Hasard schwieg. Was hätte er darauf auch schon antworten können? Ben Brighton hatte recht. Und mit jeder Minute, die verstrich, waren sie ihrem Verhängnis, das in dem spanischen Hafen auf sie wartete, ein Stück näher.

Hasard gab das Kommando über die „Barcelona“ an Ben Brighton ab. Er selbst ging hinunter aufs Mitteldeck, um mit den Männern zu sprechen.

Um Dan O’Flynn und Batuti brauchte sich Hasard nicht zu sorgen. Die beiden würden mit ihm dem Teufel ein Ohr absegeln, davon war er fest überzeugt.

Blacky und Smoky waren ebenso wie Matt Davies aus hartem Holz geschnitzt, aber es war zweifelhaft, ob sie mit seiner Entscheidung, die „Santa Barbara“ um keinen Preis aufzugeben, einverstanden waren. Er konnte es auch nicht an ihren Gesichtern ablesen.

Von allen Leuten war der Kutscher am zuversichtlichsten. Er konnte die Befürchtungen der anderen nicht verstehen. Schließlich hatten die Dons sie bisher in Ruhe gelassen, und dem Seewolf würde schon rechtzeitig etwas einfallen, um sie aus dieser Patsche wieder herauszuholen.

Die Männer hatten den verwundeten Gary Andrews an Deck geholt, damit er frische Luft schnappen konnte.

„Wie geht’s dir?“ fragte Hasard. Er bückte sich und schlug das Hemd beiseite, das über dem dicken Verband lag.

Gary Andrews grinste verkrampft. Sicher bereitete die klaffende Wunde über der Brust, die von einem Messerstich eines Spaniers herrührte, höllische Schmerzen.

„Alles halb so schlimm, Sir“, sagte er gequält. „Wenn es gegen die Dons geht, bin ich dabei.“

Hasard grinste ihn an.

„Nicht gleich übertreiben“, sagte er. „Vielleicht schaffen wir es nächste Nacht, heimlich zu verduften. Und wenn nicht, wird uns schon irgendwas einfallen, um den Dons eine Nase zu drehen. Ich wollte eigentlich die Ladung der ‚Santa Barbara‘ nicht aufgeben und mit leeren Händen zu Kapitän Drake zurückkehren. Er wird vielleicht nichts sagen, aber er und alle anderen werden denken, daß wir ganz schöne Flaschen sind, uns die Prise von den Dons wieder abjagen zu lassen. Was meint ihr?“

Er schaute Blacky und Smoky an, doch sie sahen stumm an ihm vorbei. Sie hatten bei Francis Drake gelernt, den Mund zu halten. Sie waren es nicht gewohnt, nach ihrer Meinung gefragt zu werden.

Matt Davies wischte mit dem linken Ärmel über den glänzenden Metallring an seiner Hand. Der spitzgeschliffene Haken reflektierte das gleißende Sonnenlicht. Hasard hatte diesen gedrungenen Mann beim Kämpfen gesehen, und er wußte, daß Davies den Begriff Furcht nicht kannte. Die fehlende rechte Hand behinderte ihn nicht. Eher das Gegenteil war der Fall. Der spitze Haken war eine fürchterliche Waffe. Er riß große Wunden, aber noch größer war der Schock, den der verwundete Gegner erlitt.

Matt Davies war ein Mann, der gern lachte, und er war der einzige in der Mannschaft, der ein paar Peitschenhiebe in Kauf nahm, um mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg zu halten.

„Wenn uns die Dons erwischen, ketten sie uns an den Riemen einer Galeere“, sagte er. Seine braunen Augen blickten Hasard offen an.

„Oder sie hängen uns an die nächste Rahnock“, sagte Hasard.

„Es ist reiner Selbstmord, noch weiter mit dem Geleitzug zu fahren“, fuhr Matt Davies fort. „Wenn wir erst in einem spanischen Hafen sind, rettet uns nichts mehr. Aber, zum Teufel, ich will verdammt sein, wenn ich mir von den schwarzhaarigen Affen mein Prisengeld wieder abjagen lasse!“ Ein Grinsen zog sein breites Gesicht noch mehr in die Breite.

Hasard hätte Matt Davies für diese Worte umarmen können, denn er sah, welche Wirkung sie auf die anderen Männer hatten. Es war, als wäre ein Funke übergesprungen, und Dan O’Flynn, das vorlaute Bürschchen, rief: „Mit dem Seewolf durch die Hölle!“

Hasard konnte nur mit Mühe verhindern, daß die anderen Männer in das Gebrüll mit einstimmten.

„Ruhe, verdammt noch mal!“ sagte er scharf. „Wollt ihr uns die Dons auf den Hals hetzen?“ Er blickte hinüber zu der Kriegsgaleone, die auf Kabellänge neben ihnen hersegelte. „Wir werden heute nacht versuchen, abzuhauen, wenn der verdammte Mond uns nicht wieder einen Strich durch die Rechnung macht. Sonst werden wir mit nach Cadiz segeln. Ben Brighton kennt sich dort aus. Wenn alle Stricke reißen, können wir dort immer noch unsere Schiffe aufgeben und versuchen, uns irgendwie durchzuschlagen.“

„Oder die Spanier arrangieren für uns eine kleine Reise nach Valladolid“, sagte Matt Davies sarkastisch.

Blacky spuckte über Bord, und Dan erklärte Batuti, was es mit dieser Reise auf sich hatte. Hasard grinste, als er sah, wie der Schwarze bleich wurde und mit den Augen zu rollen begann.

Valladolid – das war seit Jahrzehnten eine Schreckensvision der englischen, französischen und holländischen Kaperfahrer und Piraten. Von allen Repressalien, die die Spanier sich für ihre Feinde ausgedacht hatten, war die Reise nach Valladolid die gefürchtetste. Von den Galeerenbänken oder aus einem der fürchterlichen spanischen Kerker konnte man mit ein bißchen Glück noch entfliehen, doch wenn man erst einmal auf der Plaza von Valladolid stand, war die Hölle nicht mehr weit. Hasard hatte gehört, daß die Dons dort an einem einzigen Tag einmal siebzehn englische und französische Piraten bei lebendigem Leib geröstet hatten.

Grauenhafte Geschichten kursierten unter den Seeleuten, und die Dons sorgten dafür, daß den Männern der Gesprächsstoff nicht ausging. Denn schließlich sollten diese Greueltaten zur Abschreckung dienen.

Hasard grinste. Die Dons konnten tun, was sie wollten. Die Kaper und Piraten waren durch die Bank hartgesottene Kerle, die sich einen Teufel darum scherten, was sie erwartete, wenn sie von den Dons erwischt wurden. Sie wollten großen Profit einstreichen – und einige wollten nicht einmal das. Sie wollten nur kämpfen und Abenteuer und Gefahren erleben.

Hasard ließ die Männer allein. Ben Brighton rief einen leisen Befehl, die Fock verdammt noch mal richtig zu trimmen. Die Männer eilten an die Schoten.

„Halt sie in Bewegung, Ben“, sagte der Seewolf, „damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Ich werde mich jetzt ein wenig aufs Ohr legen. Heute nacht versuchen wir es noch einmal.“

Ben Brighton warf einen Blick zum Himmel und schüttelte den Kopf.

„Keine Chance“, murmelte er, aber Hasard hörte es schon nicht mehr. Er verschwand im Gang zur Offizierskammer.

Seewölfe Paket 1

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