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Inge Meysel – Sie machen mich zur Jungfrau

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Wie Rühmann ist mir auch die deutsche Schauspielerin und sogenannte »Mutter der Nation« Inge Meysel aus einigen Besuchen im Grill bekannt. Bekannt als eine Frau, die wusste, was sie wollte, und dies auch entsprechend äußerte.

Schon wenn sie das Restaurant betrat, erregte sie die Aufmerksamkeit der anderen Gäste. Nicht allein weil sie eine bekannte Schauspielerin war, nein, vor allem auch weil sie sehr klein war und deshalb Kopf und Gesicht stets hoch nach oben reckte. Diese typische Angewohnheit kleiner Leute war bei Inge Meysel besonders stark ausgeprägt.

Sie war so gut wie nie ohne Hut zu sehen. Meist war es ein Strohhut mit irgendwelchen Kirschen, Früchten oder Blumenbüscheln drauf. Je nach Jahreszeit. Der Mantel hell, weit geschnitten, einem kleinen Zelt ähnlich, bis unter die Knie reichend. Das Ganze hatte etwas Gnomartiges, Zwergenhaftes. Wenn Zwerg, dann viele Male sicher auch Giftzwerg. Oftmals war sie aber auch das genaue Gegenteil und konnte ganz lieb, ganz braves Mädchen sein. Je nach Laune und Tagesverfassung.

Einmal offerierte ich ihr ihre Lieblingsspeise: Steinbutt im Sud mit etwas geschmolzener Butter, zwei Kartoffeln und ein wenig Gemüse dazu. Ein Glas Wein musste es auch sein. Sie schaute mich mit ihrem Zehntausend-Falten-Gesicht zutraulich an und meinte: »Beim Wein verlasse ich mich ganz auf Sie.«

Zum Fisch? Da dachte ich an einen trockenen Weißen: Grauburgunder. »Bitte, probieren Sie«, bot ich ihr an. Die dürren Hände ergreifen leicht zitternd das Glas. Ein prüfender Blick, ein Probierschluck. Gesichtszüge verzerren sich zur Grimasse, der Mund hebt sich beinahe aus dem Kiefergelenk. »Iiihh!«, sagt sie so laut, dass es alle an den Nebentischen hören, »Sie machen ja eine Jungfrau aus mir, da zieht sich bei mir alles zusammen.« Ich verstand nicht sofort, was die gnädige Frau meinte, sagte dann aber gleich: »Dann wären Sie wohl in Hamburg die einzige Jungfrau in Ihrem jugendlichen Alter.«

Da lachte die Mutter der Nation laut und sehr herzlich. Man hatte ihren etwas derben Humor verstanden. Die Welt war für sie – für den Augenblick jedenfalls – wieder in Ordnung. Ihr Gastgeber, Markus Trebitsch, lachte auch, aber sehr viel verlegener.

Dies ist auch eine Lehre aus meinem Beruf: Wenn ein Gast einen Witz macht, tut man gut, darüber zu lachen. Selbst wenn der Witz noch so peinlich oder unangenehm ist.

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