Читать книгу Seewölfe Paket 1 - Roy Palmer - Страница 30
5.
ОглавлениеHasard konnte nicht die Hand vor Augen sehen. Immer wieder tippte er Blakky und Smoky an, mit dem Pullen kurz aufzuhören. Sie lauschten in die Dunkelheit. Sie hörten nichts. Verdammt, hatte er sich im Kurs so sehr geirrt?
Krampfhaft schloß sich seine Hand um die Ruderpinne. Er tippte Blacky und Smoky an, die sich sofort wieder in die Riemen legten, Die schmalen langen Blätter tauchten geräuschlos in das bewegte Wasser.
Hasard öffnete den Mund und streckte die Zunge heraus, um den Wind aufzunehmen, der aufgefrischt hatte und aus nördlicher Richtung wehte. Gab es hier vor der Bucht eine Strömung, die er nicht bemerkt hatte? Nach seinen Überlegungen mußten sie die Kriegsgaleone längst erreicht haben.
Er hörte das leise Zischen aus dem Bug des Bootes. Blacky und Smoky hörten sofort auf zu pullen.
Hasard beugte sich vor. Nur undeutlich konnte er die Umrisse von Donegal Daniel O’Flynn und Matt Davies erkennen. Dan schob sich zwischen den beiden Rudergasten hindurch und deutete mit dem rechten Arm nach Backbord.
Hasard lauschte.
Da! Jetzt hatte er es auch gehört, Der auffrischende Wind spielte seine leise Melodie in der Takelage, und der mächtige Rumpf des Schiffes schien mit seinem Knarren den Takt dazu zu schlagen.
Hasard legte das Ruder herum und stieß Blacky an. Blakky und Smoky pullten weiter. Die Geräusche wurden immer deutlicher. Hasard vernahm das Klatschen der Wellen, die gegen den Rumpf der Kriegsgaleone schlugen. Er nahm an, daß die Spanier immer noch quer vor der Buchteinfahrt lagen, gehalten von einem Bug- und einem Heckanker.
Jetzt trug der Wind auch die Geräusche aus der Bucht zu ihnen herüber. Der Seewolf zerbiß einen Fluch auf den Lippen. Hoffentlich schafften es die Männer, sich die spanischen Soldaten vom Leib zu halten. Kleine Lichtpunkte zuckten durch die Dunkelheit, aber sie waren nicht hell genug, um die Umrisse der Kriegsgaleone aus der tiefen Schwärze der Nacht zu reißen.
Die Geräusche der Galeone, an deren Takelage der Wind zerrte, wurden immer deutlicher. Hasard hörte die Stimmen von Männern. Wahrscheinlich beobachteten sie das Spektakel an Land.
Blacky und Smoky hörten plötzlich zu pullen auf. Donegan O’Flynn hatte ihnen ein Zeichen gegeben. Ein kurzer Ruck ging durch das Boot, und Hasard befürchtete im ersten Augenblick, daß sie die Galeone gerammt hätten. Doch dann erkannte er die mächtige Trosse, an der sich Dan festgeklammert hatte. Matt Davies belegte die Vorleine des Bootes an der Trosse, Smoky und Blacky holten die Riemen ein und legten sie geräuschlos ins Boot.
Hasard strengte seine Augen an. Ein paar Yards von ihnen entfernt ragte das mächtige Heck der Kriegsgaleone in den schwarzen Himmel. Die Konturen verschwammen vor Hasards Augen. Er kletterte an Blacky und Smoky vorbei über die Ducht in den Bug des Bootes und versuchte zu erkennen, ob sie an der Trosse zur Heckgalerie hinaufklettern konnten. Er flüsterte mit Dan, aber selbst der konnte in der Dunkelheit nichts erkennen.
Ohne ein weiteres Wort schwang sich das Bürschchen über das Dollbord und hangelte sich wie ein Affe an der dicken Ankertrosse hoch. Sekunden später hatte ihn die Dunkelheit verschluckt.
Hasard fluchte über die Vorsicht der verdammten Dons. Nicht einmal in der Kapitänskammer brannte ein Talglicht. Wahrscheinlich hatten sie Angst, daß die Engländer aus der Bucht auf sie schießen würden, wenn sie durch ein Licht ihre Position verrieten.
Das Boot dümpelte ziemlich stark in der kurzen Dünung. Hasard fragte sich, wie lange die Spanier ihr Schiff noch quer zur Windrichtung vor der Bucht liegen ließen. Wenn der Wind noch mehr auffrischte, würden sie sicher den Heckanker einholen.
Dan O’Flynn tauchte wie ein Gespenst aus der Dunkelheit auf. Er nickte hastig.
„Kein Problem, auf die Heckgalerie zu gelangen“, flüsterte er. „Aber wir müssen aufpassen. Ich habe auf dem Quarterdeck drei Dons gesehen. Sie starren zur Bucht hinüber.“
Hasard nickte kurz. Er gab Blacky und Smoky ein Zeichen, daß sie die Pulverfässer zum Hochhieven vorbereiten sollten. Dan war bereits wieder in der Dunkelheit verschwunden. Matt Davies folgte ihm nun, das Seil in der Hand, an dem ein Pulverfaß hing.
Es gab ein leises Geräusch, als Davies mit seinem Eisenhaken gegen die Heckgalerie stieß. Sekundenlang verharrten die Männer, aber die Spanier schienen nichts gehört zu haben.
Jetzt schwang sich Hasard zur Ankertrosse hinüber. Zwischen dem Boot und der Heckgalerie klammerte er sich fest, packte die Leine, die neben ihm hing, und zog zweimal daran.
Sie straffte sich sofort. Hasard biß sich auf die Unterlippe, als sie durch seinen Handteller fuhr, aber er durfte nicht loslassen. Sonst fiel das Pulverfaß ins Wasser oder schlug gegen die Bordwand der Galeone.
Mit einer Hand und beiden Beinen kletterte er höher. Ein Arm streckte sich ihm entgegen und nahm ihm die Leine aus der Hand. Das Pulverfaß schwebte an ihm vorbei.
Hasard ließ sich an der Ankertrosse hinunterrutschen. Diesmal nahm er drei weitere Leinen entgegen. Smoky und Blacky mußten nur noch abwarten, bis Hasard und die beiden anderen die Pulverfässer auf die Heckgalerie gehievt hatten, dann war die Reihe an ihnen. Sie hatten genaue Instruktionen, an welcher Stelle sie die restlichen vier Pulverfässer anzubringen hatten. Hasard erhoffte sich von der Explosion an der Backbordseite dicht oberhalb der Wasserlinie einen großen Erfolg, aber sicher war er nicht. Aus diesem Grund hatte er sich entschlossen, durch die Kapitänskammer in das Achterschiff einzudringen und wenn es ging, die Ruderanlage außer Gefecht zu setzen.
Es klappte alles wie am Schnürchen. Nur Hasards Handfläche brannte, als hätte jemand mit einem Messer hineingeschnitten. Er verfluchte sich, daß er nicht Matt Davies die Aufgabe überlassen hatte, die Pulverfässer so lange über Wasser zu halten, bis sie von der Heckgalerie aus ohne Geräusch hochgezogen werden konnten. Matt Davies’ Eisenhaken hätte es nichts ausgemacht, das gleitende Seil zu halten.
Nach ein paar Minuten hatte er es endlich geschafft. Das letzte Pulverfaß schwang in der Luft und verschwand nach oben in der Dunkelheit. Hasard, der sich kaum mehr halten konnte, mußte mit der zerschundenen Hand die Trosse pakken und zog sich Stück für Stück hinauf, bis er die Hände von Dan und Matt Davies vor sich auftauchen sah. Er griff zu. Langsam zogen sie ihn hoch. Mit den Füßen, die in leichten Leinenschuhen steckten, stützte er sich an der Bordwand ab.
Dann stand er auf der Heckgalerie und unterdrückte mühsam das Keuchen seiner Lungen. Er brauchte eine ganze Weile, bis sich sein Atem wieder beruhigt hatte.
Unter ihnen plätscherte es leise. Blacky und Smoky waren bereits am Werk.
Hasard gab Dan und Matt Davies ein Zeichen. Es wurde Zeit, daß sie handelten. Von der Bucht her waren immer noch die Geräusche von Schüssen zu hören, und auf dem Plateau blitzten ab und zu kleine Lichtpunkte auf, die aussahen wie Wetterleuchten.
Dan stand bereits an der Tür, die von der Kapitänskammer auf die Heckgalerie hinausführte. Er versuchte sie aufzudrücken, aber sie war verriegelt. Hasard hörte, wie Dan mit dem Messer in die Ritze zwischen die beiden Türflügel fuhr und den innenliegenden Riegel hochzudrücken versuchte. Das schabende Geräusch war deutlich zu hören.
Schritte klangen auf. Die drei Männer preßten sich eng an die Wand und hielten den Atem an. Zwei Männer unterhielten sich über ihnen auf dem Achterdeck. Einer von ihnen lachte leise.
Hasard überlegte schon, ob er versuchen sollte, auf die Poop zu klettern und die beiden Spanier auszuschalten. Die Dons schienen seine Gedanken erraten zu haben. Langsam entfernten sich ihre Schritte.
„Los, weiter!“ flüsterte der Seewolf.
Dan drehte das Messer. Es knirschte leise, und dann schlug etwas gegen Holz. Der Riegel war heruntergefallen.
Langsam schob Hasard die Galerietür auf. Wenn sie jetzt Pech hatten, dann schlief der Kapitän der Kriegsgaleone in seiner Koje und wachte von dem Lärm, den sie trotz aller Vorsicht verursachten, auf. Vielleicht hielt er schon seine Pistole in der Hand und wartete nur darauf, daß sich der erste Eindringling zeigte, um ihm eine Kugel in den Wanst zu jagen.
Sie konnten sich nur langsam vortasten. Hier drinnen schien es noch dunkler zu sein als draußen. Hasard hatte ein solch großes spanisches Schiff noch nie betreten, und er wußte nicht, ob die Kapitänskammer genauso eingerichtet war wie die der „Barcelona“ oder der „Santa Barbara“.
Er stieß mit der Hüfte gegen eine scharfe Kante und konnte im letzten Augenblick einen Schmerzlaut hinunterschlukken. Verdammt, es hatte keinen Sinn, hier im Dunkeln herumzutappen. So würden sie die Tür, die hinaus auf den Gang führte, niemals finden, ohne Lärm zu verursachen. Eine Öllampe konnten sie nicht anzünden. Das Licht würde durch die seitlichen Fenster der Kapitänskammer fallen und sofort die Wachen an Deck alarmieren.
Hasard zog eine Lunte und Flintsteine aus der Hosentasche. Es klickte leise, als er die Steine gegeneinanderschlug. Ein paar Funken sprangen auf und setzten die Lunte in Brand. Er schirmte den glimmenden Punkt mit der Hand ab. Viel konnte er immer noch nicht sehen, aber die Konturen der näheren Umgebung zeichneten sich wenigstens ab.
Er konnte den große Schreibtisch rechtzeitig erkennen und entdeckte die Öllampe, die darauf stand. Er nahm sie an sich und reichte sie an Dan weiter.
Im schwachen Schein der glimmenden Lunte tastete er sich weiter. Hinter sich hörte er das Schlurfen von Schritten. Matt Davies schleppte die Pulverfässer in die Kapitänskammer.
Endlich hatte Hasard die Tür gefunden, die zum Gang hinausführte. Er öffnete sie vorsichtig und fragte sich, wo der Kapitän der Kriegsgaleone steckte. Mit aller Wahrscheinlichkeit hielt er sich auf dem Quarterdeck auf, und das hieß, daß er seiner Mannschaft irgendwelche Befehle gab. Wollten sie ein weiteres Boot an Land entsenden?
Hasard wußte, daß er sich beeilen mußte. Wenn die Spanier abermals versuchen sollten, Seesoldaten an Land zu setzen, konnte es für ihn unmöglich werden, zurück in die Bucht zu pullen.
Er schlich auf den Gang hinaus. Alles war stockdunkel. Die glimmende Lunte gab zuwenig Licht, um weiter als einen halben Schritt blicken zu können.
Mit flüsternder Stimme gab er Dan und Matt Davies den Befehl, drei der vier Pulverfässer in den Gang zu schaffen. Sekunden später standen die beiden neben ihm. Dan hielt ein Faß, dessen Deckel er bereits abgenommen hatte. Hasard erkannte es erst im letzten Augenblick und zuckte mit der Lunte zurück. Ein Fluch lag auf seinen Lippen, aber er unterdrückte ihn.
„Schließ die Tür!“ flüsterte er.
Dan stellte das Pulverfaß ab und zog die Tür leise zu sich heran.
„Wo ist die Öllampe?“
Hasard hielt die glimmende Lunte an den Docht. Nach einer Weile leckte die Flamme hoch. Plötzlich lag der Gang im Schein der flackendern Flamme vor ihnen.
„Schnell jetzt!“ sagte Hasard scharf.
Dan O’Flynn und Matt Davies begannen ihre Arbeit. Sie hatten alles genau besprochen. Hasard hielt die Öllampe in der Linken, mit der Rechten hatte er seine Pistole aus dem Gürtel gezogen. Er stand jetzt dicht an der Tür, die hinaus aufs Quarterdeck führte.
Während Matt Davies ein Pulverfaß zwischen zwei Oberdecksbalken mit Tampen befestigte, streute Dan eine Pulverspur zur Tür hin, neben der Hasard stand. Dort kippte er das Pulverfaß, das noch halb voll war, und keilte es fest, damit es nicht wegrollen konnte.
Mit dem Pulver des dritten Fasses legte Dan weitere Spuren zu den einzelnen Kammern.
Sie hatten nur knappe drei Minuten für die Arbeit gebraucht. Hasard hatte sich gerade zur Tür der Kapitänskammer zurückgezogen und wollte die Öllampe löschen, als er die Schritte und Stimmen hörte.
Mit ein paar Sätzen war er zurück an der Tür zum Quarterdeck. Dan und Matt Davies verschwanden in einer Kammer. Zum Glück war sie leer. Hasard hatte seine Öllampe gelöscht und stellte sie jetzt neben seinen Füßen auf die Planken.
Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Würden die Männer auf den ersten Blick entdecken, was hier los war?
Seine rechte Hand krampfte sich um den Knauf seiner Pistole. Er wußte, daß es jetzt um ihr Leben ging. Wenn es ihm nicht gelang, die Spanier zu überwälten und das Pulver rechtzeitig zu entzünden, war alles aus. Dann konnten sie sich höchstens selbst mit in die Luft sprengen, um ihren Kameraden in der Bucht den Fluchtweg freizumachen.
Die Tür wurde geöffnet. Hasard hörte die Stimmen von drei Männern. Sie kamen ihm irgendwie bekannt vor. Die Tür wurde wieder geschlossen, und einen Moment herrschte Stille. Hasard hörte, wie Flintsteine gegeneinander geschlagen wurden.
Eine kleine Flamme zischte auf und entzündete den Docht einer Kerze. Die kleine Flamme warf zitternde Schatten gegen die Wände.
Hasard erkannte zwei der Männer, obwohl sie ihm den Rücken zugedreht hatten.
Es waren Juan Descola, der Capitan der „Barcelona“, und de Pordenone, jener Spanier, der versucht hatte, die „Santa Barbara“ zurückzuerobern.
Hasard fand keine Zeit mehr, sich darüber zu wundern, wie die beiden Männer an Bord der Kriegsgaleone gelangt waren. Er nahm die Bewegung des dritten Mannes, der die Kerze in der Hand hielt, aus den Augenwinkeln wahr. Der Mann hatte das Pulverfaß zwischen den Oberdecksbalken entdeckt und wirbelte blitzartig herum. Es war, als hätte er Hasards Gegenwart gespürt. Seine Hand zuckte hinunter zur Hüfte und riß den Degen aus dem Gehänge.
Descola und de Pordenone reagierten nicht viel langsamer, und Hasard blieb keine andere Wahl.
Der Schuß hörte sich in dem engen Gang wie die Detonation einer Fünfpfünderkanone an. Auf der Brust des Mannes, der sicher der Capitan der Kriegsgaleone war, breitete sich ein großer roter Fleck aus. Seine Augen quollen hervor. Er versuchte die rechte Hand mit dem Degen zu heben, aber er schaffte es nicht mehr. Klirrend fiel die Waffe auf den Boden.
Der Capitan sackte auf die Knie. Noch immer hielt er die Kerze in der linken Hand. Er starrte Hasard an. Spanische Worte sprudelten über seine Lippen, die von einem Blutschwall erstickt wurden.
Das Gekeife von Juan Descola brachte den Seewolf wieder zur Besinnung. De Pordenone hatte ebenfalls seinen Degen gezogen und stürzte auf ihn zu.
Der Seewolf schleuderte ihm die Pistole entgegen. Der Spanier sah das Geschoß viel zu spät. Er reagierte erst, als ihn der Knauf schon an der Schläfe traf. Ohne einen Laut sackte de Pordenone zusammen.
Hasard sprang vor, um dem knienden Mann die Kerze aus der Hand zu reißen, damit sie nicht auf die Pulverspur fiel.
Juan Descola dachte, der Seewolf wolle ihn angreifen. Schreiend drehte er sich um und wollte flüchten. Er rannte gegen die breite Brust von Matt Davies, der blitzschnell mit seinem spitz geschliffenen Eisenhaken an der rechten Hand zupackte.
Descola quiekte wie ein angestochenes Schwein. Erst als der Eisenhaken seine Haut am Hals ritzte, schwieg er. Er würgte, und die Augen schienen ihm aus den Höhlen zu fallen.
„Schnell, Dan!“ rief Hasard. „Verkeil die Tür zum Quarterdeck!“
Der Junge handelte sofort. Auf dem Deck der Kriegsgaleone herrschte helle Aufregung. Laute Stimmen schrien nach dem Capitan.
Dan hatte gerade den Riegel vorgelegt und war in eine der Kammern zurückgelaufen, um etwas zu holen, mit dem er die Tür richtig verschalken konnte, da rüttelten schon die ersten Fäuste an der Tür.
„Zurück!“ rief Hasard. „Dan, sind die Pulverspuren noch in Ordnung?“
Dan O’Flynn tauchte in der Tür der Kammer auf. Im flakkernden Licht der Kerze war nicht viel zu erkennen. Der Capitan der Kriegsgaleone war zur Seite gekippt. Er hatte beide Hände in die blutüberströmte Brust gekrallt. Er bewegte sich nicht mehr. Wahrscheinlich war er bereits tot.
Hasard riß den bewußtlosen de Pordenone hoch und schleppte ihn in die Kapitänskammer, während Dan die Pulverspuren neu legte. Die Spanier auf dem Quarterdeck bearbeiteten die Tür mit den Kolben ihrer Musketen. Die ersten Bretter splitterten bereits.
Hasard zündete mit der Kerze die Lunte des Pulverfasses an, das an der Decke zwischen den Balken hing. Dann lief er zurück in die Kapitänskammer. Dan O’Flynn wartete schon mit einem brennenden Span in der Hand.
Matt Davies hielt immer noch Juan Descola im Schwitzkasten.
„Soll ich ihn abmurksen?“ fragte er grollend.
Der Spanier kreischte wie ein Irrer. Er schien einige Brokken Englisch zu verstehen.
„Schmeiß ihn ins Wasser“, sagte Hasard. Dann wandte er sich um und befahl Dan O’Flynn, den anderen Spanier ebenfalls hinaus auf die Galerie zu schaffen, wenn die Pulverspur aufzischte. Hasard nahm dem Bürschchen den Span aus der Hand und ließ ihn auf die Pulverspur fallen.
Jetzt ging es um Sekunden. Hasard hoffte, daß Blacky und Smoky ihre Arbeit inzwischen beendet hatten. Dichte Rauchwolken hingen plötzlich im Raum. Blitzschnell fraß sich die Flamme an der Pulverspur entlang, erreichte nach Sekunden die Tür zum Quarterdeck und das festgekeilte Pulverfaß.
Die Detonation war fürchterlich. Die Tür der Kapitänskammer wurde mit ungeheurer Wucht aus ihren Angeln gerissen. Holzsplitter fauchten durch die Kammer. Hasard befürchtete schon, daß auch die Ladung unter der Decke des Ganges gleich mit hochgeflogen sei, doch dann hätte der Druck sie gegen die Wände geschleudert. Er hörte die Schreie der Männer auf dem Quarterdeck, die den größten Teil der Pulverladung abgekriegt hatten.
„Verdammt, Sir! Willst du mit in die Luft fliegen?“ Dan O’Flynns Stimme klang schrill.
Hasard wirbelte herum. Er hörte das Klatschen im Wasser und die tiefe Stimme von Blacky, die irgend etwas brüllte. Schüsse krachten auf dem Achterdeck der Kriegsgaleone. Überall schien jetzt Licht zu sein.
Hasard nahm Anlauf. Er hoffte, daß das Pulverfaß zwischen den Oberdecksbalken rechtzeitig explodieren würde, sonst schossen die Dons ihn ab wie auf dem Schießstand.
Mit einem weiten Satz flog er über die Heckgalerie. Rasend schnell rückte das schwarze Wasser auf ihn zu, und bevor er eintauchte, sah er, wie dicht neben ihm das Wasser aufspritzte.
Sie schossen auf ihn!
Die Detonation, die das ganze Schiff erzittern ließ, hörte sich unter Wasser wie ein dumpfes Grollen an. Als er auftauchte, war das reinste Chaos um ihn herum. Er sah, daß das gesamte Heck der Kriegsgaleone in Flammen stand. Der Besanmast knickte langsam ab und krachte an Steuerbord ins Wasser.
„Hierher, Hasard!“
Er nahm die brüllenden Stimmen nur im Unterbewußtsein wahr. Er konzentrierte sich auf das Schiff, und so entdeckte er das brennende Stück Holz, das auf ihn zuflog, gerade noch rechtzeitig, um wegtauchen zu können. Etwas traf ihn an der linken Schulter. Ein dumpfer Schmerz breitete sich aus, aber er konnte den Arm noch bewegen.
Wieder tauchte er auf, und diesmal sah er das Boot nur ein paar Yards von sich entfernt. Mit ein paar Armschlägen schwamm er hinüber. Blacky zerrte ihn über das Dollbord und ließ ihn einfach fallen. Im nächsten Augenblick saß er bereits wieder auf der Ducht und begann zusammen mit Smoky zu pullen wie ein Irrer.
Schnell wurde der Abstand zwischen dem Boot und der Kriegsgaleone größer. Sie hielten auf die Bucht zu. Hasard schaute sich um. Der Kampf in der Bucht schien zu Ende zu sein. Hoffentlich hatten Ferris Tucker und Ben Brighton es geschafft, die spanischen Soldaten abzuschlagen.
„Vorsicht!“ schrie Dan O’Flynn. „Sie wollen auf uns schießen!“
Hasards Kopf ruckte herum. Hohe Flammen schlugen aus dem Heck der Galeone. In ihrem Licht konnte er deutlich sehen, wie sich hinter den Geschützpforten etwas bewegte.
In diesem Augenblick wurde das große Schiff wie von einer unsichtbaren Faust angehoben. Auf der ihnen abgewandten Seite der Galeone stieß ein Feuerblitz in die Höhe. Ein ohrenbetäubender Lärm schallte zu ihnen herüber.
Die Dons an den Geschützpforten wurden durcheinandergewirbelt. Ein paar von ihnen hatten ihre Kanonen noch abgefeuert, aber die Kugeln flogen weit an dem Boot der Engländer vorbei.
Hasard schaute auf Juan Descola und de Pordenone hinunter. Sie waren beide bewußtlos. Der kleine Giftzwerg von der „Barcelona“ hatte eine mächtige Beule auf der Stirn, die sicher von Davies’ Eisenfaust herrührte.
Die Kriegsgaleone sackte langsam achtern ab. Hasard vermeinte das Gurgeln zu hören, mit dem das Wasser in die unteren Räume der Galeone strömte. Die beiden Pulverfässer mußten ein ungeheures Loch in die Bordwand gerissen haben.
„Gut gemacht, Blacky und Smoky“, sagte er grinsend.
Die Gesichter der kräftigen Männer glänzten vor Schweiß. Aus ihren Augen leuchtete der Triumph über den geglückten Überfall. Das war so recht nach ihrem Geschmack gewesen.
Sie hatten den Felsen, der die Buchteinfahrt abschirmte, erreicht. Hasard schrie ein paar Worte hinauf, damit Ben Brighton oder die Schwarzen, die noch oben waren, ihnen nicht eine Ladung Eisenstücke um die Ohren bliesen. Aber er erhielt keine Antwort. Dort oben auf der Felsklippe blieb alles ruhig.
„Alle drei Schiffe stehen schon unter Segel!“ rief Dan O’Flynn jubelnd. „Sie haben es geschafft! Mann, wir können aus dieser verdammten Bucht abhauen!“
Stimmen hallten durch die Nacht. Hasard grinste erleichtert, als er das mächtige Organ von Ferris Tucker hörte.
„Was ist mit Ben?“ schrie er den Schiffen entgegen.
„Ich bin auf der ‚Santa Barbara‘!“
Hasard atmete auf. Ben war also in Ordnung.
„Rudert zur Karacke hinüber“, sagte Hasard zu Blacky und Smoky. „Wir wollen Bogo und seinen Männern ein Geschenk überreichen.“
Er blickte auf die beiden spanischen Kapitäne hinunter. De Pordenone kam in diesem Augenblick zu sich. Er schüttelte verwundert den Kopf, und als er sah, wo er sich befand, wollte er sich einfach über Bord werfen.
Matt Davies hielt ihn mit seinem Eisenhaken zurück.
„Hiergeblieben!“ sagte er knurrend. „Unsere schwarzen Freunde warten schon auf euch!“
Die „Barcelona“ und die Karacke lagen dicht beieinander. Hasard rief nach Batuti, der sich darauf von der „Barcelona“ mit einem Tau auf die Karacke hinüberschwang. Hasard blieb im Boot, als die Schwarzen die beiden spanischen Kapitäne an Bord hievten. Hasard erklärte Batuti, daß die Dons seine Brüder zurück nach Westafrika bringen sollten. Wenn sie das Schiff irgendwo anders hinsteuerten, sollten sie ihnen die Kehle durchschneiden. Wenn sie aber in ihrer Heimat angelangt seien, sollten sie ihnen das Leben schenken.
Batuti erklärte Bogo die Worte Hasards. Er nickte eifrig und schaute die beiden Kapitäne, die inzwischen an den Großmast gefesselt worden waren, grinsend an.
Hasard und seine Männer legten von der Karacke ab und schwangen sich an Bord der „Barcelona“. Hasard rief zur „Santa Barbara“ hinüber, daß Ben Brighton den Dons noch erklären solle, was ihnen bevorstünde, wenn sie ihren Auftrag nicht richtig ausführten, und Ben Brighton steuerte die „Santa Barbara“ beim Auslaufen aus der Bucht an die Karacke heran und erklärte den Kapitänen, weshalb sie auf die Karacke gebracht worden seien.
Juan Descola fluchte ununterbrochen, während de Pordenone kein Wort sagte. Erst als Bogo ihm ein Messer an die Kehle hielt, schwieg Juan Descola. Es sah aus, als ob er den Versprechen der Schwarzen keinen Glauben schenkte. Ben Brighton zuckte mit den Schultern. Es war nicht seine Sache.
Hasard war froh wie alle seine Leute, daß er die Bucht endlich verlassen konnte. Draußen brannte die havarierte Galeone. Die Flammen schlugen inzwischen schon durch die Planken des Quarterdecks und leckten an den geteerten Wanten des Großmastes empor.
Der kräftige Wind, der aus nördlicher Richtung blies, trieb die drei Schiffe schnell aus der Bucht. Die Galeonen hatten nur das Großsegel und die Fock gesetzt. Um außerdem noch mit Marssegeln zu fahren, waren die Galeonen zu schwach besetzt.
Hasard jagte Ferris Tucker und drei weitere Männer an die Backbordkanonen der „Barcelona“. Er glaubte zwar nicht, daß die Spanier in Anbetracht ihres brennenden Schiffes noch daran dachten, die zwei Galeonen und die Karacke zu beschießen, aber sicher war sicher.
Eine Kabellänge von der Kriegsgaleone entfernt segelten sie aufs offene Meer hinaus. Sie sahen, wie die spanischen Seesoldaten Boote zu Wasser ließen. Auf der Back stand ein Mann, der wild gestikulierte. Durch seinen Kieker konnte Hasard das verzerrte Gesicht des Mannes erkennen. Er schien Befehle an seine Mannschaft zu geben.
Dan O’Flynn, der neben Hasard stand, holte tief Atem.
„Die wollen doch nicht etwa ...“ Die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er sah, wie ein paar der schweren Zwölfpfünder auf die davonsegelnden Galeonen gerichtet wurden.
„Ferris!“ brüllte Hasard über das Deck. „Jag ihnen ein paar Kugeln hinüber, damit sie endgültig die Lust verlieren, auf uns zu schießen!“
„Aye, aye!“ Ferris Tucker hatte die brennende Kriegsgaleone bereits anvisiert. Nacheinander hielt er einen brennenden Span an die Zündlöcher der Kanonen. Brüllend entluden sich die Geschütze. Die Decksplanken der „Barcelona“ erzitterten unter den polternden Rädern der Lafetten. Dichter Qualm hüllte die Männer auf dem Deck ein.
Hasard beobachtete die Kriegsgaleone durch seinen Kieker. Er sah, daß Ferris Tucker ziemlich hoch gehalten hatte. Die beiden ersten Kugeln zischten wirkungslos durch die Takelage der Galeone, die achtern immer mehr wegsackte. Noch konnte sie aber ihre Zähne zeigen und zubeißen.
„Verdammt, halt ein bißchen tiefer!“ rief Hasard zum Mitteldeck hinunter, wo die Männer die erste Kanone bereits wieder nachluden.
In diesem Moment hörte Hasard das Krachen. Er blickte wieder zur Kriegsgaleone hinunter. Er sah, wie sich der Großmast unendlich langsam nach Steuerbord neigte. Das Splittern des Mastes übertönte sogar das Prasseln des Feuers, das mit ungeheurer Gewalt auf dem Achterdeck wütete.
Hasard sah, wie lange Feuerzungen aus den Stückpforten der Kriegsgaleone leckten. Unwillkürlich zog er die Schultern ein. Wenn die Kugeln trafen, hatten sie nichts zu lachen. Auf diese Entfernung waren die Zwölfpfünderkugeln verheerend.
Er atmete auf, als er sah, daß die Kugeln etwa dreißig Yards vor der „Barcelona“ ins Wasser schlugen. Hohe Fontänen spritzten hoch. Der Mast der brennenden Kriegsgaleone krachte endgültig zusammen und fiel an Steuerbord ins Wasser. Die Toppstenge zerschlug ein Boot, in das sich gerade ein paar Spanier hatten hineinziehen wollen. Es versank sofort in den Fluten.
Der Verlust des Hauptmastes hatte den Dons endgültig den Rest gegeben. Hasards Männer jubelten, als immer mehr Dons ins Wasser sprangen, um sich schwimmend ans Ufer zu retten.
Sie waren schon fast eine Meile entfernt, als eine riesige Explosion die Luft erzittern ließ. Der Brand hatte die Pulverkammern der Kriegsgaleone erreicht. Das Schiff wurde förmlich in Stücke gerissen, und wer von den Spaniern noch nicht weit genug von der Galeone entfernt gewesen war, den hatte es sicher mit in die Tiefe gerissen.
Hasard drehte sich um und blickte zur „Santa Barbara“ und zur Karacke hinüber. Er segelte die „Barcelona“ dichter an die „Santa Barbara“ heran und rief durch den brausenden Wind Ben Brighton zu, daß sie die Karacke noch ein Stück südwärts begleiten wollten. Wahrscheinlich gehörte die Kriegsgaleone, die dort hinten vor der Bucht von Punta Lagens explodiert war, zu einer Flota, die sich auf der Heimreise nach Spanien befand. Sie hatte wohl die Rauchfahne des Feuers gesehen, das die ausgesetzten Spanier auf Corvo entfacht hatten. Hasard nahm an, daß der Capitan den Auftrag erhalten hatte, nachzusehen, was die Rauchfahne zu bedeuten hatte. Er hatte die Spanier an Bord genommen und war nach Flores gesegelt, um die Engländer zu schnappen, die dort vor Anker lagen.
Hasard hatte keine Lust, mit seinen beiden unterbemannten Galeonen einer spanischen Flota in die Arme zu segeln. Lieber steuerte er noch ein paar Tage nach Süden und paßte auf, daß die spanischen Kapitäne Juan Descola und de Pordenone den richtigen Kurs hielten.