Читать книгу Selbst der beste Plan - Séamus Ó Grianna - Страница 7
III
ОглавлениеUngefähr eine Woche nach der Beerdigung besuchte Conall Ferry die Witwe. »Ich dachte, du fühlst dich vielleicht einsam«, sagte er. »Deshalb bin ich gekommen.«
Sawa brach in Tränen aus. »Ach, Conall, Conall«, schluchzte sie. »Wenn Mickey am Leben wäre, würde er sich so freuen, dich zu sehen. Denn er hat oft über dich gesprochen.«
»Das weiß ich«, sagte Conall. »Er wird mir sehr fehlen. Aber in diesem Jammertal müssen wir die Dinge so nehmen, wie sie kommen.«
»Du hast gut reden, Conall«, sagte Sawa. »Aber wenn du nur die schmerzliche Trauer fühlen könntest, die mein Herz zerreißt.« Und sie sah aus wie das Inbild des Elends.
»Weißt du«, sagte Conall, »was Pfarrer O’Donnell nach dem Tod meines armen Vaters zu meiner Mutter gesagt hat – der Herr erbarme sich der Toten! Er sagte, sie sollte aufhören zu weinen. Er sagte, das sei eine Beleidigung des Himmels und könnte sogar die dahingegangene Seele länger ins Fegefeuer bannen.«
»Das wusste ich nicht«, sagte Sawa. »Um nichts in der Welt würde ich etwas tun, das meinen über alles Geliebten auch nur eine Minute von seiner ewigen Glückseligkeit zurückhalten kann«, sagte Sawa. Und sie hörte auf zu weinen.
»Bete für ihn«, sagte Conall. »Das ist das Beste, was du tun kannst. Das Beste für ihn und für dich.«
»Wenn ich Geld hätte, würde ich einen Stein auf sein Grab setzen«, sagte Sawa.
»Er ist an einer hübschen Stelle beerdigt«, sagte Conall.
»Wenn das Grab ein bisschen hergerichtet würde. Weißt du, was ich im Sommer gern tun würde, wo ich mir schon keinen Grabstein leisten kann? Muschelsand und Strandsteine aus Dunmore holen und sie auf dem Grab verteilen.«
»Das würde ich jederzeit für dich erledigen«, sagte Conall. »Das ist das Mindeste, was man für einen Freund tun kann. Wir werden den Sand aus Dunmore holen, aber für die Steine müssen wir nach Illanala.«
Es war ein schöner Sommermorgen. Die Boote aus Kindoorin fuhren zum Fischen aus. Eine feine Segelbrise wehte von Südost her, und gerade hatten die Gezeiten gewechselt. Ein Boot segelte aus der Flussmündung, und zwei Menschen saßen darin – Conall und Sawa, unterwegs zu den Inseln, um Schmuck für Mickeys Grab zu holen. Jimmy Wards Boot folgte ihnen. Jimmys Boot hatte zwei Segel und einen Klüver und würde Conalls bald überholen.
»Ich wüsste ja gern, welches Boot das da vor uns ist«, sagte der Lange Jimmy.
»Das sieht aus wie das von Conall Ferry«, sagte Frank Harley. »Ja, das ist es. Und da sitzt Conall am Ruder.«
»Aber wer ist die Frau?«
»Die Witwe Sawa.«
Als sie sich Conalls Boot näherten, hörten sie auf zu reden. Als sie gleichauf kamen, sagte Jimmy: »Schöner Tag heute.«
»Stimmt«, sagte Conall, ohne sich umzusehen.
»Ein wunderschöner Morgen«, sagte Sawa. »Dem Ewigen Vater sei Dank für Seine vielen Gaben und Seine Gnade.«
Jimmys Boot fegte vorüber. Die Männer fingen wieder an zu reden: »Sawa sieht ja nicht mehr so richtig aus wie eine trauernde Witwe«, sagte einer.
»Ja, bei Gott, das tut sie wirklich nicht«, sagte ein anderer.
»Jetzt fahren sie zu den Inseln«, sagte der Große Donagh McGrenna, »um Muschelsand und kleine runde Steine für Mickeys Grab zu holen.«
»Meiner Seel, vielleicht erlebt ihr noch ein witziges Ende für das Schmücken von Mickeys Grab«, sagte der Schwarze Hughdie O’Donnell. »Die Welt ist schon komisch. Da sollte niemand sterben, solange er am Leben bleiben kann.«
»Sei nicht so grausam, Hughdie«, sagte der Lange Jimmy Ward.
»Ist doch so«, beharrte Hughdie.
»Könnte das denn möglich sein, so endlos, wie sie Mickey betrauert hat?«
»Das kam nicht aus dem Herzen. Gott möge mir verzeihen.«
»Aber bei der Totenwache hat sie deinen Augen wahre Tränenströme entlockt. Ich habe gesehen, wie sie dir über die Wangen gelaufen sind. Wie war das möglich, wenn du ihre Trauer nicht für echt gehalten hast?«
»Das kann ich dir sagen«, erwiderte Hughdie. »Vielleicht bin ich nicht ganz normal. Das wird mir ja oft gesagt. Aber wer mich zu Tränen gerührt hat, das war die alte Mutter. Sie hat geschluchzt und ochón gejammert. Mehr konnte sie nicht. Aber als Sawa dann anfing, dachte ich, dass sie der Trauer, die das Herz der alten Frau zerriss, Worte und eine Melodie gab.«
Conall und Sawa fuhren zu den Inseln und holten eine Ladung Muschelsand und Kieselsteine. Als sie auf der Rückfahrt Illanbo erreichten, vertäute Conall das Boot, und die beiden gingen an Land. Sie hatten Hunger und wollten etwas essen. Außerdem mussten sie auf die Flut warten, um ihre Heimfahrt fortsetzen zu können.
Conall machte ein Feuer. Er holte einen Topf voll Wasser aus einem Bach. Sawa bereitete den Tee zu. Und sie setzten sich zum Essen hin. Es war ein wunderschöner Abend. Das Meer war eine Flut aus geschmolzenem Gold, vom Weißen Strand bis zu den drei Felsen von Rossowen. Die fernen Berge auf dem Festland leuchteten in allerlei Farben, immer abwechselnd blassblau, bernsteingelb, lila und rosa.
»Ist es nicht ein schöner Abend«, sagte Conall.
»Dem Allmächtigen Vater sei Dank«, sagte Sawa. »Weißt du, was ich gerade denken musste? – Dass es schön wäre, auf dieser kleinen Insel zu leben.«
»Das allerdings, wenn das ganze Jahr lang Sommer wäre«, sagte Conall.
Bei Sonnenuntergang erreichten sie mit der Flut Kindoorin. »Wir werden das Boot über Nacht hier im Bach vertäuen«, sagte Conall. »Und so Gott will, wird uns die Flut morgen früh nach Moorloch bringen.«
Am nächsten Tag suchten sie den Friedhof auf. Conall verteilte den Sand auf Mickeys Grab. Er legte die kleinen weißen Steine an den Rand. Und in der Mitte machte er ein Kreuz aus kleinen Muscheln.
»Möge Gott dich belohnen und dir Gesundheit und Kraft geben«, sagte Sawa. »Da hast du wirklich großartige Arbeit geleistet. Es gefällt mir so gut. Ich habe noch nie gern ein vernachlässigtes Grab gesehen. Das sieht aus wie vergessene Erinnerung. Und es wird lange dauern, bis ich den armen Mickey vergesse. Wie meine Großmutter im Lied immer gesagt hat, die Meereswellen werden rot werden, und die Berge werden sich im Wind wiegen, ehe ich vergessen kann.«
Conall schwieg. Er stand da wie ein Künstler, der sein Meisterwerk betrachtet.
»Du hast sehr geschickte Hände und einen klugen Kopf«, sagte Sawa. »Das hättest nur du tun können. Und das Kreuz in der Mitte ist das Tüpfelchen auf dem i.«
»Das ist das schönste Grab auf dem Friedhof«, sagte der Künstler mit einem gewissen Stolz. »Aber ich muss ab und zu danach sehen. Der Winterwind wird den Sand wegwehen, trotzdem werde ich die Sache im Auge behalten.«
»Komm rein, dann mach ich dir einen Tee«, sagte Sawa, als sie auf dem Rückweg ihr Haus erreichten.
»Das ist doch nicht nötig«, sagte Conall.
»Nun komm schon rein, Mann«, sagte Sawa. »Nach all der Arbeit musst du ja völlig erschöpft sein. Ein Schluck Tee wird dich wieder zu Kräften bringen.«
Sie gingen hinein. Als sie mit dem Tee fertig waren, schob Conall die Hand in die Hosentasche, um seine Pfeife herauszuholen. Die war in zwei Stücke gebrochen.
»Ich muss nach Hause«, sagte er.
»Wieso hast du es so eilig?«
»Ich muss rauchen«, sagte er. »Das ist eine schlechte Gewohnheit, ich weiß. Aber so ist es eben. Wenn ich gegessen habe, muss ich sofort rauchen. Aber meine Pfeife ist zerbrochen. Schau her! Abgebrochen, gleich hinter dem Kopf. Das muss passiert sein, als ich die Schulter gegen das Boot gestemmt habe, um es ins Wasser zu schieben.«
Sawa griff in ein kleines Loch in der Wand neben dem Kamin und zog eine Pfeife heraus. »Diese Pfeife hat dem armen Mickey gehört, Gott hab ihn selig«, sagte sie. »Er würde sich darüber freuen, dass du sie rauchst … Ist doch nur eine Tonpfeife. Das alte Sprichwort hat ja so recht, der kleinste Gegenstand, der uns gehört, wird uns oft überleben.«
Der Winter kam, und mit dem Winter kam die Heringsfischerei. »Wenn ich ein Netz hätte, würde ich fischen gehen«, sagte Conall eines Abends zu der Witwe. »Mir ist ein Platz im Boot von Jimmy Ward zugesagt worden. Aber mein Netz taugt nichts mehr. Ich hatte es im vergangenen Winter in der Scheune zusammengelegt. Das Dach war undicht, und es ist vom Regen nass geworden und verfault.«
»Du könntest Mickeys Netz nehmen, Gott hab ihn selig«, sagte Sawa. »Wirklich, einmal habe ich gedacht, dass ich es niemals erlauben würde, dass ein anderer dieses Netz ins Wasser lässt. Aber die Zeiten werden härter. Und was soll eine arme Witwe machen? Ach, der grausame Tod!«
»Es hätte keinen Sinn, ein gutes Netz verkommen zu lassen«, sagte Conall. »Ich werde es morgen ausbreiten, und wenn irgendwelche Maschen gerissen sind, werde ich sie flicken.«
Am nächsten Tag breitete Conall das Netz aus. Er flickte die gerissenen Maschen und nähte es mit einigen Stichen am Zugseil fest, wo es sich gelockert hatte. Später fuhr er als einer von Jimmy Wards Mannschaft zum Heringsfang nach Inishfree.
Nach einer Woche Heringsfischerei hatte er zwei Pfund verdient. Ein Pfund stand Sawa zu – für das Netz. Am Samstagabend ging Conall zu ihr. Er setzte sich in die Ecke neben dem Kamin.
»Du hast bestimmt Hunger«, sagte Sawa und hängte den Kessel über das Feuer.
Nach dem Tee zog Conall die Tonpfeife aus der Tasche und zündete sie an. Er rauchte eine Weile schweigend. Dann zog er seinen Geldbeutel aus der Tasche und öffnete ihn. »Das ist dein Anteil«, sagte er und reichte Sawa eine Pfundnote.
»Möge dich der Allmächtige Vater vor allen Gefahren des Meeres beschützen«, sagte Sawa. »Das ist ein schöner Wochenlohn.«
»Nein, das ist es nicht«, sagte Conall. »Sie sind diesmal nicht in Küstennähe gekommen. Die Hauptschwärme blieben zu weit draußen. Die großen Boote von den Inseln haben den eigentlichen Fang gelandet. Kleine Boote wie unsere müssen in Ufernähe bleiben.«
»Vielleicht kommen sie nächste Woche dichter an die Küste heran«, sagte Sawa.
»Ich fürchte, nicht«, sagte Conall. »Bob Delap hat mir gesagt – und Bob kennt sich da schließlich aus –, er hat mir gesagt, wenn der erste Schwarm auf dem offenen Meer vorüberzieht, werden die anderen denselben Kurs einschlagen.«
»Gottes Wille geschehe«, sagte Sawa. »Jedenfalls ist es gut, immerhin so viel zu haben.«
Conall schaute in den geöffneten Geldbeutel, den er in der Hand hielt. »Armselig genug für eine ganze Woche Arbeit«, sagte er. »Nur zwei Pfund. Es lohnt sich kaum, das zu teilen. Vielleicht sollte ich dir diese Woche alles geben. Ich kann warten.«
»Das wirst du nicht tun«, sagte Sawa. »Du musst deinen Anteil behalten, den hast du dir durch schwere Arbeit verdient. In dieser Woche habe ich viele Male an dich gedacht. Oft, nachts im Bett, wenn ich vor dem Fenster den Wind heulen hörte, habe ich an dich gedacht. Ich habe mir dann vorgestellt, wie du auf den Wellen hin und her geworfen wirst, von der Nadel an der Landzunge bis zu den Felsen von Aran. Und ich habe oft für dich gebetet … Behalte dein Geld. Wenn ich in Schwierigkeiten gerate, kann ich dich immer noch bitten, mir einen Shilling oder zwei zu leihen. Und verlier nicht den Mut. Die dunkelste Stunde ist die gleich vor der Morgendämmerung. Vielleicht drängen sich die Heringe nächste Woche in den Bachmündungen – egal, was Bob Delap dir erzählt.«