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Trümmerprinzessin
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wer nicht wagt der nicht gewinnt, das weiß bereits das kleinste Kind.< Dieser laut verkündete Verkaufs-Slogan der Losverkäufer auf der Kirmes hatte sich schon in meinen Kindertagen in mein Gedächtnis eingebrannt und mich mein Leben lang nicht mehr losgelassen.
Genau das erkor ich zu meinem Lebens-Motto, danach richtete ich mich. Ich handelte immer risikofreudig und erfolgsorientiert, ließ mich nicht beirren oder belehren, ging unbeeindruckt aller Tiefschläge oder Misserfolge meinen Weg weiter. Dabei hatte ich aber selbst in kritischen Situationen immer das Glück noch mit einem blauen Auge davon zu kommen.
Aber auch die unverdrossne Stärke meiner Mutter, die sich als Alleinerziehende für uns Kinder und zusätzlich für ihre Mutter mit schwerer Männerarbeit abrackerte, im Accord am Schleifstein, hat mich geprägt. Die Weisheiten und/oder Prognosen meiner Mutter, Gott hab sie selig, taten ihr Übriges dazu, was jedoch nicht hieß, das ich diese alle richtig und beachtenswert fand.
So sagte sie zum Beispiel auch: >wie man sich bettet so liegt man.< Meist lag ich unbequem! Aber selbst wenn ich es bemerkte, bedeutete das nicht unbedingt, dass ich die Richtung wechselte, im Gegenteil, ich bog mir möglichst die Lage nach meinen Bedürfnissen und Wünschen zurecht. Auch ihre Aussage: >sage mir mit wem du umgehst und ich sage dir wer du bist,< bewertete ich nach meiner eigenen Meinung. Denn weder freundschaftlich noch geschäftlich ließ ich mich beeinflussen. Auch dann nicht, wenn ich einsehen musste, dass ich in falscher Richtung agierte oder schlechter Gesellschaft war. Nein, auch dann wusste ich die Situation so zu meinem Vorteil zu verändern, dass ich entweder unbeschadet aus der Sache raus kam, oder Herrin der Lage blieb. Alle Lehren aus meinen Erlebnissen wertete ich zu meinem Nutzen.
Vorschriften gegenüber war ich immer uneinsichtig, die riefen sture Abwehr in mir hervor. Ratschläge dagegen hörte ich mir immer an, befolgte sie jedoch äußerst selten. Dazu war ich viel zu eigensinnig und selbstsicher. Lieber nahm ich unangenehme Konsequenzen hin, die ich nur deshalb akzeptierte, weil ich sie selbst verschuldet hatte.
Insbesondere im Hinblick auf meine sieben Beziehungen lag ich immer falsch, was sicher daran lag, weil ich immer an jüngere, schwächere Partner geriet. Irgendwer meinte mal, es läge an meinem falschen Beuteschema. Wie bitte? Beuteschema? Haben Frauen so etwas denn auch? Ich bin doch kein Jagd-Hund, der hechelnd hinter leckeren Hasen her rennt. Eher eine Katze, die schnurren aber auch kratzen und beißen kann. Aber ja, die jagen ja auch und dass die mal einen falschen Braten erlegen können hatte ich schon erlebt.
Unerschrocken
Schon im Vorschulalter entwickelte ich mich zu einer energischen, selbständigen und selbstsicheren, Persönlichkeit, so dass sich schon in den Kindertagen mein Mut und meine Abenteuerlust sowie die ersten Führungs-Qualitäten zeigten.
Sehr früh fuhr ich oft alleine meine Tanten besuchen, die älteren Schwestern meiner Mutter. Von Mutters vier Geschwistern, drei Schwestern und ein Bruder, wohnten zwei nah beieinander. Die stabile, burschikose Tante Jule und die zarte, sanfte Tante Hilde wohnten in dem gleichen, von uns 5 km entfernten ländlichen Ortsteil Aufderhöhe, in dem es überwiegend Bauern gab.
Wenn ich an dem abfahrbereit stehenden Bus der Linie 24 vorbei kam stieg ich manchmal ohne lange Überlegung ein, aber ebenfalls ohne Geld. Weil sich das Busdepot kaum 100 Meter gegenüber von unserem Haus befand, meine Mutter während des Krieges Straßenbahn – Schaffnerin gewesen war, kannten mich die Busfahrer fast alle. Schmunzelnd fragten sie mich dann: >Na Ruthchen, willst du zur Tante Jule?< Aber nach dem Fahrpreis fragte keiner.
Auch wenn ich eigentlich zu meiner Lieblingstante Hilde wollte, nickte ich nur, denn ich wollte schließlich ungestört die Fahrt genießen und selbst die Kontrolleure belästigten mich dabei nicht.
Während Jule zur Miete in der Gesinde- Hofschaft des Bauern Ley, gleich gegenüber der Haltestelle wohnte, lebte Hilde auf dem Gehöft des Bauern Scherf, einen langen Fußweg entfernt, der von der befestigten Straße mitten durch die Felder führte.
Manchmal erwischte ich den 24ziger nicht rechtzeitig, so dass ich mit der Linie 1 fuhr dann und eine Viertelstunde durch den Merscheider Busch laufen musste. Das kam einer Mutprobe gleich, denn dieser dunkle Wald war mir unheimlich.
Dann nahm ich allen Mut zusammen und versuchte meine Furcht mit hüpfen, singen und trällern zu übertünchen. So erkundete ich schon früh die Umgebung und machte häufig selbständige Spazierfahrten als erste und bekannteste Schwarzfahrerin unserer Stadt.
Ich war ein selbstbewusstes Persönchen. Denn weder meine kleine zierliche Gestalt noch der kindliche Sprachfehler (das K bereitete mir Schwierigkeiten) hinderten mich daran, mit zarten fünf Jahren die Führung unserer kleinen Clique zu übernehmen. Niemand meiner Spielgefährten hatte mich darum gebeten, es hatte sich wie selbstverständlich ergeben als die Kinder vom Nordbahnhof-Viertel in unser Revier einzudringen versuchten.
Unser Revier war ein Bauhof. Ein großes eingemauertes Gelände das dem Vater meiner Freunde Uschi und Wolf Buntenbach gehörte. Trotz des Baumaterials, den Steinen, Sand, Holz, Betonsäcken, Leitern und Spaten, bot der Hof noch reichlich Platz zum Spielen für unseren 5köpfigen Freundeskreis. Gerade wegen der verschiedenen Werkzeug- und Baumaterialien war das wahrhaft ein Abenteuer- Spielplatz, den wir heiß und innig liebten.
Das große Grundstück, an der Kuller- Ecke Schlachthofstraße, lag in dem zentralen Kreuzungsbereich Schlagbaum, am Rande der City unserer bergischen Heimatstadt. Es war keine vornehme Gegend sondern eher ein Arbeiterviertel. Denn die Bus-Halle der städtischen Verkehrsbetriebe 50 Meter weiter, die Straße zum Schlachthof gleich nebenan, sowie einige Fabriken in der näheren Umgebung bestimmten das Landschaftsbild, sowie dessen Bewohner.
Auf der rechten Seite des Platzes schützte eine hohe Mauer vor einem steilen Abhang der zum tief unten gelegenen Nordbahnhof führte.
Das friedliche Spiel unserer Fünfköpfigen Rasselbande, bestehend aus 4 Mädels zwischen 5 und 7 Jahren und dem achtjährigen Wolf, wurde jäh durch den Angriff der Nordbahnhof- Horde gestört.
Als plötzlich Köpfe über den Rand der Nordmauer ragten und Steine auf uns zuflogen, standen meine Freunde vor Überraschung wie erstarrt hilflos auf einem Fleck.
Das war der Moment an dem ich geistesgegenwärtig die Führung ergriff, indem ich ebenfalls zu kleinen Steinen griff und während ich die Gegner bewarf laut schrie: >Auf sie- feuert auf sie- die Nordbahnhof - Banditen greifen an. Vertreibt sie von unserem Hof. Los Leute- mir nach! Hört auf mein Kommando! Vernichtet sie!< Dabei griff ich immer wieder neue Steine vom Boden, ungeachtet der Größe, und während ich die Geschosse in Richtung der Eindringlinge warf lief ich, mit Indianergeheule, immer weiter auf die Mauer zu.
Nur Minuten brauchten meine Mitstreiter um sich aus der Erstarrung zu lösen und es mir gleich zu tun. Nach wenigen Minuten hatten wir den Angriff abgewehrt, die Eindringlinge vertrieben und waren wieder Herr der Lage und unseres Reviers.
Meine Freunde lobten mich und erkoren mich zu ihrer Anführerin.
>Gut! Leute, wir werden unseren Platz verteidigen! Die Nordbahnhof- Banditen haben hier nichts zu suchen. Ab heute zeigen wir denen wer hier zu sagen hat. Wir sind jetzt die Förmchenbande vom Schlagbaum. Einverstanden?< posaunte ich mit stolz geschwellter Brust, denn mein Blick auf den Sandhügel hatte mir gleichzeitig den Namen unserer neu gegründeten Bande eingegeben. Und ausgerechnet das jüngste Bandenmitglied, hatten meine Kameraden zur Führerin ernannt. Mich! Ich war die Chefin. Und das wollte ich auch mein Leben lang bleiben.
Das war die Geburt meiner Führungskraft.