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3.

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Im Schutz der Finsternis ließ Don Juan die Segel wegnehmen. Er brauchte Zeit und Ruhe, um sich einen Überblick über die Gefechtsschäden zu verschaffen. Kurz nachdem die Schaluppen außer Sichtweite zurückgefallen waren, hatte er nach Nordwesten angeluvt und ein beträchtliches Stück an Distanz gewonnen.

Es bestand nur eine äußerst geringe Gefahr, daß sie von den Verfolgern doch noch aufgespürt wurden. Ohnehin hatten die Schaluppenführer sicherlich Order, sich nicht zu weit vom Verband zu entfernen. Das bittere Beispiel der von der Black Queen versenkten Karavelle mußte Cubera noch in hinlänglicher Erinnerung sein.

Dennoch verzichtete Don Juan darauf, die Bordlaternen anzünden zu lassen. Es war nicht abzuschätzen, wie weit der Lichtschein bei den herrschenden Sichtverhältnissen reichen würde. Die Luft war klar, trotz des wolkenverhangenen Himmels. Dunstschleier und Nebelschwaden würden sich zweifellos erst in den frühen Morgenstunden so weit verdichten, daß sie vom Wind nicht mehr fortgetrieben werden konnten.

Gemeinsam mit dem Bootsmann untersuchte Don Juan zunächst das Achterdeck. Hier hatte es keine Schäden gegeben. Anders jedoch auf der Kuhl.

„Im Steuerbordschanzkleid haben wir drei hübsche Löcher“, sagte José Buarcos.

„Und die Nagelbank beim Großmast gibt es nicht mehr“, fügte ein anderer hinzu.

„Besser, als wenn es den Mast erwischt hätte“, sagte ein dritter.

Aus dem weiteren Bericht der Männer entnahm Don Juan, daß die vordere Verzurrung des Beiboots zerfetzt worden war, und daß die Backbordverschanzung des Vordecks ebenfalls einen Treffer empfangen hatte. In keinem Fall hatte es jedoch Einschüsse unterhalb der Wasserlinie gegeben. Überdies würden sich sämtliche Schäden in relativ kurzer Zeit mit Bordmitteln beheben lassen. Die Einsatzfähigkeit der Schebecke war nicht beeinträchtigt.

Don Juan ließ erneut die Segel setzen, und mit einer Halse nach Backbord ging der Dreimaster aus Ostkurs.

„Anders habe ich es nicht erwartet“, sagte Ramón Vigil, als sein Kapitän auf das Achterdeck zurückkehrte. „Ich bin auch der Meinung, daß wir den Burschen noch einmal kräftig einheizen sollten.“

„Wir müssen es tun“, sagte Don Juan und nickte, „daran gibt es gar keinen Zweifel. Die Frage ist nur, welche Taktik wir anwenden. Einen direkten Vorstoß können wir praktisch nicht mehr riskieren.“

„Die Kerle beim Verband passen höllisch auf. Das muß man ihnen lassen. Bleibt uns also nur ein Trick, nehme ich an. Deshalb unser neuer Kurs, nicht wahr?“

Don Juan lachte leise. Ramón Vigil bewies immer wieder, daß er nicht nur ein hervorragender Seemann und ein harter Kämpfer war. Auch seine Fähigkeit, in schwierigen Situationen klare Überlegungen anzustellen, war außergewöhnlich.

„Mir scheint, du hast mich mal wieder durchschaut.“

„Da gibt es nicht viel zu durchschauen, Señor Capitán. Der Verbandsführer denkt doch bestimmt, wir würden es nicht noch einmal wagen, von Luv her anzugreifen. Also zieht er seine Aufpasser, die Schaluppen, auf der Leeseite zusammen. Und dorthin, nach Steuerbord, werden sie auch alle stieren, weil sie uns aus der Richtung erwarten.“

„Hoffen wir, daß diese Rechnung aufgeht“, sagte Don Juan und atmete tief durch. „Wenn Cubera so taktiert, wie wir annehmen, werden wir jetzt auf der Luvseite nur noch eine Schaluppe vorfinden. Folglich tun wir genau das, womit Cubera am allerwenigsten rechnet.“

„Daher der Ostkurs“, sagte Ramón Vigil. „Wir segeln außer Sichtweite auf und setzen uns in vorliche Position. Dann brauchen wir praktisch nur noch die Lage zu peilen und loszuschlagen.“

Don Juan brummte zustimmend. Alles hörte sich so einfach an. Ob es nach dem mißglückten ersten Angriff aber diesmal klappen würde, stand in den Sternen. Immerhin war genausogut möglich, daß Cubera die umgekehrte Überlegung anstellte und eben jenen beabsichtigten Trick einkalkulierte.

Über Steuerbordbug segelnd, lief die Schebecke unterdessen beachtliche Fahrt. Nicht mehr als ein huschender Schatten, jagte der schlanke Dreimaster durch die Dunkelheit. Der Nordost füllte die rot-weißen Segel und ließ sie von Deck aus wie modelliertes Holz erscheinen. Weiße Gischtfetzen schwebten beiderseits des Bugs auf und verflüchtigten sich in der Finsternis. Die Wolkendecke war schon seit geraumer Zeit nicht mehr aufgerissen. Es war also kaum damit zu rechnen, daß sich die Sichtverhältnisse während der Nachtstunden noch besserten.

Don Juan berechnete die eigene Fahrt und die des wesentlich langsameren Verbandes und gelangte zu dem Ergebnis, daß er etwa eine Stunde vor Mitternacht eine vorliche Position zu dem Flaggschiff „San José“ erreicht haben mußte.

Eine halbe Stunde vor diesem Zeitpunkt ließ er die Schebecke nach Südosten abfallen und sichtete bald darauf die Silhouetten der Kriegsschiffe, die sich verschwommen über der Wasseroberfläche abzeichneten. Cubera hatte auf die Hecklaternen nicht verzichtet. Er konnte nicht das Risiko eingehen, daß seine Galeonen und Karavellen in der Finsternis untereinander den Anschluß verloren. Und gegen mögliche Überraschungsangriffe fühlte er sich letzten Endes durch die Schaluppen abgesichert.

Don Juan beugte sich über die Achterdecksverschanzung und spähte scharf nach Steuerbord.

„Hatten wir recht?“ rief Ramón Vigil mit unterdrückter Stimme und voller Spannung.

Erst nach einigen Minuten hatte Don Juan Gewißheit.

„Tatsächlich“, sagte er erleichtert, „nur eine Schaluppe auf der Backbordseite des Verbandes.“

Die Männer auf dem Hauptdeck hörten es ebenfalls, und augenblicklich spannte sich ihre Haltung an. Sie wußten, daß die Aufgabe diesmal erfüllt werden mußte. Denn alle waren fest entschlossen, das Ziel zu erreichen, das sie sich gemeinsam mit ihrem Kapitän gesetzt hatten.

Eine Stunde vor Mitternacht gab Don Juan den Befehl zum Angriff. Von Nordosten her stieß die Schebecke platt vor dem Wind auf den Verband zu.

Noch war alles ruhig. Auch war die Entfernung noch so groß, daß man die rot-weißen Segel nur mit äußerster Anstrengung bemerkt hätte. Überdies schien es sich tatsächlich so zu verhalten, daß die Ausgucks der Kriegsschiffe ihre Aufmerksamkeit weisungsgemäß nach Steuerbord richteten. Von dort erwarteten sie den nächsten Angriff.

Sie sollten ihr blaues Wunder erleben. Dieser feste Wille beseelte jeden einzelnen Mann an Bord der Schebecke. Diesmal würde der überraschende Vorstoß gelingen, und Cuberas Leute würden sich mit einem neuen Ruderschaden herumplagen müssen, ehe sie überhaupt wußten, wie ihnen geschah.

Mit angespannten Muskeln standen Don Juan und seine Männer hinter den Drehbassen. Ihre Sinne konzentrierten sich ganz auf das, was vor ihnen lag.

So bemerkten sie nicht sofort die leisen, klatschenden Geräusche. Erst als die großen Regentropfen auf ihre Kleidung fielen, wurden sie aufmerksam. Sie hoben den Kopf, blinzelten unwillig zum tief schwarz verhangenen Himmel und fanden nicht einmal mehr Zeit, einen Fluch auszustoßen.

In Sekundenschnelle wurde das vereinzelte Klatschen der Regentropfen zu einem regelrechten Trommelfeuer. Dann, einen Atemzug später, öffnete der Himmel sämtliche Schleusen.

Wie aus Riesenkübeln rauschte es herab. Von einer Minute zur anderen war die Schebecke von einem undurchdringlichen Regenvorhang umgeben. Schlagartig schmolz die Sichtweite zusammen und verurteilte die Männer zur Blindheit.

Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die Läufe der Drehbassen nach vorn abzukippen, damit das Wasser wenigstens nicht in die Rohre lief. Eilends wirbelten sie herum. Aber es war bereits zu spät, die Kohlebecken noch zu retten. Zischend erlosch die Glut der Holzkohle unter dem mit fingerdicken Strängen niederströmenden Regen. Es prasselte und rauschte, und auf den Decksplanken entstand ein Feld von kleinen weißen Fontänen.

Im Handumdrehen waren die Männer bis auf die Haut durchnäßt.

„Schafft das Pulver ins Trockene!“ brüllte Don Juan und packte selbst das Fäßchen, das unter seiner Drehbasse auf den Achterdecksplanken stand.

Auf dem Hauptdeck hatten die Männer bereits mit der so wichtigen Arbeit begonnen. Schwarzpulver war ein hochexplosives Zeug, solange es knochentrocken blieb. Aber schon das geringste bißchen Feuchtigkeit genügte, um es in eine nutzlose Masse zu verwandeln. Statt feuchten Pulvers hätte man ebensogut eine Handvoll Sand in die Drehbassenrohre füllen können. Der Effekt wäre der gleiche gewesen: absolut keine Wirkung.

Voller Eile hatten die Männer eine Kette gebildet, und von Hand zu Hand wanderten die Pulverfässer unter Deck. Zwar waren die kleinen Fässer mit ihren Holzdeckeln lose verschlossen gewesen, doch es bestand die Gefahr, daß der Platzregen stellenweise durchgedrungen war. Man würde sich später darum kümmern müssen, eine möglicherweise feuchte Pulverschicht aus jedem einzelnen Faß abzutragen.

Vorerst war es aus mit der Gefechtsbereitschaft. Keinen einzigen Schuß konnte man abfeuern, denn es schüttete und schüttete, als wollten sich Himmel und Meer zu einer alles ertränkenden Flut vereinen.

Fluchend hastete Don Juan zurück auf das Achterdeck. Daß ihm die Naturgewalten einen Strich durch die Rechnung zogen, war mehr als teuflisch. Eine abergläubische Seele konnte annehmen, daß die Schicksalskräfte auf der Seite des spanischen Kampfverbandes standen.

Triefend und vom Regenstrom eingehüllt, stand Ramón Vigil wie ein Baum hinter dem Ruder.

„Jetzt fehlt nur noch, daß uns so eine verdammte Galeone in den Grund rammt!“ rief der Bootsmann. „Wenn man wenigstens bis über den Bug hinaus sehen könnte, wäre mir wohler. Soll ich etwa den Kurs halten, Señor Capitán?“

Don Juan überlegte keine Sekunde lang. Alles war sinnlos geworden. Auf dem jetzigen Kurs zu bleiben, war gleichbedeutend mit Selbstmord.

Kurzerhand befahl er Südostkurs. Diese Entscheidung barg das geringste Risiko. Die Gefahr einer Kollision war ausgeschlossen, und gleichzeitig hielt man Fühlung mit dem Verband.

Ein ungutes Gefühl in der Magengegend konnte Don Juan dennoch nicht abschütteln, als der Dreimaster auf dem neuen Kurs lag. Der wolkenbruchartige Regen schien kein Ende nehmen zu wollen. Die Sichtweite blieb unverändert miserabel, und alles in allem war es, wie durch ein Meer von Watte zu segeln.

Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, als der Regen so plötzlich aufhörte, wie er begonnen hatte.

Die Männer an Bord der Schebecke hatten das Gefühl, als würde der Vorhang ringsherum mit einem Ruck hochgezogen.

Vor ihnen tauchte ein mattgelber Lichtkreis aus der Dunkelheit auf.

Don Juan und seinen Gefährten gefror das Blut in den Adern.

Das Licht erhellte Teile des reichverzierten Achterkastells einer spanischen Kriegsgaleone. Und in erschreckender Deutlichkeit prangte dort oben der Schriftzug: „San José“.

„Hölle und Teufel!“ rief einer der Männer auf der Kuhl verhalten. „Wir sitzen mittendrin in dem verdammten Verband!“

Don Juan hatte seine Fassungslosigkeit überwunden und sah sich blitzschnell nach allen Seiten um.

In der Tat. Weniger als dreißig Yards vor ihnen segelte das Flaggschiff. Und an Backbord und Steuerbord befanden sich jeweils vier in Kiellinie segelnde Galeonen und Karavellen. Das Gefühl keimte auf, jeden Moment von dem Verband wie eine Laus zerquetscht zu werden.

Dem Schreck und der Überraschung folgte nüchterne Überlegtheit.

Himmel, dachte Don Juan grimmig, wenn man jetzt schießen könnte! Zum Greifen nahe sahen sie die Ruderanlage der „San José“ vor sich. Eine bessere Schußposition hätten sie sich niemals wünschen können. Doch es war ausgeschlossen, daran auch nur zu denken. In der Zeit, in der man trockenes Pulver an Deck geschafft und die Geschütze klariert hatte, würden die Geschütz-Crews auf den Kriegsschiffen ebenfalls Gefechtsbereitschaft hergestellt haben. Dabei war noch nicht einmal das Risiko einkalkuliert, daß man unter Umständen doch Pulver erwischte, das nicht völlig trocken war. Und dann, wenn es unter Umständen einen Versager nach dem anderen gab, war man dem Gegner praktisch wehrlos ausgeliefert.

Nein, der einzige Ausweg bestand darin, schleunigst den Schwanz einzuziehen und von der Bildfläche zu verschwinden.

Auch auf den Galeonen und Karavellen waren sie inzwischen wach geworden und hatten den Eindringling mit seinen rot-weiß gestreiften Segeln entdeckt. Wahrscheinlich war ihnen der Schreck genauso in die Knochen gefahren wie den Männern auf der Schebecke. Denn das Vorhandensein des Dreimasters zeugte immerhin von der Tatsache, wie wenig es auch den Besatzungen der Kriegsschiffe während des Regens möglich gewesen war, ihre unmittelbare Umgebung unter Kontrolle zu halten.

Gesichter tauchten über der Heckbalustrade der „San José“ auf. Auf den Galeonen und Karavellen entstand Wuhling. Gestikulierend und brüllend rannten Soldaten, Decksleute und Offiziere hin und her.

Auf Don Juans Befehl ließ Ramón Vigil die Schebecke abfallen. Dann, in der Halse, krängte der Dreimaster hart nach Backbord. Auf Gegenkurs liegend, gewann die Schebecke jedoch rasch wieder an Fahrt.

Die Kapitäne der am Schluß segelnden Karavellen hatten keine Chance mehr, den Fluchtweg zu versperren. Mit ihren vergleichsweise schwerfälligen Schiffen waren sie nicht in der Lage, ein solches Manöver noch rechtzeitig einzuleiten. Und die Schaluppenführer an der Leeseite hatten offenbar noch gar nicht begriffen, was sich abspielte.

Hinter den Verschanzungen der Kriegsschiffe tauchten Soldaten auf, die Musketen in Anschlag brachten.

Reflexartig gingen Don Juan und seine Gefährten in Deckung, während die Schebecke nur noch wenige Yards von der offenen See achteraus entfernt war.

Aber die Feuchtigkeit, die nach dem Wolkenbruch noch immer in der Luft hing, tat das ihre. Reihenweise schlugen die Flints auf den Reibstahl und verursachten nicht mehr als ein trockenes Klicken. Das empfindliche Zündkraut in den Pulverpfannen der Musketen reagierte nicht auf die schwachen Funken. Kein einziger Schuß fiel.

Augenblicke später war die Schebecke bereits achtern in der Dunkelheit verschwunden.

Schon nach einer halben Stunde setzte ein erneuter Platzregen ein, der wie mit verbissener Wut auf die Decksplanken prasselte. Der Dreimaster hatte nach Nordosten hin aufgekreuzt und lag nun wieder auf Südostkurs. Trotz der Blindheit, zu der sie alle verurteilt waren, hatte Don Juan immerhin die Hoffnung, den Anschluß an den Kampfverband nicht zu verlieren.

Die Zeit verstrich in quälender Monotonie. Der Regen schien nicht enden zu wollen. Das Gefühl, durch diese elende, strähnige Watte zu segeln, schlug sich auch auf die Stimmung der Männer nieder. Damit sie nicht vollends in Untätigkeit verharren mußten, gab Don Juan Order, die klatschnassen Drehbassenrohre aus den Lafetten zu nehmen und unter Deck zu schaffen. José Buarcos, Jorge Matteo und zwei weitere Männer aus der Stamm-Crew begannen damit, die Rohre zu entladen und dann gründlich zu trocknen. Wenn sie zügig arbeiteten, konnten sie die Gefechtsbereitschaft wieder herstellen, sobald der Regen aufgehört hatte.

Es erwies sich als ein Trugschluß. Der Regen legte nur eine kurze Atempause ein, und dann rauschte es von neuem wie aus Mordskübeln auf die Schebecke nieder. Als wollte die Natur ein boshaftes Spiel mit den einsamen Männern auf dem Dreimaster treiben, hielt der Schüttregen mit Unterbrechungen bis zum Morgen an.

Doch die frühen Stunden des 23. Juli bescherten Don Juan und seinen Gefährten keineswegs Besserung. Das erste Grau, das über der östlichen Kimm heraufzog, verhüllte sich sehr bald mit einem milchigen Schleier.

Wie zum Hohn versiegte zwar der Regen endgültig, doch statt dessen breiteten sich Nebelschwaden aus, die sich zunehmend verdichteten. Bald darauf rauschte die Schebecke durch eine hellere Art von Watte, die noch viel weniger Sicht erlaubte als der vorangegangene Wolkenbruch. Vom Achterdeck aus konnte Don Juan nicht einmal mehr den Bugspriet erkennen.

Er war geneigt, diese letzte Nacht zu verfluchen. Und ob der neue Tag eine Aussicht auf Erfolg brachte, war in noch höherem Maße zu bezweifeln. Alles schien sich gegen den Bund der Korsaren verschworen zu haben. Wie es aussah, hatte sich das Glück offenbar auf die Seite von Don Antonio de Quintanilla geschlagen.

Don Juan beschloß, den Südostkurs vorerst beizubehalten. Solange der undurchdringliche Nebel anhielt, hatte er kaum eine andere Wahl. Ein zweites Mal sollte es ihm nicht passieren, dem spanischen Kampfverband aus Mangel an Sicht zu nahe zu geraten.

Die Männer hatten während der Nachtstunden praktisch kein Auge zugetan. Anfangs war es die völlig durchnäßte Kleidung gewesen, die ihnen keinen Schlaf erlaubt hatte. Dann, nach dem Klarieren der Geschützrohre, hatten sie sich wieder in ständiger Gefechtsbereitschaft befunden. Ihr nasses Zeug hatten sie inzwischen gegen trockene Sachen ausgewechselt.

Aus dem Rauchrohr der kleinen Kombüse quollen schwarzgraue Wölkchen, die vom Nebel aufgesogen wurden. Zwei von Ramón Vigils Gefährten hatten das Kochfeuer angefacht und brutzelten getrockneten Speck mit Bohnen, Dörrfleischbrocken und scharfen Gewürzen. Das Ganze war bestens geeignet, die Männer im Handumdrehen wieder aufzumuntern.

Nach der frühmorgendlichen Mahlzeit begannen sie auf Don Juans Anweisung damit, die Gefechtsschäden auszubessern. Hammerschläge und das Kreischen der Sägen klangen dumpf im Nebel.

Stunden vergingen, bis sich die Nebelschwaden auflösten – allmählich, wie zögernd. Die Sonne stand bereits hoch im Südosten, als ihre ersten Strahlen bis auf die Wasseroberfläche durchbrachen. Und bald darauf schien die Natur wiedergutmachen zu wollen, was sie den Männern auf See in der vergangenen Nacht an Verdruß bereitet hatte.

Wolkenlos und azurblau dehnte sich der Himmel über der Karibik, als hätte es die Regengüsse der zurückliegenden Stunden nie gegeben. Nach wie vor wehte ein handiger Nordost und verlieh der Schebecke rauschende Fahrt bei halbem Wind.

In den späten Vormittagsstunden hatten die Männer ihre Reparaturarbeiten beendet. Die Drehbassenrohre wurden wieder in die Gabellafetten gehängt. Auch die Pulvervorräte waren untersucht worden. Vorsorglich hatte man jene Fäßchen ausgesondert, bei denen der Verdacht auf Feuchtigkeit bestand.

Don Juan konnte nicht von sich behaupten, in guter Stimmung zu sein. Nach allen Anstrengungen – zuerst gemeinsam mit Arne von Manteuffel und dann allein – hatte er nicht das Gefühl, etwas Wesentliches ausgerichtet zu haben. Zwar hatte es für den Kampfverband eine gewisse Verzögerung gegeben, aber das war nicht einmal alleiniges Verdienst der Störangriffe durch die Schebecke. Don Juan brauchte in diesem Zusammenhang nur an den Badewannen-Aufenthalt des Verbandes in Cardenas denken. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie Capitán Cubera diesem Zeitverlust nur zähneknirschend zugestimmt hatte.

Wie erwartet, gab es nirgendwo auch nur das geringste Anzeichen von Mastspitzen über der Kimm. Don Juan hatte zwei Männer als Ausgucks eingesetzt und mit Spektiven ausgerüstet. Ihre vordringliche Aufgabe bestand darin, den Voraussektor abzusuchen. Nach dem Mißerfolg der letzten Nacht sah Don Juan sein wichtigstes Ziel darin, nunmehr vorauszusegeln und die Schiffe des Bundes der Korsaren vor dem anrückenden Kampfverband aus Havanna zu warnen.

Daß achteraus kein Schiff zu erspähen war, erschien nur logisch. Mit ihrer wesentlich höheren Fahrt hatte die Schebecke den Verband schon in den frühen Morgenstunden hinter sich gelassen.

Doch Stunde um Stunde verrann, und die südöstliche Kimm blieb wie leergefegt.

Don Juan verspürte zunehmende Nervosität, irgend etwas stimmte nicht. Er begab sich in seine Kammer, um seine Berechnungen noch einmal zu überprüfen. Doch das Ergebnis blieb unverändert. Er konnte es drehen und wenden, wie er wollte – normalerweise mußten die Schiffe des Bundes längst in Sicht sein.

Nachdenklich begab er sich zurück auf das Achterdeck. Ramón Vigil wußte, woher der verschlossene Gesichtsausdruck seines Kapitäns rührte.

„Sieht so aus, als ob alles schiefgegangen sei“, sagte der Bootsmann. „Wenn Sie mich fragen, ist der verdammte Nebel schuld daran.“

Don Juan zog die Schultern hoch.

„Vielleicht haben Killigrews Schiffe eine Auffangposition bezogen, die weniger weit westlich der Schlangen-Insel liegt. Aber das würde allem widersprechen, was ich weiß. Die Taktik des Bundes der Korsaren müßte es sein, den Gegner möglichst weit von der Insel entfernt zu stellen. Nur dadurch könnte der Verband daran gehindert werden, sein Ziel zu erreichen.“

Ramón Vigil blickte Don Juan einen Moment schweigend an und schien zu zögern.

„Ich möchte mich nicht als Besserwisser aufspielen“, sagte er schließlich, „aber ich könnte mir vorstellen, daß der Verband und die Schiffe des Bundes im Frühnebel aneinander vorbeigesegelt sind.“

Don Juan sah den Bootsmann verblüfft an. Er mußte zugeben, daß er an diese Möglichkeit überhaupt nicht gedacht hatte. Hölle und Teufel, wenn Ramón recht hatte, ergaben sich völlig neue Konsequenzen!

Schlagartig wurde ihm klar, was das bedeutete.

Von Stunde zu Stunde entfernten sich die beiden Verbände immer mehr voneinander. Irgendwann würde dann ein Zeitpunkt erreicht sein, an dem es für die Schiffe des Bundes unmöglich war, den spanischen Verband noch einzuholen. Das wiederum bedeutete allergrößte Gefahr für die Schlangen-Insel, die den Angreifern in einem solchen Fall ohne den Schutz ihrer Flotte ausgeliefert war.

„Ich befürchte, du könntest recht haben“, sagte Don Juan gedehnt. Er zog die Augenbrauen zusammen. „Natürlich habe ich den Nebel in meine Berechnungen nicht einbezogen. In der Tat kann dadurch alles hinfällig geworden sein. Du brauchst also nicht zu denken, daß ich dich für einen Besserwisser halte.“

Ramón Vigil lächelte.

„Ich habe daran gedacht, als wir plötzlich mitten in den Verband geraten sind, ohne daß wir es wußten. Wenn allein schon der Schüttregen zu so einem Irrtum geführt hat, können doch die beiden Verbände im Nebel regelrecht aneinander vorbeigegeistert sein.“

Don Juan nickte und preßte die Lippen zusammen.

„Immer vorausgesetzt, daß du recht hast: Cuberas Verband dürfte bereits einen Vorsprung von einem Vormittag haben. Jetzt ist es Mittag, und der Vorsprung wird immer größer. Ist dir klar, daß wir in einer verteufelten Zwickmühle sitzen?“

„Allerdings“, erwiderte der Bootsmann. „Sollen wir weitersegeln oder umkehren? Ehrlich gesagt, ich beneide Sie nicht um die Entscheidung.“

Don Juan nickte abermals. Innerlich rang er mit sich selbst.

Wenn er jetzt weiter auf Südostkurs segelte, und die beiden Verbände hatten sich wirklich im Nebel verfehlt, dann arbeitete die Zeit für die Spanier und gegen den Bund der Korsaren. Das Ergebnis würde eine Katastrophe sein, ein mörderisches Gemetzel auf der Schlangen-Insel. Die Ausmaße, die dieses Blutvergießen annehmen würde, waren geradezu unvorstellbar.

Wenn er aber auf Gegenkurs ging, und die gegnerischen Verbände hatten sich im Nebel nicht verfehlt, dann mußten die Schiffe des Seewolfs und seiner Gefährten ohne jegliche Vorwarnung auf die Spanier stoßen.

Letzteres ist das kleinere Übel, sagte sich Don Juan nach gründlichem Nachdenken. Und eben dies erleichterte ihm die Entscheidung.

„Ramón“, sagte er entschlossen, „wir segeln zurück. Kurs Nordwest.“

Seewölfe Paket 21

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