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Am späten Nachmittag dieses Tages, des 21. Juli, erreichte Don Juan de Alcazar Remedios. Rechtzeitig genug meldete ihm Vigil, daß vor der Einfahrt zum Hafen Bewegung zu herrschen schien. Don Juan zog es daraufhin vor, in einer kleinen Nebenbucht vor Anker zu gehen.

Aus dieser Deckung heraus konnten seine Männer und er alles verfolgen, was im Hafen vor sich ging. Sie staunten nicht schlecht, als sie das Schiff erkannten, das sich in diesem Moment der Einfahrt zum Hafen näherte.

„Das ist ja die Karavelle mit dem Notruder“, sagte Vigil überrascht.

„Die ‚Gaviota‘“, sagte Don Juan. „Sehr richtig.“

„Himmel, wie langsam sie ist“, sagte Buarcos. „Sie schleppt sich dahin wie ein kranker Wal.“

„Ja, und sie wird auch gleich abgespeckt“, sagte Vigil. „Sehr schnell wird das Ganze nicht gehen. Ich schätze, es vergehen mindestens zwei Tage, bis sie ihr neues Ruder hat. Will Cubera, der Verbandsführer, etwa so lange auf sie warten?“

„Ich will es hoffen, aber ich glaube es nicht“, sagte Don Juan. „Einen derart großen Verlust, zeitlich gesehen, kann auch er nicht eingeben. Er hat ein Ziel, einen Auftrag und einen Termin. Er muß weiter.“

„Also wird er auf die ‚Gaviota‘ verzichten müssen“, sagte Vigil. „Das ist gut für uns, für unsere Sache, meine ich. Die Männer der ‚Gaviota‘ sind schon mal raus aus dem großen Schlachten, und auch anderen Besatzungen wird es so ergehen.“

„Nicht so voreilig“, sagte Don Juan. „Wir wissen nicht, ob Don Garcia Cubera irgendwelche Befehle für den Hafenkapitän von Remedios hat, die durch den Kapitän der ‚Gaviota‘ überbracht werden. Warten wir erst mal ab, was weiter geschieht.“

Die Schebecke verweilte also in der kleinen Bucht, und die Männer behielten unablässig den Hafen im Auge. Zwei Stunden später war es soweit, es trat das ein, was Don Juan insgeheim bereits befürchtet hatte.

Zwei Kriegsgaleonen liefen aus dem Hafen aus.

„Seht sie euch an“, sagte Vigil. „Das sind hübsche Brocken. Und sie nehmen in etwa den entgegengesetzten Kurs auf, auf dem die verdammte ‚Gaviota‘ herangesegelt ist. Der Teufel soll diese Kerle holen.“

„Verstärkung für den Verband also“, sagte Matteo. „So ein Mist. Und wir hatten schon gehofft, daß alles so klappt, wie wir uns das vorstellen. Man soll den Tag eben doch nicht vor dem Abend loben.“

„Im stillen hatte ich so etwas bereits geahnt“, sagte Don Juan de Alcazar. „Jetzt habe ich die Bestätigung. Capitán Cubera oder auch Don Antonio – oder beide – haben über die ‚Gaviota‘ Unterstützung in Remedios angefordert, und im Hafen hat man prompt reagiert.“

„Die beiden Galeonen wollen also zum Verband stoßen, um die Ausfälle der beiden Karavellen auszugleichen“, sagte Vigil. „Das müssen wir verhindern. Oder, Señor? Wollen Sie nichts unternehmen?“

„Wir warten noch eine Weile ab, dann folgen wir ihnen“, erwiderte Don Juan mit grimmiger Miene. „In der Dunkelheit bemerken sie uns nicht. Wir holen rasch wieder auf, schneller als sie sind wir ohnehin.“

Der Wind wehte nach wie vor aus Nordosten. Die Schebecke mit ihren ausgezeichneten Am-Wind-Eigenschaften konnte den beiden Kriegsschiffen ohne weiteres einen größeren Vorsprung gewähren, den sie dann mühelos wieder aufholte. So verharrten Don Juan und seine Männer noch, während sich die Hecklaternen der Galeonen im Dunkeln entfernten. Als sie nur noch als winzige Punkte zu erkennen waren, gab Don Juan das Zeichen zum Aufbruch.

Der Anker wurde gelichtet, und unter Vollzeug glitt der Dreimaster aus der kleinen Bucht. Don Juan hatte sich vergewissern wollen, ob keine weiteren Schiffe den beiden Galeonen von Remedios aus folgten. Leicht hätte er mit der Schebecke in eine Zange geraten können, deren Umklammerung im Fall eines Gefechts tödlich sein konnte.

So aber folgten sie den Kriegsgaleonen in ihrem Kielwasser, und kein Mensch an Bord der beiden Schiffe bemerkte sie in der Finsternis, die sich über der See ausgebreitet hatte. Die Schebecke lief an die sechs Knoten, und allmählich verringerte sich die Distanz zwischen den Schiffen. Die Schebecke schloß auf, wie Don Juan richtig berechnet hatte.

„Wir holen gut auf“, sagte Vigil leise. „Bald haben wir sie.“

„Und die Entfernung schrumpft schneller zusammen“, sagte Don Juan. „Ich glaube, sie haben die richtige Position jetzt erreicht und warten dort auf den Verband.“

In der Tat – an den Lichtern der Schiffe war zu erkennen, daß sie offenbar beidrehen wollten. Sie waren an der Marschroute des Kriegsverbandes angelangt, die sich ohne große Schwierigkeiten voraussehen und berechnen ließ, und sie würden der Order gemäß auf das Eintreffen der Schiffe des Don Garcia Cubera warten.

„Eine bessere Gelegenheit erhalten wir nicht“, sagte Don Juan de Alcazar. „Wir greifen an.“

„Nach dem bewährten Rezept?“ fragte Vigil und entblößte seine weißen Zahnreihen.

„Nach dem bewährten Rezept“, erwiderte Don Juan grimmig.

Längst war die Schebecke klar zum Gefecht, und die Männer brauchten nur noch ihre Posten an den Drehbassen und Vierpfündern einzunehmen. Vigil und sechs Männer kauerten sich auf Don Juans Geheiß zunächst hinter die Steuerbordgeschütze. Die vier anderen führten die Segelmanöver durch.

Die Schebecke fiel leicht vom Wind ab und ging auf Kurs Nordwesten. Über Backbordbug segelnd, glitt sie in einem rechten Winkel auf die Galeonen zu, so daß sie in Lee hinter deren Achterschiffe geriet. Nur wenige Augenblicke später war es soweit – und die spanischen Mannschaften waren völlig überrumpelt, zumal die Ausguckposten den schlanken Dreimaster nicht einmal andeutungsweise erspäht hatten.

Vigil und die anderen Geschützführer hatten die Holzkohlenglut in den Kupferbecken geschürt und die Lunten entfacht. Die glimmenden Enden senkten sich auf die Bodenstücke der Kanonen, das Zündkraut in den Zündkanälen fing Feuer.

Donnernd entluden sich die vorderen fünf Geschütze der Steuerbordseite, und die Mündungsblitze stachen wie die glühenden Zungen fauchender Drachenmäuler in die Nacht. Drüben, an Bord der am weitesten nach Süden versetzt liegenden Galeone, wurden Rufe und Flüche laut, aber jede Reaktion der Besatzung erfolgte zu spät.

Wie dröhnende Hammerschläge hieben die fünf Vierpfünderkugeln in das Heck des Schiffes. Es knackte, knirschte und prasselte, und das Schreien der Männer an Bord wurde lauter und griff auch auf die zweite, nördlich treibende Galeone über, wo ebenfalls Unruhe entstand.

Ehe dort aber jemand begriffen hatte, was gespielt wurde, hatte die Schebecke auch sie erreicht und feuerte auf ein Zeichen Don Juans hin die übrigen sechs Geschütze der Steuerbordseite ab. Nur eine Kugel ging fehl und landete gischtend im Wasser, die anderen lagen im Ziel und schienen – den Lauten nach zu urteilen – ein Loch in das Achterschiff der Galeone zu reißen.

Gebrüll dröhnte durch die Nacht, die Wuhling auf beiden Schiffen war jetzt perfekt. Natürlich schrien die Kapitäne ihren Leuten zu, sie sollten die Gefechtsstationen besetzen und nach dem Feind Ausschau halten – aber der war längst wieder in der Finsternis verschwunden. Lautlos, fast unheimlich leise stahl er sich davon und hinterließ Zustand und Ratlosigkeit.

Was war geschehen? Wer schlich durch die Nacht und feuerte wie ein Teufel auf die Ruderanlagen spanischer Galeonen? Die Kapitäne der Galeonen vermochten es sich nicht zu erklären, aber auch die Offiziere, die Seeleute und Seesoldaten waren völlig verwirrt. Zwar hatten sie von der Besatzung der „Gaviota“ einiges über die Angriffe vernommen, denen der Verband offenbar ausgeliefert gewesen war, aber sie schienen den Schilderungen nicht die rechte Bedeutung beigemessen zu haben. Zumindest hatten sie nicht damit gerechnet, daß der nächste Überfall ihnen gelten würde.

„Geschafft“, sagte Vigil zu seinem Kapitän. „Wir haben es wieder einmal geschafft, Señor.“

„Ja“, sagte Don Juan und beobachtete aus schmalen Augen, was weiter geschah. Tatsächlich war der Coup zu seiner vollen Zufriedenheit ausgefallen. Beide Galeonen hatten erhebliche Treffer in den Ruderanlagen zu verzeichnen. Doch was jetzt eintrat, überstieg alle seine Erwartungen.

Die in Lee befindliche Galeone drehte mit ihrem zerschossenen Ruder nach Luv hoch und rammte das Achterschiff der zweiten Galeone. Ihr Bugspriet bohrte sich durch eins der Fenster der Seitengalerie und verhakte sich dort – und im Nu war der Teufel los.

Die Bugsprietstenge der Galeone ging zu Bruch, und die Galionsfigur, ein Einhorn, erschien in der Kammer des Schiffsarztes, der fluchtartig und völlig schockiert aus der Kammer stürzte. Er stürmte aufs Achterdeck, sein Gesicht war von einigen Scherben, die durch die Kammer geflogen waren, zerkratzt.

„Madre de Dios!“ brüllte er so laut, daß es bis zur Schebecke tönte. „Wir sind alle des Todes!“

„Schweigen Sie!“ fuhr der Kapitän ihn an.

„Ein Geisterschiff!“ rief einer der Seeleute an Bord dieser Galeone. „Dämonen haben ihre Hand im Spiel!“

„Rette sich, wer kann!“ brüllte irgend jemand.

„Zurück!“ schrie der Kapitän. „Ich lasse jeden auspeitschen, der nicht meinen Befehlen gehorcht! Alle Mann zurück auf ihre Posten!“

Nur mit größter Härte und allem Durchsetzungsvermögen gelang es ihm, die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Ähnlich war die Lage an Bord der anderen Galeone: Die Männer liefen durcheinander und gerieten sich gegenseitig ins Gehege. Ein Mann wurde angerempelt, er flog gegen den Hauptmast und stieß sich den Kopf so unglücklich, daß der Schiffsarzt ihn behandeln mußte. Weitere Verletzte gab es jedoch nicht. Nur die Ruderanlagen beider Schiffe waren zerstört. Steuerlos trieben sie in der See, hilflosen Giganten gleich, die ihrem Schicksal ausgeliefert waren.

„Sehr gut“, sagte Ramón Vigil. „Das ist noch besser, als wir zu hoffen gewagt haben.“

„Sie sind ineinander verkeilt“, sagte Matteo. „Ein voller Erfolg. Jetzt darf ich den Tag wohl doch endlich loben.“

Ja – Don Juan und seine Männer hatten allen Grund, zu triumphieren. Eine einzige Breitseite hatte genügt, und schon waren die Galeonen manövrierunfähig.

„Sie werden nicht zum Einsatz gelangen“, sagte Don Juan. „Soviel ist sicher.“

Die Schebecke segelte hinauf nach Luv, zum nördlichen Bereich, wo sie sich aufgrund der herrschenden Lichtverhältnisse vor einem stockfinsteren Hintergrund befand. Von hier aus warteten Don Juan und seine Männer die weitere Entwicklung der Dinge ab.

Das Zerschießen der Ruderanlagen war – wie sich auch jetzt wieder gezeigt hatte – wirklich das beste und bewährteste Mittel, den Gegner manövrierunfähig zu machen und auf diese Weise daran zu hindern, weiterhin aktiv zu bleiben. Gleichzeitig bestand kaum die Gefahr, daß Männer dabei verletzt wurden. Allenfalls konnte es die Señores des Achterdecks eines Schiffes treffen, was in Don Juans Augen jedoch leichter zu vertreten und zu verantworten war als Blessuren in den Reihen der Decksleute und Seesoldaten – so hart es klang. Hier grenzte er klar ab und setzte Prioritäten.

Ein Schiff ohne Führung war gezwungen, umzukehren und das Unternehmen abzubrechen. Bislang war dieser Fall nicht eingetreten, aber Don Juan bezog die Möglichkeit rein theoretisch in seine Berechnungen ein. Im übrigen war alles, jede Aktion, die den Kriegsmarsch des Verbandes zur Schlangen-Insel verzögerte und aufhielt, von Vorteil.

Von Arne von Manteuffel wußte Don Juan, daß für den Bund der Korsaren in erster Linie die Zeit zählte, damit sie ihre Insel verteidigungsbereit rüsten und ihre Schiffe nach Westen hin aufmarschieren lassen konnten. Diese Zeit, so hatte er sich fest vorgenommen, wollte er ihnen verschaffen.

Arne hatte Don Juan auch auf der Seekarte gezeigt, wo die legendäre Schlangen-Insel lag. In der Gruppe der Caicos-Inseln also – wie Don Juan bei seinen früheren Nachforschungen bereits einmal richtig vermutet hatte. So fern war er der Lösung also gar nicht gewesen. Doch die Bestätigung erhielt er erst jetzt, und inzwischen waren die Positionen anders abgesteckt.

Letzte Zweifel darüber, ob Don Antonio de Quintanilla tatsächlich die Lage der Schlangen-Insel kannte, waren ausgeräumt worden. Man durfte sich keinen Illusionen hingeben. Die Black Queen hatte Don Antonio die Position verraten, und sie hatte sich in ihrem blinden Haß und in ihrer Rachsucht sicherlich keines faulen Tricks bedient. Sie hetzte die Spanier auf ihren Todfeind, den Seewolf, und es war ihr egal, daß ihr dadurch aller Wahrscheinlichkeit auch die Möglichkeit genommen wurde, jemals wieder an die Schätze des Bundes der Korsaren zu gelangen.

Denkbar war allerdings, daß sie bislang angenommen hatte, bei einem Gefecht als der lachende Dritte auf der Insel zu landen und sich zumindest einen Teil des Schatzes anzueignen. Doch dem hatte Don Juan inzwischen einen Riegel vorgeschoben. Der Zweimaster der Queen war versenkt, sie blieb mit ihren letzten Getreuen auf der Strecke und konnte dem Verband nicht mehr folgen.

Don Juan hielt es für richtig und zweckmäßig, wenn die Schiffe des Bundes der Korsaren den heranmarschierenden Gegner so weit wie möglich westlich der Caicos-Inseln zum Gefecht stellten. Dies wiederum bedingte, die Marschfahrt des Verbandes ständig zu unterbrechen. Don Juan sah dies als seine Aufgabe an, und er setzte alles daran, sie mit Erfolg zum Abschluß zu bringen.

Bisher war es ihm recht gut gelungen, die Fahrt des Verbandes zu verlangsamen – ganz abgesehen von der Verzögerung, die Don Antonio de Quintanilla durch sein Auftreten bewirkt hatte. Er hatte dreist und arrogant darauf bestanden, daß man ihm eine Wanne für sein tägliches heißes Bad besorgte – und Don Garcia Cubera hatte sich diesem Willen gebeugt. In Cardenas hatte der Verband Station eingelegt, es war eine Badebalje besorgt worden, die mit einigen Schwierigkeiten an Bord der „San José“ gehievt und entsprechend placiert worden war. Weitere Komplikationen hatten sich ergeben, als das Wasser für das Bad erhitzt und herbeigemannt werden mußte.

Don Juan hatte all diese Details von den beiden Männern erfahren, die als einzige Überlebende der Kriegskaravelle, die von Caligula in die Korallenriffe der Cay-Sal-Bank gelockt worden war, an Bord der Schebecke übernommen worden waren. Don Juan hatte sie von einer kleinen Insel der Cay-Sal-Bank abbergen lassen, und jetzt gehörten sie zu seiner kleinen, aber wehrhaften Crew.

Der Sargento José Buarcos und der Seemann Jorge Matteo: sie waren, wie sich herausgestellt hatte, zwei ehrliche, tüchtige Kameraden, die man gut brauchen konnte. Alles, was sie wußten, hatten sie Don Juan berichtet – angefangen vom Auslaufen des Verbandes aus dem Hafen von Havanna bis hin zu den einzelnen Episoden, von denen der Kampf gegen Caligula um ein Haar auch sie das Leben gekostet hätte.

Somit hatte Don Juan de Alcazar an Bord seiner Schebecke jetzt außer seinem Bootsmann Ramón Vigil eine zehnköpfige Crew, die für ihn durchs Feuer ging. Sie hatten sich ihm gleichsam mit Haut und Haaren verschrieben, und dafür gab es mehrere Gründe. Sie waren jedoch keine blindwütigen Fanatiker und auch keine Rebellen, die sich gegen ihre Landsleute und ihr Vaterland auflehnten. Es waren andere Erwägungen, die ihrer Entscheidung zugrunde lagen, Seite an Seite mit Don Juan de Alcazar für den Bund der Korsaren zu kämpfen.

Sie waren ausnahmslos Spanier, und sie waren auch alle mehr oder weniger Patrioten. Aber mehr denn je waren sie davon überzeugt, daß es richtig war, hier in der Karibik gegen ihre eigenen Landsleute zu kämpfen und eine Wahnsinnstat wie den Überfall auf die Schlangen-Insel zu verhindern.

Don Juan hatte jeden einzelnen von ihnen ausdrücklich befragt, bevor er als Fühlungshalter des Verbandes Havanna verlassen hatte. Waren sie sich dessen bewußt, was er von ihnen verlangte? Ja, sie waren es. Einstimmig stellten sie sich auf seine Seite, und keiner von ihnen hatte bereut, diesen Entschluß gefaßt zu haben.

Die Gründe dafür lagen auf der Hand. Don Juan war der geborene Führer, der für eine gerechte Sache kämpfte und jeden Mann, in dessen Brust ein ehrliches Herz schlug, auf seine Seite zog. Seine Persönlichkeit war überragend, und er hatte eine besondere Art von Ausstrahlung, die Männer wie Vigil von Anfang fasziniert hatte.

Weiter waren da die Erfahrungen, die diese Männer gesammelt hatten. Die Stamm-Crew hatte unter Don Juans Kommando dem Teufel bereits mehr als ein Ohr abgesegelt, und was sie erlebt hatte, war abenteuerlich und tief beeindruckend zugleich gewesen. Sie hatten Berührung mit dem ehemaligen Feind gehabt, und sie hatten ausreichend Gelegenheit zu der Feststellung gehabt, daß sich die Männer der „Isabella IX.“ jedem Gegner gegenüber absolut fair und korrekt verhielten. Das waren keine Piraten, Galgenstricke und Schlagetots – das waren richtige Männer, Korsaren von Format, die nach unumstößlichen Geboten und Prinzipien handelten. Die Geschehnisse auf Great Abaco hatten dies deutlich und nachhaltig bewiesen.

Die jüngsten Ereignisse in Havanna wären der Höhepunkt der üblen Erfahrungen, die Vigil und seine Kameraden mit ihren eigenen Landsleuten hatten sammeln müssen. Rigoros und brutal war die Schebecke, die sie unter dem Einsatz ihres Lebens gekapert hatten, von den Schergen des Stadtkommandanten beschlagnahmt worden. Sie selbst waren gefesselt und ins Stadtgefängnis gebracht worden. Von dort aus hatten sie mehr oder weniger als Gepreßte auf die Schiffe des Verbandes gebracht werden sollen – was ihr Kapitän, Arne von Manteuffel und Jörgen Bruhn jedoch verhindert hatten.

Auch dieser Vorfall hatte Vigil und die anderen Männer der Schebecke zutiefst beeindruckt. Sie waren sich einig gewesen, ehe Don Juan sie direkt darüber befragt hatte: Sie akzeptierten seine Ziele voll und ganz und würden nicht mehr davon abweichen.

Der Kampf gegen jene intriganten Verbrecher, die in der Neuen Welt durch ihre Machenschaften den Namen Spaniens entehrten und beschmutzten, war jetzt ihre Sache. Sie wußten, was die spanische Obrigkeit in diesem Land Amerika anrichtete, und es war ihnen auch aufgegangen, daß die ganzen Geschähe und Schiebereien früher oder später den Niedergang des Königshauses und der Nation zur Folge haben konnten.

Die Korruption zog die beginnende Dekadenz mit sich. Spaniens Weltreich zerbröckelte, wenn nicht etwas geschah. König Philipp II. war schon lange nicht mehr Herr der Lage, und die Zügel entglitten mehr und mehr seinen schlaffer werdenden Händen.

Mit ihrer Wahl distanzierten sich die Männer der Schebecke zwangsläufig von der offiziellen „Ordnung“, wie sie beispielsweise von einem Don Antonio de Quintanilla praktiziert wurde. Für den Dienst an Bord des Dreimasters unter Don Juan hatten sie sich freiwillig entschieden, und so wurden sie von ihm auch behandelt: als freie Männer.

Ihre Aufgabe erfüllte sie mit Stolz. Sie kämpften für höhere Werte als die Gier nach Macht und Besitz, die die meisten Spanier in der Neuen Welt verblendete. Sie hatten ihre Prinzipien – wie die Männer des Bundes der Korsaren. Sie fühlten sich ihnen zugehörig, und sie fanden, daß das eine großartige Sache war.

Seewölfe Paket 21

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