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7.

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Kaschubek klappt krachend Gartenstühle auseinander und postiert sie auf dem Kai vor der Fabrik. Kommen die Chefs nicht drauf, dass man so einen lauen Nachmittag nutzen und den Lacken vom »Sugar Cane« mal ’n bisschen Konkurrenz machen muss. Wenigstens der Form halber. Erst recht nach diesen dussligen Drogenrazzien, die einem den ganzen Ruf verdorben haben. Aber statt Kellmanns, dem Klüngler, kontra zu geben, meditiert Schöngeist Rottgarten auf seinen Turnmatten, und Kollegin Sophie – Kellmanns Ex – ist zu verbissen für alles, was Spaß macht.

Etwa in der Sonne sitzen. Rührt lieber ständig im Seelenschlamm anderer herum. Früher war die zupackender. Als ihr Mann noch bei ihr war. Oben tagt jetzt sicher wieder einer von ihren Weiberclubs, alle kurz vor der Scheidung oder verlassen oder allein erziehend oder sonst wie frustriert.

Ein Bier und bisschen freundliche Gedanken täten denen nicht schlecht. Man muss doch nach vorn schauen. Stattdessen sitzen sie im Frauenbüro auf Ikea-Plastikstühlen und Hartgummiböden, zwischen hässlichen Plakaten, auf denen halb nackte Negermädchen mit Messern gequält werden, trinken bitterschwarzen Kaffee aus angeschlagenen Tassen, und die Kellmanns wundert sich, dass es keinem davon besser geht.

Kaschubek hat ihr schon soundso oft Vorschläge gemacht, wie man das Ganze ein bisschen aufmöbeln könnte, aber die gönnt sich nix und andern auch nicht. Ist immer der gleiche Kummer mit diesen Gesamtweltverbesserern. Im Kleinen tut sich nix.

Nur gut, dass er für Schwung sorgt. Sein neuer Plan für den »Zuckerhut« bringt vielleicht sogar Jobs. Ein paar nur, aber besser als nix, besser als abwarten und jammern. Entschlossen zerrt er einen Klappsitz herunter, Rostflocken rieseln.

Der »Zuckerhut« hat hier unten schließlich auch ‘ne Theke – hat Kaschubek selbst gezimmert – und Bier in Flaschen zu eins fünfzig, das ist beinahe Selbstkostenpreis. Dazu Flussblick gratis, man muss nur Stühle rausstellen.. Mit einem Fußtritt richtet er den widerspenstigen Stuhl zum Fluss hin aus, Metall schrappt über Stein. Muss er morgen mal abbeizen und neu lackieren. Die Arbeit reißt nicht ab.

Leider ist kein Geld für hübsche Tische und Sonnenschirme da und der »Zuckerhut« inzwischen nur noch ein sehr geheimer Geheimtipp für ein paar Studenten und für Künstler wie die SM-Arties. Denen kommt ein bisschen Gammel gerade recht. Und diese Weiber aus Rottgartens Hechelkursen trinken sowieso nur Wasser ohne Kohlensäure oder krautigen Tee, der nach Abwasser riecht und den sie selber mitbringen – »aber bitte zehn Minuten ziehen lassen, zugedeckt, sonst geht die kosmische Energie verloren«. Bringt alles nichts ein, denen könnte er auch erhitztes Flusswasser servieren.

Für junge Leute mit Geld auf der Naht fängt der Spaß erst an, wenn richtig was geboten wird. Schaumpartys oder eben diese Bandwurmmusik, die einem wie ein wummernder Presslufthammer in den Magen fährt und dank der Drogenfunde jetzt verboten ist.

Was sein Gutes hat. Seinem neuen Lieblingsprojekt für die alte Kesselhalle stehen jedenfalls keine erfolgreichen Großveranstaltungen mehr im Wege.

Ein kurzes, deutliches Platschen lenkt Kaschubek von seinen Gedanken ab. Sein Blick flitzt zum Kai, er entdeckt ein Fahrrad auf seinem Schiffsanleger, daneben ein Paar Turnschuhe und eine zerschlissene Hose, die wie erschossen daliegt.

Verflucht, schon wieder so ein Halbgarer, der das für eine günstige Badestelle hält. Vermutlich Student. Die lieben solche spontanen Vergnügungen. Kaschubek lässt die Stühle im Stich und läuft Richtung Anleger. Wäre nicht das erste Mal, dass da einer hopsgeht, unterschätzen alle die Strudel, die sich nur wenige Meter vorm Anleger aus Strömung und Gegenströmung bilden.

»He«, brüllt Kaschubek. »Raus aus dem Wasser, aber dalli.«

Im rechten Fabrikflügel werden Bürofenster aufgerissen, belästigte Gesichter tauchen auf. Kaschubek registriert es mit Stolz. Den Kommandoton verlernt man eben nicht, wenn man Jahre seines Lebens stöhnende Rübenpumpen und fauchende Kalköfen übertönen musste. Er holt Luft für eine Zugabe: »Wollen Sie hier absaufen?«

Der Kommandoton bringt eine Gestalt am anderen Ende des Kais auf Trab. Ein Kerl setzt zum Spurt an und erreicht den Anleger noch vor Kaschubek. Der Stahlsteg hallt unter harten Tritten, die Federgelenke seufzen.

»Charlie«, schreit der Sprinter und wirft sich auf den Ponton. Wie bitte? Kaschubek keucht hinterher. »Charlotte«, schreit der Kerl vor ihm.

»Weg da«, befiehlt Kaschubek dem Liegenden und will sich aus seinem Hemd pellen. Mit den Augen sucht er die Mitte vom Fluss ab, nichts zu sehen.

»Verfluchte Scheiße.« Kaschubek steht jetzt mit nacktem Oberkörper da. »Wo ist die hin?«

Charlie ist abgetaucht. Ein Schwall Wasser dringt in ihren Mund, schmeckt stumpf nach Schwermetall und sehr vertraut. Tut gut bei der Hitze. Endlich ein klarer Kopf. Sie schließt die Augen. Sie ist nicht mehr vierzig, sie ist gerade sieben Jahre geworden. Es ist Samstag.

Liebe unter Kannibalen

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