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6.

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Den ganzen nächsten Tag und die darauffolgende Nacht steuerten die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ noch südlichen Kurs. Bogo, Onoba und Tarim waren froh darüber. Langsam verloren die Schwarzen ihre Furcht vor den beiden Spaniern. Sie hatten sie aufs Quarterdeck gebracht.

Der braungebrannte de Pordenone mit der Adlernase und dem Bärtchen auf der Unterlippe stand an der Quarterdecksreling. Er schien sich mit seinem Schicksal abgefunden zu haben. Er unterhielt sich mit Bogo. Die beiden Männer redeten hauptsächlich in Zeichensprache. De Pordenone hatte wohl den Eindruck gewonnen, daß die Schwarzen es mit ihrem Versprechen ernst meinten.

Der kleine Giftzwerg Juan Descola war am Besanmast festgezurrt. Der Stinkstiefel mit dem gelblichen Gesicht und seinem martialischen Knebelbart war sich wohl darüber im klaren, daß er auf dieser Reise nichts zu lachen hatte. Zu sehr hatte er die gefangenen Schwarzen gequält und ihren Stolz verletzt. Noch immer hing seine Kleidung voll von dem Speichel der Frauen, die ihn angespuckt hatten, als er noch an den Hauptmast gefesselt gewesen war. Nur der Fürsprache de Pordenones hatte er es zu verdanken, daß er aufs Quarterdeck geholt worden war.

Zwei Stunden nach Sonnenaufgang verständigte sich Hasard mit Ben Brighton, daß es an der Zeit war, auf östlichen Kurs zu gehen. Sie gaben Zeichen an die Karacke, und nachdem man einander noch einmal zugewinkt hatte, wurden auf den beiden Galeonen die Rahen gebraßt und die Schiffe auf den neuen Kurs gebracht. Die Segel der Karacke blieben rasch zurück. Hasard konnte nur hoffen, daß de Pordenone die Schwarzen heil in ihre Heimat zurückbrachte.

Hasard ging in die Kapitänskammer und legte sich in seine Koje. Die ganze Nacht über hatte er auf dem Deck gestanden. Wenn irgend etwas Außergewöhnliches geschah, würde Ferris Tucker ihn wecken.

Das Wetter meinte es gut mit ihnen. Der steife Wind blies aus Nordwest. Die beiden Galeonen liefen gute Fahrt, obwohl sie nur das Großsegel und die Fock gesetzt hatten. Der Wind kam achterlicher als dwars, und sie segelten raumschots mit Backbordhalsen.

Hasard schlief gerade ein, als er den Lärm von Deck hörte. Erschrocken sprang er auf und knallte mit dem Kopf gegen die Kojendecke. Fluchend rollte er aus der Koje.

In diesem Moment wurde die Tür zur Kammer aufgerissen. Ferris Tuckers breite Figur füllte den Rahmen aus. Der rothaarige Riese fluchte unterdrückt.

„Die Kerle sind verrückt“, sagte er knurrend. „Kaum warst du unter Deck, da haben sie sich Matt Davies geschnappt und ihn auf die Gräting gebunden. Sie wollen ihm zwanzig Schläge mit der Siebenschwänzigen überziehen, weil er in der Nacht, als die Spanier mit der Kriegsgaleone auftauchten, als einziger bei den Weibern war, während alle anderen wie die Irren geschuftet haben.“

Hasard grinste. Er dachte an die wutverzerrten Gesichter von Blacky und Smoky, als sie losgerudert waren, um die Kriegsgaleone in die Hölle zu blasen. Er konnte die Männer gut verstehen. Matt Davies hatte seine Strafe verdient. Doch andererseits waren sie sowieso hoffnungslos unterbesetzt, und wenn Davies jetzt zwanzig Hiebe übergezogen kriegte, war er die nächsten drei Tage an Deck nicht mehr zu gebrauchen. Das konnten sie sich nicht leisten.

Wenn ein spanisches Schiff auftauchte, brauchten sie jeden Mann.

Hasard schüttelte den Kopf.

„Er hat es verdient“, sagte er, „aber zwanzig sind zuviel. Blacky soll ihm fünf geben, das genügt.“

Er wollte sich in die Koje zurücklegen, aber Ferris Tucker schüttelte den Kopf.

„Du solltest an Deck gehen. Wenn du dabei bist, wird es keinen Krawall geben.“

Hasard nickte. Seufzend erhob er sich und zog den Hosengürtel stramm. Der Wind pfiff ihm um die Ohren, als er das Deck betrat und zur Quarterdecksreling hinüberging.

„Nur fünf Hiebe, Blacky!“ sagte er scharf.

Er sah, wie Matt Davies, der flach auf der Gräting lag, zur Seite ausspuckte. Wahrscheinlich wollte er damit andeuten, daß diese fünf Schläge für ihn nicht mehr waren als ein Mückenstich.

Blacky schien das gleiche zu denken.

„Und hinterher kriegt er noch ’ne Extraration Wein, wie?“ sagte er grollend.

„Nur fünf, verstanden?“ Hasard schnitt Blackys Worte mit einer Handbewegung ab. „Los, fang an.“

Blacky starrte Hasard eine Weile wütend an, dann drehte er sich um und ließ die Lederstriemen auf den blanken Rükken von Matt Davies sausen. Es klatschte, und Davies’ Körper bäumte sich ein wenig auf, aber kein Laut des Schmerzes drang über seine Lippen.

Beim zweiten Schlag platzte die braungebrannte Haut. Blutfäden rannen die Wirbelsäulenwölbung hinab. Blacky schlug zum drittenmal zu. Diesmal konnte Matt Davies ein leises Stöhnen nicht verhindern.

„Ha, du alter Hurenbock!“ schrie Blacky. „Ich werde dir zeigen, was es heißt, deine Kameraden in die Pfanne zu hauen!“

Wieder klatschte das Leder auf den blutenden Rücken.

Hasard sah bewegungslos zu. Für ihn war das Schauspiel nichts Neues. Auf den Schiffen seines Alten gehörten solche Disziplinarstrafen zum normalen Arbeitstag. Hasard hatte schon miterleben müssen, wie bärenstarke Männer förmlich zu Tode gepeitscht wurden.

„Schluß jetzt!“ sagte Hasard scharf, als Blacky zum sechsten Mal zuschlagen wollte. „Bindet ihn los und bringt ihn unter Deck. Ferris, für alle Männer eine Kanne Wein. Ob Davies etwas kriegen soll, bleibt den Männern überlassen.“

Hasard sah, wie Dan O’Flynn und Batuti die Fesseln des Ausgepeitschten lösten.

Matt Davies war wirklich ein harter Brocken. Er richtete sich sofort auf und schüttelte seinen stiernackigen Schädel. Er taumelte etwas, als er sich erhob, doch nach Sekunden stand er bereits wieder fest auf seinen stämmigen Beinen.

Hasard drehte sich um und ging zur Kapitänskammer zurück. Er grinste, als er die lauten Worte von Davies hörte.

„Die Schläge verdaue ich, Blacky, aber wenn du mir die Kanne Wein verweigerst, dann werde ich dir mit meinem Haken die Nase aus dem Gesicht reißen!“

Brüllendes Gelächter folgte. Hasard vermutete, daß Blakky und Matt Davies sich jetzt gegenseitig auf die Schultern klopften. So waren diese Männer nun einmal. Jemand hatte sich gegen seine Kameraden gestellt und war dafür bestraft worden. Hinterher war die Sache schnell vergessen, und man war wieder eine Mannschaft, die zusammen dem Teufel den Schwanz ausriß.

Hasard ließ sich auf sein Lager fallen. Nur noch im Halbschlaf hörte er die brüllenden Stimmen der Männer, die sich ihren Wein von Ferris Tucker holten.

„Mit dem Seewolf bis in die Hölle!“ schrie einer, und die anderen stimmten ein.

Hasard grinste, und er wäre nicht ehrlich gewesen, hätte er behauptet, daß diese Worte ihn nicht gefreut hätten. Es war noch nicht lange her, da war er für diese Männer nichts weiter als ein grüner Junge gewesen, mit dem sich ein echter Seemann die Nase abputzen konnte, und jetzt schien es, als hätte ihn auch der sturköpfigste Kerl unter ihnen akzeptiert.

Sie hatten den zwanzigsten Längengrad überschritten. Der steife Wind hatte vollends auf West gedreht. Die beiden Galeonen segelten dicht zusammen auf nordöstlichem Kurs. Beide Schiffe wurden auch weiterhin nur mit Großsegel und Fock gefahren. Dementsprechend langsam waren sie.

Die „Barcelona“ lag höher im Wasser als die „Santa Barbara“, da sie keine Ladung an Bord hatte. Sie war schwieriger zu handhaben als die „Santa Barbara“, aber sie war auch um einiges schneller. Ab und zu mußte Hasard die Fock backbrassen lassen, damit die „Santa Barbara“ wieder heranschließen konnte.

„Segel Backbord voraus!“

Hasard konnte die Worte, die der Ausguck im Großmars von Ben Brightons Galeone gerufen hatte, nur undeutlich verstehen, aber er erfaßte sofort, was sie zu bedeuten hatten. Land war nirgends in der Nähe. Also konnte der Mann, es war der blonde Jim Maloney, nur ein anderes Schiff entdeckt haben.

Hasard drehte sich zu Ferris Tucker um, der hinter ihm auf dem Quarterdeck stand.

„Gib mir den Kieker, Ferris“, sagte er.

„Verdammt, meinst du, das ist …“

Hasard unterbrach ihn mit einer kurzen Handbewegung.

„Wer weiß, wie lange die Dons bei den Bermudas vor Anker gelegen haben“, sagte er. „Möglich ist alles.“

Er nahm dem Schiffszimmermann den Kieker aus der Hand und ging aufs Mitteldeck hinab, um an den Wanten zum Großmars hinaufzuklettern. Im stillen hoffte er immer noch, daß es sich um ein einzelnes Schiff handelte, das der Ausguck der „Santa Barbara“ entdeckt hatte, doch Jim Maloney schrie sich die Kehle heiser.

Hasard brauchte sich darüber nicht mehr lange zu wundern. Er setzte den Kieker an die Augen und ließ ihn über die nördliche Kimm wandern. Wohin er auch schaute – überall sah er Segel und Mastspitzen.

Der Seewolf blieb ruhig. Es hatte keinen Sinn, jetzt in Panik zu geraten. Der Weg nach Norden war ihnen durch den riesigen Geleitzug, der auf dem Weg in seine Heimat Spanien war, abgeschnitten.

Ein leises Kribbeln lief Hasard über den Rücken, als er sah, daß mindestens zehn bis an die Zähne armierte Kriegsgaleonen um den Geleitzug herumwimmelten.

Zwei Möglichkeiten gab es. Sie konnten versuchen, den Spaniern zu entwischen, denn der Geleitzug fuhr so langsam wie sein langsamster Fahrer. Das hieß aber, daß sie vor dem Wind segeln mußten, und das hätte sie sehr schnell unter die spanische Küste gebracht.

Die zweite Möglichkeit war, die Spanier zu täuschen und im Geleitzug mitzufahren. In der Nacht konnten sie dann ihre Chance suchen, aus dem Verband auszubrechen und nach Norden zu entfliehen.

Hasard winkte zur „Santa Barbara“ hinüber. Ben Brighton, der auf dem Achterdeck stand, winkte zurück und brüllte ein paar Befehle. Langsam schob sich die „Santa Barbara“ dichter an die „Barcelona“ heran.

Hasard kletterte inzwischen hinunter und begab sich aufs Quarterdeck.

„Laß dich zu uns rüberpullen!“ schrie er gegen den steifen Wind hinüber.

Wenig später wurde an der Steuerbordseite der „Santa Barbara“ ein Boot abgefiert. Ben Brighton und zwei Männer kletterten über eine Jakobsleiter hinunter. Hasard erkannte Lewis Pattern, den dicken Segelmacher, und den Schweden Stenmark.

Mit kräftigen Schlägen pullten die beiden das Boot zur „Barcelona“ herüber. Hasard schickte Dan O’Flynn in den Großmars. Er sollte ihn warnen, wenn eins der Kriegsschiffe Kurs auf sie nahm.

Blacky half Ben Brighton an Bord. Dann hievten ein paar Männer das Boot an Deck, während Hasard mit Ben Brighton und Ferris Tucker hinunter in die Kapitänskammer ging.

Hasard kam sofort zur Sache.

„Wir haben keine andere Wahl, als im Geleitzug mitzusegeln, Ben“, sagte er. „Und dazu brauche ich dich hier an Bord der ‚Barcelona‘. Sicher wird man uns fragen, woher wir kommen. Du bist lange genug auf einem Spanier gefahren, um die richtigen Antworten geben zu können.“

Ben Brighton nickte.

„Die ganze Sache gefällt mir gar nicht“, sagte er. „Wir sollten die ‚Santa Barbara‘ sausen lassen, die Männer herüberholen und uns nach Süden verdrücken.“

Hasard ruckte herum.

„Und die Ladung der ‚Santa Barbara‘?“ fragte er scharf. „Würdest du Kapitän Drake mit leeren Händen unter die Augen treten, nachdem er dir eine Prise anvertraut hat?“

Ben Brighton schüttelte den Kopf.

„War nicht so gemeint, Hasard“, sagte er. „Es ist nur ein höllisches Ding, in einem spanischen Geleitzug mitzufahren. Wenn sie merken, daß wir Engländer sind, werden sie uns an den Rahen aufbaumeln.“

„Wir müssen es riskieren“, sagte der Seewolf verbissen. Er schüttelte den Kopf. Nein, er konnte die „Santa Barbara“ nicht einfach aufgeben. Drake hatte ihm die Prise anvertraut, und er, Hasard, war dafür verantwortlich, daß sie sicher im Hafen von Plymouth landete. Vielleicht würde Drake es ihm nicht einmal übelnehmen, wenn er erfuhr, in welch einer Situation Hasard ein Schiff aufgegeben hätte, aber Hasard selbst hätte es sich niemals verziehen. Wenn er die „Santa Barbara“ nicht nach England brachte, war er ein Versager.

„Ferris“, sagte er, „du läßt dich von Stenmark und Pattern zur ‚Santa Barbara‘ hinüberpullen. Setz die spanische Flagge und sag Stenmark, er soll sich seine verdammten blonden Haare mit Teer einschmieren, damit man ihn für einen Don hält. Das gilt auch für Jim Maloney und alle anderen Männer. Ihr werdet genügend Klamotten an Bord finden, mit denen ihr euch wie echte Dons verkleiden könnt.“

Ferris Tucker fuhr sich mit seiner linken Hand durch die borstige rote Mähne.

Hasard grinste. Ihm fiel etwas ein. Er hatte doch in der großen Truhe, die neben der Koje stand …

Er ging hinüber, öffnete den Deckel und zog grinsend eine lockige schwarze Perücke hervor.

Ferris Tucker riß den Mund auf und vergaß, ihn wieder zu schließen.

„Nein, Sir“, sagte er heiser. „Das kannst du nicht von mir verlangen. Die Männer werden sich die Bäuche halten vor Lachen. Ich werde zum Gespött aller englischen Seeleute!“

„Das ist noch nicht alles, Ferris“, sagte Hasard, der sich ein Lachen kaum verkneifen konnte. „Mit deinen Klamotten siehst du wirklich nicht wie ein Capitan aus.“ Er zog eine betreßte Montur aus der Truhe und hielt sie in die Höhe. Wußte der Teufel, wem sie einmal gehört hatte. Dem Giftzwerg Juan Descola auf keinen Fall. Der hätte zweimal in die Hose hineingepaßt.

Ferris Tucker erklärte sich nach einigem Hin und Her bereit, die Sachen zu probieren. Sie paßten nur knapp. Tuckers Schultern schienen die Nähte der Jacke sprengen zu wollen.

„Die Perücke, Ferris“, sagte Hasard sanft, als sich der Schiffszimmermann in seiner neuen Montur aus der Kammer schleichen wollte.

Tucker stöhnte. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Doch dann riß er Hasard die Lockenperücke aus den Händen und stülpte sie sich über den Kopf.

Ben Brighton, der die ganze Zeit kein einziges Wort gesagt hatte, konnte sich nicht mehr beherrschen. Er prustete los.

„Beim dreimal verfluchten Klabautermann!“ brüllte Ferris Tucker. „Warum muß er nicht einen solchen Mop aufsetzen?“

„Wir haben keine roten Haare, Ferris“, sagte Hasard grinsend. „Wir sehen auch so von weitem wie Dons aus.“

Ferris Tucker drehte sich wütend herum und stiefelte aus der Kammer und den Gang entlang hinaus aufs Quarterdeck. Am Niedergang zum Mitteldeck blieb er stehen und starrte die Männer der „Barcelona“ wütend an.

Blacky, Smoky und die anderen standen mit offenem Mund da. Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie Ferris Tucker erkannten.

„Das – das – das ist doch …“, stotterte Matt Davies.

Sie brüllten alle auf einmal los. Blacky schlug sich auf die Schenkel. Der Kutscher kicherte in seinem hohen Diskant.

„Ruhe, ihr Bastarde!“ Ferris Tuckers Gesicht war rot angelaufen. „Ich werde euch mit der Peitsche übers Deck jagen, wenn nicht jeder von euch innerhalb einer Minute wie ein Don aussieht, verstanden?“

Blacky trat ein paar Schritte vor und wackelte dabei mit den Hüften.

„Haben Sie für mich nicht auch so eine feine Lockenpracht, Sir?“ fragte er und spitzte beim Sprechen die Lippen.

Ferris Tucker begann zu kochen. Er riß einen Belegnagel aus der Quarterdecksbrüstung und schleuderte ihn auf Blacky, der erst im letzten Moment dem Geschoß ausweichen konnte.

„Schluß jetzt, Leute!“ befahl Hasard laut. „Tut, was Ferris euch gesagt hat. Wir werden mit dem Geleitzug segeln, und dazu müßt ihr wie Dons aussehen. Ihr wißt, was euch erwartet, wenn uns die Spanier erwischen.“

„Aye, aye!“

Die Männer verschwanden unter Deck. Sie wußten, daß ihnen ein paar harte Stunden bevorstanden, in denen es buchstäblich um ihr Leben ging, wenn sie nicht gut genug schauspielerten. Die Männer mit hellen Haaren rieben sich Teer, und Asche in die Haare. Sie zogen die Sachen der Spanier an, die sich noch fanden, und nach wenigen Minuten standen sie wieder an Deck. Ferris Tucker und die beiden Rudergasten pullten bereits wieder zur „Santa Barbara“ hinüber.

„Eine Kriegsgaleone hält auf uns zu!“

Der Schrei aus dem Großmars ließ die Männer zusammenzucken. Schnell und scharf erfolgten Hasards Befehle. Dan O’Flynn schwang sich über die Wanten nach unten und nahm wie die anderen Männer seinen Platz ein, nachdem auch er seine blonden Haare mit Teer schwarz gefärbt hatte.

Hasard hoffte, daß der spanische Kommandant kein zu scharfer Hund war. Er ahnte, welche Schwierigkeiten er ihnen bereiten konnte. Wenn er annahm, daß sie auf eigene Faust aus der Neuen Welt zurück nach Spanien gefahren waren, würde er sie vielleicht alle in Ketten legen lassen. Und eins war sicher: Wenn auch nur ein Spanier die Decks der „Barcelona“ oder der „Santa Barbara“ betrat, waren Hasard und seine Männer verloren.

Die Flota, die Hasard jetzt deutlich mit bloßem Auge erkennen konnte, bestand aus mindestens achtzig Schiffen. Hasard kannte das spanische Dekret aus dem Jahre 1561, das es den Kapitänen verbot, allein über den Atlantik zurück in die Heimat zu segeln und somit den immer frecher werdenden Korsaren und Piraten Gelegenheit zu geben, das Schiff zu kapern. Die riesigen Flotten, die das Gold und das Silber aus der Neuen Welt transportierten, wurden meistens in Havanna zusammengestellt und segelten dann über die Azoren ostwärts mit dem traditionellen Zielhafen Sevilla, wo die Casa de Contratacion die unermeßlichen Schätze in ihrem Goldturm hortete.

Die Kriegsgaleone war von der gleichen Größe wie das Schiff, das Hasard vor der Bucht von Punta Lagens in die Luft gejagt hatte. Sie hatte vierundzwanzig Zwölfpfünder und achtzehn Fünfpfünder an Bord, die auf zwei Decks verteilt waren. Eine Breitseite dieser Galeone konnte die „Barcelona“ in ihre Bestandteile zerlegen.

Hasard sah das wütende Armwinken des Kapitäns auf der Poop der Kriegsgaleone. Wie ein gereizter Schwan rauschte das Schiff heran. Als es eine Halse fuhr, um auf Parallelkurs mit den beiden kleinen Galeonen zu gehen, sah Hasard den Namen des Schiffes, der mit großen goldenen Lettern auf der Heckgalerie stand. Es war die „Cartagena“.

Hasard wartete, bis sich die Kriegsgaleone bis auf fünfzig Yards genähert hatte. Er schob Ben Brighton vor, als er sah, daß der spanische Kapitän sich anschickte, etwas zu ihnen herüberzurufen.

Der Wind trug die Worte deutlich zu ihnen herüber.

„Was will er?“ fragte Hasard und sprach unwillkürlich leise.

„Er will wissen, woher wir kommen und welche Ladung wir an Bord haben.“

„Antworte ihm, bevor er mißtrauisch wird“, sagte Hasard hastig. „Du weißt, was du ihm zu erzählen hast!“

Ben Brighton mußte laut brüllen, denn die Kriegsgaleone lag in Luv. Vielleicht war das ihr Glück, denn der Wind verzerrte Bens Worte. Er schrie hinüber, daß sie von Afrika heraufsegelten und Gewürze und Seidenstoffe aus Asien an Bord hätten.

Hasard schwitzte Blut und Wasser. Der Kapitän der Kriegsgaleone fragte Ben Brighton Löcher in den Bauch. Die Namen der Kapitäne? Ben brüllte hinüber, daß die „Barcelona“ unter dem Kommando von Juan Descola, die „Santa Barbara“ unter dem des Kapitäns de Pordenone stünde.

Zielhafen?

Cartagena.

Hasard sah, wie sich Ben Brightons Gesicht zu einem schmalen Grinsen verzog, als der spanische Kapitän einen längeren Sermon herüberrief.

„Was hat er gesagt?“ fragte Hasard.

„Er meinte, wir hätten Glück gehabt“, sagte Ben Brighton, ohne die Lippen zu bewegen. „Sie hätten vor zwei Tagen südlich von Terceira Piraten gesichtet. Wahrscheinlich verfluchte Engländer.“

Hasard blieb ernst. Das war wahrscheinlich Drake mit der „Marygold“ gewesen, der dort auf der Lauer gelegen hatte. Vielleicht hatte er sogar versucht, sich aus dem Geleitzug einen fetten Happen herauszuholen. Drake war alles zuzutrauen.

Wieder rief der Kapitän der Kriegsgaleone etwas herüber. Hasard befürchtete schon, daß er beabsichtigte, ein Boot zur „Barcelona“ hinüberzuschicken, denn ein paar Spanier hantierten an der Barkasse, die auf dem Mitteldeck stand.

Ben Brighton antwortete auf die Worte des Spaniers mit einem kurzen: „Si, capitan!“ Dann begann er plötzlich, in Spanisch Befehle über Deck zu schreien. Die Männer glotzten ihn an, als hätte er sich in den Klabautermann verwandelt. Zischend gab er die Anweisungen in Englisch an Hasard weiter.

„Wir sollen mit dem Geleitzug bis nach Cadiz fahren. Befehl des Admirals. Außerdem sollen wir alle Segel setzen, damit wir die Geschwindigkeit der anderen Schiffe halten können.“

Hasard begriff sofort. Da er die Befehle zum Setzen der Marssegel nicht laut über Deck brüllen konnte, sprang er den Niedergang zum Mitteldeck hinunter und trieb die Männer leise an. Er selbst kletterte mit Dan O’Flynn und Batuti in den Großmast. Sie arbeiteten wie die Irren. Hasard warf einen kurzen Blick zur „Santa Barbara“ hinüber.

Ferris Tucker hatte schnell geschaltet. Seine Männer befanden sich ebenfalls auf den Rahen und setzten die Marssegel. Wie der Blitz war Hasard wieder an Deck, um den anderen zu helfen, die Rahen zu brassen und die Schoten dichtzuholen. Es war keine leichte Aufgabe für eine so kleine Crew, eine Galeone unter vollem Zeug zu segeln.

Der spanische Kapitän schrie wieder etwas, und es klang ziemlich verärgert. Ben Brighton beugte sich über die Quarterdecksbrüstung und rief Hasard leise zu: „Er will das Lateinersegel am Besan auch noch sehen, der verfluchte Hund!“

Hasard jagte mit Batuti aufs Quarterdeck. Ben Brighton wollte mit anfassen, aber Hasard jagte ihn zurück an die Reling. Um keinen Preis durfte der Spanier merken, daß sie unterbemannt waren, denn dann würde der Kapitän sofort ein paar Leute übersetzen lassen, die ihnen helfen sollten, die Schiffe heil in die Heimat zu bringen. Und sobald der erste spanische Seemann seinen Fuß an Bord der „Barcelona“ oder der „Santa Barbara“ gesetzt hatte, würde er merken, was hier gespielt wurde.

Minuten später blähte sich das Lateinersegel im Wind.

Der Spanier schien zufrieden, als auch auf der „Santa Barbara“ das Besansegel gesetzt worden war. Die Kriegsgaleone entfernte sich langsam, blieb aber in Büchsenschußweite und führte die beiden Galeonen zum Geleitzug.

Hasard achtete darauf, daß er der „Santa Barbara“ nicht davonlief. Die Kriegsgaleone segelte jetzt weit voraus, um wieder den Schutz der südlichen Flanke zu übernehmen. Die „Barcelona“ und die „Santa Barbara“ hängten sich an den Schluß des Geleitzuges, der aus sechsundachtzig Handelsgaleonen bestand – fetten Happen, die der Seewolf am liebsten einen nach dem anderen gekapert hätte.

Seewölfe Paket 1

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