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Etwas später waren die Langusten verspeist, und jetzt brannten alle darauf, „Väterchen“ O’Flynn zu suchen. Einige hatten sich schon ernsthaft vorgenommen, dem alten Zumsel gehörig die Leviten zu lesen, denn wo gab es denn so was, daß dieser Brummbär erst beleidigend wurde und dann auskniff, nur weil ihn wegen seiner Frechheiten mal eine Bratpfanne gestreift hatte. Geschah ihm recht, dachten sie schadenfroh, das hatte er nun davon. Sie alle standen wie ein Mann in dieser Hinsicht auf Marys Seite. Die beiden Frauen natürlich auch.

Gotlinde behauptete sogar, sie hätte ihrem nordischen Hirsch den Helm so platt geklopft, daß er ihn nie mehr vom Schädel gekriegt hätte.

Daraufhin brach noch einmal ein wildes Gelächter los, und die Kerle konnten sich kaum beruhigen.

„Weißt du genau die Stelle, wo dieser Büffel an Land gegangen ist?“ fragte Jean Ribault den Bootsmann der „Empress“. „Dann nehmen wir Fackeln mit und gehen seinen Spuren nach.“

„Ja, ich habe genau gesehen, wie er durch das Gestrüpp flitzte. Es wird nicht schwer sein, den Spuren zu folgen.“

Die Männer und Frauen waren alle mächtig aufgekratzt, einmal durch das herrliche Essen und zum anderen durch den Wein oder das Bier, das sie genossen hatten. Der Einfachheit halber wurde Marys freudige Nachricht gleich kräftig mitbegossen.

Dann wurden Fackeln geholt und entzündet.

„Es reicht, wenn wir zu dritt oder viert gehen“, sagte Jean. „Die anderen sollen sich ruhig mit den Langusten beschäftigen.“

Schließlich gingen Mary, Jean Ribault, Don Juan de Alcazar und Martin Correa los, um den Spuren Old O’Flynns zu folgen.

Als sie an dem Gebüsch waren, entzündete Ribault eine weitere Fackel an einer anderen. Martin deutete in den Sand.

„Da vorn lag die Jolle. Er hat ihr noch einen wütenden Fußtritt gegeben, bevor er verschwand. Hier, ganz in der Nähe, ist er durch das Gestrüpp gerast.“

„Das ist vielleicht ein alter Elch“, sagte Jean Ribault, womit er den alten O’Flynn meinte. „So einen Querkopf habe ich noch nicht gesehen. Der spinnt doch, der Bursche.“

„Der spinnt wirklich“, sagte Mary. „Ich bin nur gespannt, wo er sich jetzt aufhält. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß er bei der Finsternis allein irgendwo im Sand sitzt. Hoffentlich ist ihm nichts passiert“, fügte sie besorgt hinzu.

Martin entdeckte gleich darauf die Spuren im Sand, die sie mit der Fackel ableuchteten. Da war der Abdruck eines Stiefels und daneben der kleine Abdruck von dem Holzbein. Die O’Flynnschen Fußspuren waren einmalig und unverkennbar.

Die Fackeln dicht am Boden haltend, gingen sie den Spuren nach. Mitunter waren die Abstände recht groß.

„Der muß wahrhaftig wie ein Büffel losgestürmt sein“, meinte Don Juan amüsiert. „Solche gewaltigen Sprünge bringt man normalerweise nicht zustande. Da muß man schon rennen.“

Es ging durch Dünenfelder querbeet durch die Insel.

Martin blieb stehen und deutete mit der rauchenden Fackel in den hellen Sand.

„Hier hat er eine Pause eingelegt, da ist deutlich der Abdruck von seinem Achtersteven zu erkennen.“

Danach war Old O’Flynn weitergestakst, immer noch voller Zorn, wie die Spuren eindeutig bewiesen.

„Der ist ja höllisch weit gerannt“, sagte Mary staunend, „als wollte er die gesamte Insel durchqueren.“

Vor einem dichten Gestrüpp endeten eine Weile später die Spuren. Hier war der Alte wie ein Hirsch durchgewalzt.

Jean Ribault betrat vorsichtig das Gestrüpp und blieb stehen. Die anderen folgten ihm.

„Donnerwetter“, sagte der Franzose erstaunt und deutete auf ein Loch im Boden, das ziemlich steil in den Sand hineinführte. Überrascht blieben sie davor stehen.

Hier endeten die Spuren, wie Martin feststellte. Und hier hatte der Erdboden den kauzigen Alten buchstäblich verschluckt.

„Eine Art Rutsche“, meinte Jean Ribault, der sich neugierig vorbeugte. „Donegal hat so seine ganz bestimmte Art, immer in Erdlöcher zu sausen, das ist ihm offenbar angeboren.“

Die Höhle war mehr ein schmaler Gang, aber der führte sehr steil in die Tiefe, wie sie besorgt feststellten. Wie es weiter unten aussah, erkannten sie nicht. Da war alles pechschwarz und finster.

„Donegal!“ rief Mary mit lauter Stimme.

Keine Antwort. Auch als Martin laut hinunterblökte, meldete sich der Alte nicht. Besorgt sahen sie sich an.

„Er muß da unten sein“, sagte Don Juan. „Es gibt keine andere Möglichkeit, aber das können wir erst feststellen, wenn wir uns in die Tiefe abseilen. Der Teufel mag wissen, wie lang dieser Gang ist. Und Donegal spaziert vermutlich irgendwo dort unten herum und kann uns nicht hören.“

„Der spaziert ganz sicher nicht in totaler Finsternis herum“, widersprach Mary, „dazu hat er viel zuviel Angst vor Geistern, die in der Tiefe lauern.“

„Ich laufe zurück und hole Seile“, sagte Martin. „Die Fackel könnt ihr hierbehalten, ich finde den Weg auch so.“

Und schon war er weg.

Jean Ribault nahm eine Fackel, beugte sich tief zu dem Gang hinunter und warf sie schwungvoll hinein. Funken sprühten, die Fackel begann zu rollen und überschlug sich holpernd, einen längeren Licht- und Rauchschweif hinter sich lassend.

Das Licht wurde immer schwächer, bis es nicht mehr zu sehen war.

Jean Ribault schluckte. Ganz sicher war die Fackel nicht erloschen, aber der Gang war so tief, daß sie sich ihren Blicken entzog.

Er sah Mary an, sagte aber nichts, damit die sich nicht noch mehr sorgte. Aber Mary dachte das gleiche wie Jean.

Hier war der Zorngockel übergangslos hineingefallen, und wahrscheinlich hatte er eine Höllenfahrt hinter sich. Möglicherweise hatte er sich vielleicht das Bein gebrochen und konnte nicht mehr laufen, denn auf dem Holzbein allein konnte er sich nicht halten.

Sie überlegte krampfhaft, wohin der Gang führen mochte, denn er war wirklich sehr lang. Jetzt drang nur noch ein wenig dunstiger Rauch aus dem steilen Schacht.

Nach überraschend kurzer Zeit kehrte Martin mit zwei langen Leinen zurück. Er hatte auch noch zwei weitere Fackeln mitgebracht.

„Das übernehmen Martin und ich“, sagte Jean. „Wenn ihr die Leinen haltet, seilen wir uns ab.“

Es wurde nicht lange diskutiert, denn Eile war geboten, und so widersprach niemand, als Martin und Jean sich die Leinen umbanden.

Mit Fackeln bewaffnet ließen sie sich vorsichtig in den Gang abseilen.

Eine schweigende Welt nahm sie auf, als ihre Fackeln die seltsame Umgebung erhellten. Anfangs sahen sie sich nur stumm um und staunten über die Tropfsteine, die überall bizarr aufwuchsen und mitunter den Weg versperrten.

„Gar nicht so steil, wie ich dachte“, sagte Jean, „aber wenn man hier unversehens hineinfällt, saust man doch wahrhaftig ab wie in einer Rutsche.“

Der Boden wurde nach einer Weile eben. Dann standen sie in einer riesigen Höhle und sahen sich nach allen Seiten um.

„Donnerwetter“, murmelte Martin beeindruckt. „Das ist ja hier wie in einem riesigen Dom.“

Seine Worte verdoppelten und verdreifachten sich. Aus dem Flüstern wurde ein Knurren, dann ein Grollen. Martin Correa war das nicht ganz geheuer.

„Eine Kalkstein- oder Tropfsteinhöhle“, sagte Jean Ribault. „Ich war mal in Frankreich in so einem unterirdischen Gewölbe, fast einen ganzen Tag lang, weil ich mich einfach nicht satt sehen konnte.“

Die Wunderwelt der Tropfsteine nahm sie auf. Martin starrte auf versteinerte Zaubergärten, blickte zur Decke und sah die riesigen Stalaktiten, die von dort herabwuchsen. Im Licht ihrer Fackeln schien diese wundersame Welt zu leben. Und sie schillerte in den unglaublichsten Farben.

Martin blieb stehen und starrte in eine Ecke, die wie ein vielfarbiger Korallengarten aussah. Auch er konnte sich an dem Anblick nicht satt sehen, doch Jean Ribault drängte zur Eile.

„Später können wir alles erkunden“, sagte er. „Jetzt müssen wir den Admiral suchen, denn der hat sich hier gründlich verirrt. Er hatte nämlich keine Fackel dabei.“

„Vielleicht hat er den Zunderschwamm ein bißchen glimmen lassen. Dann muß ihn der Anblick umgehauen haben, denn er sah nur noch Geister um sich herum.“

Bei dieser Vorstellung grinsten sie beide, denn sie kannten die Furcht des Alten vor solchen Dingen. Wenn er wirklich etwas gesehen hatte, dann war er hier sicher schreiend und entnervt herumgesprungen.

Sie drangen weiter vor und konnten sich mit den hellen Fackeln auch viel besser orientieren als Old O’Flynn mit seinen dünnen Spänen.

Diesmal war es Jean Ribault, der plötzlich stehenblieb, so daß Martin gegen ihn prallte.

„Was ist?“ fragte er heiser.

Da war irgendwo in dieser riesigen und weitverzweigten Höhle ein Geräusch, das sich nicht definieren ließ. Es hörte sich nach einem Brummen an, doch das Echo verzerrte alles.

Martin Correa griff nach seiner Pistole.

„Hört sich nach einem Bären an“, hauchte er, „vielleicht ist das eine Bärenhöhle.“

„Das ist mir neu, daß es auf den Inseln Bären gibt“, sagte Jean Ribault. „Das muß was anderes sein. Folgen wir dem Geräusch.“

Sie brauchten dem Geräusch nicht lange zu folgen. Es wurde auch immer lauter.

Dann standen sie grinsend vor Old Donegal, der tief und fest schlief und so gewaltig und laut schnarchte, daß die Tropfsteine wackelten.

Neben ihm lagen die kümmerlichen Überreste des Holzbeines, und sie sahen auch, daß er seinen Weg markiert hatte, um aus diesem Labyrinth herauszufinden.

Beide Männer sahen sich grinsend an. Da war er ja, der alte Wüterich, und ihm fehlte offenbar nichts weiter als sein Holzbein, das vermutlich bei seiner Rutschfahrt in Trümmer gegangen war. Mit den Resten davon hatte er versucht, behelfsmäßige Fackeln zu entzünden.

Aber jetzt war er total abgeschlafft und erledigt. Das Umherirren hatte ihn maßlos erschöpft.

„Kerngesund“, stellte auch Martin fest, „aber total erledigt. Der muß hier fast verrückt geworden sein vor Angst.“

Er bückte sich, um den „Admiral“ zu wecken. Doch auch als er ihn etwas gröber anstieß, reagierte der Alte nicht. Mit halboffenem Mund schnarchte er unverdrossen weiter.

„Was jetzt? Der Bursche schläft so tief und fest wie noch nie in seinem Leben.“

„Wir lassen ihn schlafen. Ich trage ihn, er ist ja nicht schwer. Halt du mal die Fackeln.“

Jean Ribault lud sich den Schnarchsack kurzerhand auf den Rücken. Auch das merkte Old O’Flynn nicht, er ratzte weiter wie ein alter Biber.

„Für die Höhle bleibt uns noch genügend Zeit“, sagte Jean, „jetzt müssen wir ihn erst einmal nach oben hieven.“

Sie schafften es wesentlich schneller als Old O’Flynn, den Ausgang zu finden. Es wurde nur noch einmal problematisch, ihn durch den steilen Gang zu bringen. Aber nach einer endlos scheinenden Kraxelei war er endlich oben.

Ribault legte ihn schnaufend in den Sand.

„Da ist dein gutes Stück, Mary“, sagte er trocken. „Ihm fehlt nichts, nur sein Holzbein ist zertrümmert.“

„Wir haben an Bord noch eins. Ferris Tucker hat ja immer gleich Ersatz hergestellt, weil das auch so eine Macke von ihm ist, mit dem Ding überall anzuecken, oder Haifische damit zu verprügeln. Aber ich bin heilfroh, daß ihm weiter nichts fehlt. Nur Väterchen O’Flynn schläft so fest, als hätte er einen Vollrausch.“

Sie erzählten in knappen Worten, wie es da unten aussah. Dann begann Mary O’Flynn, den alten Zorngockel mit dem Finger zu pieksen, damit er aufwachte.

„Das gibt es gar nicht“, sagte sie erstaunt. „Oder hat er doch eine Buddel dabeigehabt und einen gegluckert? Wundern würde mich das nicht.“

„Er hatte jedenfalls nichts dabei. Aber die Geister da unten werden ihm recht übel zugesetzt haben.“

„Hoffentlich“, sagte Mary inbrünstig, „kann sein, daß er dadurch etwas vernünftiger geworden ist.“

„Oder noch bestußter“, fügte Martin respektlos hinzu. „Man kennt das ja zur Genüge.“

„Gehen wir“, sagte Ribault und wollte sich wieder bücken. Doch diesmal kam ihm Don Juan zuvor.

„Jetzt bin ich an der Reihe“, sagte er. Er schnappte sich den Ratzemann, nahm ihn huckepack und marschierte in die Richtung zurück, wo von ferne schwach das Feuerchen brannte und die anderen immer noch hockten und den restlichen Wein tranken.

Als Don Juan ihn an den Stamm einer Palme lehnte und in den Sand setzte, ging das große Grinsen um. Old O’Flynn schlief immer noch, nur sein Schnarchen hatte er eingestellt.

Staunend vernahmen die anderen, wo und unter welchen Umständen sie den Alten gefunden hatten und daß es eine riesige Höhle auf der Insel gab.

„Wo ist denn sein Holzbein?“ fragte Hesekiel verwundert.

„Das ist wieder mal in die Binsen gegangen“, sagte Jean. „Offenbar hat er es zertrümmert, als er auf seiner Rutschfahrt in die Unterwelt einen Kalkstein rammte. Aus den Überresten hat er sich Späne geschnitzt und Fackeln hergestellt.“

„Und es sieht da wirklich wie in einer Geisterhöhle aus?“ erkundigte sich Gotlinde erstaunt.

„Ja“, gab Jean Ribault zu, „auch für einen, der nicht an Geister glaubt, kann es da bei Dämmerlicht ganz unheimlich werden. Bei ihm muß regelrecht was ausgehakt haben.“

„Wenn er erst morgen früh wach werden sollte, könnte man ihm ja noch eine kleine Lektion erteilen“, meinte Martin. „Vielleicht schläft er ja durch, und dann wird er sehr erstaunt sein, sich an Bord seines Schiffes wiederzufinden.“

Ein paar Männer grinsten bereits, als sie sich das vorstellten.

„Laßt ihn doch lieber in Ruhe“, meinte Hesekiel. „Er hat sehr viel durchgemacht. Es war bestimmt kein angenehmer Tag für ihn.“

„Für mich auch nicht“, sagte Mary trocken und betrachtete die schillernden Beulen auf Donegals Schädel.

Nanu! Soweit sie sich entsann, hatte sie dem alten Krakeeler doch nur einmal die Bratpfanne auf den Schädel gehauen, aber jetzt wuchsen dort wesentlich mehr Beulen. Hatten es ihm die Erdmännchen da unten auch noch einmal besorgt?

„Wir bringen ihn an Bord“, sagte Mary, „und stecken ihn in die Koje. Er wacht ja doch nicht mehr auf.“

So geschah es auch. Martin trug den Alten zur Jolle hinüber und setzte ihn zwischen die Duchten. Zur Überraschung aller schlief er immer noch, so daß Mary sich besorgt fragte, ob sein Schädel vielleicht doch etwas zu heftig erschüttert worden war.

Am Strand gingen die Männer auseinander. Die Feier war für den heutigen Tag beendet.

Als sie auf der „Empress“ waren, betteten sie Old Donegal in die Koje.

„Wo ist das Ersatzholzbein?“ fragte Martin. „Das können wir ihm doch gleich anziehen.“

„Es liegt unter seiner Koje in dem schmalen Schapp.“

Das neue Holzbein wurde hervorgeholt. Es unterschied sich in nichts von dem anderen. Es hatte auch ein Geheimfach, in dem ein scharfes Stilett verborgen war.

Sie banden ihm das Holzbein um und befestigten es. Old O’Flynn lag jetzt auf dem Rücken. Auch diese Behandlung entging ihm, er kriegte absolut nichts mit. Er schnarchte weiter, und als Gotlinde und Gunnhild nach ihm sahen, da rührte er sich immer noch nicht.

Leise gingen sie aus der Kammer. Offenbar war Old O’Flynn ganz gesund, nur eben total erschöpft.

„Der wird morgen früh aber Glubschaugen kriegen“, meinte Martin, „da ist bestimmt noch was los.“

„Hoffentlich übernimmt er sich dabei nicht“, murmelte Mary besorgt.

Am anderen Morgen lauerten die Kerle bereits unauffällig in Booten um die „Empress“ herum, damit ihnen ja nicht entging, wenn Donegal an Deck schlurfte. Mary hatte bereits verkündet, daß er bald erwachen würde, denn er drehte sich pausenlos in der Koje um.

Jean Ribault war grinsend an Deck erschienen, um die Reaktion des Alten zu sehen. Auch Martin war angeblich „beschäftigt“ und spitzte schon neugierig die Ohren.

Dann endlich erschien Old O’Flynn an Deck. Zerknautscht und zerknittert sah er aus. Auf seinem Schädel schillerten ein paar bunte Hörner, die Jean Ribault lebhaft an die farbigen Tropfsteine in der riesigen Höhle erinnerten.

Old O’Flynn wirkte auch noch recht bestußt und wußte offenbar nicht, wo er sich befand. Er törnte über Deck, blieb alle Augenblicke stehen und sah sich in der lauernden Haltung eines Verfolgten um. Mißtrauisch beäugte er die Umgebung.

Die Kerle in den Booten, die sich alle eins grinsten, sah er nicht. Er nahm auch Jean Ribault nicht zur Kenntnis, der ihn aufmerksam ansah.

Mary stand in der offenen Pantry und briet Speckscheiben. Aber selbst der liebliche Duft reizte den Alten nicht.

Ja, Old O’Flynn war offenbar noch nicht ganz da. Er schien mehr als verwirrt zu sein, wenn er sich ruckhaft umwandte, als würde ihm gleich jemand ins Kreuz springen.

Als er an der Pantry vorbeitörnte, sah er seine bessere Ehehälfte brummig und knatschig an.

„Wo bin ich hier?“ knurrte er unfreundlich.

„Soviel ich weiß, befindest du dich an Bord der ‚Empress‘, deines Schiffes“, sagte sie kühl.

„Kann nicht stimmen“, giftete Donegal. „Ich bin nicht an Bord meines Schiffes. Das weiß ich ganz genau.“

Na, der Morgen fängt ja wieder reizend an, dachte Mary. Kaum kreuzte der alte Brummbär auf, schon ging der Affenzirkus los.

Neben der „Empress“ spitzten die Kerle die Lauscher und grinsten hinterhältig. Auch Jean Ribault grinste heimlich, und Martin drehte sich um, damit der Alte sein Lachen nicht sah.

„Wo bin ich?“ fragte er stur.

„An Bord!“ schrie Mary. „Wo denn sonst?“

„Ich bin nicht an Bord, verdammt noch mal!“

„Ach – und wo bist du dann?“

Da brauchte Donegal nicht lange zu überlegen. Fuchtig stand er da und griff sich an den Schädel.

„Ich bin in einer Geisterhöhle, kapiert? Jawohl, in einer Höhle voller unheimlicher Geister.“

Mary blieb immer noch kühl und gefaßt. Sie sah ihn nur von der Seite her an und sagte spitz: „Du mußt es ja wissen, schließlich bist du der Kapitän. Und wenn du glaubst, in einer Geisterhöhle zu sein, dann ist das deine Meinung. Vielleicht klopfen aber auch ein paar Geister in deinem Hirn.“

„Da klopfen keine!“ brüllte O’Flynn mit rotem Schädel.

Jean Ribault trat einen Schritt vor und wünschte dem Knurrhahn einen guten Morgen. Gleichzeitig fragte er: „Wieso ist die ‚Empress‘ plötzlich eine Geisterhöhle? Hast du vielleicht schlecht geschlafen, Donegal?“

„Ich war in einer Geisterhöhle“, behauptete Old O’Flynn stur. „Da waren kleine Männchen mit dicken Kalbsköpfen und langen spitzen Giftzähnen, die mich fressen wollten. Und da war auch ein Hexenmeister in einem Zaubergarten, verdammt noch mal. Ich weiß das, denn ich war da. Und ein orgelspielender Riese ist mir begegnet, der saß auf einem Hirsch und war aus Sodom.“

„Was ist das denn?“

„Eine alte biblische Stadt!“ schrie Old O’Flynn. „Da sind alle zu steinernen Säulen geworden, weil sie gehurt und gesoffen haben. Und die Kerle hocken alle in der Höhle.“

„Interessant“, sagte Jean Ribault lächelnd. „Zaubergarten, Hexenmeister und orgelspielende Hirsche. Manchmal träume ich auch so einen Blödsinn wie du, aber nur sehr selten.“

Dem Alten ging fast der Gaul durch. Er sah sich verzweifelt um, konnte aber keinerlei Geister irgendwelcher Art entdecken, und das verwirrte ihn total.

„Ich war da“, beharrte er, „und nicht im Traum. Ich habe das alles ganz bewußt und wirklich erlebt.“

„Wie willst du das denn beweisen?“ fragte Jean hinterhältig.

„Ha, mit meinem Holzbein natürlich. Das ist bei der Rutschfahrt in Trümmer gegangen, und zwar restlos. Ich hab’ Späne daraus geschnitzt und sie als Fackeln verwendet. Die Kerle wollten mich nämlich umbringen und fressen.“

„Und dein Holzbein ist total kaputt?“

„Na klar doch.“

„Ja, man sieht es“, sagte Jean sarkastisch. „Ein einziger Trümmerhaufen. Ein Wunder, daß du trotzdem damit laufen kannst, wenn es doch total kaputt ist.“

Old O’Flynn starrte an sich hinunter. Da war sein Holzbein, heil und ganz. Da war nichts kaputt.

Jetzt begriff er die Welt nicht mehr und starrte die anderen aus rötlichen Augen total verdattert an.

„Aber ich war doch …“, stammelte er entnervt. „Ich begreife das alles nicht.“

Mary grinste, die anderen Kerle neben der „Empress“ brachen in wildes Gelächter aus, und der Alte kapierte jetzt überhaupt nichts mehr. Bin ich nicht mehr ganz richtig im Kopf? fragte er sich ängstlich.

„Ein Hirsch bist du“, sagte Jean, „ein Riesenhirsch von der sturen Sorte. Aber ich will dir erklären, wie es war. Du bist bestußt und wütend an Land getobt und in eine Höhle eingebrochen, in eine Höhle voller Tropfsteine, du Esel. Und du bist davongelaufen, weil Mary dir gesagt hat, daß du Vater wirst. Eine Sauerei ist das, so einfach davonzurennen. Und dann hast du auch noch daran gezweifelt, daß du der künftige Vater bist, Mister O’Flynn. Mary hätte dir die Bratpfanne besser gleich zehnmal auf deinen verdammten Holzkopf schlagen sollen.“

Old O’Flynn schrumpfte sichtlich zusammen.

„Ihr wißt alles?“ fragte er kläglich.

„Ja, wir wissen alles. Du hältst es offenbar auch nicht für nötig, dich abzumelden, wenn du einsame Alleingänge unternimmst. Natürlich haben wir dich dann gesucht und auch in der Höhle gefunden und abgeborgen. Dein Holzbein war in Trümmer, und wir haben dir ein neues angezogen. Jetzt weißt du alles, du Riesenelch.“

Old O’Flynn sackte noch mehr in sich zusammen.

„Tut mir leid“, sagte er kleinlaut, „dann habe ich das alles wohl verschlafen. Äh, und ich glaube, ich muß mich wohl auch bei allen entschuldigen.“

„Das glaube ich auch“, sagte Mary mit blitzenden Augen. „Du kannst es aber auch bleibenlassen, aber dann knall’ ich dir noch einmal die Bratpfanne auf den Schädel. Sie ist gerade so schön heiß.“

„Nein, nein!“ rief Old O’Flynn hastig. „Ich entschuldige mich bei allen und ganz besonders bei dir, liebste Mary. Und laß bloß die heiße Pfanne auf dem Herd stehen. Ich war ganz durch den Wind, denn schließlich wird man ja nicht jeden Tag Vater, besonders nicht in meinem Alter.“

„Dann nehmen wir ihn wieder in den Bund der Korsaren auf“, sagte Jean Ribault grinsend. „Aber er muß uns noch genau erzählen, was er bei den Kalbsköpfen erlebt hat.“

Das tat Old Donegal dann auch so ausgiebig und voller Phantasie, daß die anderen sich kaum noch trauten, jemals diese unheimliche Höhle zu besichtigen …

ENDE

Seewölfe Paket 24

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