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I. Akt: Maschine

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Herman Melner stand im Türrahmen von Jakes Schrottplatz und nahm einen letzten Zug von seiner billigen Zigarre. Dann schnippte der Mann mittleren Alters den Zigarrenstummel in eine nahe gelegene Metalltonne und trat in das zugemüllte und schmutzige Büro des Schrottplatzes, wobei er seine langen und ungepflegten schwarzen Haare zur Seite strich.

Die Vorhänge im hinteren Bereich wurden geteilt und ein glatzköpfiger rundlicher Mann trat hervor.

‚Kann ich Ihnen helfen?‘, fragte er Herman mit einer Stimme, die etwas müde und verdrossen klang.

‚Ja. Mein Name ist Herman, ich habe Sie vorhin angerufen …‘

‚Ach ja, der Imperial, stimmt`s?‘, meinte der Besitzer. ‚Ich bin Jake. Hallo.‘ Jake schüttelte Herman die Hand und bedeutete ihm, ins Büro zu treten.

‚Ich glaube‘, nahm Herman das Gespräch wieder auf, ‚wir hatten uns auf 500 Dollar für das Auto geeinigt.‘

‚Klingt gut‘, antwortete Jake mit einem Nicken. ‚Es steht gleich da draußen vor der Tür.‘

Die Männer verließen das Schrottplatzbüro. Wie versprochen stand ein abgenutzter blauer Chrysler Imperial stumm auf dem schlammigen Feldweg, der zum Gebäude führte. Die mittlerweile verblasste blaue Lackfarbe war mit Rostflecken verschiedenster Größen übersät, und auf der Windschutzscheibe prangte ein spinnennetzförmiger Sprung zur Beifahrerseite hin.

‚Ah, das ist ein Modell von … 1969, nicht wahr?‘, erkundigte sich Jack mit einem Anflug von Begeisterung in seiner Stimme. ‚Diese Autos besaßen großartige Motoren für ihre Zeit. Wie läuft er?‘

‚Nun, es startet und rollt noch‘, erwiderte Herman schulterzuckend. ‚Aber ich warne Sie, trauen Sie ihm im Straßenverkehr nicht zu viel zu. Das verdammte Ding ist so hässlich, an Ihrer Stelle würde ich es bloß abwracken.‘

Der Besitzer des Chrysler bekundete seine Verachtung für das Auto durch einen Tritt gegen den Kotflügel auf der Fahrerseite. Die Männer kehrten ins Büro zurück, wo der Kauf abgewickelt wurde. Dann führten sie noch ein paar Minuten lang belanglose Gespräche über dies und jenes, bis Hermans bestelltes Taxi eintraf. Als das Mietauto durch den Haupteingang vom Schrottplatz rollte, streifte sich Jake ein Paar Arbeitshandschuhe über und trat wieder ins Freie.“

Professor Köhler lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als Don innehielt, um an seinem süßen Tee zu nippen.

„Ja, das erscheint bislang recht normal, beinahe banal“, fuhr Don fort. „Die Situation wurde erst merkwürdig, so eine Stunde nachdem der Typ das Gelände verlassen hatte. Jake rief mich vom Schrottplatz aus an, damit ich ihm half, den Wagen noch einmal zu untersuchen, um nachzusehen, ob er noch für irgendetwas außer das Zerlegen taugte. Ich brauchte ein Zweitauto und konnte nicht viel Geld dafür ausgeben. Ich dachte, der Imperial wäre perfekt. Er benötigte vielleicht einen Ölwechsel und ein paar Abstimmungen: hier und da einen Riemen und das ein oder andere kleinere Ersatzteil. Aber für den Preis konnte ich ihn mir nicht entgehen lassen. Ich bot Jake 500 Dollar obendrauf an, da stimmte er bereitwillig zu …

Bei der weiteren Durchsicht stellte ich fest, dass der Imperial einen Scheinwerfer und eine neue Lichtmaschine brauchte, alles andere schien zumindest vorerst in Ordnung zu sein. Jake willigte ein, das Öl zu wechseln, während ich mich aufmachte, die Teile zu holen. Dann geschah das Allerseltsamste: Während Jake noch beim Ölwechsel war, rutschte der aufgebockte Wagen von den Rampen und fuhr ihm beinahe durch den Kopf!

Dieser Zwischenfall befeuerte seinen ohnehin schon vorhandenen Verfolgungswahn, und so schien er zu glauben, ich hätte etwas damit zu tun, obwohl ich zu der Zeit nicht mal in der Werkstatt gewesen war. So hatten wir Streit, als ich ins Büro zurückkehrte. Ich versuchte vergeblich, ihm zu erklären, dass es sein Fehler gewesen war, die Rampen auf unebenem verdrecktem Untergrund aufzustellen, aber er dachte weiterhin, ich würde mir einen „Spaß“ mit ihm erlauben.

Ich dachte mir, es sei besser, ihm die 500 Dollar zu bezahlen und mich für den Rest des Arbeitstages zu entschuldigen. Als ich ging, stand der Imperial immer noch ohne funktionierende Lichtmaschine, ohne Öl, dafür mit fast leerem Benzintank am Ende der Auffahrt des Schrottplatzes.

Wie auch immer, ich ging heim und dachte nicht weiter über die Situation nach. Ich ging zu Bett und wachte zur gewohnten Zeit auf. Jake rief mich gegen 7:45 Uhr an, als ich gerade das Haus verlassen wollte. Er klang so erschüttert, wie ich ihn noch nie zuvor erlebt hatte!

Als ich zur Arbeit kam, war mein „neues“ Auto fort, dafür zählte ich sechs Polizeiwagen in Jakes Einfahrt. Es stellte sich heraus, dass sie wegen des Mordes an Herman Melner ermittelten, der sich irgendwann zwischen den späten Abendstunden des Vortages und dem frühen Morgen ereignet haben musste! Der leitende Ermittler erklärte Jake und mir, dass der Imperial auf der Veranda, und zwar auf Hermans Körper, abgestellt worden war!

Er sagte, dies sei die ekelhafteste Sauerei gewesen, die er in den über 22 Jahren seiner Dienstzeit zu Gesicht bekommen habe …“

Die Augen des Professors weiteten sich, als er unwillkürlich auf seine Oberlippe biss.

„Also … ich … Sie sind in eine laufende Mordermittlung verwickelt …“

„Nein, nein, keine Sorge … ich meine, als ich am Schrottplatz ankam, hatten meine Frau und mein Nachbar bereits bezeugt, dass ich die ganze Nacht über daheim gewesen war und sie keine Geräusche vernommen hätten“, entgegnete Don.

„In dieser Hinsicht drohte mir keinerlei Ärger, doch die ganze Situation war einfach so merkwürdig! Ich rief einige Tage später sogar auf dem Revier an und unterhielt mich mit demselben Polizisten, vermutlich aus morbider Neugier heraus.

Er berichtete mir von den Einzelheiten, die nicht unter Verschluss waren: Am Auto selbst gab es weder Fingerabdrücke noch Einbruchspuren. Die Türen waren von innen verriegelt. Erinnern Sie sich, das Seltsamste war doch, dass dem Auto Öl und Lichtmaschine fehlten. Niemand konnte sich vorstellen, wie oder weshalb ein schrottreifes Auto rund elf Meilen geschoben oder abgeschleppt worden war, nur um es dem vormaligen Besitzer auf den Leib fallen zu lassen …!

Der Ermittler erklärte mir, dass das Auto auf unbestimmte Zeit beschlagnahmt würde. Es wurde mir aber gestattet, auf den Hof zu gehen, um mir daraus einige Werkzeuge zu holen, die Jake am Vortag im Fußraum des Imperial hatte liegenlassen. Als ich das Bestätigungsformular für den Empfang unterschrieb, fiel mir etwas Merkwürdiges auf. Der Imperial war vielleicht zehn Meter vor dem Fenster geparkt. Dann sah ich, wie es … geschah …, aber ich erwähnte es außer meiner Frau niemandem gegenüber.“

„Geschah?“, fragte der Professor erwartungsvoll.

Don blinzelte und leckte sich die Lippen, bevor er fortfuhr.

„Als ich da mit meiner unterschriebenen Kopie der Empfangsbestätigung in der Hand stand, blinkten die Rücklichter des Imperial immer wieder. Der Polizist am Schreibtisch bemerkte es ebenfalls und meinte, das müsse ein Kurzschluss sein. Ich stimmte zu und verschwand, ohne ihm zu sagen, was dort TATSÄCHLICH vor sich ging.

Wissen Sie, ich habe in meiner Militärausbildung gelernt, Morsecodes zu entziffern. Die Lichter sandten mir deutlich und mehrfach eine Botschaft zu: ‚Danke, dass du dich gekümmert hast, Don!‘“

Professor Köhler sah erstaunt auf. Schon jetzt fühlte sich Don wie ein Trottel, weil er seinem potenziellen Arbeitgeber eine so verrückte Geschichte erzählt hatte. „Also“, fuhr er fort und hoffte, dass der Professor, wenn er seine Einstellung erwog, den letzten Teil seiner Geschichte irgendwie vergessen würde, „äh … Jake schien mich danach nicht mehr um sich haben zu wollen. Ich kündigte am nächsten Morgen.“

Der Professor warf einen Blick auf seine Unterlagen, bevor er wieder zu Don aufblickte. „Ähm … nun, das war eine ziemlich interessante Geschichte! Ich nehme an, aus der Geschichte von der streunenden Katze ist die Geschichte vom streunenden Auto geworden, was?“

Der Professor wischte sich über die Augenbrauen und bat Don, wieder im Warteraum Platz zu nehmen, mit dem Versprechen, ihm recht bald Rückmeldung zu geben. „Na toll!“, sagte sich Don, als er sich wieder auf seinen Sitz im Vorraum fallenließ. „Jetzt hält mich mein zukünftiger Chef für einen Spinner …!“

Professor Köhler trat in den Eingang seines Büros und geleitete Michelle Hinton mit einem sanften Lächeln hinein. Er setzte sich an den Schreibtisch und setzte seine Brille wieder auf. Dann sagte er in leisem Ton: „Ich sehe, Sie haben eine Zeit lang in Millighans Kaufhaus gearbeitet. Ich war im Laufe der Jahre ein paarmal dort, es sah ganz anständig aus. War es nur öde oder fehlte Ihnen die Chance zum Aufstieg?“

Michelle rutschte unbehaglich auf ihrem Stuhl herum und erwiderte schließlich: „Nein, ich meine … ja, wir waren mitunter ziemlich gefordert, aber, ob Sie es glauben oder nicht, ich entschied mich, aufzuhören, kurz nachdem mir eine Beförderung angeboten wurde!

Manchmal verbergen sich hinter dem sprichwörtlichen Silberstreifen am Horizont ein paar dunkle Wolken, wie ich feststellen musste …!

Ich habe in dieser Niederlassung der Ladenkette als eine von zwei Managern gearbeitet. Da sich der bisherige Leiter, der alte Morgan, im kommenden Monat in den Ruhestand verabschieden würde, sollte die Wahl seines Nachfolgers auf einen von uns fallen. Der andere Manager hieß Steve Kim.

Die Entscheidung, wer die Leitung bekam, sollte … mal sehen, am 1. Juli, einem Dienstag, fallen.

Meine Handflächen schwitzten, wir hatten uns beide ganz groß in Schale geworfen in Erwartung der tollen neuen Stellung, die auf einen von uns wartete …“

Nachtkerzen Phantastische Geschichten

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