Читать книгу Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer - Страница 35
10.
ОглавлениеFerris Tucker hatte auf die kurzen Blinksignale von der „Isabella“ geantwortet und blickte zur „Barcelona“ hinüber, ob Batuti soweit war. Stenmark, der im Boot zurückbleiben sollte, stand an Steuerbord in der Kuhl und hielt die Vorleine des Dingis kurz.
Ferris Tucker stieß einen leisen Pfiff aus. Die Antwort folgte sofort. Auf der „Barcelona“ erlöschte die Ankerlaterne nur Sekunden später, nachdem auch Ferris Tucker sie auf der „Santa Barbara“ gelöscht hatte. Stenmark enterte von Bord und stieg in das Dingi. Ferris Tucker winkte ihm zu und warf die Vorleine los. Das Dingi schor ab.
Mit ruhigen Schritten ging der Schiffszimmermann über das Deck der Galeone, die sie von der „Marygold“ aus gekapert hatten. Die „Santa Barbara“ stellte mit ihrer Ladung einen schönen Wert dar, aber im Vergleich zudem Silberschiff war sie nur ein Haufen wertloses Holz. Ein bißchen tat es Ferris Tucker schon leid, daß sie die „Santa Barbara“ opfern mußten, doch wenn der Plan des Seewolfs klappte, winkte ihnen ein sagenhafter Gewinn.
Ferris Tucker ging unter die Back bis zur Beting. Mit kurzen Hieben seines Handbeiles kappte er die Ankertrosse. Rauschend verschwand die Trosse durch die Ankerklüse und klatschte ins Wasser. Jetzt mußte er sich beeilen. Er lief zurück zur Kuhl, schwang sich über das Schanzkleid zur Back hinauf und kroch Sekunden später über die Backgräting und von dort auf den Bugspriet. Mit wenigen Handgriffen setzte er die vorgeheißte Blinde.
Der Wind fing sich sofort darin und schlug Ferris Tucker die Leinwand ins Gesicht.
Der Schiffszimmermann fluchte unterdrückt. Es war schon eine höllische Arbeit.
Er hastete über die Decks zurück zum Kolderstock, um die Galeone vor den Wind zu bringen. Bevor er unter dem Quarterdeck verschwand, warf er einen kurzen Blick zur „Barcelona“ hinüber. Auch dort flatterte bereits die Blinde unterm Bugspriet.
Ferris Tucker packte den Kolderstock und legte Hartruder. Er mußte sich ganz auf sein Gehör verlassen. Er wußte genau, wann sich die Blinde mit Wind füllte und richtig stand. Als es soweit war, laschte er das Ruder fest, lief hinaus aufs Deck und kontrollierte den Kurs.
Er grinste. Er konnte sich noch immer auf sein Gefühl verlassen. Die „Santa Barbara“ hielt genau Kurs auf eine der beiden Kriegsgaleonen, die sie sich aufs Korn genommen hatten.
Mit ein paar Sätzen war Ferris Tucker in den Wanten des Fockmastes. Mit traumwandlerischer Sicherheit bewegte er sich auf der schmalen Rahe. Die Fock fiel herunter. Ferris Tucker rutschte an den Wanten hinunter, packte unten die Schot, holte sie dicht und trimmte die Fock an Backbord. Er mußte seine ganze Kraft aufwenden, um die Fockschot dichtzuholen und an einer Klampe zu belegen.
Jetzt erst fand Ferris Tucker Zeit, einen Blick hinüber zur „Barcelona“ zu werfen. Batuti hatte den Kurs zweimal korrigieren müssen. Er turnte gerade auf der Fockrahe und setzte die Fock.
Batuti schaute zu den Kriegsgaleonen hinüber. Noch rührte sich nirgends etwas.
Langsam zog die „Santa Barbara“ an der „Barcelona“ vorbei, doch die unbeladene Galeone würde schnell wieder aufholen, wenn Batuti erst einmal die Fock gesetzt hatte.
Ferris Tucker sah, wie die Leinwand herunterfiel und im achterlichen Wind flatterte. Der Schiffszimmermann nickte anerkennend, als das Segel in den nächsten Sekunden dichtgeholt wurde und sich mit dem steifen Ostwind füllte. Für einen Mann, der erst vor Tagen in die Geheimnisse des Segelns eingeweiht worden war, war das eine außergewöhnliche Leistung. Ferris Tucker wurde das Gefühl nicht los, als hätte Batuti früher schon mal was mit Segelschiffen zu tun gehabt, und sei es auch nur mit den Fischerbooten an der Küste von Gambia.
Der Schiffszimmermann schwang sich wieder aufs Schanzkleid und turnte über die Rüsten der Fockwanten nach vorn zur Backgräting. Er kontrollierte die Taue, mit denen er die Pulverfässer festgezurrt hatte. Alles war in bester Ordnung. Jetzt brauchte er nur noch im richtigen Zeitpunkt die Lunte anzuzünden, dann konnte das Feuerwerk beginnen, das ihnen den Weg in die Freiheit bahnen sollte.
Ein Pfiff tönte von der „Barcelona“ herüber.
Ferris Tucker versuchte das Dunkel mit seinen Augen zu durchdringen. Er glaubte Batuti auf der Back zu sehen, aber er war sich nicht sicher.
War der Seewolf inzwischen auch soweit? Ferris Tucker beugte sich zur Seite und blickte nach achtern. Ein paar Flecken leuchteten in der Dunkelheit. Das konnten nur die Segel der „Isabella“ sein.
Ein heller Schrei ließ Ferris Tucker herumzucken. Ein Mann, wahrscheinlich die Ankerwache, auf einer der Kriegsgaleonen hatte die beiden Schiffe entdeckt, die unter Blinde und Fock genau auf Rammkurs segelten.
Ferris Tucker holte seine Flintsteine heraus. Schon nach wenigen Schlägen brannte die Lunte. Zischend fraß sich der sprühende Funken weiter.
Auf der einen Kriegsgaleone war plötzlich die Hölle los. Männer brüllten durcheinander. Laternen wurden geschwenkt und Flüche ausgestoßen. Wahrscheinlich wollte man die besoffenen Idioten, die da direkt auf die Kriegsgaleonen zusteuerten, auf sich aufmerksam machen.
Ferris Tucker konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Knapp hundert Yards waren die beiden Galeonen noch von den ankernden Kriegsschiffen entfernt, und den Dons blieb kaum noch Zeit, ihrem Verhängnis auszuweichen.
„Batuti!“ brüllte Ferris Tucker.
„Presto, presto! Claro!“ rief eine Stimme durch die Nacht, und Ferris Tukker brauchte eine ganze Weile, um zu begreifen, daß es Batutis Stimme gewesen war. Der schwarze Höllensohn dachte wohl immer noch an die Order, nur Spanisch zu sprechen, und er hatte die beiden einzigen Wörter gebraucht, die er von dem Unterricht Ben Brightons behalten hatte.
Ferris Tucker überlegte nicht mehr lange. Mit einem gewaltigen Satz sprang er vom Schanzkleid kopfüber in das bewegte Wasser. Als er prustend wieder auftauchte, begann er mit kräftigen Zügen zu schwimmen. Erschrocken drehte er sich herum, als er ein wildes Platschen und röhrende Laute vernahm.
Im ersten Augenblick dachte Ferris Tucker an ein Seeungeheuer, das sich hierher auf die Reede von Cadiz verirrt hatte, aber als das Lebewesen dicht bei ihm aufhörte zu zappeln, erkannte er das grinsende Gesicht Batutis. Der schwarze Herkules wies mit der rechten Hand auf einen Schatten, der aus der Dunkelheit auf sie zuschoß.
Das Dingi war schnell heran. Ferris Tucker und Batuti zogen sich gleichzeitig über das Dollbord und grinsten Stenmark auf der Ducht an. Der blickte sich schon nach der „Isabella“ um, die mit geblähten Segeln heranrauschte.
„Deinen Schwimmstil mußt du mir mal zeigen“, sagte Ferris Tucker zu Batuti. „Damit hättest du die Spanier ganz allein in die Flucht geschlagen.“
„Nix schwer“, erwiderte Batuti grinsend. „Immer nur auf Wasser hauen, damit es dich nicht verschluckt.“
Ferris Tucker wollte noch etwas sagen, aber da war die „Isabella“ plötzlich neben ihnen. Sie ergriffen die Tampen, die ihnen zugeworfen wurden, und ließen sich nach oben ziehen.
Hasard hatte nördlichen Kurs eingeschlagen und segelte langsam mit halbem Wind an ein paar ankernden Galeonen vorbei. Ab und zu klangen Rufe von den anderen Schiffen herüber, aber Hasard hatte absolutes Schweigeverbot gegeben.
Nach ein paar Minuten legte Hasard die „Isabella“ direkt vor den Wind. Die Rahen wurden gebraßt und die Schoten an Backbord dichtgeholt. Die „Isabella“ nahm langsam Fahrt auf. Dan O’Flynn hing vorn auf dem Bugspriet. Er hatte die Aufgabe, das Dingi nicht aus den Augen zu lassen und aufzupassen, daß die „Isabella“ das Boot nicht verfehlte.
Die beiden Galeonen waren nur noch etwa hundert Yards von den beiden Kriegsschiffen entfernt, zwischen denen Hasard mit der „Isabella“ durchbrechen wollte. Jetzt mußten Ferris Tucker und Batuti die Zündschnüre in Brand setzen.
Hasard strengte seine Augen an.
Da! Ein kleiner Lichtpunkt fraß sich durch die Dunkelheit!
Auf der einen Kriegsgaleone herrschte plötzlich Zustand. Hasard hörte die Schreie der Männer gegen den Wind. Er sah, wie Laternen geschwenkt wurden.
Er betete, daß die Spanier zu spät begriffen, was hier gespielt wurde. Wenn die Kapitäne nur einigermaßen auf Zack waren, würden sie die Trosse des Heckankers kappen lassen. Die Schiffe würden sich dann von allein in den Wind legen und so vielleicht dem Rammstoß entgehen.
Dan O’Flynns helle Stimme krähte durch die Nacht.
„Das Dingi! Ein Strich Steuerbord voraus!“
Ben Brighton gab sofort einen Befehl an den Rudergänger. Behäbig legte sich die „Isabella“ etwas zur Seite. Hasard jagte ein paar Männer mit Tauen nach Steuerbord, um Ferris Tucker, Batuti und Stenmark an Bord zu holen.
Aufgeregte Worte flogen hin und her. Hasard sah, wie Ferris Tucker und Batuti klatschnaß über das Schanzkleid gezogen wurden. Ben Brighton jagte einen Mann los, der die Vorleine des Dingis achtern befestigen sollte.
Blacky klopfte Ferris Tucker auf die Schulter.
Hasard brüllte vom Quarterdeck herunter.
„Jeder Mann auf seine Station, verflucht noch mal! Wir sind hier nicht auf einer Hochzeitsreise!“
Die Männer liefen durcheinander, nach wenigen Sekunden herrschte wieder absolute Stille.
Immer lauter wurde das Gebrüll, das von den Kriegsgaleonen zu ihnen herüberschallte. Im Licht der Laternen sah Hasard, wie sich die Seesoldaten an Steuerbord drängten und den Galeonen entgegenstarrten, die ihren Kurs stur beibehielten.
Nur noch fünfzig Yards waren die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ von ihren Zielen entfernt.
Hasard begann zu grinsen. Jetzt rächte es sich, daß die Dons vor Bug- und Heckanker lagen – und zwar breitseits zum Ostwind. Wahrscheinlich hatten sie nicht im Traum daran gedacht, daß ihnen innerhalb des Halbkreises, den die Kriegsgaleonen auf der Reede von Cadiz bildeten, jemals Gefahr drohen könne. Wenn schon, dann hatten sie mit einem Angriff von See her gerechnet. Und diesem Feind wollte man die Breitseite zeigen. Waffenbereitschaft rangierte bei ihnen vor Seemannschaft, darum lagen die Kriegsgaleonen nicht, wie es sich gehörte, im Wind, sondern quer zu ihm.
Hasard korrigierte den Kurs der „Isabella“ um einen Strich. Er hielt genau auf die Lücke zwischen den beiden Kriegsgaleonen zu.
Zwanzig Yards waren die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ noch von ihnen entfernt. Die Dons gerieten in Panik. Wahrscheinlich hatten sie inzwischen die brennende Lunte entdeckt, die zu den großen, auf der Backgräting festgezurrten Pulverfässern führte.
Gebannt beobachtete Hasard die Rammfahrt seiner beiden Prisenschiffe. Hoffentlich gingen die Pulverfässer nicht zu früh oder zu spät in die Luft!
Noch zehn Yards!
Die ersten Dons retteten sich mit waghalsigen Sprüngen ins bewegte Wasser.
Dann war es soweit.
Zuerst bohrte sich der Bug der „Santa Barbara“ in den Rumpf der Kriegsgaleone, die Backbord voraus lag. Holz knirschte. Der Bugspriet der kleineren Handelsgaleone knickte weg wie ein Streichholz. Der Fockmast splitterte unter dem Anprall und krachte mitsamt dem Segel auf das Deck der Kriegsgaleone.
Hasard hatte die Hände um die Brüstung des Quarterdecks gekrallt, daß die Knöchel weiß hervortraten. Warum explodierten die verdammten Pulverfässer nicht? War durch den Anprall die Lunte vielleicht weggerissen worden?
Hasard hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, als ein weißer Blitz mit einem ohrenbetäubenden Krachen in den dunklen Himmel zuckte.
Im Nu war die Nacht von Feuer erhellt. Hasard beobachtete das Chaos, das auf dem Deck der Kriegsgaleone ausbrach. Die Explosion hatte ein riesiges Stück aus der Bordwand gefetzt, so daß die oberen beiden Decks freilagen. Das Holz hatte Feuer gefangen. Schon prasselten die Flammen yardhoch.
Immer mehr Männer sprangen einfach ins Wasser und versuchten sich schwimmend zum nächsten Schiff zu retten.
Die „Santa Barbara“ selbst stand nun ebenfalls in Flammen. Sie hatte sich förmlich in die Kriegsgaleone verbissen und hing fest.
Hasard hatte auf die „Barcelona“ nicht mehr geachtet. Erst die zweite Explosion erinnerte ihn wieder daran. Er lief hinüber auf die Steuerbordseite. Während die „Santa Barbara“ ihr Ziel im Vorschiff getroffen hatte, war die „Barcelona“ mittschiffs in die zweite Kriegsgaleone gekracht. Die Explosion hatte den Großmast einfach weggefegt. Er hing jetzt zur Seeseite hin über Bord. Holzsplitter flogen pfeifend durch die Luft und klatschten ins Wasser.
Hasard hörte das Bersten von Holz. Es klang, als breche das Schiff auseinander. Und tatsächlich sackte das Vorschiff der Kriegsgaleone ab. Der Bugspriet stand schon waagerecht zur Wasserfläche. Männer schrien und retteten sich mit einem Sprung ins Wasser. Ein paar von ihnen schafften es nicht mehr, aus der Gefahrenzone zu entrinnen. Der splitternde Fockmast schlug mitten zwischen ihnen ein und riß sie mit sich in die Tiefe.
Hasard preßte die Lippen zusammen. Bis jetzt lief alles genau nach Plan. Die beiden Kriegsgaleonen, zwischen denen sie hindurchsegeln wollten, um das freie Meer zu erreichen, waren außer Gefecht gesetzt. Hasard glaubte nicht daran, daß noch einer der Dons daran dachte, sich an die Kanonen zu stellen und den Feind zu beschießen.
Die Verwirrung unter den Spaniern schien vollkommen. Auf allen Schiffen der Flota wimmelte es jetzt von Männern. Sie blickten entsetzt auf die brennenden Kriegsgaleonen und wußten nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
Nur ein Capitan schien die Situation richtig zu deuten, als er die unter vollem Zeug segelnde „Isabella“ an sich vorbeirauschen sah. Hasard hörte seine gebrüllten Befehle.
„Er will uns beschießen!“ rief Ben Brighton.
Hasard wußte, daß es kein Zurück mehr gab. Sie durften von ihrem Kurs nicht abweichen, wenn sie nicht eins der brennenden Wracks rammen wollten. Vielleicht hätte er doch die Kanonen laden lassen sollen.
Hasard schüttelte den Gedanken ab. Er beachtete die Galeone nicht mehr, auf der die Kanonen aus den Stückpforten geschoben wurden. Sie blieb achteraus, und es war fraglich, ob die Dons bei diesen Lichtverhältnissen überhaupt etwas treffen würden.
Sie waren nur noch hundert Yards von den brennenden Kriegsgaleonen entfernt. Das Vorschiff der einen war bereits abgesoffen. Ein Stück von der Back und der Stummel des abgebrochenen Fockmastes ragten noch aus dem Wasser. Das Achterschiff begann jetzt ebenfalls voll Wasser zu laufen und würde dem anderen Teil sicherlich bald folgen.
Durch das Prasseln der Flammen hörte Hasard das Krachen von Musketen. Blacky, der mit drei anderen Männern auf der Back stand, fluchte laut. Die Kugel war haarscharf an seinem Ohr vorbeigepfiffen und in den Fockmast geschlagen.
„Schießt zurück!“ schrie Hasard. „Jagt sie ins Wasser!“
Auf der Back krachten die Musketen der Engländer. Hasard sah, wie drüben auf dem Vorschiff der Kriegsgaleone, die von der „Santa Barbara“ gerammt worden war, zwei Männer zusammenbrachen. Die anderen Dons verschwanden hinter dem Schanzkleid.
Hinter der „Isabella“ entlud sich donnernd ein Geschütz. Die Engländer hielten die Luft an. Sie hörten das Heulen der Kanonenkugel, und dann schlug das Eisen in Holz.
Hasard hätte am liebsten gejubelt. Die Dons hatten viel zu hoch gezielt. Sie hatten sich um fünfzig Yards in der Entfernung verschätzt und die schwer angeschlagene Kriegsgaleone, deren Capitan gerade dabei war, aus seinen verschreckten Leuten wieder eine handlungsfähige Mannschaft zu formen, mittschiffs getroffen, wo sich die meisten Soldaten aufhielten.
Die Kugel hatte eine zweifache Wirkung, und beide ermöglichten Hasard und seiner Crew den endgültigen Druchbruch.
Die Seemänner und Soldaten auf der Kriegsgaleone verloren endgültig den Kopf, als sie sahen, daß sie von den eigenen Leuten beschossen wurden. Sie mußten annehmen, daß die „Isabella“ nicht das einzige Schiff war, das sich in Feindeshand befand.
Der Capitan der Galeone aber, der das Geschoß abgefeuert hatte, hütete sich, ein zweites Mal zu schießen. Wahrscheinlich hatte er sich durch diesen einen Schuß sowieso schon seine Karriere als Capitan versaut.
Das Achterschiff der Kriegsgaleone an Steuerbord der „Isabella“ krängte zur See hin. Hasard hörte das Gurgeln des Wassers, das wahrscheinlich in die geöffneten Stückpforten schoß und den Untergang noch beschleunigte.
Das bewegte Wasser wimmelte von schwimmenden Männern. Dazwischen trieben Stücke von zerfetzten Planken und zersplitterten Spieren. Ein paar Männer versuchten sich an das Dingi zu klammern, das die „Isabella“ hinter sich herschleppte. Der Schwede Stenmark feuerte seine Muskete dicht über den Kopf eines Dons ab, der entsetzt die Schleppleine losließ und ins Wasser zurückfiel.
Mitten zwischen den beiden zerstörten Kriegsgaleonen brauste die immer schneller werdende „Isabella“ hindurch. Die „Barcelona“, deren Vorschiff in hellen Flammen stand, trieb langsam auf eine andere Galeone zu. Der Capitan hatte die Gefahr bemerkt. Männer krochen auf den Rahen herum und setzten Segel. Hasard fürchtete schon, das Schiff würde die Gelegenheit nutzen, der „Isabella“ den Weg abzuschneiden, doch die Furcht des Capitans, seine kostbare Ladung zu verlieren, ließ ihn sofort eine Halse fahren, nachdem die brennende „Barcelona“ an ihm vorübergetrieben war. Im Schutz zweier anderer Kriegsgaleonen ging er wieder vor Anker.
Hasard hörte seine Männer Begeisterungsrufe ausstoßen, als sie die Wracks hinter sich zurückließen. Er atmete ebenfalls auf. Bis zum Schluß hatte er immer noch befürchtet, daß irgend etwas Unvorhergesehenes geschah, das ihnen einen Strich durch die Rechnung machte.
Noch waren sie nicht außer Gefahr, darüber war er sich völlig im klaren. Die „Isabella“ war nicht besonders schnell – kein Wunder bei einer solchen Ladung. Wenn die anderen Kriegsgaleonen sofort unter Segel gesetzt wurden und die Verfolgung aufnahmen, sanken ihre Chancen auf ein Minimum.
Hasards beste Verbündete waren der steife Ostwind und die Dunkelheit. Verdammt noch mal, sie mußten es einfach schaffen!
Die brennenden Schiffe blieben hinter ihnen zurück. Die Heckankertrosse der einen Kriegsgaleone war gebrochen, und der Wind hatte das Schiff mitsamt der in ihr verkeilten „Santa Barbara“ herumgetrieben.
Hasard hielt unwillkürlich den Atem an. Sie hatten mächtiges Glück gehabt, daß das erst jetzt geschah, denn sonst hätte ihnen der Rumpf der brennenden Kriegsgaleone den Weg in die Freiheit versperrt.
Hasard wollte sich gerade umdrehen, als er die Stichflamme in den schwarzen Himmel stechen sah. Sekunden später rollte der Donner einer gewaltigen Explosion über das Wasser.
Die Kriegsgaleone war in die Luft geflogen. Wahrscheinlich hatte das Feuer die Munitionskammern erreicht und die Pulvervorräte des Kriegsschiffes entzündet. Von der „Santa Barbara“ war nicht mehr viel übriggeblieben, als sich der Qualm der Explosion verzog.
Hasard beobachtete die Reede von Cadiz durch seinen Kieker, und dann sah er, was er befürchtet hatte. Zwei der Kriegsgaleonen begannen Segel zu setzen. Viel zu spät zwar, aber vielleicht noch früh genug, um die „Isabella“ zurückzuerobern.
Hasard drehte sich zu Ben Brighton herum.
„Zwei von ihnen setzen Segel“, sagte er. „Was meinst du, wollen wir genau nach Westen halten oder lieber auf Kap da Roca zu?“
„Was ist das Vernünftigste?“ fragte Ben Brighton zurück.
„Genau nach Westen hinaus auf den Atlantik“, sagte Hasard und blickte den Bootsmann erstaunt an.
Ben Brighton verzog sein wettergebräuntes Gesicht zu einem leichten Grinsen.
„Dann wirst du Kurs auf Kap da Roca nehmen, wie ich dich kenne“, sagte er. Doch gleich darauf fügte er hinzu: „Die Dons werden ebenfalls annehmen, daß wir genau vor dem Wind segeln, um möglichst viele Meilen zwischen uns und Cadiz zu bringen. Vielleicht schaffen wir es so, sie abzuhängen.“
Hasard nickte und betrachtete den untersetzten Bootsmann von der Seite. Sonst war Ben Brighton für Hasards Geschmack immer ein bißchen zu vorsichtig gewesen, aber wenn er erst einmal auftaute, war er nicht abgeneigt, mit der Großmutter des Teufels ein Tänzchen zu wagen.
„Bring die alte Dame auf Kurs Nordwest, Ben“, sagte der Seewolf. „Die Dons sollen uns noch suchen, wenn wir schon längst in der ‚Bloody Mary‘ in Plymouth sitzen und das vergiftete Zeug von Nat Plymson saufen!“