Читать книгу Trümmerprinzessin - Ruth Broucq - Страница 11
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ОглавлениеJe älter wir wurden umso unterschiedlicher entwickelten wir uns, äußerlich wie innerlich.
Während Heidemarie von stabiler Statur, mit rasant wachsenden großen Brüsten, um die ich sie wahrlich nicht beneidete und ihren dunkelblonden langen, störrischen Pferdehaaren, die sie zu einem Pferde- Schwanz trug, den grau-grünen Augen und der leicht gekrümmten langen, schmalen Nase das Ebenbild unserer Mutter darstellte, war ich das krasse Gegenteil.
Klein, zierlich und Flachbrüstig, mit Braungelocktem schulterlangen und feinem Haar, schmalem Gesicht in dem die kleine Stupsnase unter den Rehbrauen Augen kess leicht in die Höhe lugte, ähnelte ich meinem französischen Erzeuger, der mich als eines der ersten Gastarbeiter- Kinder, meiner Mutter als Andenken hinterlassen hatte. Von seiner Existenz erfuhr ich durch meine Oma, die mir sein kleines Pass-Foto mit der Heimat-Adresse auf der Rückseite heimlich aushändigte, als sie mich für alt genug hielt. Sie erzählte mir von ihm und dass er als Nazi-Sympathisant verhaftet und nach Frankreich deportiert worden war. Oft nannte sie mich heimlich Franziska, wegen meiner halben französischen Herkunft.
Von meiner Mutter kam nur ablehnendes eisiges Schweigen auf meine Nachfrage, so wie auf alles was die Vergangenheit meiner Mutter und deren Beziehungen zu unseren Vätern betraf.
Sicher erbten meine Schwester und ich unsere verschiedenen Charaktere eben weil wir von zwei verschiedenen Vätern stammten.
Während Heide kleingeistig und bodenständig mit den einfachen Verhältnissen glücklich und zufrieden war, wollte ich höher hinaus, mit dem Außergewöhnlichen, dem Abenteuer suchte ich der Enge zu entkommen. Ihr reichte der Spatz in der Hand, ich wollte die Taube auf dem Dach.
Nur den Fleiß unserer Mutter hatten wir beide geerbt, denn ich begann in der neuen Umgebung umgehend Ausschau nach Verdienstmöglichkeiten zu halten um mein mageres Taschengeld aufzufrischen.
So verdingte ich mich als Kindermädchen und Botin für einen Lebensmittelladen und ein Blumengeschäft. Letztlich trug ich noch Illustrierte und Rundfunk-Zeitschriften aus, was mir ein saftiges Taschengeld einbrachte und wofür ich sogar ein Fahrrad gestellt bekam. Endlich hatte ich das lange erfolglos ersehnte Rad, dessen Anschaffung meiner Mutter zu teuer gewesen war.
Meine Schwester Heide dagegen begann erst nach Beendigung ihrer Schulzeit zu arbeiten. Dafür war es für meine Schwester ganz normal, ja selbstverständlich, dass sie, unserer Mutter gleich, als Fabrik-Arbeiterin mit Accord-Arbeit ackerte und viel Geld verdiente. Das konnte ich gar nicht verstehen, ich fand Fabrikarbeit primitiv und zu schmutzig, einfach unter meiner Würde.
Ich hatte die Absicht einen Beruf zu erlernen, wollte Friseurin werden. Dafür hatte ich Geschick, das wusste nicht nur meine Schwester zu nutzen. Schon ab meinem fünften Schuljahr frisierte ich meine gesamte weibliche Umgebung. Damit übte ich nicht nur für mein Berufsziel sondern machte es auch sehr gern für die Zufriedenheit und Dankbarkeit, die mir für meine gute Leistung entgegen gebracht wurde.
Einzig Heides Haare machte ich nur ungern, weil sie für mich auch nichts umsonst machte und weil sie langes und sehr dickes, störrisches Haar hatte, was mich sehr viel Mühe kostete. Deshalb frisierte ich sie nur mit der Gegenleistung, dass sie mir etwas von ihrer schönen reichhaltigen Kleidung auslieh, wenn ich sonntags ausgehen wollte, oder mir Geld fürs Kino gab.
Durch meine Taschengeld- Jobs lernte ich, dass man sich selbst bewegen musste, um sich mehr erlauben zu können. Allerdings auch wie sehr man sich für den geringen Lohn abmühen musste und dass mit normaler Arbeit kein Reichtum zu erwerben war.
Aber gerade dadurch wurde mein Ehrgeiz zu Tage gefördert, eines Tages einen höheren Lebens-Standard zu erreichen.