Читать книгу Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer - Страница 36
11.
ОглавлениеDie Augen fielen Hasard vor Müdigkeit bald zu. Steuerbord achteraus zeichneten sich die ersten grauen Streifen über der Kimm ab. Noch immer jagten dunkle Wolkenfetzen über den nachtschwarzen Himmel.
Hasard sah, daß seine Männer genauso fertig waren wie er. In der Nacht hatte sich der steife Ostwind zu einem ausgewachsenen Sturm gesteigert. Es war so schnell gegangen, daß Hasard, der die Segel noch möglichst lange hatte stehen lassen wollen, den Befehl zum Bergen der Marssegel zu spät gab.
Die Männer schafften es noch, das Großmarssegel zu bergen, aber ehe sie damit fertig waren, hatte das Fockmarssegel schon in Fetzen von den Rahen gehangen.
Hasard war nichts weiter übriggeblieben, als auch noch das Großsegel zu reffen und nur mit der Fock zu fahren. Lewis Pattern saß seither unter Deck und nähte ein neues Fockmarssegel.
Die anderen, die in der kalten feuchten Witterung an Deck aushalten mußten, hatten ihn beneidet.
Erst eine Stunde vor dem Morgengrauen hatte der Sturm nachgelassen. Inzwischen fuhren sie schon wieder mit Großsegel, Blinde und Lateinersegel am Besan.
Hasard hoffte, daß Lewis Pattern mit dem Marssegel bald fertig war, denn wahrscheinlich würden sie bald wieder mit vollem Zeug fahren können.
Der Seewolf war über die schwere Ladung froh gewesen, denn dadurch lag die „Isabella“ auch im dicksten Sturm noch ziemlich ruhig. Hasard mochte die Galeone. Sie war zwar etwas plumper als die englischen Galeonen, aber sie war stabil und konnte eine Menge vertragen. Die Dons verstanden es schon, gute Schiffe zu bauen.
Hasard nickte Ben Brighton zu, der neben ihm auf der Poop stand.
„Ich schau mal nach den Männern“, sagte er. „Wir müssen sehen, daß wir alle ein wenig Schlaf kriegen. Hoffentlich bleibt der Wind so wie jetzt.“
Ben Brighton blickte nach Osten.
„Könnte sein“, sagte er. „Ich nehme an, daß er noch mehr nach Süden dreht.“
„Wäre nur gut für uns“, murmelte Hasard, schwang sich aufs Quarterdeck und war mit ein paar Schritten am Niedergang zur Kuhl.
Hasard sah seinen Männern an, daß sie am Ende ihrer Kräfte waren. Selbst die bärenstarken Ferris Tucker, Blakky und Batuti sahen aus wie durch die Mangel gedreht. Ihre Kleidung troff vom Wasser, das immer wieder in Gischtschleiern über das Deck wehte.
Hasard zog Ferris Tucker beiseite und erklärte ihm, daß es keinen Zweck hatte, wenn sie sich kaputt arbeiteten. Der Schiffszimmermann sollte die Leute einteilen und die Hälfte unter Deck schicken, damit sie sich ausschlafen konnten.
Danach ging Hasard weiter zur Back. Der Kutscher fluchte leise vor sich hin. Er war nie zufrieden mit dem Fraß, den er kochte, obwohl sich noch niemand von der Crew beschwert hatte.
Gary Andrews lag in eine Decke gewickelt. In der Nacht hatte er noch Fieber gehabt, aber jetzt blickten seine Augen wieder klar. Hasard hoffte, daß er endgültig über den Berg war. Aber für die Arbeit fiel er auch weiterhin aus. Eine einzige heftige Bewegung würde genügen, um die Brustwunde wieder aufreißen zu lassen.
Hasard wandte sich an den Kutscher.
„Ich dachte, du bewachst die Spanier?“
„Sie haben mich zum Kochen hochgeholt“, sagte der Kutscher brummig. „Matt hat die Wache am Niedergang übernommen.“
Hasard wollte noch ein paar Worte an Gary Andrews richten, als der Schuß das Heulen des Windes übertönte. Für Sekunden standen alle Männer an Deck still.
Hasard reagierte als erster. Der Schuß war unter Deck gefallen, also hatte er etwas mit den gefangenen Spaniern zu tun!
Hasard rannte los. Mit großen Schritten lief er an der Gräting vorbei und war als erster am Niedergang. Er schlitterte die Stufen hinunter und knallte dabei mit dem Kopf gegen einen Decksbalken, daß er Sterne sah.
Das Licht einer Öllampe erhellte das Zwischendeck nur mäßig, aber Hasard konnte die beiden Männer, die sich dort hinten an der Ladeluke auf den Planken wälzten, deutlich erkennen.
Matt Davies hatte Mühe, sich des Mannes zu erwehren, der ihn von hinten angesprungen hatte. Immer wieder versuchte er, mit seinem spitzgefeilten Haken nach seinem Gegner zu schlagen, aber der wich geschmeidig aus.
Neben den beiden Kämpfenden lag eine Pistole am Boden. Der Mann, der wie ein Spanier gekleidet war, wollte mit der freien Hand danach greifen, doch Hasard war schneller. Er hatte seine Benommenheit überwunden, war mit ein paar Schritten neben Matt Davies und trat die Pistole, die der Spanier wahrscheinlich als Schlagwaffe hatte benutzen wollen, zur Seite.
Hasard hörte hinter sich ein Geräusch.
„Vorsicht, die verdammten Dons kriechen aus ihrem Loch!“ schrie Matt Davies.
Hasard warf sich mit aller Kraft gegen die Luke und versuchte sie wieder zuzuknallen, bevor es dem ersten Spanier gelang, herauszukriechen.
Allein hätte der Seewolf es wohl kaum geschafft, aber plötzlich waren sie alle da. Ferris Tucker schlug einem der Spanier, der seinen Kopf durch die Luke steckte, einen Belegnagel über den Schädel. Blacky und Batuti warfen sich auf den Lukendeckel, und das Bürschchen Dan O’Flynn fuchtelte mit seiner Enterpike herum.
„Verdammt, Junge, sei vorsichtig mit dem Ding“, sagte Ferris Tucker. „Wenn du mich damit piekst, reiß ich dir die Ohren ab.“
Der Spanier, der Matt Davies von hinten angefallen hatte, fiel auf den Rükken, als Matt ihm den Ellenbogen in den Magen stieß. Angesichts der feindlichen Übermacht versuchte er gar nicht erst, sich wieder zu erheben.
„Was war los, Matt?“ fragte Hasard. „Wie konnte der Kerl aus der Luke kriechen, ohne daß du es gemerkt hast?“
„Verdammt und zugenäht! Der Kerl kam nicht aus der Luke!“ Matt Davies war ziemlich beleidigt. „Er muß einen anderen Weg gefunden haben.“
„Vielleicht ist das der Mann, nach dem wir gesucht haben“, sagte Dan. Er hielt dem Spanier seine Enterpike unter die Nase.
Der Mann sprudelte ein paar Worte hervor, aber niemand verstand ihn.
„Werft ihn zu den anderen“, sagte Hasard. Er wollte sich schon umdrehen, als er den blutigen Arm von Matt Davies sah.
Matt zuckte mit den Schultern.
„Nur eine kleine Schramme von der Kugel“, sagte er.
„Geh rauf zum Kutscher und laß dich verarzten“, sagte Hasard. „Carter, du übernimmst hier unten die Wache. Alle halbe Glasen wird hier abgelöst. Wir können es uns nicht leisten, daß einer hier einpennt, klar?“
„Aye, aye“, sagte Carter, und die anderen Männer trollten sich wieder an Deck, nachdem sie den Spanier zu seinen Kumpanen geworfen hatten.
Ben Brighton gab Pete Ballie, der am Kolderstock stand, den Befehl, einen Strich weiter nach Steuerbord zu halten. Ben hatte recht gehabt. Der Wind hatte auf Südost gedreht und trieb die schwerfällige „Isabella“ vor sich her.
Hasard berichtete Ben von dem Vorfall und blickte dann zurück nach Osten, wo sich der Himmel aufklarte und langsam rot färbte.
Noch war nichts von einem Verfolger zu sehen, aber das konnte sich schnell ändern. Zu wertvoll war die Ladung der „Isabella“, als daß die Dons sie ohne weiteres entwischen lassen konnten.
Der Sturm hatte auch sein Gutes gehabt. Vielleicht hatte er die Verfolger abgetrieben.
Hasard schüttelte den Kopf. Es hatte keinen Sinn, über Dinge nachzudenken, die er doch nicht beeinflussen konnte.
Er mußte die „Isabella“, mit den dreißig Tonnen Silberbarren im Bauch nach England bringen – eine Aufgabe, die ihm und seinen Männern alles abverlangen würde. Und obendrein hatten sie noch achtundvierzig Dons und ihren Capitan an Bord. Sie würden nicht die ganze Fahrt über stillhalten. Wie leicht es zu einer Explosion kommen konnte, das hatte Hasard vorhin erlebt.
„Auf nach Old England“, sagte Ben Brighton grinsend, als hätte er Hasards Gedanken erraten. „Ich freue mich schon auf das Gesicht von Kapitan Drake, wenn er von deinem Coup in Cadiz erfährt ...“
ENDE