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2.

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Philip Hasard Killigrew hockte neben Ferris Tucker und wartete, bis der Schiffszimmermann aus seinem Pulverhorn genügend Pulver in den Zündkanal des Fünfpfünders geschüttet hatte.

Neben ihnen kauerten die anderen Männer des Prisenkommandos im heißen Sand des schmalen Strandes. Der Graben, den sie ausgehoben hatten, gewährte ihnen nur wenig Schutz vor den Kugeln der Spanier, doch Hasard war froh, daß er die Männer hatte überzeugen können, diesen Graben auszuheben. Sonst wären sicher nur noch die Hälfte von ihnen am Leben gewesen.

Der Bootsmann Ben Brighton und der junge Donegal Daniel O’Flynn feuerten gerade ihre Musketen ab, aber die Spanier hatten sich eine gute Deckung ausgesucht, in den zerklüfteten Felsen waren sie kaum zu sehen.

Hasard hatte eine gute Möglichkeit gefunden, die Soldaten aus ihren Dekkungen zu scheuchen. Er schoß einfach auf die Felswand. Die herunterstürzenden Brocken prasselten dann auf die Soldaten herunter, und wenn sie nicht von ihnen erschlagen werden wollten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als das Weite zu suchen.

Auf diese Art hatten Ben Brighton und die anderen Männer bereits sieben spanische Soldaten ausschalten können.

Ein Blick hinüber zu den Häusern von Punta Lagens zeigte Hasard, daß die Männer, die dort wohnten, noch nicht in den Kampf eingreifen wollten. Wahrscheinlich nahmen sie an, daß die Soldaten die paar Engländer allein überwältigen würden – oder aber sie hatten einen großen Respekt vor den Fünfpfündern, die den Engländern in die Hände gefallen waren.

„Fertig“, sagte Ferris Tucker. Der Schiffszimmermann hatte die Kanone auf einen Vorsprung in der Felswand gerichtet, unter dem er ein paar spanische Soldaten vermutete.

Hasard nickte. Er wartete noch. Er wollte erst feuern, wenn sich die Soldaten bemerkbar machten. Bisher hatte sich der Kampf, der jetzt schon über drei Stunden andauerte, nur auf größere Entfernung abgespielt. Hasard hatte anfangs vermutet, die Soldaten würden ihren kleinen Verteidigungsring stürmen, aber das war den Spaniern wohl zu gefährlich gewesen. Jetzt hatten sie bereits ein paar Tote zu beklagen, und das Verhältnis hatte sich zugunsten der Engländer verändert.

Er fluchte leise vor sich hin. Er hatte gehofft, daß Ferris Tucker nur wenig Mühe mit dem neuen Fockmast hatte, aber zu ihrem Pech waren die Soldaten, die die Karacke an Land gesetzt hatte, schon bald aus dem Landesinneren zurückgekehrt. Sie hatten die Engländer sofort angegriffen, so daß die Arbeit am Mast nicht hatte fortgesetzt werden können.

Dreißig Soldaten waren ein gefährlicher Gegner für die Crew, mit der Philip Hasard Killigrew die „Santa Barbara“ hierher nach Flores gesteuert hatte. Aber sie hatten unmöglich die Insel verlassen können. Sie brauchten den Fockmast, wenn sie die beiden Schiffe nach England bringen wollten.

Zum Glück waren ihnen die Kanonen in die Hände gefallen. Es war nicht auszudenken, wie es jetzt um sie stünde, wenn die Spanier sie vom Plateau über dem Strand aus auf sie hätten abfeuern können.

Er sah, wie sich ein paar Spanier aufrichteten, um ihre Musketen abzufeuern.

„Ben, Achtung!“ rief er. Seine Hand mit dem brennenden Holzspan zuckte nach vorn. Die kleine Flamme schlug ins Zündloch, setzte das Pulver mit einem Zischen in Brand, und dann explodierte die Pulverladung und jagte die Eisenkugel aus dem Lauf.

Krachend schlug sie in die Felsen. Lavabrocken brachen aus der zerklüfteten Wand und polterten herunter. Hasard hörte die Schreie der Spanier. Gestalten in schimmernden Rüstungen sprangen hinter ihren Deckungen hervor und liefen davon.

Ben Brighton und Dan O’Flynn feuerten.

Hasard sah, wie einer der Spanier zu Boden ging und hinter einem Felsvorsprung verschwand. Er wußte nicht, ob der Mann tot oder verletzt war. Jedenfalls hatte er keinen Schrei ausgestoßen.

Dafür schrie jetzt jemand in Hasards Rücken. Er wandte sich um, und als er sah, wie sich Batuti, der große Neger aus Gambia, aufrichten wollte, brüllte er: „Hinlegen!“

Batuti ließ sich fallen. Sein Gesicht klatschte in den Sand. Er prustete und spuckte, als er den Kopf wieder hob. Seine rechte Hand wies hinüber zur Bucht, wo zwischen den beiden vor Anker liegenden Galeonen eine Karacke aufgetaucht war.

Hasard erkannte das Schiff sofort wieder, und er sah mit einem Blick, wie schwer es angeschlagen war. Sein Kopf ruckte herum, um zu sehen, was die Spanier unternahmen, aber die Soldaten waren wahrscheinlich zu überrascht. Und sie konnten wohl deutlich genug sehen, daß die Mannschaft der Karacke nicht aus Spaniern bestand, die ihnen zu Hilfe eilen würden.

Er beobachtete, wie die Gambia-Neger ihr beschädigtes Schiff an den Strand setzten. Er wußte nicht, ob jemand dem Rudergänger den Befehl gegeben hatte, das Ruder so zu stellen, daß die Karacke beim Auflaufen nach Steuerbord krängte. Jedenfalls war es eine Meisterleistung, wie er sie sich nicht besser zugetraut hätte. Deutlich sah er an Backbord die zerfetzten Planken im Rumpf, durch die ungeheure Wassermengen in das Schiff eingedrungen sein mußten.

Die Schwarzen sprangen brüllend von der Backgräting ins Wasser.

Hasard ruckte herum, als Ferris Tucker ihn an der Schulter packte und auf die Hütten am Hang hinwies. Einer der Bewohner von Punta Lagens war am Strand aufgetaucht und zielte mit einer Muskete auf die Schwarzen. Eine Kugel, die auf der Karacke abgefeuert wurde, warf den Spanier auf den Rücken.

Mit ohrenbetäubendem Gebrüll stürmten die Gambia-Neger auf die Felswand zu, an deren Fuß sich die Spanier verschanzt hatten.

„Feuer, Männer!“ schrie Hasard und riß selbst die Muskete hoch, die zu seinen Füßen lag. Er jagte die Kugel hinüber zur Felswand, wo sich ein paar Soldaten erschrocken erhoben hatten.

Eine Salve zwang sie wieder in Deckung.

Hasard nutzte die Gelegenheit. Er packte ein Entermesser und eine Pistole und sprang auf.

„Los, Männer!“ schrie er. „Jetzt jagen wir die verfluchten Spanier ins Meer!“

Wie ein Mann erhoben sich die Engländer. Neben Hasard sprangen der rothaarige Riese Ferris Tucker und der Gambia-Neger Batuti auf. Ben Brighton und Dan O’Flynn sprangen aus dem Graben, gefolgt von Blacky, Smoky, dem Kutscher und sechs weiteren Männern. Sie alle hatten ihre Musketen weggeworfen. Die langen, schweren unhandlichen Dinger waren bei einem Kampf Mann gegen Mann nur hinderlich.

Die heranstampfenden, brüllenden Schwarzen sahen wirklich furchterregend aus, und Hasard war froh, daß sie auf seiner Seite standen. Batuti lief ihnen entgegen und rief ihnen ein paar Worte zu, und dann vereinigten sich die Schwarzen und ihre Retter, die sie aus dem Bauch einer spanischen Sklavengaleone befreit hatten.

Einer der Spanier schoß seine Muskete ab. Die Kugel traf einen der Schwarzen in die Brust und riß ein fürchterliches Loch. Die Wut der Gambia-Neger wurde dadurch nur noch mehr angestachelt.

Die spanischen Soldaten ergriffen die Flucht. Hasard sah, wie sie auf eine Felsspalte zuliefen. Dahinter verbarg sich ein stufenförmiger Aufgang zum Plateau. Neben ihm feuerte Ferris Tucker seine Pistole ab. Einer der Soldaten warf die Arme hoch, stolperte noch ein paar Schritte weiter und brach dann zusammen.

Die restlichen Spanier hatten Glück. Sie schafften es, das Plateau zu erreichen. Die Schwarzen wollten ihnen nachstürmen, aber Batutis mächtiges Organ hielt sie zurück. Es war keine Sekunde zu früh. Ein Hagel von Gesteinsbrocken regnete den stufenförmigen Aufgang herunter.

Die Schwarzen schrien vor Enttäuschung auf, daß die Spanier ihnen entkommen waren. Hasard war nicht weniger enttäuscht, aber er fing sich schnell wieder. Die Soldaten würden einige Zeit brauchen, um sich von ihrer Niederlage zu erholen. In der Zwischenzeit mußte die Arbeit am Fockmast mit aller Eile vorangetrieben werden, denn ein weiteres, viel größeres Problem wartete jetzt auf Ferris Tucker, den Schiffszimmermann.

Hasard befahl ein paar seiner Leute, die toten oder verwundeten spanischen Soldaten ins Dorf zu bringen. Ben Brighton sollte die Einwohner von Punta Lagens zusammenrufen und die Hütten noch einmal gründlich nach Waffen absuchen. Hasard und seine Männer konnten es sich nicht leisten, das Risiko in Kauf zu nehmen, von hinten angegriffen zu werden.

Von Batuti ließ sich Hasard erzählen, was die Schwarzen in diese Bucht zurückgetrieben hatte. Als er von dem kochenden Meer hörte, wußte er, daß es sich nur um ein Seebeben handeln konnte, wie sie in dieser vulkanischen Gegend häufiger auftraten. Die Schwarzen hatten viel Glück gehabt, daß sie das Beben, in dessen Zentrum sie sich anscheinend befunden hatten, lebend überstanden hatten. Daß sie anschließend zu dicht an die Küste gefahren waren, konnte man nur als Dummheit bezeichnen, aber Hasard wußte aus Erfahrung, wie einem ein so unheimliches Ereignis wie ein Seebeben zusetzen konnte. Daß die Schwarzen durchgedreht waren, konnte er gut verstehen.

Ferris Tucker besah sich den Schaden an der Karacke. Er fluchte ununterbrochen vor sich hin, und als Hasard ihn fragte, wie lange er für eine Reparatur des Lecks brauchen würde, antwortete der Schiffszimmermann brummend: „Unter einer Woche ist da gar nichts drin.“

Hasard schüttelte den Kopf und schlenderte den Strand entlang. Er brauchte jetzt Ruhe, um nachdenken zu können.

Eine Woche, das war eine verdammt lange Zeit. Ihm brannte die Zeit unter den Nägeln. Nicht, daß er die Soldaten fürchtete. Sie würden sich hüten, einen zweiten Angriff zu wagen, nachdem die Engländer Verstärkung erhalten hatten. Vielmehr fürchtete Hasard, daß eine der zahlreichen spanischen Flotas, die um diese Zeit aus der Neuen Welt zurück nach Europa segelten, sie in der Bucht von Punta Lagens entdecken konnte.

Vielleicht wurden sie auch von der grauen Rauchfahne angelockt, die etwa acht Seemeilen nördlich von Flores auf der Insel Corvo in den wolkenlosen Himmel stieg. Sie konnte nur von der Besatzung der „Santa Barbara“ stammen, die sie dort an Land gesetzt hatten.

Hasard fühlte sich ein bißchen müde. Er war enttäuscht, daß er den Auftrag Francis Drakes, die „Santa Barbara“ nach Plymouth zu bringen, nicht hatte so ausführen können, wie er es vorgehabt hatte. Statt mit der Galeone auf dem Kurs nach England zu segeln, saß er hier auf der Azoreninsel Flores fest. Und jeden Tag mußte er damit rechnen, daß ein Geschwader spanischer Kriegsgaleonen auftauchte, die ihm seine Prisen wieder abjagen und ihn und seine Männer töten konnten.

Am sichersten wäre es, den Fockmast fertigzustellen und dann sofort die Heimreise anzutreten. Aber er wußte, daß er das den Schwarzen nicht antun konnte – sie waren viel zu hilflos.

Seewölfe Paket 1

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