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II

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Fünf Jahre und einige Monate darauf lag Mickey Sweeney im Sterben. Sawa saß an seinem Lager, ein Bild der Trauer. Freundliche Nachbarn schauten herein, um ihr Beileid auszusprechen und jegliche Hilfe anzubieten, die sie liefern konnten. Mein Vater brachte eine Kiepe voll Torf und stellte sie in einer Ecke der Küche ab. Sawa blieb stumm. Später brachte meine Mutter eine Flasche Milch. Sie stellte die Flasche auf die Kommode und trat dann ans Feuer. »Wie hat er die Nacht überstanden?«, fragte sie Sawa.

»Schlecht«, sagte Sawa. Mehr sagte sie nicht.

Conall Ferry kam herein. »Wie geht es ihm heute?«, fragte er Sawa.

»Ach, Conall, Conall, ich fürchte, er stirbt«, sagte Sawa. »Es geht ihm immer schlechter … Ach, es ist ein grausamer Schlag, nicht wahr, Conall?«

Es ging Mickey wirklich immer schlechter, das stand fest. Am nächsten Morgen, ungefähr eine Stunde vor Anbruch des Tages, starb er.

Die Nachbarn versammelten sich im Haus. Conall Ferry fütterte die Kuh und holte Torf herein. Jemand wurde in den Laden geschickt, um Tonpfeifen und Tabak zu kaufen. Und im Haus wurde alles für die Totenwache vorbereitet.

Die Nacht kam. Im Haus wimmelte es nur so von Menschen, vom Kamin bis zur Tür. »Conall«, sagte die Witwe zu Conall Ferry, »verteil du den Tabak, und verteil ihn reichlich. Gib ihnen so viel zu rauchen, wie sie mögen. Er würde das so wollen, denn er hatte ein großes Herz.«

Eine verkrüppelte, grauhaarige alte Frau ging zu dem Bett, auf dem der Leichnam aufgebahrt war, und begann zu klagen. Es war Mickeys Mutter. Niemand war von ihrem Wehgesang beeindruckt. Ihre Stimme war schwach und heiser. Ihre Totenklage bestand nur aus wenigen Wörtern, und die wiederholte sie ein ums andere Mal. »Ochón und ochón, mein Kind, mein eigenes geliebtes Kind!«

Nach einigen Minuten stand Sawa auf und stimmte in die Klagen der alten Mutter ein … Tödliches Schweigen senkte sich über das Haus. Bald waren alle Frauen in Tränen aufgelöst, viele Männer auch. Der Kummer der alten Frau schien sie nicht im Geringsten zu berühren, Sawas Klage jedoch presste ihnen das Herz zusammen.

»Oh, Mickey, Mickey! Vorige Nacht konntest du nicht schlafen, aber in dieser Nacht liegst du im tiefsten Schlaf. Einem Schlaf, aus dem du niemals wieder erwachen wirst. Die vorige Nacht war eine lange und grausame Nacht für dich, Mickey. Du dachtest, dass die Finsternis dir das Leben aus dem Leib quetschte und dass du wieder zu Atem kommen würdest, wenn du nur das Tageslicht erblicktest. So oft hast du mich gebeten, hinauszugehen und nachzusehen, ob schon die ersten Streifen der Morgendämmerung am Himmel zu sehen wären. Ach, Mickey, Mickey, du musstest gehen, ehe die Dämmerung kam. Für mich war es die schwarze Dämmerung – die Dämmerung, die ich niemals vergessen kann … Gestern um diese Zeit hast du mich um etwas zu trinken gebeten, aber heute hast du keinen Durst. Warum hast du uns verlassen, Mickey? Warum bist du gestorben? Warum hast du Frau und Kind allein auf dieser bitteren Welt zurückgelassen? Oh, Mickey, dein Sohn, dein Sohn! Er glaubt, dass du nur schläfst, und er fragt mich, wann du wieder aufwachst. Aber das Warten darauf, dass du deine Augen öffnest, wird für ihn lang und grausam werden … Oh, das grausame Schicksal, das mich leben und sehen ließ, wie du im Tode die Augen zugemacht und uns für immer verlassen hast!«

Conall Ferry verteilte reichlich Tabak an den beiden Abenden der Totenwache. Er kümmerte sich um die Kuh. Er brachte Torf ins Haus und hielt die Feuer am Brennen. Er tat alles, was ein Mann im Haus eben tun konnte.

»Conall Ferry ist wirklich eine gute Seele«, sagte mein Vater zu meiner Mutter. »Und er ist ein harmloses, bedauernswertes Wesen. Viele an seiner Stelle würden nicht in die Nähe des Hauses, neben das Haus oder gar in das Haus treten. Aber er hat das Richtige getan. Es ist wunderbar, solche christliche Nächstenliebe zu sehen.«

»Christliche Nächstenliebe, meine Güte«, sagte meine Mutter. »Conall Ferry ist noch immer in Sawa verschossen. Du wirst vielleicht erleben, dass sie innerhalb von zwei Jahren verheiratet sind.«

»Es ist nicht nett, so etwas zu sagen.«

»Es ist vielleicht nicht nett, aber es ist die Wahrheit. Am Tag ehe der arme Mickey gestorben ist, waren mehrere Leute hier, auch du. Sawa hat aber nur mit Conall gesprochen. Und ich hatte doch den Eindruck, dass in ihrer Stimme eine gewisse Freundlichkeit lag.«

»Was bist du boshaft, Frau«, sagte mein Vater.

»Wir werden ja sehen«, sagte meine Mutter.

Der Tag der Beerdigung kam. Der Leichnam wurde auf den Friedhof gebracht und beerdigt. Conall half, das Grab zuzuschütten. Er legte grüne Grassoden darüber und schlug sie mit der Rückseite der Schaufel glatt. Sawa klagte, bis sie müde war. Endlich konnten die Nachbarn sie überzeugen, nach Hause zu gehen.

Sawa redete fast ununterbrochen über ihren toten Mann. Sie erinnerte sich daran, wo sie überall zusammen gewesen waren. Ihr fielen hundert kleine Dinge ein, die er zu ihr gesagt hatte. Manchmal ging sie auf die Anhöhe hinter dem Haus und klagte, so laut sie nur konnte. Einige Nachbarn versuchten, ihr gut zuzureden. »Es ist nicht richtig, Sawa, dass du so schrecklich jammerst«, sagte Shoogey Brennan eines Tages zu ihr. »Du solltest versuchen, das Gute zu sehen, das dir bleibt, wie meine arme Mutter, Gott hab sie selig, zu meinem Vater gesagt hat, als der kleine Hughie gestorben war. Denk daran, dass es sehr viel schlechter um dich stehen könnte. Du bist jung und stark. Und du brauchst nur für einen kleinen Jungen zu sorgen, Gott segne ihn. So manche arme Witwe sitzt mit einem Haus voller kleiner Kinder da.«

»Aber es ist ein kleiner Trost für mich, nach Herzenslust zu weinen«, sagte Sawa. »Und mir ist es egal, was passiert. Es ist mir egal, ob ich lebe oder sterbe. Ich hatte den besten Mann, den jemals eine Frau gehabt hat, und der Tod hat ihn mir genommen.«

Shoogeys nächster Besuch galt Mickeys Eltern. Die armen alten Leute saßen vor einem fast erloschenen Feuer und sahen traurig und elend aus.

»Ich komme gerade von Sawa«, sagte Shoogey. »Das arme Wesen hat vor Trauer ein gebrochenes Herz.«

»Die Trauer hat nichts mit dem Herzen zu tun«, sagte die alte Frau. »Ach, mein armer Junge, der sich umgebracht hat, um ihr ein Leben im Müßiggang zu ermöglichen. Wenn er besser auf sich aufgepasst hätte, würde er jetzt nicht unter der Erde liegen. Doch das hat er nicht getan. Sie hätte es ihm nicht erlaubt. Jetzt klagt sie. Aber ihre Klagen sind viel zu poetisch. Ich kenne sie nur zu gut. Ich weiß, wes Geistes Kind sie ist. Sie ist vom Stamme der klangvollen Klagen und der trockenen Augen. Wer hier Grund zur Trauer hat, das sind wir. Unser geliebter Sohn ist uns voraus ins Grab gegangen.«

Selbst der beste Plan

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