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Denis der Träumer I

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Es war nur ein Spitzname. Sein eigentlicher Name war Denis Doherty, aber ein boshafter Nachbar hatte ihn Denis den Träumer genannt. Und diesen Namen wurde er nicht wieder los.

In seiner Kindheit hatte es in seinem Geburtsort Rinamona keine Schule gegeben. Aber seine ehrgeizige Mutter hatte eine Möglichkeit gefunden, ihrem Sohn Bildung zu ermöglichen. Sie schickte ihn zur Schule von Pulcanny, obwohl das einen Fußweg von drei Meilen hin und drei Meilen zurück bedeutete. Er besuchte die Schule regelmäßig, bis er vierzehn war. Und am Ende dieser Zeit konnte er nicht nur lesen und schreiben, sondern begann auch, ein klares Interesse an Literatur zu zeigen.

»Ich bin Ihnen sehr dankbar, Meister«, sagte seine Mutter eines Tages zum Lehrer. »Sie haben gute Arbeit bei Denis geleistet. Was wird das für ein Vorteil für ihn sein, wenn er älter wird und auswandern muss, im Gegensatz zu den armen Jungen, die kein Wort Englisch sprechen und nicht einmal ihren Namen schreiben können.«

»Er ist ein aufgeweckter Junge, Mrs Doherty«, sagte der Lehrer. »Es war ein Vergnügen, ihn zu unterrichten. Und er lernt wirklich gern. Sie werden noch froh darüber sein, dass Sie ihn in die Schule geschickt haben. Die Schule hat ihm seinen Weg vorgezeichnet, wenn ich mich nicht irre.«

Mit achtzehn ging Denis nach Schottland. Er fand Arbeit in Glasgow. Er wollte lieber in der Stadt arbeiten, um in die Bücherei gehen zu können. Es kam auch vor, dass er sich ein Buch kaufte. Nach vier Jahren kehrte er mit einer stattlichen Literatursammlung nach Hause zurück, inklusive der Gedichte von Robert Burns. Er fing an, zu Hause zu lesen. Die Nachbarn sagten, die Bücher würden ihm noch den Kopf verdrehen. Denis achtete nicht auf diese Unkenrufe. Er las weiter. Und je mehr er las, umso weiter entfernte sich seine Weltsicht von den Traditionen und Überzeugungen seiner heimatlichen Rosses. Die Menschen hier hatten keine Ahnung von Liebe. Bei ihnen beruhte die Ehe auf finanziellen Erwägungen anstatt – wie es sein sollte – auf Liebe und nur auf Liebe.

Denis unternahm mehrere Versuche, die jungen Männer von Rinamona zu seinem Glauben zu bekehren. »Das ist einfach nicht richtig«, sagte er dann, »so, wie die Leute in den Rosses das Leben sehen. Sie haben keine Ahnung von Liebe. Ein Mann kommt ins heiratsfähige Alter. Er hat ein Stück Land. Er hält Ausschau nach einer passenden Frau. Er bezieht allerlei Dinge in seine Überlegungen ein. Kann das Mädchen stricken und Wolle kratzen und spinnen? Wird aus ihr eine sparsame Hausfrau? Welche Mitgift hat sie wohl zu erwarten? … Aber so kann man doch nicht heiraten!«

»Es scheint aber gut genug zu funktionieren«, sagte dann irgendjemand.

»Es ist wider die Natur«, entgegnete Denis. »Zwei Menschen sollten ineinander verliebt sein, ehe sie heiraten. Alles andere spielt keine Rolle.«

»Aber vielleicht haben die meisten ja doch ein paar kleine Gefühle füreinander.«

»Wie um Himmels willen sollte das möglich sein? Es kommt schließlich oft genug vor, dass sich ein Mann bei dem ersten Mädchen, das er fragt, einen Korb holt. Was macht er dann? Er geht sofort zur Nächsten und macht auch ihr einen Antrag. Ja, und dann einer Dritten und einer Vierten. Denkt doch mal an Condy Nanny von drüben. Er hat sechs Mädchen gefragt, und alle sechs haben abgelehnt. Erst beim siebten Versuch hat eine angebissen. Eine ganze lange Winternacht hat er mit diesem Versuch zugebracht. Im Morgengrauen hat er die gefragt, mit der er jetzt verheiratet ist, und sie hat ihn genommen. Wo waren da wohl die kleinen Gefühle? Kann einer von euch mir das sagen?«

Aber Denis konnte niemanden bekehren. Tradition stirbt in den Rosses nur langsam. Die jungen Leute hatten kein Zutrauen zu Denis’ Philosophie über Liebe und Ehe. Wenn Denis glaubte, was er da sagte, warum ging er nicht mit gutem Beispiel voran? Warum verliebte er sich nicht in ein Mädchen und heiratete sie, ohne zu fragen, ob sie einen Schuh am Fuß und ein Hemd am Leib hatte?

Sie schienen nicht zu begreifen, dass das hier etwas war, das ein Mann nicht vorher planen konnte. Es müsste durch einen Zufall geschehen oder durch das Schicksal oder wie immer man das nennen wollte. Denis war bereit, sich zu verlieben. Sein Herz glich einem Pulverfass. Es fehlte nur noch die weiße Hand einer holden Maid, um es zu entzünden.

Selbst der beste Plan

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