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Das Essen ist noch warm

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Auch ich hatte meine Momente besonderer kulinarisch-gastronomischer Intuition, die schon fast an die Hellsicht eines Skřivánek heranreichten – obwohl ich den englischen König nie bedient habe. Nun ja, manchmal mag es auch Glück oder Zufall gewesen sein. Meine langjährige gute Freundin Sabine Alm, tätig im Schloss Ahrensburg, wandte sich mit der Bitte um Beratung an mich. Sie wollte einer Kollegin, die ihr viel Gutes getan hatte, einen besonderen, ja unvergesslichen Abend bereiten. Es sollte ein festliches Abendessen in stilvoller Umgebung sein. Selbstverständlich habe ich den Jahreszeiten-Grill empfohlen und meine Hilfe bei der Wahl der Speisenfolge angeboten. Es blieb mir überlassen, welche Gerichte ich auswählte. Es sollten derer vier sein: Vorspeise, Suppe, Hauptgericht und Dessert.

Der Ehrengast, Herr Hackenberg, war mir unbekannt. Wenn man die Gäste nicht kennt, sollte man keine außergewöhnlichen Speisen anbieten. Es wäre ungünstig, als Hauptspeise etwa Reh- oder Lammbraten aufzuwarten. Das könnte schiefgehen. Es ist ein Ding von höchster Unannehmlichkeit, wenn jemand, nur weil er eingeladen ist, eine Speise mit Widerwillen essen muss. Ich entschied mich für gebratenes Rinderfilet. Eine neutrale Geschichte, das essen fast alle Gäste gern, Vegetarier natürlich ausgenommen.

Gesagt, getan. Die Gäste kommen, gehüllt in prachtvollen Sonntagsstaat und mit strahlenden Gesichtern. Und das mitten in der Woche. Ich führe sie zum schönsten Tisch am Fenster mit herrlichem Blick auf die Binnenalster, von vielen Hamburgern auch die gute Stube der Stadt genannt. Einen schöneren Platz gibt’s in ganz Hamburg nicht. Alle sind freudig aufgeregt. Die Damen enthusiastisch, die Herren etwas zurückgenommen. Noch.

Zum Aperitif trinkt man Champagner. Die Stimmung ist bestens. Beim Betrachten des Horsd’œuvre entfährt Lisa, der Frau des Ehrengastes, ein »Aahh!«. Ebenso bei der Suppe, und ein allgemeines »Ah!« macht die Runde. Nun, dachte ich, geht alles gut.

Die Vorgerichte sind verzehrt, es kommt das Hauptgericht. Der Filetbraten auf einer ovalen Silberplatte mit buntem Gemüse und knusprig braunen Bratkartoffeln. Sauce béarnaise noch dazu. Als Lisa Hackenberg diese fein angerichteten dampfenden Speisen sieht, gibt sie nun kein »Ah«, sondern ein teils erschrocken, teils freudig klingendes »Oh« von sich.

»Mein Gott, habe ich etwas falsch gemacht?«, frage ich die sichtlich erregte Dame.

»Nein, nein«, sagt sie und lächelt mich beruhigend an. »Alles ist wunderbar«, fährt sie fort, »so eine Zufall, wir haben heute Hochzeitstag und vor 33 Jahren haben wir genau dieselbe Hauptspeise gegessen.« Da war ich erleichtert und mir fiel nix Besseres ein, als zu sagen: »Sehen Sie und es ist immer noch warm.«

Diesmal hatte ich die Lacher auf meiner Seite. Ein glücklicher Tag.

Gern hab ich Sie bedient

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