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6.

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Dann traf ihn fast der Schlag, als das Licht seine Umgebung schwach erhellte. Der Anblick war so furchtbar, daß Old O’Flynn stolperte, auf einem Bein herumhüpfte und sich prompt auf den Boden setzte. Dort blieb er mit verzerrtem Gesicht und weit aufgerissenen Augen hocken.

Wenn er daran dachte, was er im Laufe seines langen Lebens schon alles gehört und gesehen hatte, dann war das hier die übelste und schlimmste Schreckenskammer der ganzen Welt.

Ein heiseres Krächzen drang über seine Lippen. Sein Blut rieselte wie Pulver durch seine Adern, und auf der Stirn stand ihm der Schweiß in dicken großen Perlen.

Nein, das gibt es nicht, dachte er schaudernd. Das durfte einfach nicht wahr sein.

Jetzt ging seine Phantasie erst richtig mit ihm durch, und er sah Dinge, die es gar nicht gab und nur in seinem Schädel existierten und dort Gestalt annahmen.

Er befand sich im bizarren und total perspektivisch verzerrten Vorgarten eines Hexenmeisters. Da gab es riesige Drachenzähne, furchterregende Kalbsköpfe mit wulstigen Lippen, glühenden Augen und aufgerissenen Mäulern, die ihn höhnisch angrinsten. Männchen mit riesigen Quellköpfen und bis zum Boden wuchernden roten Bärten standen schweigend da und grinsten höhnisch. Da drüben stand eine alte Hexe mit einer riesigen Kiepe auf dem Rücken. Sie hatte sich gerade umgedreht und starrte ihn hämisch kichernd an.

Der Alte war wie vom Donner gerührt. Er erstarrte buchstäblich zur Säule und konnte sich vor Angst und Schrecken nicht bewegen. Er verdrehte nur die Augen, bis er schielte.

Das hier war die bizarre Wunderweit aus frühen Kindertagen, die er nur vom Hörensagen kannte. Hier gab es alles das, was sie ihm in seiner Kindheit schon erzählt hatten und Jung O’Flynn damals gierig wie ein Schwamm in sich aufgesogen hatte. Da hatte es ihn ganz schön gegruselt, und jetzt war er selbst in eines dieser bizarren Geisterreiche eingedrungen.

Dort schliefen eingetrocknete Mumien auf einer langen Bank, mit verdorrten langen Händen, die wie Wurzeln aussahen. Eine von ihnen schlief jedoch nicht, denn sie blinzelte aus grünlichen Augen ständig zu ihm herüber.

Aber da gab es auch eine Gruppe furchterregender Kerle mit langen steinernen Bärten. Und an einem runden Tisch hockte ein alter Mummelgreis, dessen feuerfarbener Bart mitten durch die Platte gewachsen war.

Old O’Flynn hielt sich bei diesem Anblick nur noch mühsam aufrecht. Er wollte schreien, ächzen, stöhnen, aber seine Kehle war wie zugeschnürt, als hätten sich die verdorrten Finger der Mumien um seinen Hals gewickelt.

Er hockte nur da, schnatterte, bibberte und wackelte wie ein Pudding. Alles schlotterte an ihm. Aber immer noch brachte er keinen einzigen Ton heraus.

Da drüben, an einer endlos hohen Wand, stand der Hexenmeister vor seinen Drachenzähnen. Ein giftiges Maul schien nach ihm zu schnappen. Der Kerl stand da in einer feuerroten Robe mit einem grünen Schal und kohlschwarzen Augen. Und einen weißen, bis zum Boden wallenden Bart hatte er, in dem ein Spalt klaffte. Zwei Hauer wie bei einem wilden Keiler schauten heraus. Der Kerl grinste gemein und abfällig, und sein großes Maul mit den Hauern öffnete sich langsam.

Old O’Flynn glaubte jetzt ganz deutlich Stimmen zu hören, leise wispernde Stimmen, aber auch keifende oder murmelnde.

„Was tust du in meinem Zaubergarten?“ fragte der Hexenmeister mit drohender Stimme.

„Ich – ich will ja gar nichts“, jammerte Old O’Flynn, dem ein eisiger Schauer nach dem anderen über den Rücken lief.

Die Hexe an der anderen Seite kicherte boshaft.

„Er will die Drachenzähne stehlen!“ keifte sie.

„Will ich nicht“, sagte Old O’Flynn, aber das bildete er sich nur ein, denn in Wirklichkeit sagte er nichts. Er wollte es zwar sagen, doch die Stimme versagte ihm den Dienst.

Als er noch einmal hinsah, war der Hexenmeister spurlos verschwunden. An seiner Stelle saß da ein fettes Männchen mit einem riesigen Kalbskopf und langen, spitzen Giftzähnen.

Old O’Flynn geriet von einem Extrem in das andere. Total verstört und erledigt hockte er da und hielt den brennenden Span über sich.

Die Umgebung veränderte sich immer wieder auf furchteinflößende Art und Weise. Auch das wundersame Spiel der Farben wechselte ebenso wie die schaurigen Gestalten.

Längst am Ende seiner Nerven, sah Old O’Flynn die eigentümlichen und bizarren Figuren langsam verblassen. Alle schienen sich lautlos auf ihn zuzubewegen, bis sie ihn von allen Seiten eingekreist hatten. Alles wurde jetzt grau und fast gegenstandslos.

Mit einem Schlag verschwand der Geisterreigen aus Mumien, Hexen und Giftzwergen.

Erst jetzt bemerkte Old O’Flynn, daß seine provisorische Fackel erloschen war. Er hatte schon geglaubt, er müsse jetzt sterben und würde in den bizarren Figuren aufgehen und mit ihnen verschmelzen.

Von namenlosem Grauen geschüttelt, entzündete er mit zitternden und flatternden Händen den nächsten Span. Seine Zähne schlugen bretthart aufeinander, seine Hände flatterten so, daß er kaum in der Lage war, den nächsten Span zu entzünden.

Als der Schein zögernd aufflackerte und gespenstische Schatten warf, veränderte sich auch das Schreckenslabyrinth in beängstigender Weise.

Er war offenbar wieder in einen anderen Hexen- oder Geistergarten versetzt worden. Auch die Farben waren ganz anders.

Daß das auf einen ganz natürlichen Lichtbrechungseffekt in der Tropfsteinhöhle zurückzuführen war, konnte Old O’Flynn nicht wissen. Er hatte noch nie eine Tropf- oder Kalksteinhöhle gesehen und schon gar nicht betreten. Und weil er eine ausgeprägte Phantasie hatte, wurde das alles nur noch schlimmer, pittoresker und bizarrer.

Eine neue Scheinwelt mit Ausgeburten der Hölle tat sich vor seinen entsetzten Augen auf.

Der Alte fühlte sich wieder in seine Kindheit zurückversetzt und lauschte den Schauermärchen, die am Kamin um Mitternacht erzählt wurden. Da war nur von Geistern, Toten, Hexen, Teufeln, Dämonen und Unholden die Rede. Und das alles hatte er immer gierig in sich hineingefressen und sein Leben lang bewahrt.

Jetzt kehrten die abnormen Gestalten zurück und offenbarten sich ihm, als seien sie aus Fleisch und Blut.

Sobald Old O’Flynns zitternde Hände die provisorische Fackel auch nur um eine Kleinigkeit bewegten, kehrte neues Leben in die Gnomen, Trolle und Zwerge.

Da war an einem steinernen Brunnen der Triefgurker mit der fürchterlich langen Nase, der auf einem großen Rentier hockte und ihn grimmig und feindlich anstarrte.

Aber auch andere Geschöpfe gab es da. Um einen hünenhaften bärtigen Gesellen mit großen Tränen in den Augen hatten sich Elfen und Gnomen, Kobolde und Uldras versammelt, die ihm wie gebannt zu lauschen schienen.

Der grausame Hexenmeister stand jetzt ganz im Hintergrund und schien sich an seiner Angst zu ergötzen. Die Hexe sah er nicht. Offenbar hielt sie sich zwischen buntschimmernden riesigen Orgelpfeifen versteckt. Stimmen flüsterten und raunten. Hämisches Kichern war zu hören, und merkwürdig glucksende Laute erklangen. Von etlichen der Orgelpfeifen rannen Blutstropfen herab, die auf den schimmernden Boden fielen. Von unten wuchsen wieder andere Orgelpfeifen nach oben, und manche hingen einfach so von einer sehr hohen und unsichtbaren Decke nieder, als würden sie gleich abstürzen.

Old O’Flynn war immer noch steckensteif vor Angst. Sein Genick schmerzte, die Augen quollen ihm fast aus den Höhlen, und er spürte eine jämmerliche Angst von den Zehenspitzen bis in den Kopf.

Er war hier eingedrungen, und jetzt erhielt er die Quittung, denn diese Zauberwelt durfte kein menschliches Auge sehen. Deshalb lag sie auch so unendlich tief unter der Erde, jedem menschlichen Blick entzogen.

Aber er war hier nicht eingedrungen, er war nur versehentlich hineingeraten, durch einen Unfall sozusagen, und daraus konnte man ihm schließlich keinen Vorwurf machen.

Er war völlig schuldlos, und er hätte alles darum gegeben, von hier so schnell wie möglich wieder verschwinden zu können.

Doch offenbar gab es keinen Weg aus der Finsternis zurück.

Wie gebannt starrte er auf die vielen Gesichter, die ihn aus allen Ecken belauerten. Dämonische Augen funkelten ihn an, verkrüppelte Hände waren erhoben, als wollten sie nach seinem Hals greifen, um ihn umzubringen.

Er hatte jedoch noch die Nerven, schnell einen neuen Span zu entzünden, bevor der andere verglühte. Das geschah aber mehr instinktiv, denn die Finsternis ängstigte ihn noch mehr. Bei Licht konnte er die Gestalten wenigstens sehen, in der Dunkelheit jedoch nicht, und dann konnte es passieren, daß sie sich ihm lautlos näherten.

Stumm und starr vor Schreck starrte er weiter um sich. In dieser Zauberwelt gab es immer neue Überraschungen zu entdecken, dabei hatte er bisher nur einen winzigen Bruchteil gesehen.

Wem mag das hier alles gehören? fragte er sich bibbernd. Jenem rotbetuchten Hexenmeister, der alten Hexe selbst oder jenem Greis, dessen Bart durch den steinernen Tisch gewachsen ist?

Er warf einen furchtsamen Blick in die Höhe. Von dort ragten riesige buntschillernde Zapfen nach unten, von denen es in bestimmten Abständen langsam tropfte. Mal waren die Tropfen rot, dann wieder grün oder von gelblicher Farbe.

Etliche Zapfen waren dünn wie Finger, andere schenkelstark, und einige hatten den Umfang von ausgewachsenen Bäumen. Manche wuchsen aufeinander zu und berührten sich. Das gab dann jeweils ganz besonders bizarre Gebilde. An ihren unteren Wülsten befanden sich gigantische Aufwerfungen, die wie erstarrtes Wasser aussahen.

Überhaupt schien hier alles seit Tausenden von Jahren erstarrt zu sein. War es nicht möglich, daß diese unheimliche Gesellschaft schon seit Ewigkeiten schlief und nur darauf wartete, endlich erlöst zu werden?

Solche und ähnliche Fragen stellte er sich immer wieder, aber er fand keine Antwort darauf.

Bewegte er sich nur ein wenig mit seiner Behelfsfackel, dann bewegten sich auch die unheimlichen Gnomen, Trolle, die Männchen mit den Schafsköpfen oder die Uldras. Also belauerten sie ihn doch und gaben nur vor, erstarrt zu sein.

Hin und wieder war die Stille entsetzlich und fast mit den Händen greifbar. Aber dann platschte es irgendwo leise, und sofort wurde das Geräusch in alle Richtungen verstärkt. Old O’Flynn zuckte dann jedesmal heftig zusammen.

Ein neuer Span war fällig, den er mit flatternden Händen entzündete.

Diesmal hielt er seine schwach brennende Fackel so, daß er auch erkennen konnte, was sich hinter ihm befand. Vorsichtig drehte er sich um und hielt das Licht hoch.

Da stand eine riesige Orgel, so gewaltig, daß sie nur von einem Riesen bedient werden konnte. Die Pfeifen waren gewaltige Stämme, die in eine riesige Kathedrale eingebettet waren, deren Decke er immer noch nicht erkennen konnte. Sie mußte so hoch wie der Himmel sein.

Mitten in der Orgel gab es ein riesiges dunkles Loch, Dahinter begann eine Galerie, und da sah Old O’Flynn ebenfalls hünenhafte Männer mit endlos lang wuchernden Bärten, die unbeweglich in Reih und Glied standen.

Es hätte ihn nicht mehr gewundert, wenn die Orgel jetzt plötzlich gespielt hätte. Er glaubte schon, die ersten zarten Töne zu hören, die dann immer mehr anschwollen.

Er riskierte noch einen Blick und war nahe am Überschnappen.

Ja, das hier mußte das Reich der Toten und Verwunschenen sein. Hier lebten die „Ünnererdschen“, die Hexenmeister und Geister, die nur nachts an die Oberfläche stiegen, um die Leute zu erschrecken.

Er sah einen Mann an der Orgel sitzen, und dieser Anblick warf ihn fast um.

Das war kein Mann. Das war ein Herkules, ein Gigant, gegen den selbst der Profos nur wie ein Säugling wirkte. Dieser Riese hatte seine gewaltigen Arme auf eine Tastatur gelegt, die aus bärtigen und tangähnlichen Fäden bestand. Die Register dieser Orgel waren knorzige Stämme von undefinierbarer Farbe.

Aber das Gesicht des Giganten war es, was Old O’Flynn vor Schreck fast die Stiefel auszog.

Das begann schon bei den Haaren, die wie steinerne Wogen sein Gesicht überfluteten. Die Augenbrauen waren schenkelstark und von grünlich wäßriger Farbe, und das Maul Gebilde wie ein Rüssel, und das Maul des Riesen war so weit geöffnet, daß Old O’Flynn bequem mit der Jolle hätte hineinsegeln können.

Die Augen erinnerten ihn lebhaft an Mühlräder, die ihn furchtbar mörderisch ansahen. Der Riese sah aus, als würde er jeden Augenblick aufspringen, um ihm an die Gurgel zu gehen.

Old O’Flynns Hand mit der Fackel zitterte stark. Das hatte zur Folge, daß sich der Lichtschein bewegte und alles verzerrte.

Offenbar irritierte das auch den orgelspielenden Riesen, denn jetzt stützte er voller Wut die Arme auf die Knie und erhob sich.

Da war Old Donegal mit seinen Nerven am Ende. Denn jetzt erhob sich auch der schweigende Chor der Bärtigen und reckte sich. Auch das waren Riesen, die immer größer und gewaltiger wurden. Was sie wollten, war dem Alten absolut klar: Umbringen wollten sie ihn – oder ihn zwischen die Männchen mit den Kalbsköpfen und langen Giftzähnen werfen, damit die ihn verspeisen konnten.

„Hilfe!“ brüllte er, so laut er nur konnte. „Hilfe – helft mir doch! Die bringen mich um!“

In seiner Panik und dicht davor, endgültig überzuschnappen, sprang er auf und vergaß ganz, daß sein Holzbein vor ihm auf dem Boden lag.

Er griff haltsuchend um sich, doch da war nur ein langer großer Zapfen, der von der Decke hing.

Glück zu, das ist die Rettung, dachte er. Er packte den Zapfen mit aller Kraft und klammerte sich daran fest. Der Zapfen wackelte ein bißchen, dann knirschte es in großer Höhe, und Old O’Flynn hielt ein tonnenschweres Ding in den Armen, dessen Gewicht naturgemäß seine Kräfte überstieg.

Der Zapfen donnerte auf den Boden, stand da für einen Augenblick und fiel dann um wie ein gefällter Baum. Was Old O’Flynn dann an Geräuschen zu hören kriegte, vergaß er sein ganzes Leben lang nicht.

Zuerst war da ein Singen in der Luft, dann ein urweltliches Knirschen, als würde die Welt aus den Angeln gehoben. Danach splitterte es, und durch den fürchterlichen Krach schienen auch die anderen Schläfer aufgeschreckt zu sein, denn jetzt brüllten, tobten, keiften und schrien sie alle wüst durcheinander.

Die Riesen unter ihnen brüllten mit Donnerstimme ihre Empörung hinaus, daß es ein Frechling wage, sie zu stören. Die Trolle und Gnomen schimpften mit schrillen Stimmen, die Wichtelmänner und Zwerge keiften wild, die Hexe kreischte, und der Kerl in der roten Robe, dem der Zaubergarten gehörte, gebärdete sich am tollsten. Er stieß Flüche aus, die in seinem Mund explodierten wie Fässer voller Schießpulver.

Dann war da nur noch ein Krachen und Bersten, ein fürchterliches Splittern, als würde eine ganze Armada in Klump geschossen.

Old O’Flynn hatte die Unterwelt aufgescheucht und die Weltesche aus den Angeln gehoben.

Das war einfach zuviel für seine strapazierten Nerven. Das hielt kein Mensch aus, mochte er auch noch so hart im Nehmen sein.

Über dem Schreck, dieses Chaos verursacht zu haben, fiel er wieder in Ohnmacht. Diesmal verlor er vor Angst die Besinnung, denn was er angerichtet hatte, war einfach zu schrecklich.

Um ihn herum splitterte und barst es, als sich der Stalaktit in einem Trümmerregen auflöste und brockenweise davonflog.

In Wirklichkeit war es nur ein kleiner Stalaktit, nicht mal so groß wie Old O’Flynn selbst. Und sein Fall hob auch nicht die Welt aus den Angeln. Es war nur das Echo in der gewaltigen Tropfsteinhöhle, das alles verstärkte, verzerrte und viel schlimmer klingen ließ, als es war.

Aber das wußte Old O’Flynn nicht. Für ihn war die ganze Unterwelt schlagartig zusammengebrochen.

Seewölfe Paket 24

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