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Ulrich Tukur – Geh lieber in die Alster

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Zwischen dem mittlerweile sehr berühmten Schauspieler Ulrich Tukur und mir hat sich im Laufe von zirka zwanzig Jahren eine regelrechte Freundschaft entwickelt – zumindest soweit eine Freundschaft mit Schauspielern überhaupt möglich ist. Die typische Gast-Kellner-Barriere existierte für Ulrich Tukur jedenfalls nie. Diese Freundschaft begann mit einem Liederabend, den Tukur mit seiner Band, den Rhythmus Boys, vor etlichen Jahren im Grill für mich abgehalten hat. Zu besonders günstigen Konditionen übrigens. Um es genau zu sagen: für Wiener Schnitzel und ein Glas Rotwein. Nun ja – viele Gläser Rotwein. Wofür das Hotel und ich sich auch ausgiebig bei ihm bedankt haben. Diese großzügige Geste vergesse ich ihm nie.

Ulrich beabsichtigte eines Tages, mit seiner damaligen Freundin Katharina John im Grill zu Abend zu essen. Dafür habe ich seinen Lieblingstisch, auf der Empore versteckt, reserviert. Und seine Lieblingsspeisen wurden vorbereitet. Es gab da nicht viele Möglichkeiten. Immer das Gleiche: Beefsteak Tatar. Das musste sein. Danach gab’s auch noch ein Hauptgericht. Gebratene Vierländer Ente für zwei. Eine bevorzugte Speise von Katharina. Eine Flasche guter Bordeaux war schon geöffnet. Es sollte nicht bei einer Flasche bleiben. Ulrich ist nicht nur ein Kenner guten Weines, er weiß auch zu genießen. Katharina sah an diesem Abend wunderschön aus. Pechschwarzes Haar, zum Pagenkopf frisiert. Elfenbeinfarbener Teint und knallig kirschrote Lippen. Wie eine Porzellanpuppe aus Meißen. Alle Zeichen signalisierten, dass es ein schöner, runder Abend werden würde.

Das Beefsteak Tatar wurde gebracht und ich begann es zuzubereiten. Das ist eine Zeremonie, die anderswo mittlerweile Seltenheitscharakter hat. Es gibt nur wenige Orte, an denen Beefsteak Tatar so zelebriert wird wie im Jahreszeiten-Grill. Schon die vielen Zutaten sind köstlich anzusehen: Neben dem geschabten Rinderfilet gehackte Zwiebeln, Kapern, Petersilie, Eigelb, Cognac, feinstes Olivenöl sowie Salz und Pfeffer. All diese Ingredienzien mischte und rührte ich nun zu einem innigen Verbund. Katharinas und Ullis Augen glänzten. Nach dieser opulenten Vorspeise mit vielem und gutem Rotwein kam die gebratene Ente. Knusprig, braun und brutzelig. Die Stimmung war bestens.

Während des Verzehrs des gebratenen Federviehs wurde auffällig weniger vertraulich gesprochen. Ganz im Gegenteil, die Stimmen wurden immer lauter und ärgerlicher. Die Gäste an den umliegenden Tischen wurden schon aufmerksam. Inzwischen erkannte man auch den Schauspieler. Fragende Blicke – was ist los? Ein Oberkellner muss immer eine passende Antwort bereithaben. »Wie Sie bemerkt haben, sind es Schauspieler. Sie haben in Bälde eine Premiere von Wer hat Angst vor Virginia Wolf?, dafür proben sie sogar während des Essens. Kunstbesessene.« Ob man mir das geglaubt hat, weiß ich nicht. Ich habe es schließlich selber auch nicht geglaubt.

Die Auseinandersetzung wurde immer heftiger, bis Katharina aufgelöst und unter Tränen den Tisch verließ. Sie rief noch: »Jetzt gehe ich in die Elbe und ertränke mich.« Worauf Ulli in derselben Tonlage antwortete: »Geh lieber in die Alster, weil bis zur Elbe überlegst du es dir doch wieder anders.«

Ja, sie überlegte es sich wirklich anders, indem sie weder in Elbe noch Alster, sondern nach Hause ging und auf Ulli wartete. Er kam mit einer Flasche Rotwein in der einen Hand und einem Blumenstrauß, den ich ihm schnell aus unserer Gärtnerei besorgt hatte, in der anderen sowie den liebevollsten Blicken in den smaragdgrünen Augen. Das nennt man taktische Schadensabwendung.

Heute sind die beiden längst verheiratet und ein glückliches Paar. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute in der Toskana oder in Venedig, mit Hund. Worum es bei dem Disput damals ging, wissen beide nicht mehr.

Ente gut, alles gut!

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